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Neues vom Qualitätsjournalismus

«Prawda»-Bärtschi ist unermüdlich.

Sein grauenhafter Kommentar «Weichenstellung für den unabhängigen Qualitätsjournalismus» hat gute Chancen, als schlimmste Fehlleistung des Jahres an das Schandmal der höchsten Peinlichkeit genagelt zu werden.

Darüber hat es der Oberchefredaktorin Raphaela Birrer offenbar die Sprache verschlagen. Der gröbste Kahlschlag aller Zeiten in ihrer Redaktion, der dummdreiste Kommentar von Bärtschi, wäre es nicht angebracht, dass die oberste Redaktionsleitung mal einen Ton sagt? Ihrer Rumpfmannschaft Mut zuspricht, vielleicht gar gelinde Kritik übt? Aber doch nicht Birrer; dazu bräuchte es Rückgrat …

Die von Bärtschi publizistisch geleiteten Frauen und Männer von Tamedia, durch seine träfen Worte zu höchster Leistung und grandioser Motivation angestachelt, beschäftigen sich vornehmlich mit der Frage: trifft es mich oder trifft es dich beim nächsten Rausschmeissen zur Steigerung der Qualität?

Nebenher blubbern sie noch so etwas wie Artikel raus. Dabei begeben sie sich auch mal ins Reich des Raunens, der Andeutungen, der Leserverwirrung:

Die beiden Recherchiercracks Catherine Boss und Oliver Zihlmann machen etwas Originelles. Sie gehen mit einer unvollendeten Story an die Öffentlichkeit. An der ETH gebe es Vorwürfe «gegen einen renommierten Professor». Worum es allerdings genau geht, das zu beschreiben «verbietet das Bezirksgericht Zürich auf Antrag des Professors hin», wie es in leicht holprigem Deutsch einleitend heisst.

Qualitätsjournalismus würde bedeuten, dass man halt noch solange wartet, bis dieses Hindernis aus dem Weg geräumt ist. Aber doch nicht im Qualitätsblatt Tagi. Da wird nur etwas von «unangemessenem Verhalten» gemurmelt.

Dafür wird gleich eine Kampagne draus gemacht:

Und noch einer:

Da darf natürlich die selbsternannte Feministin nicht fehlen, die zwecks Gleichberechtigung die Offenlegung der Löhne fordert, nur nicht des eigenen. Also plappert Kerstin Hasse:

Ausser dieser wohlfeilen Forderung hat sie eigentlich nichts zu bieten. Denn sie kritisiert, dass Personen, die einen Vorgesetzten anschuldigen, ihre Anonymität aufgeben müssen. Andererseits räumt sie ein: «Gleichzeitig muss sich ein kritisierter Vorgesetzter auch gegen Vorwürfe wehren können. Und das kann er nur, wenn er weiss, worum es geht.» Das war beim via Spiess-Hegglin an die Öffentlichkeit durchgestochenen Protestbrief von erregten Tagi-Frauen, zu denen allerdings Hasse nicht gehörte, anders. Sie unterzeichneten zwar mit Namen, aber alle angeführten Beispiele von angeblichen sexistischen Belästigungen erfolgten anonym, wodurch kein einziger verifiziert – oder falsifiziert werden konnte.

Wohlgemerkt: es handelt sich hier um bislang nicht bewiesene Anschuldigungen von anonymen Denunziantinnen, während der Beschuldigte sagt, dass nichts davon zutreffe. Theoretisch würde da die Unschuldsvermutung gelten, aber wenn man gerne endlich mal wieder «Skandal» quäken möchte, kann man sich um solchen Pipifax doch nicht kümmern.

Nutzwert, Ratgeber, Leserbedürfnis, hat wahrscheinlich die publizistische Leiter nach unten gemurmelt, voilà, sagt die Redaktion:

Allerdings übersteigen solche Höchstleistungen im Banalen ihre Leistungsfähigkeit (wahrscheinlich nicht herzhaft gefrühstückt, die Sparrunde ist auf den Magen geschlagen). Also muss Johanna Adorján ran, die ihr Frühstück bei der «Süddeutschen Zeitung» verdient.

Noch mehr Nutzwert? Aber bitte:

Das Beste an dieser Ansammlung von Banalitäten: sie ist hausgemacht, Matthias Schüssler ist (noch) auf der Payroll von Tamedia.

Aber auch auf höchster Ebene nimmt man sich eines brennend aktuellen Themas an, das die Mehrheit der LeserInnen* dort abholt, wo sie nicht sind:

Denn der Tagi wüsste ja nicht, was er ohne die «Tages-Anzeigerin» machen würde. Hier blödeln Annik Hosmann und Kerstin Hasse als «Host» (was immer das sein mag), während Sara Spreiter die Produzentin macht. Daraus entstehen über 31 Minuten Gequatsche, die man problemlos als Folterinstrument verwenden könnte. Da gesteht jeder alles, wenn man es nur abschaltet.

Der SZ-Journalist Martin Wittmann hat ebenfalls den Blick fürs Wesentliche:

Das ist eine Frage, die unbedingt einmal beantwortet werden musste. Sozusagen mit einem Griff ins Klo.

Einen neuen Gipfel des Bauchnabeljournalismus erklimmt Nadine Jürgensen:

Selten, aber möglich: TA-Korrespondent Fabian Fellmann schafft es sogar in die SZ, allerdings auch in den Tagi. Aber während die Münchner noch gedämpft den Titel setzen «Trump entweiht die Gräber», haut das Qualitätsorgan von der Werdstrasse einen raus:

Echt jetzt, so weit geht der schon? Hat er nun doch einen erschossen, was ihm nicht schaden würde, wie er mal sagte? Nicht ganz, Donald Trump hat sich bei einem Besuch des Soldatenfriedhofs Arlington filmen lassen, was dort nicht erlaubt ist. Aber Qualitätsjournalismus heisst dann, daraus einen richtigen Brüller als Titel zu zwirbeln.

Und dann gibt es noch die qualitativ herausragende Kolumne von Ronja Fankhauser: «Ich will nicht, dass Roboter Gedichte schreiben». Wenn kümmert’s, hört ja auch niemand auf die Tagi-Leser, die nicht wollen, dass Fankhauser Kolumnen schreibt. Aber deren Inhalt, ZACKBUM hat nach dieser Galerie des qualifizierten Grauens ein Einsehen, ersparen wir unseren Lesern. Auch die sind keine Übermenschen.

 

 

 

Schon wieder ein Scharfrichter

Ein Digitalredaktor sieht rot (oder schwarz oder blau).

Matthias Schüsslers Welt sind normalerweise Neuigkeiten aus den Weiten der IT, er schreibt über Gadgets, Computer und alle wichtigen digitalen Fragen des Lebens.

Nun aber ist er persönlich angefasst, und wenn das einem Redaktor passiert, dann darf er allen Lesern ins Hemd heulen. Hier in Form einer «persönlichen Analyse». Das ist eine interessante Formulierung. Eigentlich ist’s ein Kommentar, und analytisch ist nicht viel.

Aber natürlich sagt man im vornehmen Tamedia-Speak nicht «ich bin angepisst». Obwohl man es so meint. Was hat denn nun den Zorn des Schüssler erregt? Nun, Bad Boy Elon Musk, der ja schon einiges getan hat, um Twitter zu xen, hat einen Tweet, ähm, ein X rausgelassen:

Hier beklagt er sich, dass die Werbeeinnahmen von X um 60 Prozent gesunken seien. In erster Linie wegen seines erratischen Verhaltens. Nein, Scherz, ein Autist sieht das nie so. Das sei durch Druck von ADL geschehen («das sagen uns die Werbetreibenden»). ADL ist die Anti-Defamation League, eine 1913 gegründete US-Organisation, die sich gegen Diskriminierung und Diffamierung von Juden einsetzt.

Auf Nachfrage fügte Musk noch hinzu:

Nun ist die ADL eine mächtige Lobby-Gruppe, die zudem nicht ganz unumstritten ist, um es vorsichtig auszudrücken. Ihr wird vor allem vorgeworfen. jede Kritik an Israel als antisemitisch zu brandmarken.

Das kam nun bei Schüssler gar nicht gut an: «Bei diesem einen Tweet von Twitter-Chef Elon Musk kam mir die Galle hoch.» Und wem die Galle hochkommt, der ergiesst sich in die Zeitung:

Offenbar ist Schüssler die Galle ganz, ganz weit nach oben gestiegen, hat das Hirn erfasst und seine «Gefühlslage» schwer beeinträchtigt. Er unterstellt also Musk, dass der die Behauptung, Werbekunden hätten ihn so informiert, erfunden und erstunken und erlogen habe. Daraus schlussfolgert er gallig, dass sich Musk des Juden als Sündenbock bediene. Womit er schnurstracks wo, natürlich, beim Nationalsozialismus gelandet wäre. Oder kurz: Musk bediene sich nationalsozialistischer Propaganda-Stereotype. Hoppla.

Es wäre nun ein journalistisches Vorgehen gewesen, Musk mit der Frage zu konfrontieren, ob er seine Behauptung belegen könne. Aber doch nicht Schüssler in seiner «persönlichen Analyse». Da würden solche berufsethischen Grundbegriffe wie «Konfrontation des Angeschuldigten mit der Kritik» nur stören.

Also droht Schüssler nun mit Rache. Wenn’s richtig blöd läuft, wird sich Musk dann demnächst darüber beschweren, dass X weiter den Bach runtergeht, weil Schüssler den Stab darüber gebrochen hat. Denn der will nun «Nutzerinnen und Nutzer» abzügeln, Musk direkt widersprechen und möglichst viele Nutzer (aber auch -innen, Non-Binäre, Queere und alle Diversen) sollten ausschliesslich dem Account @AuschwitzMuseum folgen.

Das kann sicher nicht falsch sein. Aber ist sich der persönlich analysierende Schüssler eigentlich bewusst, dass er damit Musk nicht nur in die Nähe des Nationalsozialismus, sondern auch noch des Holocausts rückt?

Unglaublich, was bei Tamedia unter weiblicher Leitung alles möglich ist. Ein Amok will darüber entscheiden, welche Bilder aus der Bührle-Sammlung zu entfernen seien. Ein anderer will Rammstein-Konzerte verbieten. Und jetzt will einer Musk an den Karren fahren, weil der angeblich Nazi-Stereotype verwende und in die Nähe des Holocaust gerückt werden müsse.

Wie sagten Asterix und Obelix, die tapferen Gallier, so richtig: die spinnen, die Römer. Würden sie heute leben, würden sie den Begriff Römer ersetzen.