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Oh Mohr, du Mohr, du

Beim Tagi gibt’s keine Kontrollen mehr.

Das Abkratzen von Inschriften gehört zum guten Brauch der Sieger. Namen, die vorher in hohen Ehren standen, sind plötzlich in Ungnade gefallen. Weg mit ihnen.

Eine besonders absurde Variante findet gerade in Zürich statt. Das Wort des Anstosses ist «Mohr». Es gab schon ein Riesengebrüll, als sich ein Zuckerbäcker weigerte, das seit Jahrzehnten in seinem Betrieb hergestellte Naschwerk umzubenennen. Denn das hiess und heisst «Mohrenkopf». Furchtbar.

Weniger resistent erweisen sich uralte Inschriften an Zürcher Häusern. Da die Stadt keine wichtigeren Probleme hat, wurde beschlossen, diese schändlichen Begriffe abzukratzen. Nein, nicht ganz, die zivilisierte Nummer ist heutzutage, sie abzudecken. Damit keine empfindliche, vermutlich schwarze Seele Schaden nimmt.

Ein Mohr, der tanzt? Geht gar nicht.

Aber auch hier ist der Mohr resistent, vielleicht gar resilient. Denn gegen dieses Abdecken, was eine Baubewilligung braucht (aber keinen IQ-Test voraussetzt), seien Rekurse eingereicht worden, behauptete Stadtpräsidentin Corine Mauch. Aber das stimme gar nicht, musste sich nun das Stadtpräsidium korrigieren.

Der Tagi schreibt dazu: «Am letzten Mittwoch debattierte der Zürcher Gemeinderat über die von der Stadt geplante Abdeckung von zwei Häusernamen im Niederdorf, die das rassistische Wort «Mohr» enthalten».

Autor Beat Metzler räumt in seiner Selbstdarstellung freimütig ein: «Metzler begann seine journalistische Tätigkeit als ahnungsloser freier Mitarbeiter bei verschiedenen Zürcher Lokalzeitungen.» So weit, so ehrlich. Dann fährt er aber fort: durch die Arbeit im «Hintergrund» des Tagi habe sich «die Ahnungslosigkeit ein wenig gelegt».

Das täuscht. Denn das Wort «Mohr» war nicht rassistisch, als diese Inschriften angebracht wurden. Es ist’s auch heute nicht. Ein Blick in jedes beliebige etymologische Nachschlagewerk belehrt:

Mohr bezeichnete zunächst einen «Bewohner Mauretaniens (Marokkos), Äthiopiens», dann auch einen Menschen mit dunkler Hautfarbe, und ist eine Entlehnung aus lateinisch Maurus, «Bewohner der nordafrikanischen Provinz Mauretanien, Maure, Nordwestafrikaner».

Die Mohren oder Mauren waren in Spanien bis zur Reconquista leuchtende Vorbilder an Zivilisation, Toleranz und Aufklärung. Wer auf Spanisch «moros y cristianos» verspeist, ist keinesfalls ein Kannibale, sondern futtert (schwarze) Bohnen mit (weissem) Reis.

Irrtum eins all dieser Sprachreiniger ist, dass man durch das Ausmerzen angeblich rassistischer Begriffe Rassismus bekämpfe. Irrtum zwei ist, historische Begriffe aus dem Zusammenhang zu reissen. In früheren Zeiten waren die Bezeichnungen Weib oder Dirne für ehrbare Damen reserviert. Wer also aus einem zeitgenössischen Stück das Wort Weib entfernen oder ersetzen will, ist schlichtweg ein Dummkopf.

Gleich ihm ist ein Dummkopf, wer alte Hausinschriften verbergen will. Irrtum drei besteht darin, dass nicht das Wort selbst, sondern sein Gebrauch rassistisch sein kann. Man kann Mohr als respektvolle Bezeichnung verwenden, Schwarzer hingegen als abwertende Bezeichnung. Ein Weisser kann jemand sein, der über seine Hautfarbe beschrieben wird. Oder aber, der Begriff wird für einen arroganten postkolonialen Europäer gebraucht, der sich durch seine Herkunft dunkelhäutigen Menschen überlegen fühlt.

Dennoch bleibt ein Weisser ein Weisser. Ein Schwarzer bleibt schwarz, ein Afroamerikaner bleibt’s ebenso. Wer an die Hautfarbe rassistische Vorurteile knüpft, dem ist es völlig egal, wie die bezeichnet wird. Aber Ahnungslose wie Metzler fallen immer wieder auf Narrative rein und fühlen sich auf der richtigen Seite der Sprachpolizei. Ohne zu merken, wie bar jedes Wissens das ist. Man könnte sich darüber schwarzärgern, wenn das in einer politisch korrekten, blutleeren Sprache erlaubt wäre.