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Zwei Flughöhen

Vielleicht sollte Reza Rafi keine Editorials mehr schreiben.

Wir besichtigen den Tatort. Er verteilt sich auf zwei Schauplätze. Zunächst dieser hier:

Als hätte Rafi nicht ausgiebig, häufig und unter der Gürtellinie gegen Fremdenfeinde, Rassisten, Isolationisten, gegen die Feinde alles Kulturfremden, mit einem Wort gegen die SVP gewäffelt. Aber vielleicht ist das nun seine Abbitte.

Allerdings beginnt er etwas dunkel: «Unser nördliches Nachbarland darf kein zweites Frankreich werden.» Leider löst er auch in seinem Editorial nicht auf, wodurch Deutschland denn zu einem zweiten Frankreich werden könnte, und was dann los wäre.

Aber gut, er repetiert die Bluttat von Solingen und erklärt dem ungebildeten Leser, was der Duden unter dem Wort Schock versteht. Vielen Dank dafür. Dann rhabarbert er Bekanntes: «Es ist die Vielfalt der westlichen Länder, von denen Fundamentalisten profitieren.» Phänomenale Erkenntnis. Schliesslich erinnert er den Staat an seine wichtigste Aufgabe:

«Bevor wir über Themen wie Gleichberechtigung, Kulturförderung, Kindererziehung oder Datenschutz debattieren können, müssen wir die Gewissheit haben, dass im Café, am Bahnhof oder an der Chilbi kein Irrer mit dem Messer auf uns losgeht

Leider, leider: diese Gewissheit kann kein Staat garantieren. Also was soll das dann? Auch die nächste Erkenntnis von Rafi ist Geeiertes: «auf der einen Seite zieht eine mit Blindheit geschlagene Szene jeweils reflexartig «gegen rechts» durch die Strassen. Auf der anderen Seite lauern Putin-Parteien wie AfD oder «Bündnis Sahra Wagenknecht», die bei den Wahlen in Thüringen und Sachsen nächsten Sonntag ein glanzvolles Resultat erwarten.» Putin-Parteien wie AfD oder BSW? In welcher Welt lebt der Mann?

Aber der Platz eines Editorials ist beschränkt; so wie der Inhalt. Deshalb muss er sich in die Schlusskurve legen. Und was macht  ein Chefredaktor eines Blatts, das ganz sicher nicht in deutschen Regierungskreisen gelesen wird? Er erteilt Ratschläge: «Bundeskanzler Olaf Scholz hat gestern angekündigt, mit «aller Härte des Gesetzes» gegen den Terror vorzugehen. Er wäre gut beraten, nicht bloss Lippenbekenntnisse von sich zu geben

Gut beraten, diese Worthülse hat sich Rafi von seinen deutschen Kollegen abgeschaut. Und welchen Ratschlag hat er denn auf Lager:

«Gefragt sind eine strikte Einwanderungspolitik, die erfolgreiche Integration aller Migranten und die Repression jeglichen Gewaltpotenzials.»

Oh je, «die erfolgreiche Integration aller Migranten», und alle Menschen werden Brüder, bevor wir ins irdische Paradies ziehen.

Ganz anders der zweite Tatort:

Hier nimmt Frank A. Meyer mit dem Zweihänder und der feinen Klinge (verbal, nur verbal!) einen seiner Lieblingsfeinde auseinander. Wobei er geschickt über die Bande spielt und den Namen des Aufgespiessten nicht einmal nennt. «Im Fall des Schweizer Publizisten Nachsicht zu üben, verbietet sich, nur seinen Namen zu nennen, wäre schon zu viel der Ehre.»

Was hat der Publizist – wir lehnen uns etwas aus dem Fenster und behaupten, dass sein Nachname mit K beginnt und mit l endet – denn getan? Er habe die Identifikation mit der westlich-amerikanischen Weltordnung als Verhalten von Sklaven bezeichnet. Zudem habe er gesagt: «Beim Thema der westlichen Wertegemeinschaft geht mir in der Hose das Sackmesser auf.»

Da hat der Ungenannte mal wieder einen rausgehauen, und das tat er nicht ungestraft:

«In der freien und offenen Gesellschaft des Westens, unter dem militärischen Schutzschirm der USA, wettern Maulhelden gegen die Nation, die ihnen das Wettern überhaupt erst möglich macht – Beschimpfung, Polemik und Beleidigung gegen die Garanten einer Freiheit, der man sich bedient, um zu beschimpfen, zu polemisieren, zu beleidigen

Dann erreicht Meyer, man macht sich Sorgen über seinen Blutdruck, denn er ist nicht mehr der Jüngste, seine Betriebstemperatur: «Der amerikafeindliche Reflex ist nicht neu. Die USA, eine mit vielen Fehlern behaftete Freiheitsmacht, steht seit je unter politischem Beschuss von Rechts- und Linksextremisten, die zu unterscheiden sich letztlich erübrigt. Es genügt die ebenso volkstümliche wie historische Einsicht: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich

Das nennt man eine rechte (oder linke) Gerade, voll auf die Zwölf. Leider überbeisst Meyer dann, indem er auf einen dunklen Fleck auf der gar nicht weissen Weste der USA hinweist, den Vietnamkrieg, der für seine Generation traumatisch und politisierend war. Aber er fährt mit der Frage fort, was denn wohl wäre, hätten damals die USA (die kaum ein Kriegsverbrechen ausliessen und deren General Westmoreland angesichts der drohenden Niederlage nur mühsam davon abgehalten werden konnte, Atomwaffen einzusetzen), hätten also damals die USA gesiegt?

«Vietnam wäre heute eine freie Gesellschaft, wie Südkorea, wie Taiwan, wie Japan. Es wäre Teil der westlichen Wertesphäre.»

Das ist eine mehr als kühne These, das ein letzter Triumph kolonialistischen Verhaltens diese Wirkungen gehabt hätte. Würde Meyer vielleicht einen Blick auf den Irak werfen, wo die USA bekanntlich gesiegt haben, würde er nicht so einen Unsinn verzapfen.

Aber abgesehen von diesem kleinen Ausrutscher ist das wenigstens eine Polemik auf Niveau, gnadenlos, konsequent formuliert und den Herrn, der leider zu oft schneller schreibt, als er denkt, mit wenigen Handgriffen in den Senkel stellend. Das nennt man Niedermachen vom Feinsten, durchaus auf ZACKBUM-Niveau.

Also hier ein Tadel für Rafi, ein Lob für Meyer.

 

Faktencheck: Neutralität

Wieso blieb die Schweiz bei der Invasion im Irak neutral?

Es war völkerrechtswidrig, es erfolgte unter Vorspiegelung falscher Tatsachen (Massenvernichtungswaffen), es führte ins Desaster. Völlig richtig, unter Wahrung ihrer Neutralität, wurde die Schweiz beim Überfall auf den Irak nicht Partei.

«Die Neutralität der Schweiz ist uneingeschränkt, absolut.» Das konnte noch der damalige Chefredaktor der NZZ im Oktober 1939 ohne rot zu werden schreiben. Denn es stimmte, und es trug dazu bei, dass die Schweiz aus dem Zweiten Weltkrieg weitgehend unbeschadet hervorging.

Auch damals gab es Kräfte, die aus moralischen oder ideologischen Gründen eine Parteinahme der Schweiz befürworteten. Entweder an der Seite Hitlerdeutschlands oder an der Seite der Alliierten gegen die Faschisten.

Die ewigwährende, 1815 zum ersten Mal international anerkannte bewaffnete Schweizer Neutralität ist logischerweise immer wieder Zweifeln ausgesetzt. Ist das nicht feiges Ausweichen? Ist das nicht indirekte Legitimierung von Greueln, Untaten, Unrechtsstaaten, kriegerischen Handlungen? Rosinenpickerei, unter dem Deckmantel der «guten Dienste» und des neutralen Verhandlungsorts wird doch über die Schweiz Handel betrieben, der anderswo von Sanktionen beschränkt wird.

Heutzutage extremer denn je; obwohl auch die Schweiz über diskrete Handelshäuser verfügte und verfügt, machte es erst die Globalisierung und das Internet möglich, dass zum Beispiel 80 Prozent des Rohstoffhandels über die Schweiz abgewickelt wird.

Die gleichen Fragen, die schwierigen Antworten

Also stellen sich heute wie damals die gleichen Fragen. Ist Neutralität verhandelbar? Ist sie ein Deckmäntelchen für unappetitliche Geschäfte? Ist es, in einem Wort, das Verhalten eines Krisen- und Kriegsgewinnlers?

Das alles sind Fragen, die wie meistens in der Welt keine einfachen Antworten finden. Im Zweiten Weltkrieg gab es Versagen der Behörden, ohne Zweifel. Vielleicht hätte man mehr Juden retten könne. Vielleicht hätte man das Überleben der in die Schweiz Geretteten damit gefährdet. Im Nachhinein ist es immer wohlfeil, mit dem erhobenen moralischen Zeigefinger zu wackeln.

Vielleicht hätte man sich gegenüber nachrichtenlosen Vermögen anständiger verhalten können. Alles Konjunktiv.

Indikativ ist, dass es eine Neutralität gibt, die genau das bedeutet, was das Wort aussagt. Weder noch. Nicht die einen, nicht die anderen. Mit nichts gemein machen. Weder mit dem unbestreitbar Guten, noch mit dem verabscheuungswürdigen Schlechten.

Die dünne rote Linie ist deutlich und unbestreitbar vorhanden. Verurteilung der völkerrechtswidrigen, vertragsbrüchigen, kriminellen Invasion der Ukraine, die durch nichts zu rechtfertigen ist. Sicherlich nicht durch eine Entnazifizierung einer Regierung, deren Präsident jüdischen Glaubens ist, sicher nicht durch die Verhinderung eines angeblichen Genozids, der aus hässlichen lokalen Übergriffen besteht.

Verurteilung, auch mit scharfen Worten: unbedingt, ja. Übernahme von Sanktionen einer Organisation, der die Schweiz nicht angehört? Übernahme von EU-Sanktionen, die – wie nicht der Fall Nordstream 2 zeigt – in der Schweiz unübersehbare Folgenwirkungen haben? Übernahme von Sanktionen, die opportunistisch das einzige Gebiet ausklammern, dass Russland echt und schnell wehtun könnte, nämlich den Gas- und Erdölhandel?

Was nützen Schweizer Sanktionen

Wieso ist es möglich, dass eine Schweizer Landesregierung im Gegensatz zu all ihren Vorgängern sich von politischen und medialen Maulhelden, plus vom üblichen wohlfeilen Druck aus dem Ausland, dazu flachklopfen lässt, ein Prinzip über Bord zu werfen, dass der Schweiz seit mindestens 1815 durchaus gute Dienste geleistet hat?

Die Übernahme der Sanktionen kratzt vielleicht ein paar russische Oligarchen, die sich nicht rechtzeitig einen EU-Pass besorgt haben (was nebenbei auch sanktioniert werden soll; Konjunktiv, kein Zeitrahmen). Einige Banken werden Kunden verlieren, einige Investoren in Russland-Fonds werden ihr Geld abschreiben können. Diverse Firmen, die Handel mit Russland betrieben, werden in existenzielle Probleme geraten, ihr Mitarbeiter entlassen müssen, als Steuerzahler ausfallen.

Den Maulhelden ist alles egal

Das ist all den Maulhelden in ihren mit russischem Gas beheizten Stuben völlig egal. Der gehobene Mittelstand steckt auch weg, wenn ein Liter Benzin oder Diesel 3 Franken  kosten wird. Die Ärmeren, die auf ihr Auto angewiesen sind, die stecken das nicht so leicht weg. Ist den Maulhelden egal.

Firmen werden zusammenbrechen und Mitarbeiter entlassen. Ist den Maulhelden egal. Die Mitarbeiter haben für eine Schweizer Firma gearbeitet, nicht für Putin. Egal. Die Schweiz begibt sich der Möglichkeit, als neutraler Vermittler auftreten zu können und damit einen wirklichen Beitrag zur Befriedung zu leisten. Egal.

Dass sich die Schweiz den weitgehend windelweichen EU.-Sanktionen anschliesst, wird Russland nicht mal als Laus im Pelz wahrnehmen. Dass die Schweiz nicht mehr neutral ist, das schon.

Afghanistan: ja, man kann

Maulhelden fordern und kritisieren. Aber es gibt auch wenige, die handeln.

Im Elendstal des Verrats an allen fortschrittlichen Afghanen gibt es eine Riege von Maulhelden, die nicht müde werden, absurde Forderungen aufzustellen. Man sollte, man müsste, sofort, 10’000 Afghanen, Unterstützung, Blabla.

Ein Traumtänzer wie der SP-Nationalrat Fabian Molina entblödet sich sogar nicht mal, die Auflösung der NATO zu fordern, weil die an den Zuständen in Afghanistan schuld sei.

Begleitet wird das Affentheater vom dröhnenden Schweigen aller frauenbewegten Stimmen. Unerträgliche Zustände fast wie unter den Taliban bei Tamedia kritisieren. Das Kleinstproblem Femizid in der Schweiz zu einem schlecht recherchierten und geschriebenen Artikel aufblasen. Gerne die Burka des Schweigens über den Blödsinn legen, den bewegte Frauen wie Tamara Funiciello anlässlich der Abstimmung über das Burkaverbots in der Schweiz abgesondert haben.

Aber sonst? Nichts, nada, null. Eigeninitiative, konkrete Hilfe, wenigstens der Versuch dazu? Selten hat sich eine Bewegung so erbärmlich-ärmlich gezeigt wie die der angeblichen Verteidiger von Frauenrechten gegen Sexismus, Unterdrückung, männliche Herrschaft.

Aber immerhin, es gibt einen kleinen Lichtblick. ZACKBUM räumt ein, dass wir auch nicht mehr recht daran geglaubt haben. Aber wir haben uns gerne eines Besseren belehren lassen:

Das ist mal eine gute Nachricht.

Es ist ein Zusammenschluss eines kunterbunten Strausses von Organisationen, es war ein kühner Plan, es gab Hindernisse so hoch wie der Himalaya zu überwinden. Es handelt sich auch nicht um 10’000 Afghanen, die hier gerettet wurden.

«Fast hätten wir selbst nicht mehr daran geglaubt, doch gestern Nacht konnten wir 189 Menschen in Bussen mit amerikanischer Unterstützung über zahlreiche Check-Points in den Kabuler Flughafen bringen. Von dort wurden sie mit einer Militärmaschine der USA ausgeflogen und warten derzeit in Doha und Riad auf die Weiterreise.»

ZACKBUM ist stolz darauf, mit der Überzeugung, dass das nie funktionieren wird, aber eine so konkrete Aktion Unterstützung verdient, mit einer Spende einen kleinen Beitrag dazu geleistet zu haben. ZACKBUM ist stolz darauf, sich für den ehemaligen BBC-Bürochef von Kabul einzusetzen, der in die Schweiz geflüchtet ist und dem es gelungen ist, seine Familie zumindest vor dem direkten Zugriff der Steinzeit-Fanatiker in Sicherheit gebracht zu haben.

All das gibt keinen Auftritt in der «Tagesschau» oder in den Schweizer Medien, die jede noch so absurde Forderung von Maulhelden kolportieren. Aber besser, 189 Menschen retten, besser, eine Familie retten, als in aller Peinlichkeit mit sinnlosen Forderungen öffentliche Aufmerksamkeit zu erzielen. Besser das, als Windmacher zu sein. Besser das, als dumpf zu schweigen.