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Ach, Supino

Der Tx-Boss macht sich wieder lächerlich.

Es ist noch nicht so lange her, dass Pietro Supino unter strikter Beachtung der Trennung von Verlag und redaktionellem Inhalt im Tamedia-Kopfblattsalat das Wort ergriff und für die Ablehnung des Referendums weibelte, das den Verlegerclans die schon sicher geglaubte Steuersubventionsmilliarde vor der Nase wegzog.

Dass Tx fast gleichzeitig eine Sonderdividende ausschüttete und den milliardenschweren Zusammenschluss seiner Handelsplattformen mit Ringier bekannt gab, hatte dabei sehr geholfen.

Nun hält er in den gleichen Organen ein 17’000 A schweres «Plädoyer für eine aufgeklärte Medienpolitik». Nicht zu vergessen, dass er damals den Untergang der kontrollierenden Vierten Gewalt an die Wand malte, sollte sie keine Staatssubventionen in Milliardenhöhe kriegen. Der Mann kennt kein Schamgefühl.

Denn jetzt schreibt er: «Die Aufgaben der SRG … liessen sich mit 200 Franken Gebühren pro Haushalt erfüllen.» Er ist also für die Halbierungs-Initiative. Bis er zu diesem Schluss kommt, eiert er Tausende von Buchstaben lang um die Bedeutung der Medien für die Demokratie herum, als habe er eine Schnupperlehre bei der «Republik» absolviert.

Er holt bis ins 19. Jahrhundert aus, erklärt nochmal Banalitäten wie die veränderten technologischen Möglichkeiten der Newsdistribution. Und bläst in die grosse Trompete: «Unabhängige Medien sind wichtig für das Funktionieren des demokratischen Gemeinwesens.» Im Gestus tiefsinniger Bedeutung Flachheiten absondern, das ist sonst nur Politikern eigen.

Er versteigt sich sogar dazu, Thomas Jefferson zu zitieren, und den englischen Verleger Lord Northcliff. Hübsch versteckt in diesem Brimborium ist sein Kernsatz:

«Angesichts dieser Realität ist der vom Parlament beschlossene Ausbau der indirekten Presseförderung von existenzieller Bedeutung für die Zukunft der gedruckten Zeitung

Kleiner hat er es dabei nicht: «Es stehen die Errungenschaften der Aufklärung auf dem Spiel.» Wenn es nicht neuerlich Staatsknete gibt, obwohl der erste Versuch abgeschmettert wurde. Nun fürchtet er bei der Wiederholung eine neuerliche Klatsche.

Dann schreibt er sich noch in eigener Sache um Kopf und Kragen: «Die Forderung, dass der damit erzielte Gewinn zur Querfinanzierung rückläufiger oder gar unrentabler Aktivitäten eingesetzt werden sollte, ist nicht überzeugend.»

Im Gegenteil. Es ist nicht überzeugend, dass Supino seinem Stammblatt die Einnahmequellen der Stellen- und anderes -anzeiger wegnahm, die nur durch den Tagi gross geworden sind, dazu «20 Minuten» in ein eigenes Profitcenter auslagerte, weil es immer noch  ertragreich ist. Und die restlichen Medien ins Elend stiess, denn auch Tagi & Co. müssen seine sportlichen Renditevorstellungen erfüllen.

Das geht nur mit runtersparen, rausschmeissen, grosse Teile des Inhalts aus München übernehmen. Mit dem Verkauf von Blättern, die für mehr Geld weniger Content liefern. Dafür hat er sich mit dem Quartet Jessica Peppel-Schulz, ihrem plappernden Avatar, dem Kommunikationsgenie Simon Bärtschi und der farblosen Raphaela Birrer eine Mannschaft geholt, die das Ziel, Aufgabe der Printherstellung, sicher erreichen wird.

Das ist die Realität, alles andere ist Nonsens.

Aber er hat noch mehr Gejammer auf Lager: «Die globalen marktmächtigen Plattformen betreiben ihr Geschäft mit journalistischen Inhalten, die sie von regionalen und nationalen Medienanbietern übernehmen, ohne dafür zu bezahlen.»

Das tun sie deswegen, weil die Verlage zu blöd sind, dafür ein ausreichendes Entgelt zu verlangen. Sie träumen von grösseren Reichweiten, haben aber keine Erklärung, was ihnen das bringen soll. Sie sind insbesondere in der Schweiz so blöd, sich über 80 Prozent der Erträge des Online-Marketings von den Plattformen Google, Facebook und Amazon wegnehmen zu lassen.

Statt sich mit Google-Ads vollklatschen zu lassen und dafür ein Trinkgeld zu kassieren, hätten Verlagsführer wie Supino so in den letzten 15 Jahren vielleicht mal eine Idee haben können, wie man das ändert. Den Middle Man ausschaltet, der sich in der normalen Distributionskette von Herstellung zum Konsumenten vielleicht maximal 10 Prozent abschneidet. Aber sicher nicht 80.

In seinem «Fazit» sorgt Supino nochmals für grosse Heiterkeit: «Die Medienbranche ist mit enormen Herausforderungen konfrontiert. Sie wird sich weiter fundamental ändern, aber aus Nutzersicht besteht kein grundlegendes Angebotsproblem.»

Aus Nutzersicht der zahlenden Konsumenten der papierdünnen Inhalte seines Hauses besteht allerdings ein grundlegendes Problem. Wieso sollen sie für diesen Dünnpfiff immer mehr bezahlen? Was ist die geldwerte Leistung? Selbst die Migros, in schweren Turbulenzen, käme nie auf die Idee, ein halbes Gipfeli für mehr Geld als zuvor ein ganzes anzubieten. Und das mit «Fokussierung, Qualitätssteigerung, noch näher an den Bedürfnissen des Konsumenten» schönzuschwatzen.

Statt wenigstens eine brauchbare Digitalstrategie zu entwickeln, wurden Bruchpiloten wie Mathias Müller von Blumencron geholt, der nach einer abgekupferten Flop-Idee und viel heisser Luft wieder das Weite suchte. Genau wie der AD, der das verunglückte Redesign des Internet-Auftritts verbrach.

Supino selbst profitiert davon, dass er als Mitglied des Coninx-Clans unkaputtbar ist. Und sich seine vor dem nächsten Rausschmeissen fürchtende Redaktionen nicht trauen, ihm zu sagen, dass er seinen Stuss doch bitte wenn schon als bezahltes Inserat unter die Leute bringen soll. Denn selbstverständlich dürfe auch der Big Boss eine Meinung haben und die auch so länglich absondern, wie es ihm drum ist. Aber Geld genug hätte Supino, sich dafür ein Inserat zu leisten.

Im Tagi kostet eine Doppelseite schlappe 43’560 Franken. Bei einem Jahreseinkommen (inkl. Bonus) von 7,5 Millionen wären das aufgerundet 7 Prozent eines Monatsgehalts. So viel sollte ihm seine Meinung doch noch wert sein. Dazu käme noch, dass er seinen Organen einen Reputationsschaden ersparte, wenn sie nicht einfach «his master’s voice» publizieren müssten.

Der Treppenwitz dabei: einen Tag, bevor der Deutschschweizer Verlegerverband eine Einigung mit der SRG bekannt gab und offiziell verkündete, dass er gegen die Halbierungsinitiative sei, veröffentlichte Supino sein Pamphlet, dass er dafür sei. Um diese Einigung wissend. Das nennt man einen veritablen Blattschuss. Dabei ist Tx Mitglied bei «Schweizer Medien». Noch. Das nennt man kompetente Vereinspolitik. Oder einfach: wie blöd ist das denn.

Aber immerhin wurden damit nicht die schlappen 32 Seiten des Print-«Tages-Anzeiger» gefüllt, für die das Blatt stolze Fr. 4.60 heuschen will. Was immer weniger Leser zu zahlen bereit sind, wie die Auflage beweist …

Tx steht wohl für «täglich ein X für ein U vormachen.» U wie unfähig.

Kollektive Dummheit

Raumschiff Redaktion Tamedia: völlig losgelöst von der Erde …

Besteht die Redaktion des ehemaligen Qualitätsblatts «Tages-Anzeiger» ausschliesslich aus kleinen Major Toms? Wohl schon deswegen nicht, weil nicht einmal die sogenannte Kulturredaktion David Bowie noch kennt.

Aber Schmerz beiseite: wie bescheuert kann man denn sein? Bevor sich da jemand auf die Hinterbeine stellt und in typischer Realitätsblindheit fragt, wie ZACKBUM denn auf eine so beleidigende Frage käme: dagegen setzen wir zwei Zahlen.

78’107 und 213’738. Das ist nicht die Entwicklung des Gehalts der Chefredaktion zwischen 2008 und heute. Das war damals schon höher. Das ist die Entwicklung der Printauflage des «Tages-Anzeiger». In zeitlich umgekehrter Reihenfolge. Denn würden die Beteiligten gute Arbeit abliefern, wäre die Auflage heute höher als 2008.

Jetzt lassen wir mal alles Gedöns von Internet, Inserate, Arglist der Zeiten, allgemeine Krise, Leseunlust, Social Media, neue Informationskanäle und so weiter weg.

Ein Absturz der Auflage um 135’631 Exemplare – und lassen wir grosszügig die an Flughäfen und anderswo verteilten Gratisexemplare weg – ist ein Desaster. Eine Katastrophe. Seit 2007 ist Pietro Supino VR-Präsident von Tamedia, dann von TX. Seither heisst er vornehm «Executive Chairman».

Supino war auch von 2016 bis 2022 Präsident des Verbands Schweizer Medien. Obwohl er höchstselbst zum Griffel griff und in einem Kommentar (so viel zur strikten Trennung von Redaktion und Verlag) die Vergabe von einer Milliarde Steuergelder an reiche Medienclans befürwortete, schiffte das Vorhaben an der Urne ab. Dafür hatte nicht zuletzt die Ausschüttung einer Sonderdividende an den geldgierigen Coninx-Clan gesorgt.

Der Mann fällt auch immer wieder durch ruppige Eingriffe in die redaktionelle Freiheit auf, was auch nicht gerade zur Steigerung der Glaubwürdigkeit seiner Organe beiträgt.

Er schaut dem Wirken und Wüten einer oberhalb ihrer Liga spielenden Damenriege in der Führungsetage von Tamedia tatenlos zu. Was Jessica Peppel-Schulz, Raphaela Birrer und die publizistische Leiter nach unten Simon Bärtschi hier anstellen, ist bodenlos. Visuell wird das durch das völlig verunglückte Redesign des Online-Auftritts sichtbar gemacht, nachdem sich der verantwortliche AD Knall auf Fall wieder nach Berlin abseilte.

Inhaltlich ist das Errichten von Paketverteilungsstationen, eine fürs Digitale, eine für Print, das wohl unsinnigste Newsverarbeitungssystem, das einem einfallen kann.

Inhaltlich sorgt diese Mitteilung für Lachsalven unter den verbleibenden Lesern:

«In eigener Sache. Die Trennung von Berichterstattung und Kommentierung gehört zu den Kernprinzipien unserer Redaktion.»

Ob das all die Losers, Toblers, Reichens, all die Genderstern-Apologeten, Trump-Hasser, Putingegner, also fast alle Journalisten, die die Zeilen füllen, von nah und von ferne aus München, auch mitgekriegt haben?

Wenn das zu den «Kernprinzipien» (was sind eigentlich die anderen?) gehören soll, dann ist diese Redaktion prinzipienlos.

Aber das alles erklärt restlos, wieso die Printauflage auf genau 36,54 Prozent der ehemalige Höhe abgesackt ist. Es erklärt aber nicht, wieso dieses Katastrophe keine ernsthaften Konsequenzen hatte.

Gut, Supino als Mitglied des Coninx-Clans ist unkaputtbar. Daran ändert auch seine Personalpolitik leider nichts. Einen Schwätzer wie Mathias Müller von Blumencron, diesen Digital Native, zum interimistischen Leiter Publizistik zu machen, wo er unter anderem die Totgeburt eines «Verkehrsmonitor» (abgekupferte Idee vom Berliner «Tagesspiegel») zu verantworten hatte, abenteuerlich. Eine Frau zum CEO vom schlingernden und lecken Schiff Tamedia zu machen, die bislang bei einem Lifestyle-Kleinverlag kurz Karriere machte, bis sie sich wieder in ein Sabbatical verabschiedete, abenteuerlich.

Zuschauen, wie die ein Jahr lang schweigt oder einen Avatar für sich sprechen lässt, um dann die wohl unsinnigste Neuordnung eines Medienkonzerns zu verkünden, mitsamt 90, ähm 55, ohalätz, 17, eigentlich 21 Kündigungen, absurd.

Den begabten Oberchefredaktor Arthur Rutishauser wegen des hysterischen Protests von 78 erregten Tamedia-Redaktorinnen und ihren unbewiesenen Behauptungen abzusägen und zum Chefredaktor ohne Redaktion zu machen, bescheuert.

Jeden Egotrip, jede Bauchnabelschau, jede strenge Zurechtweisung der Welt durch frustrierte und leichtbemittelte Schreiber (generisches Maskulin) zuzulassen, während alle, die können, das Weite suchen – tödlich.

Rücksichtslos das Grundprinzip des erfolgreichen Journalismus über Bord werfen «beim Schreiben an den Leser denken», das lässt den Begräbniszug Fahrt Richtung Grab aufnehmen.

Oder in einem Bild: Der Tanker leckt und tropft aus allen Löchern, die Passagiere springen wie Lemminge von Bord, im Maschinenraum tasten sich die Arbeiter nach Wehwehchen ab, statt zu heizen. Auf der Kommandobrücke herrscht wildes Durcheinander, der Kapitän hat sich zum Geldzählen in seine Kajüte zurückgezogen. Wer an Bord bleibt, wird für immer mieseren Service mit immer höheren Preisen abgezockt.

Dagegen war die Titanic eine zweckrational gesteuerte Veranstaltung, bei der der Kapitän immerhin mutig mitunterging. Das wird bei Tamedia nicht der Fall sein. Auch bei TX nicht.

Aber wenn dann beim Begräbnis Krokodilstränen vergossen werden, alle Verantwortlichen beteuern, dass sie alles versucht hätten, nichts dafür könnten, die Umstände, die Zeit, die Welt, der Klimawandel daran schuld seien, dann soll fürs Protokoll hier festgehalten werden:

Alles gelogen. Das Desaster ist hausgemacht. Es sind nicht die Umstände, es ist das krachende Versagen der Führung. begleitet von einem dissonanten Redaktionsorchester, wo jeder erste Ego-Geige spielen will und Publikumswünsche konsequent ignoriert werden.

Wunder an der Werdstrasse

Mit weniger Nasen mehr Qualität schaffen. Das soll funktionieren.

ZACKBUM wird sicherlich wieder diffamiert werden von den Damen an der Spitze des einstmals gloriosen Medienhauses Tamedia. Oder «Tages-Anzeiger». Oder TX. Oder was auch immer.

Aber es braucht schon die geballte Inkompetenz von drei Damen, um einen neuerlichen Kahlschlag auszulösen. CEO Jessica Peppel-Schulz, die sich kommunikativ von einem Avatar vertreten lässt, der immerhin über KI verfügt, hat als erste öffentliche Amtshandlung bekannt gegeben, dass rund 300 Mitarbeiter rausgeschmissen werden. 200 in den beiden zu schliessenden Druckereien, 90 in den Redaktionen.

Ein geschäftliches Desaster. Raphaela Birrer und Kerstin Hasse, zusammen mit zwei Hansln, haben ein inhaltliches Desaster zu verantworten. Und sollen nun das Wunder vollbringen, mit weniger Fachkräften die gleiche Qualität wie vorher zu halten. Das ist inzwischen nicht mehr allzu schwierig, grenzt aber dennoch an ein Wunder. Denn 90 Leute entlassen, das würde bei gleichbeliebendem Niveau bedeuten, dass die vorher völlig überflüssig waren.

Psychologisch einfühlsam schwärmt Hasse auf Instagram, dass sie bald einmal im Kaufleuten einen Podcast über «Frauenfreundschaften» machen werde. Während die Mannschaft darüber informiert wird, dass schon wieder ein grosses Rausschmeissen angesagt ist. Das sind echte Führungsqualitäten.

Dabei wäre alleine die Entlassung von Peppel-Schulz, Birrer und Hasse, die ersatz- und folgenlos eingespart werden könnten, eine Budgetentlastung, die den Rausschmiss von mindestens 8 Indianern verhindern würde.

Aber bevor ZACKBUM wieder als frauenfeindlich verschrien wird: der Verursacher des nächsten Flops ist ein Mann. Denn der Digital-Crack, der ehemalige «Beirat für Digitalisierung» Mathias Müller von Blumencron hatte  mit grossem Trara als Dampfplauderer den «Verkehrsmonitor» aus der Taufe gehoben und in die Traufe befördert. ZACKBUM schrieb schon zur Begrüssung im August 2023: «Tamedia will mit einem «Verkehrsmonitor» auf die Schnauze fallen.»

Es war ein angekündigter Tod: Was ist denn das? Das ist ein B2B-Portal. Das «Go-to-market» und «Brand-Design» wurde mit der Agentur Wirz entwickelt, auch so ein Heissluftfön. «Datengetriebenes Kampagnensetup, laufende Optimierung, Zusammenspiel mehrerer Disziplinen und mit Fokus auf Impact», und Blabla und Blüblü.

Sechsköpfiges Redaktionsteam, stolze 195 Franken im Monat Abogebühr. Die Idee war zudem geklaut, beim deutschen «Tagesspiegel», wo Müller (wir gestatten uns die Kurzform) mal Co-Chefredakteur hätte werden sollen. Das war dann nix; inzwischen ist Müller auch bei Tamedia wieder weg, was die Überlebens-Chancen des Verlags deutlich erhöht. Allerdings überlebt ihn der «Verkehrsmonitor» auch nur kurz, er wird nach wenigen Monaten wieder eingestellt.

Natürlich gilt im Geschäftsleben «try and error», man sollte mal was probieren. Aber es gibt Projekte, bei denen von Anfang an klar ist: Fehlgeburt, Fehlkonstruktion, funktioniert nie, kostet bloss. Das ist dann peinlich.

Aber peinlich ist das neue Must bei Tamedia. Wer nicht peinlich ist, hat keine Karrierechancen. Daher kümmern sich sagenhafte 52 Häuptlinge um das Werkeln von 170 Indianern; jede Führungskraft hat die Verantwortung für etwas mehr als drei Untergebene.

Da würde das Prinzip Ueli Maurer schon mal Wunder wirken. Der ging als Bundesrat gegen die Überregulierung in seinem Departement vor. Er stellte 72 Verordnungen auf den Prüfstand und verlangte bis Ende Jahr eine Begründung für deren Existenz. Ganze fünf wurden geliefert. Bei Tamedia wäre das: die 52 Häuptlinge müssen bis Ende Jahr begründen, was sie eigentlich führen, wofür sie verantwortlich sind, wie man ihre Leistung messen kann. Auch hier dürften so um die fünf verständliche Begründungen eingeliefert werden; der Rest kann dann weg.

Aber wetten, dass natürlich wieder im Maschinenraum gespart wird, bloss ein paar Häuptlingen, die Widerworte gegen die inkompetente Redaktionsleitung wagten, werden auch einen Kopf kürzer gemacht.

Es ist ein Trauerspiel, eine hausgemachte Katastrophe. Hier ist kaum etwas den Umständen, dem Umfeld, dem neuen Konsumverhalten, der digitalisierten Welt – oder wie die Manager-Bullshitphrasen alle heissen – geschuldet. Hier haben die Versager, die Schuldigen Anschrift, Name und Gesicht.

Rund 600 Stellen weniger bei Tamedia, Ringier, NZZ und CH Media seit Anfang 2023. Daher viel weniger Leistung, Content, für gleich viel oder sogar mehr Geld. Ein idiotischeres Geschäftsmodell hat die Welt noch nicht gesehen.

Wieso Oberboss Pietro Supino ungerührt zuschaut, wie sein Medienhaus medial zuschanden geritten wird – unglaublich, unvorstellbar, unverständlich.

Qualitätskontrolle nach Hausherrenart

Wie Tamedia Artikel spült, wenn’s dem Oberboss nicht passt.

Im Internet steht nur noch eine rauchende Ruine:

«Liebe Leserinnen und Leser
Im Dezember 2023 traf die publizistische Leitung von Tamedia die Entscheidung, den hinter diesem Link liegenden Artikel zu depublizieren. Der Artikel mit dem Titel «Zwei schwere Unfälle, zwei Todesfälle, eine verprügelte Betreuerin» erweckte mit der Bebilderung und im Text den Eindruck einer Parteinahme. Er war nicht mit den Qualitätsstandards des «Tages-Anzeigers» vereinbar.»

Am 18. November war der Artikel erschienen. Er kritisiert die Zustände in einem Heim für schwere Epileptiker. Nur sechs Tage, bevor das jährliche Qualitätsmonitoring besprochen wurde. Das ist ein Jubelbericht, der vom ehemaligen Chefredaktor Res Strehle abgeliefert wird. Dabei wird dieser Artikel erwähnt, der ansonsten unsichtbare «Leiter Publizistik» Mathias Müller von Blumencron, den wir der Einfachheit halber Müller nennen wollen, müllert, dass ihm die Illustration zu drastisch sei.

Da soll nach mehreren Ohrenzeugen Oberboss Pietro Supino mit seinem üblichen psychologischen Geschick eingegriffen haben. Es habe hier grobe handwerkliche Fehler gegeben, und überhaupt: «Ich schäme mich für diesen Text. Er ist inakzeptabel

Das alles wissen wir, weil die Affäre an die «Republik» durchgestochen wurde, die als Intimfeindin von Tamedia genüsslich ausbreitet:

«Bei der Veranstaltung in Winterthur herrscht nach Supinos Tirade Sprachlosigkeit. Die Führungs­spitze des Verlags, die fast vollständig anwesend ist, schweigt betreten: die im vergangenen Jahr neu engagierte CEO Jessica Peppel-Schulz, ihr inzwischen für die Qualitäts­monitorings zuständiger Vorgänger Marco Boselli, der publizistische Leiter Mathias Müller von Blumencron, der Zeitungs­verbund-Chefredaktor Benjamin Geiger und Ressort­leiterin Angela Barandun. Eine einzige Lokal­journalistin wagt es, gegenüber ihrem obersten Chef direkt anzumerken, sie halte die Art und Weise seiner Kritik für unangemessen. «Wir waren alle bestürzt, ja geschockt», erklärt ein Journalist das grosse Schweigen. Umso mehr wird Supinos Auftritt in den Tagen und Wochen danach zum Redaktions­gespräch

Genauso wie bei der «Republik» peinliches Schweigen über den Autor des grossen «Tamedia»-Verrisses herrscht, der inzwischen in Ungnade fiel, ohne dass er Gelegenheit bekam, sich zu rechtfertigen.

Der Artikel über die Baumgarten-Stiftung, ein klischeehaftes Porträt über eine Zürcher Stadtratskandidatin, was mit der Entlassung des Redaktors endete, Supinos feinfühliges Management des Roshani-Skandals, der Mann weiss, wie man für schlechte Stimmung sorgt.

Ein weiterer Höhepunkt war sein reingewuchteter Jubelkommentar für die Annahme der Subventionsmilliarde im Referendum, nachdem er zuvor höchstselbst mit einer völlig beknackten Werbekampagne, einer Sonderdividende und einer teuren Villa für Stimmung gesorgt hatte, die zur Ablehnung führte.

Nachdem der Artikel gelöscht wurde, Pardon, depupliziert, stellte sich die Redaktion etwas auf die Hinterbeine, immer laut «Republik». Das famose Recherchedesk wurde gebeten, den Artikel zu prüfen. Ergebnis: vorbildlich, hätten wir auch gebracht. Angela Barandum, Leiterin Zürich Ressort, Benjamin Geiger, Chefredaktor des Zürcher Zeitungsverbundes, und sogar Raphaela Birrer hätten darauf gedrängt, ihn zu republizieren, auch der Rechtsdienst des Verlags hätte ihn für korrekt befunden.

Und die eigentlich Betroffenen? Die Kommunikationsstelle des Heims meint, es habe zwar vereinzelt Ungenauigkeiten gegeben, aber man habe keine Gegendarstellung verlangt und: «Von unserer Seite wurde nie ein Antrag auf Online-Depublikation bei Tamedia gestellt

Solche «Depublikationen» sind eher selten in der Schweiz. CH Media löschte eine Glosse über die neue Werbekampagne der UBS; die Monsterbank hatte sich beschwert. 2018 musste ein Schmierenporträt des Konzernjournalisten Philipp Loser vom Netz genommen werden, weil der den Somedia-Verleger Hanspeter Lebrument, der gerade eine Kaufofferte von Tamedia abgelehnt hatte, ohne ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu bieten verunglimpft hatte.

Auch in den beiden anderen Tamediafällen hatte Supino seine Hand im Spiel. Nun hat er offenbar in Müller, der von publizistischer Leitung und Digitalmarketing ungefähr so viel Ahnung hat wie eine Kuh von Finanzflussplanung, einen willigen Helfershelfer gefunden, der alle redaktionsinterne Kritik abbügelt.

Um das Desaster zu vervollständigen, fehlt nur noch eins: eine interne Bespitzelung aller Kommunikationsmedien, um herauszufinden, wer das der «Republik» gesteckt hat.

Weise Worte, leise gemüllt

Tx, Pardon, Tamedia, Pardon, «Tages-Anzeiger» hat einen Sprücheklopfer.

Wegen der Unfähigkeit der Führungsetage gefeuert zu werden, das ist unangenehm. Davor Angst zu haben, wegen der Unfähigkeit der Führungsetage gefeuert zu werden, das ist ungemein motivierend für die Arbeit.

Man müsste untersuchen, ob um das Glashaus an der Werdstrasse in Zürich der Alkoholkonsum und der Verbrauch von Beruhigungsmitteln in letzter Zeit deutlich angestiegen ist.

Denn zu all diesem Ungemach hinzu müssen sich die verbliebenden Mitarbeiter noch dumme Sprüche anhören. Wenn sie hier die gleiche Sensibilität wie gegenüber angeblicher verbaler sexueller Belästigung hätten, müsste es eigentlich ein neues Protestschreiben geben. Die anstössigen Beispiele müssten dann nicht einmal anonym sein.

Denn der Urheber ist bekannt. Es handelt sich um Mathias Müller von Blumencron (für uns einfach Müller). Der ist zurzeit «Leiter Publizistik» und eigentlich für die Digitalstrategie zuständig. Was für eine Digitalstrategie? Ein anderes, trübes Thema.

Aber hier geht es darum, wie Müller Publikum und Mitarbeiter quält. «So ärgerlich und unangenehm der neuerliche Abbau für den einzelnen Betroffenen auch ist, so bringt er letztlich keine grosse Veränderung mit sich», sagt Müller persoenlich.com. Aha, ein Abbau ohne Veränderungen, ein Wunder der Unternehmensführung.

Aber natürlich ist ein Abbau auch immer eine Chance, ganz klar. Worin liegt die? Die einzelnen Medienmarken sollen ihr publizistisches Profil schärfen und ihre Stärken noch besser und konsequenter ausspielen. Das tut nun ziemlich weh im Kopf. Also sollen diese Medienmarken, deren Profil durch ständige Zusammenlegungen und dem Abfüllen einen Einheitssauce aus der Zentralredaktion deutlich unschärfer wurde, nun wieder nachschärfen? Mit weniger Leuten? Und welche Stärken sollen nach einer neuerlichen Schwächung besser und konsequenter werden? Das ist Bullshit-Bingo, unterste Schublade.

Zudem sollen mehr Digitalabos verkauft werden, was ja bedeutet, dass Müller hier versagt. Gleichzeitig aber, so weiss er, «müssen wir die gedruckte Zeitung noch stärker auf die Erwartungen und Bedürfnisse eines älteren Publikums ausrichten». Wunderbar, das schafft man sicherlich, indem man immer mehr billige Kindersoldaten einstellt und die älteren Leser mit Themen wie Gendersternchen und inkludierende Sprache quält, von einem Kolumnisten namens Kim ganz zu schweigen.

Aber damit ist Müller mit seiner Quälerei noch nicht am Ende. Denn eigentlich ist er ja der Online-Hirsch, daher weiss er: auch hier muss – was wohl, genau – der Fokus geschärft werden. «Das geht nur, wenn man in den Redaktionen sehr sorgfältig überlegt, was der Kern des Auftrags ist.» Endlich ein überfälliger Ordnungsruf. Denn die Redaktionen sind da völlig aus dem Ruder gelaufen. Sie denken an den Verkauf von Gebrauchtwagen, Glace und Kleidern in Übergrössen. Dazu ist ein Pizzalieferdienst in der Mache, Modeshows oder Kurse für Balkongärtner. All dieser Wildwuchs muss ein Ende haben. Stattdessen alle mal sorgfältig überlegen: was macht ihr hier eigentlich? Wozu habt ihr ein Telefon und einen Computer? Und wozu dient dieses komische Programm, wo man Bilder und Texte einfüllen kann? He, schon mal drüber nachgedacht?

Aber Müller liefert noch mehr Munition für ein geharnischtes Protestschreiben: «Artikel, von denen klar ist, dass sie nur sehr wenige Leute lesen werden, kann man weglassen.» Ob das Andreas Tobler und  einige andere persönlich nehmen werden?

Auf jeden Fall muss man auf diese Idee auch erst mal kommen, nicht wahr.

ZACKBUM ist sich sicher, dass es hier genügend Unterschriften unter einem Protestbrief geben wird, der in strengen Worten zum Ausdruck bringt: kujoniert, eingespart und entlassen zu werden, das ist das eine. Aber mit solchen dämlichen Sprüchen belästigt zu werden, das ist unerträglich und muss sofort eingestellt werden. Wir fordern einen Sensibilisierungsbeauftragten (m/w/d), der solche verbalen Übergriffigkeiten unterbindet und als Ombudsstelle für gequälte Mitarbeiter dient. Aber subito, sonst fliegen Steine ins und aus dem Glashaus.

Versager 1

Nach dem Rausschmeissen ist vor dem Rausschmeissen.

Es muss unbändig Spass machen, bei Tamedia zu arbeiten. Der Journalismus geht vor die Hunde, nur die Attitüde bleibt gleich. Ihren Bauchnabel betrachtende Wichtigtuer belästigen die flüchtenden Leser mit ihren Befindlichkeiten und Ansichten über die Welt. Vor allem über Themen wie Gendern, obwohl sie selbst einräumen müssen, dass das der Mehrheit ihrer Leser schwer am Popo vorbeigeht. Aber da sehen sie dann eine Erziehungsaufgabe. Im Journalismus gibt es nichts Schlimmeres.

Das ist das eine.

Das andere ist ein Management, das aus Versagern besteht. Wir wollen nicht vertiefen, dass diverse leitende Redakteurinnen nicht qua Kompetenz, sondern qua Geschlecht in ihre Positionen kamen. Dort können sie jede Menge Quatsch machen, denn wer würde sich trauen, freiwillig in den Sexismus-Hammer zu laufen?

Das ist das andere.

Aber noch schlimmer als das – doch, es lässt sich steigern – ist das Versagen des männlichen obersten Managements. Nach dem Hammer in der Romandie (3,5 Millionen Sparübung, wohl 28 Stellen weg, mehr als 10 Prozent!) kommen nun wie angekündigt nochmal 2,5 Millionen und rund 20 Stellen in der Deutschschweiz obendrauf.

Das findet statt, nachdem in nur drei Jahren bereits 70 Millionen eingespart werden mussten. Kurzer Zwischenstopp: 2021 spülte es 832,7 Millionen Gewinn nach Steuern (EAT) in die vielen Taschen des Coninx-Clans. Sondergewinn durch das Joint Venture mit Ringier mit den Verkaufsplattformen. 2022 schnurrte das dann auf einen Verlust von 4,6 Millionen zusammen. Natürlich gab es zuvor Champagner und Sonderdividende, im letzten Jahr dann nur Champagner. Denn Big Boss Pietro Supino ist unkaputtbar. Im Gegensatz zu seinem Konzern.

Wie wurde das schöngeredet? Ein Satz für Humoristen: «TX Group steigert den Umsatz organisch um rund 7 Prozent und schliesst das Geschäftsjahr 2022 mit einem normalisierten Betriebsergebnis von 100 Mio. CHF ab.»

Wir Beobachter können uns die Lachtränen aus den Augen wischen, für die Tamedia-Mitarbeiter ist es entschieden weniger lustig. Während Supino beim Verkünden solcher Bad News lieber segelt, müssen seine Untergebenen Andreas Schaffner und Mathias Müller von Blumencron (wir nennen den Herrn einfach Müller) den neusten Rausschmiss rundreden.

Erosion im Printmarkt, Stabilisierung des publizistischen Geschäfts, das Digitalgeschäft wachse zwar, könne die Verluste nicht kompensieren. Aber: Kostenoptimierung, zukunftsfähig, schlagkräftig, Blabla.

Realität ist: der neue Digital-Guru Müller bringt’s nicht. Er hat’s auch in seinen vorherigen Stellen nicht wirklich gebracht; man sah ihn immer lieber gehen als kommen. Die von seinem vorherigen Arbeitgeber «Tagesspiegel» abgekupferte Idee «Der Verkehrsmonitor – Mehr als nur Neuigkeiten» wird’s garantiert nicht rumreissen.

Genauso wenig die neue CEO Jessica Peppel-Schulz. Die war nach einem «Sabbatical Break» von schlappen neun Monaten für 28 Monate CEO bei Conde Nast. Dem deutschen Ableger des Lifestyle-Konzerns. Das forderte sie so, dass sie sich neuerlich ins Sabbatical Break von gleich 10 Monaten begab – bis zum Stellenantritt am 1. Oktober bei Tamedia. Das gibt Hoffnung.

Was die Fähigkeiten des obersten Chefs betrifft, wollen wir uns nicht wiederholen.

Das ist das dritte und Fatale. Natürlich gibt es im Journalismus Herausforderungen zu bewältigen. Nachdem uns das Internet erst vorgestern aus heiterem Himmel angesprungen hat, sucht das Management noch nach Antworten. Verständlich.

Oder im Ernst: wer wirklich meint, er könne deutlich weniger Leistung, deutlich weniger Angebot für deutlich angehobene Preise erfolgreich verkaufen, der ist wohl mal mit dem Kopf in die Druckmaschine geraten.

Im Ernst: Der Niedergang des Qualitätsjournalismus im Hause Tamedia, im Gebäude Tx, ist nicht in erster Linie den Umständen geschuldet. Sondern dem krachenden Versagen des leitenden Managements. Wem jahrelang nur dumme Sprüche, Gedöns und haltlose Behauptungen («Digitalisierung!») einfallen, wem in Wirklichkeit nichts anderes als Zu-Tode-Sparen einfällt, wer damit den Leser für dumm verkaufen will («noch besser, noch näher»), der hat’s nicht anders verdient.

Dabei verdient sich die Teppichetage unverdient weiterhin dumm und krumm. Ausbaden müssen dieses einmalige Versagen die Mitarbeiter. Entweder werden sie gefeuert, oder sie gehen freiwillig. Oder sie resignieren. Wer bleibt, muss – weil er zu alt oder zu unfähig ist, woanders einen Job zu finden.

Widerspruch wagt keiner, denn hier sind die Manager mal clever. Sie geben zuerst die Zahl der Gefeuerten bekannt, dann werden die in den einzelnen Redaktionen über ihr Schicksal informiert. So traut sich keiner zu offenem Protest. Denn das könnte ja die Stelle gefährden.

So soll attraktiver Journalismus entstehen, dem Leser der Mund wässrig gemacht werden, dazu animiert, das Portemonnaie weit zu öffnen und die exorbitanten Abopreise zu bezahlen?

Da gibt es nur zwei Möglichkeiten, keine dritte. Entweder, die Führungscrew von Tamedia glaubt das wirklich. Dann haben sie allerdings ein Verhältnis zur Realität wie Kim Jong-un. Oder aber, in Wirklichkeit ist ihnen Journalismus schlichtweg scheissegal, wenn man damit keine Subventionen absaugen kann.

Man darf einmal raten, welche Variante es ist.

Verkehrsunfall

Achtung, Luftsack. Der VerkehrsMonitor zündet den Airbag.

Der Airbag soll mit lautem Knall den Fahrzeuginsassen davor schützen, gegen harte Teile des Innenraums zu prallen. Bei der Anpreisung der neuen Luftnummer «VerkehrsMonitor» aus dem Hause Tamedia werden reihenweise solche Airbags ausgelöst.

Zur Idee, so etwas für 200 Franken monatlich an den Mann (und natürlich die Frau, alle Gender inkl.) zu bringen, hat sich ZACKBUM bereits geäussert. Die beim Berliner «Tagesspiegel» vom neuen Digital-Guru und Dampfplauderer Mathias Müller von Blumencron (63) entlehnte Idee wird gegen die Wand fahren, ist unsere Prognose.

Nun gibt aber die Agentur Wirz richtig Gas und zeigt mit den Ankündigungen auf Social Media und anderswo, wie man eine richtig teure Kampagne fährt. Indem man alle Füll- und Schaum- und Nonsenswörter des modernen Marketing aufeinanderstapelt. Das Ergebnis ist ungefähr das Gleiche, wie wenn einem ein Airbag ins Gesicht explodiert. Nur hat der meistens eine sinnvolle Funktion.

Reines Bullshit-Bingo mit Sprüchen, die nun wirklich keiner mehr hören will. Der Leser setzt ab hier die Lektüre auf eigene Gefahr fort:

«Informationsvorsprung für Leader … neue und exklusive Artikel … relevante Infos … kompetente, relevante, hochwertige journalistische Inhalte … viel Nutzwert … für Entscheidungsträger:innen … relevante und exklusive Hintergründe für Profis … Erfahrene Journalist:innen … relevante Beiträge für die Führungskräfte … neue Trends und best practice …»

ZACKBUM bleibt nur die relevante Wiederholung: nein, das haben wir nicht erfunden. Das steht alles so auf engstem Raum. Forderungen nach Schmerzensgeld sind entweder an die Agentur Wirz, an Pietro Supino oder an Müller von Blumencron zu richten. Auf Antworten sollte man nicht hoffen.

Voll verkehrt

Tamedia will mit einem «Verkehrsmonitor» auf die Schnauze fallen.

Tatä, die digitale Offensive rollt. Der «Beirat für Digitalisierung» Mathias Müller von Blumencron, ein Dampfplauderer vor dem Herrn, will die Lücke ausfüllen, die der abrupte Abgang von Marco Boselli hinterlassen hat.

In einem den Leser mit heisser Luft umfächelnden Interview hat – wir nennen ihn der Kürze halber Müller – der Digitalcrack Müller bereits die Marschrichtung angedeutet: «Wir wollen schneller mehr digitale Abonnentinnen und Abonnenten gewinnen.»

Das ist ja wunderbar, und wie geht das? Na, indem morgen der «Verkehrsmonitor» an den Start geht. Was ist denn das? Das ist ein B2B-Portal. Das «Go-to-market» und «Brand-Design» wurde mit der Agentur Wirz entwickelt, auch so ein Heissluftfön. «Datengetriebenes Kampagnensetup, laufende Optimierung, Zusammenspiel mehrerer Disziplinen und mit Fokus auf Impact», und Blabla und Blüblü.

Hört sich irgendwie toll an, aber wer mit einem solchen Headerfoto auf der Homepage startet, sollte vielleicht zuerst einen Grundkurs im Webseitendesign besuchen.

Okay, und was bietet der «Verkehrsmonitor»? Bahnbrechend Neues: «exklusive Nachrichten, fundierte Hintergrundgeschichten und aktuelle Recherchen». Die Geschichte des modernen Journalismus wird neu geschrieben. Und für wen soll’s denn sein? Er sei «speziell für Entscheidungsträger:innen und Angestellte der Verkehrs- und Mobilitätsbranche in der Schweiz konzipiert».

Auch das ist ja das Betreten von echtem Neuland. Oder wie lautet der Slogan, so originell wie eine Staumeldung: «Der Verkehrsmonitor – Mehr als nur Neuigkeiten». Wahnsinn. Weniger Rechtschreibung, mehr Neuigkeiten. Gibt es also auch antiquarische Meldungen? Man darf gespannt sein.

Und was kriegt der Leser? «Jeden Werktag 2 bis 3 neue Artikel» plus «jeden Morgen früh via Newsletter als Professional Briefing». Also das, was ZACKBUM auch so schafft, allerdings 7 Tage die Woche, gratis und ohne «Professional Briefing».

Aber Tamedia braucht dafür ein «sechsköpfiges Redaktionsteam». Das dürfte dann, mitsamt der sackteuren Unterstützung durch Wirz, mal so eine Million im ersten Jahr kosten. Mindestens.

Und was kostet es den «B2B»-Kunden? Festhalten anschnallen, Airbag auslösen:

195 Franken im Monat, das ist vielleicht eine Vollbremsung für den Interessenten. Das sind also sagenhafte 2340 Franken im Jahr. Für 780 Artikel, also rund 3 Stutz pro Werk. Plus natürlich der NL.

Bei Unkosten von einer Mio bräuchte es also rund 430 wildentschlossene und vollzahlende Jahres-Abonnenten. Das hört sich nicht nach allzu viel an. Aber: ob das neue Portal wirklich einen Nutzwert produzieren kann, der über die übliche Berichterstattung hinausgeht und diesen exorbitanten Betrag wert ist, wenn das Gratis-Schnupperabo abläuft?

Aber damit nicht genug: «Der VerkehrsMonitor ist das erste Branchenportal von Tamedia Monitor, der B2B-Dachmarke von Tamedia. Es ist geplant, dass Tamedia in den nächsten Jahren mehrere Branchenportale aufbaut, die den jeweiligen Entscheidungsträger:innen und Mitarbeitenden der Branche wichtige Informationen und Hintergründe liefern.»

Aha, es handelt sich also um die erste Attacke einer ganzen Offensive. Das ist vielleicht mal eine originelle Idee. Oder auch nicht:

Gut kopiert ist immer besser als schlecht erfunden:

Gut, beim «Tagesspiegel» sind es Euro, das ist natürlich was ganz anderes. Aber von dort hat Müller natürlich die Idee, nun, mitgebracht, denn er hätte ja mal Co-Chefredaktor werden sollen. Ob diese «Background»-Geschichte in Deutschland Erfolg hat? In einer Präsentation behauptet der «Tagesspiegel» nur wolkig: «Tagesspiegel Background erreicht täglich eine Vielzahl von Leser:innen».

Überwältigender Erfolg hört sich anders an. Aber dafür kann man im «Background» inserieren, was im Monitor bislang nicht erkennbar ist. Und Deutschland hat ein paar potenzielle Leser mehr als die Deutschschweiz. Rund 80 Millionen im Vergleich zu knapp 6 Millionen …

Das Ganze wirkt ein wenig so, als in den guten alten Zeiten der Anfänge des Internets ganze Gelddruckmaschinen dort vermutet wurden – bis die Dotcomblase dann platzte. Sicher, probieren ist immer gut. Aber ob solche Randgruppen-Lösungen die Misere der Bezahlmedien von Tamedia ausgleichen können? Was soll es bringen, Bestandteile der Tageszeitungen, also Autoseiten und Berichte über Mobilität- und Verkehrsthemen, zu kannibalisieren, auszulagern, den Content der Bezahlzeitungen weiter auszudünnen?

Wenn der Stamm morsch ist, hilft dann das Anflanschen von kleinen Seitentrieben? Abgesehen davon, dass es nach der Kenntnis von ZACKBUM – abgesehen vielleicht von einigen Geldanleger-NL – kein Angebot im Internet gibt, nicht mal von der Pornoindustrie, das sagenhafte 200 Franken im Monat kostet. Für läppische rund 60 Artikel.

Ob also Müller dann mal das Schicksal von Boselli erleiden wird? Und Pietro Supino der langen Liste seiner Flops einen weiteren hinzugefügt haben wird? Aber der Mann ist der Einzige im ganzen Verlag, der unkündbar ist.

 

Frauenfeindlich

ZACKBUM hat’s geahnt: Tamedia hat etwas gegen Priska Amstutz.

Die Journalistin ist ein echter Tausendsassa (oder vielleicht eine Tausendsasserin): «Amstutz ist seit 1999 im Journalismus tätig, zunächst beim «Zürich Express», später bei den Zeitschriften und Websites «Annabelle», «Bolero» und «SI Style». Sie entwickelte diverse digitale Formate und war als Unternehmerin in den Bereichen Hotellerie und E-Commerce tätig

Tiefe Einblicke gab sie gerne ihren Lesern:

Wobei sie auch als stv. Chefredaktorin «SI Style» das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden wusste:

Denn was sie bei sich zuhause rumstehen oder rumhängen hat, kann man auch käuflich erwerben. Ob sie am Verkauf der Produkte beteiligt wurde, ist nicht bekannt.

Auf jeden Fall verhalf ihr diese Stilsicherheit zur nächste Stufe auf der Karriereleiter. Amstutz wurde Co-Chefredaktorin des «Tages-Anzeiger». Warum? Darum. Diese Position bekleidete sie von 2020 bis Anfang 2023. Dann wurde sie ersatzlos gestrichen. Damit dennoch keine Lücke entstand, übernahm nun Raphaela Birrer. Warum? Darum.

Während der männliche Co-Chefredaktor schnell ein warmes Plätzchen als «Leiter Inland» fand, fragte sich männiglich (dazu gibt es leider kein weibliches Pendant), was denn nun mit Amstutz passieren würde. Wie man aus ihrem Buch «Das neue 40. Alles kann, nichts muss» weiss, ist es für sie bis zur Frühpensionierung doch noch etwas hin.

Und wie wird ihr Werk vom Verlag angepriesen? «Kurz danach kam jedoch die viel wichtigere Einsicht, dass in erster Linie die Beachtung, die sie selbst sich schenkt, von Bedeutung ist.» Wohl wahr, und wie verbringt sie so ihre Zeit, wenn sie nicht gerade im Tagi nichts tut? «Sie liebt es, mit ihren beiden Kindern in der Wohnung zu tanzen, ihre champagnerfarbene Vespa, dass sie mit ihrer besten Freundin den Geburtstag teilt, Streichholzschachteln, ihre weißen Haare und dass die Autokorrektur ihren Namen in Prisma ändert

Gut, dass wir das alles wissen. Schliesslich hat die bange Frage, die sich die ganze Branche stellte, eine Antwort gefunden: Sie wird per sofort «Chefin redaktionelle Innovation bei Tamedia». Dennoch ist mit dieser Mitteilung die Angst um ihre zukünftige Karriere nicht besänftigt. Denn «Tamedia» gibt es doch gar nicht mehr …

Aber vielleicht wird der Begriff für diese neu geschaffene Position wiederbelebt. Wer sich fragt, was eigentlich eine solche Chefin macht, findet hier keine Antwort: «Die Zukunft braucht Journalismus, der berührt. Priska Amstutz wird in ihrer neuen Rolle kreative Medienformate entwickeln, die diesem Journalismus eine Heimat geben. … Wir freuen uns sehr, dass wir diese strategisch bedeutende Aufgabe in ihre Hände geben können.» Sagt wer? Sagt Mathias Müller von Blumencron.

Alles klar.

Was für ein Schwätzer

Tamedia-Leute, fürchtet Euch! Müller von Blumencron hat gesprochen.

Mathias Müller von Blumencron (wir gestatten uns, ihn der Einfachheit halber Müller zu nennen) hat eine durchwachsene Karriere hinter sich. 2008 war er in die für ihn viel zu grossen Fussstapfen des «Spiegel»-Chefredaktors Stefan Aust getreten. Zusammen mit Georg Mascolo, denn die Überlegung war soweit richtig, dass es mindestens zwei Leichtgewichte für das Schwergewicht Aust brauche.

2013 dann das Aus, beide wurden gefeuert. Seither irrlichtert er durch die deutsche Presselandschaft, mal als «Chefredakteur digitale Medien» der FAZ. Der Kurzzeitjob dauerte von 2013 bis 2018. Dann sollte er mal Co-Chefredakteur des «Tagesspiegel» werden. Dauerhafter ist sein Einsatz bei Tamedia. Seit 2013 ist er dort «Beirat für Digitalisierung», dann Verwaltungsrat. Und seit dem abrupten Abgang von Marco Boselli ist er nun «interimistisch» der Leiter «Publizistik und Produkt» der Tamedia-Bezahlzeitungen.

Das ist immerhin eine gute Nachricht für «20 Minuten». Trotz seiner zehnjährigen Tätigkeit als Digitalisierungs-Guru ist Tamedia digital schwach auf der Brust und verfehlt eins ums andere Mal die gesteckten Ziele deutlich. Das hat dann Boselli den Kopf und die Anstellung gekostet, aber doch nicht dem digitalen Beirat und Verwaltungsrat Müller.

Der hat nun dem ehemaligen «Medienwoche»-Chefredaktor Nick Lüthi in seiner neuen Funktion als persönlich.com-Redaktor ein Interview gegeben. Das hätte er vielleicht nicht tun sollen. Denn wenn Worte leichter als Bytes sind und der Inhalt des Gesagten weder Schall noch Rauch ist, dann muss sich der Tamedia-Mitarbeiter zu recht vor der digitalen Zukunft fürchten.

Ein harsches Urteil: Ja, aber wohlverdient. Wir zeigen mal einige Luftblasen im Schnelldurchlauf:

«Wir wollen schneller mehr digitale Abonnentinnen und Abonnenten gewinnen. … wir hoffen sowohl beim Tages-Anzeiger als auch in Bern, in Basel und im Zürcher Umland noch überzeugender für unser Publikum zu werden … wir können niemanden zwingen, ein Abo zu kaufen, wir können nur überzeugen. Die Nützlichkeit des Journalismus spielt deshalb heute eine viel stärkere Rolle als früher … wir wollen noch verlässlicher auf der schnellen Ebene sein, noch gründlicher in Analysen und Storys … für jede dieser Kompetenzen, also Newsmanagement, Storys und Nutzwert sowie Podcasts und digitale Innovationen, ist ein Mitglied der neuen Chefredaktion verantwortlich … wenn die Antwort dagegen Tages-Anzeiger lautet, sagen alle, klar, kenne ich … einmal geht es darum, im Kleinen das Grosse zu entdecken. Dann gibt es auch die Spielart, das Grosse herunterzubrechen auf die unmittelbare Umgebung … wir entwickeln etwa gerade mikrolokale Newsletter, die kleine Areale abbilden … wir müssen natürlich aufpassen, dass wir unsere Kolleginnen und Kollegen nicht überfordern … ich bin in vielen Punkten absolut begeistert, was für eine Power, was für eine publizistische Leidenschaft in Redaktionen und Verlag steckt … wir sind zu langsam vorangekommen in den letzten Jahren. Insofern wollen und müssen wir uns nun schneller bewegen … im Moment gucken weder Andreas Schaffner noch ich auf die Uhr, sondern überlegen ständig, wie wir gemeinsam mit unseren Kolleginnen und Kollegen am besten vorankommen.»

Bevor der ZACKBUM-Leser um Gnade winselt: wir mussten uns von vorne bis hinten durch diese schlecht gebackene lauwarme Luft quälen, ohne dass ein Sauerstoffzelt zur Wiederbelebung zur Verfügung stand.

Wer alleine die x-te Umbenennung eines Titels, eines Konzernbestandteils damit begründet, dass niemand den Namen Tamedia kennen würde («Aber wenn jemand fragt, wo man arbeitet, und die Antwortet lautet dann Tamedia, sagen viele Leute: Das habe ich aber noch nie gehört»), während in Bern oder Basel die Sympathiewerte nach oben schnellen, wenn man sagt «ich arbeite beim «Tages-Anzeiger»», der hat sich bereits restlos disqualifiziert. Wer seit zehn Jahren für das Digitale mitverantwortlich ist und zugeben muss, dass die Vorgabe 200’000 Digitalabos mal wieder elend gerissen wurde, ist disqualifiziert.

Wer ein ganzes Interview lang keinen einzigen Satz von sich gibt, dem man eine gewisse inhaltliche Relevanz zubilligen könnte, ist dermassen disqualifiziert, dass ihm eigentlich nochmals widerfahren sollte, was er aus seiner Karriere sehr gut kennt. Eine Trennung «aufgrund unterschiedlicher Auffassungen». Aber leider ist es so: wenn der oberste Boss auch nicht wirklich weiss, was er will (oder kann), dann regiert er mit Bauernopfern (Boselli, Rutishauser), beruft Mediokres an entscheidende Positionen (Birrer, Hasse) und lässt Dampfplauderer um sich sein, die ihm wie Müller in keiner Art und Weise das Wasser abgraben könnten. Und man kann sich nicht wegen unterschiedlicher Auffassungen trennen, wenn einer gar keine hat …

Es ist richtig, dass auch in der Schweiz alle Medienkonzerne herumeiern, wie sie dem ja absolut neuen Phänomen des Internets und des Digitalen begegnen sollen. Wie sie sich nicht weiter von Google, Facebook, Amazon & Co. die Butter vom Online-Werbemarkt nehmen lassen wollen. Aber im Vergleich zu diesem hilflosen Gestammel sind NZZ, CH Media und Ringier sehr gut aufgestellt. Wer ihnen Übles will, könnte ihnen eine Mitarbeit von Müller ans Herz legen. Aber dafür dürften dort die Entscheidungsträger zu schlau sein.