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Sittenverluderung

Sind Medienanfragen inzwischen überflüssig? Oder das eisige Schweigen als Normalfall.

Das erste Mal begegnete ZACKBUM das Phänomen in geballter Form, als 78 Tamedia-Journalistinnen – nicht alle freiwillig – mit einem Protestschreiben an die Öffentlichkeit gelangten. Sie beschwerten sich über demotivierende, diskriminierende, sexistische und unerträgliche Zustände auf den Redaktionen.

Allerdings enthielt das Schreiben dermassen viele Ungereimtheiten, dass es dringlichen Bedarf nach Aufklärung gab. Da sich die 78 Unterzeichner als Kollektiv verstanden, machte sich ZACKBUM mehrfach die Mühe, allen umfangreiche Fragenkataloge zuzustellen, mit der Bitte um Beantwortung in reichlich bemessener Frist.

Die Reaktion bestand jeweils aus einigen automatischen Ferienabwesenheitsmeldungen und zwei, drei Reaktionen, dass man die Fragen nicht beantworten wolle. Ab dem zweiten Mal – denn es stellten sich immer mehr Fragen – gab es nur noch Abwesenheitsmeldungen und eine einzige genervte Antwort, dass man doch schonmal klargestellt habe, dass man nicht antworten werde. Schliesslich versuchte es ZACKBUM noch mit einem genauso offenen Brief wie die Protestierer – auch vergeblich.

Reaktion eines Journalisten auf eine Medienanfrage.

Das verblüfft insbesondere, weil man doch erwarten könnte, dass Frauen des Wortes, erprobt in journalistischen Praktiken, die Möglichkeit zur Stellungnahme gerne ergreifen würden. Aber nein, wilde Behauptungen aufstellen, sie mit anonymisierten und daher nicht überprüfbaren «Beispielen» unterfüttern, aber darüber keine Rechenschaft ablegen, das wurde wohl als seriöses und kompetentes Verhalten gesehen.

Auch «Fairmedia» ist weder fair, noch media

«Fairmedia» bezeichnet sich als «Kompetenzzentrum für Medienrecht». Abgesehen davon, dass es mit der Kompetenz so eine Sache ist: hier kann man doch als Selbstverständlichkeit erwarten, als gelebte Fairness, dass journalistische Anfragen beantwortet werden.

Erwarten kann man das schon, erleben nicht. Zunächst gibt es einmal sogar eine telefonische Reaktion. Anschliessend wird aber das Zitieren ausdrücklich untersagt. Dann gibt es noch einmal eine schriftliche Reaktion – und seither herrscht eisiges Schweigen auf Anfragen. So wollte ZACKBUM unlängst wissen, wie sich denn «Fairmedia» zum Entscheid des Gleichstellungsbüros positioniere, das dem Verein Netzcourage bereits zugesagte finanzielle Unterstützung abstellte, weil der Verein sich nicht an die Spielregeln beim Bezug von Steuergeldern gehalten habe.

Die Frage drängt sich auf, weil «Fairmedia» eine eigene Fanpage für Jolanda Spiess-Hegglin aufgeschaltet hat, wo man unter «Team Jolanda» Spendengelder abdrücken soll.

Aber da bleibt «Fairmedia» in aller Fairness einfach stumm. Genau wie die Interimspräsidentin von «Netzcourage» selbst. Sie ist zwar auf der Medienmitteilung mit E-Mail-Adresse angegeben und stünden für «weitere Auskünfte» zur Verfügung. Probiert man das allerdings aus, antwortet tiefes Schweigen.

Auch «Netzcourage» bleibt lieber stumm

Spiess-Hegglin selbst – ebenso wie ihre Anwältin – beantwortet ebenfalls keine Fragen. Aber immerhin, sie leistet sich den Scherz, die Fragen auf den sozialen Medien zu veröffentlichen; gespickt mit ein paar launigen Kommentaren (der Fragesteller sei «zackdoof» und «altersmässig eher Richtung Gnadenhof»). Damit bringt sie ihren damals noch reichlich vorhandenen Fanclub ins Hyperventilieren.

Aber genauso wie die plötzlich zurückgetretenen Vereinspräsidentinnen hält es niemand für nötig, auf höflich formulierte Fragen zu antworten. Immerhin im zweiten Anlauf bequemt sich dagegen SP-Medienstar Fabian Molina zu einer Antwort; nicht ohne darauf hinzuweisen, dass er «in der Tat auch noch anderes zu tun» habe, «als auf Ihre unqualifizierten Gehässigkeiten zu reagieren

Dabei wollte ZACKBUM nur von ihm wissen, ob er angesichts seiner Forderung, sofort 10’000 Afghanen in der Schweiz Asyl zu gewähren, selbst bereits sei, vielleicht zwei aufzunehmen. Diese Frage war weder unqualifiziert, noch gehässig.

Politiker, der einer Medienanfrage gewahr wird.

Ganz allgemein ist zu konstatieren, dass hier eine zunehmende Sittenverluderung stattfindet. Es gehört zu den Gebräuchen und ungeschriebenen Gesetzen, dass man auf Medienanfragen reagiert. Zumindest mit einem «pfeif dir eins, ich sage nix.»

Auch das Gegenteil gibt’s – kritisieren, ohne zu fragen

Handelt es sich um inhaltlich berechtigte Fragen, um die Gelegenheit, zu einer Kritik im kritisierenden Artikel selbst Stellung zu nehmen, wäre es fast obligatorisch. Denn umgekehrt gibt es immer mehr Beschwerden, dass Menschen oder Institutionen mit Anlauf in die Pfanne gehauen werden, ohne dass sie Gelegenheit hatten, dazu Stellung zu nehmen.

Gerade im Themenbereich Spiess-Hegglin greift das um sich. So veröffentlichte der «Republik»-Schreiber Daniel Ryser ein ellenlanges Stück über die angebliche «Vernichtungsmaschine» Tamedia, die sich vorgenommen habe, Spiess-Hegglin nach allen Regeln der schwarzen Kunst fertigzumachen.

In dem Artikel rempelte er auch mehrere, namentlich erwähnte Mitarbeiter von Tamedia an, von Oberchefredaktor Arthur Rutishauser abwärts. Nur: kein einziger der so Angepinkelten hatte Gelegenheit bekommen, zu Vorwürfen Stellung zu nehmen. Wohl nach der Devise: lass dir eine schöne Polemik doch nicht durch blöde Richtigstellungen kaputtmachen.

Warum Ryser dieses Vorgehen gewählt hatte, das einem Recherchierjournalisten unwürdig ist, hätte ZACKBUM gerne gewusst. Nur: Ryser reagierte nicht auf einen Fragenkatalog.