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Die Wiederholung der Wiederholung

Anmerkungen zum israelischen Überfall auf den Libanon.

Man kann es wie Alex Baur sehen: «Der Iran und seine Vasallen hätten es in der Hand, das Blutvergiessen sofort zu beenden. Sie allein tragen die Verantwortung für das Elend.» (Siehe auch seine Replik in der heutigen Ausgabe von ZACKBUM)

Da aber der Libanon (genauso wenig wie Gaza) nicht zum Iran gehört, sondern eigentlich ein souveräner Staat ist, dürfte dieser fromme Wunsch wohl unerfüllt bleiben.

Auch an der Bezeichnung Überfall wird es Kritik geben. Wenn Russland behauptet, zwecks Selbstschutz müsse es eine militärische Spezialoperation zum Ausmerzen von Nazismus in der Ukraine ausführen, dann ist das selbstverständlich ein Überfall, eine Invasion. Wenn Israel behauptet, es müsse zwecks Selbstverteidigung militärische Schläge gegen den Libanon ausführen, zum Ausmerzen der Hisbollah, dann ist das was?

Die jüngere Geschichte zwischen Israel und dem Libanon wird in kaum einem der Kommentare, Analysen und Berichten über die jüngsten Kampfhandlungen erwähnt. Entweder aus der üblichen historischen Unkenntnis der Journalisten – oder ganz bewusst, weil das kein Ruhmesblatt für Israel ist.

Aus dem Kurzzeitgedächtnis der meisten scheint herausgefallen zu sein, dass es 1982 die Operation «Frieden für Galiläa» gab. Das war ein israelischer Angriffskrieg gegen den Libanon, eine militärische Offensive, die zur Besetzung grösserer Teile des Libanons inklusive der Hauptstadt Beirut durch israelische Truppen führte.

Schon damals war einer der Auslöser der Beschuss des Nordens Israels mit mehr als 100 Raketen, die vom Süden des Libanon abgefeuert wurden. Als israelische Truppen am 6. Juni 1982 die entmilitarisierte Zone durchquerten, verabschiedete damals der UNO-Sicherheitsrat (ohne dass die USA ihr Veto eingelegt hätten) die Resolution 509, die den sofortigen Rückzug der Truppen forderte – sie wurde von Israel ignoriert.

Diese Invasion führte zum Exodus der PLO aus dem Libanon, die in Tunis ihr neues Hauptquartier einrichtete. Am 16. September kam es zu einem zweitätigen Massaker in den palästinensischen Flüchtlingslagern Sabra und Schatila. Begangen von der maronitischen Phalange-Miliz, toleriert von den israelischen Truppen, die bei der Besetzung Beiruts diese Flüchtlingslager eingeschlossen hatten. Die Schätzungen über die Zahl der Toten gehen weit auseinander, von mindestens 300 bis über 3000.

Massaker in Schatila, 1982. 

Massaker beim Supernova Festival, 2023.

Angesichts solcher Gräueltaten mussten der damalige Verteidigungsminister Ariel Scharon, der Stabschef Rafael Elian und später auch der Premierminister Begin zurücktreten. Erst 2000 zogen sich die israelischen Truppen aus dem Libanon zurück. Durch den erzwungenen Abzug der PLO erstarkte die Hisbollah.

Im Jahr 2006 begann das, was Israel als zweiten Libanonkrieg bezeichnet. Auch hier waren der Invasion gegenseitige Provokationen der Hezbollah und Israels vorangegangen. Israelische Attentate, Raketenangriffe auf israelische Militärbasen, israelische Luftangriffe auf ein palästinensisches Flüchtlingslager im Libanon.

Nachdem Hamas-Terroristen auf israelischem Gebiet einen Soldaten gefangen genommen und dabei zwei weitere getötet hatten, begann einerseits die «Operation Sommerregen»; israelische Bodentruppen drangen in den Gazastreifen ein und besetzten ihn teilweise. Die Hamas reagierte mit Raketenangriffen auf Israel.

Als auch die Hetzbollah zwei israelische Soldaten auf israelischen Gebiet gefangennahm, begann die Operation «Gerechter Lohn». Am 12. Juli 2006 startete Israel eine grossangelegte Offensive gegen die Hisbollah im Libanon. Die israelische Luftwaffe bombardierte Strassen, Brücken und den Beiruter Flughafen und erzwang dessen Schliessung.

Am 23. Juli überquerten wieder israelische Truppen die Grenze zum Libanon. Die israelische Luftwaffe flog dabei über 15’000 Einsätze und die israelische Marine nahm rund 2500 Ziele entlang der Küste unter Feuer.

Die Hisbollah reagierte mit Raketenbeschuss gegen israelische Ziele, darunter Haifa, Nazaret und Tiberias.

Wikipedia schreibt: «Die zunehmende Zahl an Opfern unter den Zivilisten führte zu einer wachsenden Kritik an der israelischen Kriegsführung und einer Erhöhung des diplomatischen Druck auf Israel, insbesondere nach dem Tod der UNO-Beobachter in Chiyam. Hierzu trug auch das große Medienecho bei, das insbesondere der Luftangriff auf Kana, der Beschuss eines Flüchtlingskonvois bei Mardsch Uyun und der Angriff auf eine Gruppe syrischer Landarbeiter bei al-Qaa mit 23 Opfern hervorgerufen hatte

Im Oktober 2006 hatten sich die israelischen Truppen weitgehend aus dem Libanon zurückgezogen. Alleine dieser Krieg kostet Israel schätzungsweise 4 Milliarden Dollar, diesmal trat nur der Generalstabschef der israelischen Streitkräfte zurück.

Bis heute ist die libanesische Regierung nicht Herr über das ganze Land; im Süden herrscht unangefochten die Hisbollah, Syrien und der Iran mischten und mischen sich ein, die 15’000 UNIFIL-Soldaten, die die entmilitarisierte Zone im Süden Libanons überwachen sollen, tun das nur unvollständig; aktuell werden sie von Israel zum Abzug aufgefordert.

Vor diesem Hintergrund ist – wie immer im Nahen Osten – die Forderung nach sogenannten einfachen Lösungen völlig unsinnig. Die Invasion Israels im Jahr 1982 wirkt bis heute nach, auch der zweite Überfall im Jahr 2006. Wie im Gazastreifen die Hamas stärkte Israel damit im Libanon die Hisbollah, die nun bekämpft wird – mit den üblichen Kollateralschäden bei der Zivilbevölkerung. Auch diesmal bombardiert Israel auch Wohnviertel in Beirut und anderswo.

Huhn oder Ei, wer hat angefangen, wer ist schuld? Im Nahen Osten eine Frage ohne Antwort. Nur ideologische Brillenträger haben eine einfache Antwort. Es ist eine atavistische Wiederholung der Wiederholung.

Als gesichert kann höchstens gelten, dass bislang keine der militärischen Interventionen Israels im Libanon das gewünschte Ziel erreicht hat – die Vernichtung der Hisbollah und die Befriedung der Nordgrenze. Woher da jemand die Hoffnung nimmt, dass es diesmal gelingen könnte?

Die ökonomischen Folgen dieser Kriege für Israel (von den desaströsen Zerstörungen im Gazastreifen und im Libanon ganz zu schweigen) sind katastrophal, es handelt sich um Multimilliarden. Wie lange der Staat noch in der Lage ist, diese Kosten zu stemmen, steht in den Sternen. Zu den horrenden Kosten dieser militärischen Interventionen kommen noch die Basiskosten der Aufrechterhaltung einer militärischen Abschreckung.

Wer das für eine nachhaltige, lösungsorientierte Politik hält, sollte sich untersuchen lassen.

 

Dokument des Grauens

99 US-Ärzte haben einen offenen Brief an Präsident Biden geschrieben.

Sie beklagen darin «unfassbare Verbrechen Israels in Gaza». Sie tun das aus eigener Anschauung und eigenem Erleben, denn sie haben zusammen 254 Wochen als Ärzte in diesem Kriegsgebiet gearbeitet. Sie unterstreichen, dass niemand von ihnen die Gräueltaten der Hamas unterstützt, die am 7. Oktober 2023 von bewaffneten palästinensischen Gruppen und Einzelpersonen in Israel begangen wurden.

Aber sie fordern, angesichts des unvorstellbaren Grauens, das sie erlebt und gesehen haben, dass die US-Regierung sofort ein internationales Waffenembargo gegen Israel und die Hamas in Kraft setzen.

Was die Ärzte im Einzelnen beschreiben, ist nur etwas für starke Nerven. Natürlich werden diese Augenzeugenberichte von Israel-Verteidigern («das sind die Guten», wie Markus Somm in unübertrefflicher Dummheit behauptet) als Propaganda zurückgewiesen.

Natürlich kann ZACKBUM die Authentizität und Wahrhaftigkeit der Aussagen nicht überprüfen. Es wäre aber höchst unwahrscheinlich, dass sich 99 US-Ärzte dazu verschwören, Lügengeschichten zu verbreiten. ZACKBUM dokumentiert einige Auszüge, der Link zum Original steht oben.

«Dieser Brief und der Anhang liefern beweiskräftige Angaben dafür, dass die Zahl der Opfer in Gaza seit Oktober weit höher ist als in den USA angenommen. Es ist wahrscheinlich, dass die Zahl der Todesopfer in diesem Konflikt bereits über 118.908 liegt, was erstaunlichen 5,4 % der Bevölkerung Gazas entspricht

«Ich habe noch nie so schreckliche Verletzungen in einem so großen Ausmaß mit so wenigen Ressourcen gesehen. Unsere Bomben töten Tausende von Frauen und Kindern. Ihre verstümmelten Körper sind ein Denkmal der Grausamkeit.»
Dr. Feroze Sidhwa, Unfall- und Intensivchirurg, Allgemeinchirurg des Veteranenministeriums

«Fast jedes Kind unter fünf Jahren, das wir im Krankenhaus und außerhalb antrafen, litt sowohl an Husten als auch an wässrigem Durchfall

«Mangelernährung führte zu zahlreichen Fehlgeburten, untergewichtigen Neugeborenen und der Unfähigkeit junger Mütter, ihre Kinder zu stillen. Da es in ganz Gaza keinen Zugang zu Trinkwasser gab, waren die Neugeborenen daher einem hohen Sterberisiko ausgesetzt. Viele dieser Säuglinge starben

«Insbesondere hat jeder von uns, der in der Notaufnahme, auf der Intensivstation oder in der Chirurgie gearbeitet hat, Kinder im vorpubertären Alter behandelt, denen regelmäßig oder sogar täglich in den Kopf oder die Brust geschossen wurde. Es ist unmöglich, dass derart weitverbreitete Schießereien auf kleine Kinder im gesamten Gazastreifen, die über ein ganzes Jahr andauern, zufällig waren oder den höchsten israelischen Zivil- und Militärbehörden nicht bekannt waren.»

«Präsident Biden und Vizepräsident Harris, wir können nicht begreifen, warum Sie weiterhin ein Land mit Waffen versorgen, das diese Kinder vorsätzlich massenhaft tötet.»

«Israel hat mehr als die Hälfte der Gesundheitsressourcen im Gazastreifen zerstört und fast tausend palästinensische Mitarbeiter des Gesundheitswesens getötet.»

«Alle waren sich sehr bewusst, dass ihre Arbeit als Gesundheitsdienstleister sie zu Zielscheiben für Israel gemacht hatte. Dies macht den Schutzstatus, der Krankenhäusern und Gesundheitsdienstleistern nach den ältesten und am weitesten verbreiteten Bestimmungen des humanitären Völkerrechts zuerkannt wird, zur Farce.

Wir trafen in Gaza Gesundheitspersonal, das in Krankenhäusern arbeitete, die von Israel überfallen und zerstört worden waren. Viele unserer Kollegen wurden während der Angriffe von Israel verschleppt. Sie alle erzählten uns eine leicht unterschiedliche Version derselben Geschichte: In der Gefangenschaft wurden sie kaum ernährt, ständig physisch und psychisch misshandelt und schließlich nackt am Straßenrand abgeladen. Viele erzählten uns, dass sie Scheinhinrichtungen und anderen Formen der Misshandlung und Folter ausgesetzt waren. Viel zu viele unserer Kollegen im Gesundheitswesen sagten uns, sie hätten einfach nur auf den Tod gewartet.»

«Herr Präsident Biden und Frau Vizepräsidentin Harris, wir fordern Sie dringend auf, dem Staat Israel unverzüglich Ihre militärische, wirtschaftliche und diplomatische Unterstützung einzustellen und sich an einem internationalen Waffenembargo gegen Israel und alle bewaffneten palästinensischen Gruppen zu beteiligen, bis in Gaza ein dauerhafter Waffenstillstand vereinbart ist, der die Freilassung aller israelischen und palästinensischen Geiseln umfasst, und bis zwischen den beiden Parteien eine dauerhafte Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts ausgehandelt ist.»

Gleichzeitig unterstreichen die 99 Ärzte, dass sie während ihrer Tätigkeit im Gazastreifen in den Spitälern niemals militärische Aktivitäten beobachtet hätten.

Ihre Augenzeugenberichte sind umso wertvoller, da Israel bekanntlich keine unabhängige Berichterstattung aus dem Gazastreifen zulässt; mehr als 140 Medienschaffende sind dort bereits getötet worden, gemäss Reporter ohne Grenzen.

Israels Versuch, die fundamentalistische Terrororganisation Hamas auszulöschen, hat laut diesen Ärzten zu unfassbaren Kriegsverbrechen und Gräueltaten geführt; begangen nicht von der Hamas, sondern von Israel. Stimmt nur ein Teil dieser schweren Anschuldigungen, hat Israel jeden Anspruch auf moralische Überlegenheit verwirkt.

Nach dem brutalen und durch nichts zu rechtfertigenden Überfall, dem Massaker der Hamas an israelischen Zivilisten und Besuchern eines Musikfestivals antwortet Israel offenbar seinerseits mit einem Massaker ungleich grösseren Ausmasses.

Atavismus am 7. Oktober

Wie soll man mit diesem kulturellen Rückfall umgehen?

Die Pro-Israel-Kreischer haben es leicht. Notwehr, Antisemitismus, Zwang zum Gewinnen, da passt kein Hauch eines Zweifels ins Weltbild. Die Pro-Palästina-Kreischer haben es auch leicht. Freies Palästina, eigener Staat, Besetzungsmacht, Kriegsverbrechen. Auch da ist die Gesinnungsblase luftdicht von der Wirklichkeit abgeschlossen.

Aber was soll man auch Vernünftiges dazu sagen? Der Angriff ohne Vorwarnung auf Zivilisten, das Massaker an einem Musikfestival, beabsichtigte Barbarei, um Israel zu einem barbarischen Gegenschlag zu provozieren. Dass der massiver – und barbarischer – erfolgte als gedacht, die Dummheit fundamentalistischer Wahnsinniger ist schwer zu überbieten.

Die Kriegsverbrechen im Gaza-Streifen, die Mordtaten fanatischer israelischer Siedler auf illegal besetztem Land, die barbarischen Angriffe auf Wohnviertel in Beirut, damit fallen beide Seiten in atavistische Verhaltensweisen zurück.

Es kommt nur auf den Blickwinkel an, ob man das Errichten einer Kommandozentrale unter Wohnhäusern oder in Schulen oder Spitälern für barbarischer hält als deren Bombardierung.

«Ein für alle Mal» sei das todsicheres Rezept für ein Desaster im Nahen Osten, schreibt NZZ-God-Almighty Eric Gujer. Wer das historisch vertieft bewiesen haben möchte, dem sei die Lektüre von «Jerusalem, die Biografie» von Simon Sebago Montefiore empfohlen. 895 Seiten voller Gemetzel, Zerstörung, Wiederaufbau, Intrigen, Machtergreifung, Fanatismus, der sich seit der Gründungszeit Jerusalems bis in die Jetztzeit perpetuiert.

3000 Jahre, von König David bis heute, wo Blutvergiessen häufiger herrschte als friedliche Koexistenz, wo im Meer von Blut nur kleine Inseln des Friedens und Wohlergehens aufragten, auch sie so oft erbaut aus den Gebeinen von Getöteten, Gefolterten, Gekreuzigten, Hingemetzelten.

Was nützt ein solcher Blick, hilft er, das aktuelle Schlamassel, das Gemetzel, das alttestamentarische «Auge um Auge, Zahn um Zahn» besser zu verstehen?

Wer nicht so dumpf und dumm ist, dass er primitive Parteiname («die Israelis sind die Guten») braucht, wer es sich auch nicht so einfach machen will, mit dem Leiden eines Volkes ohne Staat alle Grausamkeiten zu legitimieren, der hat es im wahrsten Sinne des Wortes nicht leicht.

Äussert man Abscheu über die Greueltaten fundamentalistische Wahnsinniger, dann wird einem vorgeworfen, man sei der westlichen Propaganda auf den Leim gekrochen, das sei wenn schon legitime Gegenwehr gegen israelische Barbarei, Landraub und gezielte Tötungen gewesen. Verurteilt man israelische Kriegsverbrechen, dröhnt einem die volle Ladung «Antisemit, Mullah-Freund, bezahltes Sprachrohr» entgegen.

Auf welchem Niveau sich der Diskurs heutzutage abspielt, illustrieren die 190 Kommentare bei IP zum Thema «Die Ermordung von Nasrallah ist ein Kriegsverbrechen». Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen anonymes Erbrechen, wobei selbst Lukas Hässig die schlimmsten Sachen rauskübelt und nicht veröffentlicht. Man kann nur hoffen, dass das kein repräsentativer Querschnitt ist, befürchtet es aber doch.

Den Konflikt im Nahen Osten können sicherlich nicht westliche Intellektuelle mit scharfem Nachdenken lösen. Obwohl einige so vermessen sind zu meinen, das leisten zu wollen. Aber es gibt etwas, wogegen jeder Intellektuelle, der diesen Namen verdient, hierzulande energisch protestieren muss: gegen diese Verrohung, Verprimitivierung, gegen Denkverbote, dumpfe Hetze und brutalen anonymen Hass in der Öffentlichkeit.

Dass das Zürcher Zensur Festival einen russischen Dokumentarfilm aus dem Programm nimmt, die Autorin wieder auslädt, das ist ein Skandal. Dass das aufgrund von unziemlichem Druck der ukrainischen Regierung und widerlicher anonymer Hetze mit Morddrohungen geschah, ist unglaublich. Dass dagegen die offizielle Schweiz, die Regierung der Stadt und des Kantons Zürich, der Bundesrat nicht energisch protestierten, ist feiges Versagen.

Dass nur die kleine «Weltwoche» das Naheliegende tat und der Filmerin in einem Interview Gelegenheit gab, ihre Sicht der Dinge zu schildern, ist eine erbärmliche Niederlage der übrigen Medien.

Dass es Volltrottel gibt, die diese Zensur eines angeblichen Propagandamachwerks begrüssen, das ja von Moskau bezahlt sei (was völliger Schwachsinn ist, wie sich jeder informieren kann), zeigt, wie weit die Verblödung schon fortgeschritten ist.

Was Gujer, Meyer, Köppel oder Zeyer zum Nahen Osten meinen, hat keine erkennbare Auswirkung auf das dortige Hauen und Stechen und Morden, das Töten von Zivilisten im Namen einer guten Sache, die halt blöderweise am falschen Ort leben, das ungezielte Abfeuern von Raketen auf israelische Städte.

Dass wer will sich aber offen und öffentlich äussern darf, ohne Repressionen jeglicher Art befürchten zu müssen, ohne Zielschreibe von wutschäumenden Primitivlingen zu werden, die feige unter Pseudonym mutig hetzen, das muss man hingegen einfordern.

Der normale Wäffler, wie er auch bei ZACKBUM in den Kommentarspalten sein Unwesen treibt, der meint, es sei sein Menschenrecht, anonym zu rüpeln und zu rempeln und der furchtbar eingeschnappt ist, wenn man ihn darauf aufmerksam macht, dass er an fremden Tafeln nicht furzen, rülpsen oder gar auf den Tisch kotzen darf – das sind Kollateralschäden dank Internet.

Aber die zunehmende Uniformität der öffentlichen oder besser der veröffentlichten Meinung, das ist beunruhigend. Unabhängig davon, ob sie grossmehrheitlich pro Israel, aber auch vereinzelt pro Palästinenser ist. Was hier fehlt, ist die Bereitschaft zum Dialog, zum Dissens, zur Debatte.

Wer wie Tamedia ein Schreibverbot ausspricht, weil die Führungsnasen keine Kritik vertragen, der ist wohl am unteren Ende der Leiter angelangt. Und hat die Füsse bereits im Seichten, im Sumpf, im Morast der verängstigten Gesinnungsrechthaberei.

Da wäre sogar keine Meinung haben noch ehrenvoller. Hier aber gilt: wer so tief in den Sumpf eintaucht, säuft darin ab. Und keiner hat Mitleid.

Lügen haben kurze Beine: Ein Nachtrag

Ukrainische Rakete verursachte Massaker.

Von Felix Abt

Zackbum hat die schamlosen falschen Anschuldigungen von Präsident Selensky gegen Russland entlarvt, die von den westlichen Medien tagelang unkritisch verbreitet wurden.

Selensky und die Medien behaupteten, dass eine russische Rakete (Der «Spiegel» sprach von einer russischen Artilleriegranate) Dutzende von ukrainischen Zivilisten auf einem ostukrainischen Markt getötet habe.

Doch nun ist die Propaganda und die Ablenkung vom wahren Schuldigen nicht mehr haltbar: Ausgerechnet die «New York Times» entlarvt den Betrug und den Verbrecher öffentlich: Selenskys Rakete hat das Massaker verursacht, auch wenn die Zeitung versucht, das Verbrechen mit einer angeblich verirrten ukrainischen Rakete zu entschärfen.

Die Zeitung berichtet Folgendes: «Zeugenaussagen und eine Analyse von Videoaufnahmen und Waffenteilen deuten darauf hin, dass eine ukrainische Rakete ihr beabsichtigtes Ziel verfehlte und in einer belebten Straße landete – mit verheerenden Folgen.»

Das Selensky-Regime wollte das Verbrechen vertuschen. Die «New York Times» erklärt dies so: «Die ukrainischen Behörden versuchten zunächst, Journalisten der Times daran zu hindern, die Raketentrümmer und das Einschlagsgebiet unmittelbar nach dem Einschlag zu betreten. Doch schließlich gelang es den Reportern, an den Ort des Geschehens zu gelangen, Zeugen zu befragen und Überreste der eingesetzten Waffe zu sammeln.»

Der Rest der Medien wird die Falschmeldungen nun bestenfalls kleinlaut korrigieren, wenn überhaupt. Dennoch wird der Eindruck von den «bösen» Russen (und den «guten» Ukrainern), der nicht unbeabsichtigt entstanden ist, bei der Masse der Medienkonsumenten schwer zu korrigieren sein.

Das Problem mit der Wahrheit

Wieso ist heutzutage eine einfache Frage so schwer zu beantworten?

Die Frage lautet: Fand im Kiewer Vorort Butscha ein Massaker statt, und wurde es von russischen Streitkräften begangen?

Das führt zur Frage: wie lässt sich eine solche Behauptung verifizieren, beziehungsweise falsifizieren? Dieser Frage vorangestellt werden müsste die Feststellung: Es handelt sich bislang um ein mutmassliches Massaker, mutmasslich von den Invasoren der Ukraine begangen.

Unsere Methode, zwischen wahr und unwahr zu unterscheiden, ist normalerweise eher einfach gestrickt. Gibt es fotografische Beweise für eine Behauptung? Gibt es Zeugenaussagen, am besten von Augenzeugen? Gibt es die Bestätigung von unabhängiger Seite? Gibt es faktische Beweise wie beispielsweise Kugeln? Gibt es logische oder andere Unstimmigkeiten in einem Erklärungsnarrativ?

Gerade Ereignisse wie die in Butscha können eine signifikante Auswirkung auf den Kriegsverlauf und die Weltöffentlichkeit haben.

Wie war es bei früheren Massakern?

Greifen wir kurz in die Geschichte zurück und erinnern an das Massaker von My Lai. In einem vietnamesischen Dorf verübte die US-Armee am 16. März 1968 ein Massaker an der Zivilbevölkerung mit 504 Toten.

Der US-Journalist Seymour Hersh brachte mit unermüdlichen Recherchen das Massaker an die Öffentlichkeit, allerdings lehnten zunächst alle grossen Medien in den USA die Publikation seiner Recherche ab.  Erst 14 Monate später berichtete «Life», danach auch «Newsweek» und das «Time»-Magazin. Schockierend waren die Aufnahmen des Fotografen Ron Haeberle, der als das, was man heute «embedded journalist» nennen würde, an dieser Militäraktion teilnahm und die Leichen für einen «body count» der Militärstatistik fotografierte.

Denn die erste Verteidigungslinie der Militärs war, dass es sich ausschliesslich um Vietcong, also feindliche Guerillakämpfer, gehandelt habe. Das Massaker hatte einen bedeutenden Einfluss auf die öffentliche Meinung in den USA und löste eine Protestbewegung in weiten Teilen der Welt aus.

Nur wenige Soldaten hatten den Befehl zum Massenmord verweigert, mit dem vorangehende Greuel wie Vergewaltigungen vertuscht werden sollten. Als Hauptverantwortlicher wurde der befehlshabende Offizier William Calley 1971 zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Der damalige US-Präsident Richard Nixon wandelte die Strafe sofort in Hausarrest um; 1974 begnadigte er Calley vollständig.

Nach kurzem anfänglichen Leugnen und Vertuschungsversuchen wurde dann niemals mehr in Frage gestellt, dass es sich tatsächlich um ein US-Kriegsverbrechen gehandelt hatte. Es war nicht das einzige.

Solche singulären Ereignisse hatten schon immer einen manchmal gewaltigen Impact auf die öffentliche Meinung und die Befürwortung oder Verurteilung eines Krieges. Das mutmassliche Massaker von Butscha hat ein vergleichbares Potenzial.

Aktuelle Strassenaufnahme und zwei Wochen alte Satellitenaufnahme.

Aber trotz im Vergleich zu 1968 gewaltig weiterentwickelten Kommunikationsmitteln bis hin zu Satellitenaufnahmen bestreiten die mutmasslichen Täter ihre Tat. Das Massaker werde ihnen untergeschoben, in Wirklichkeit handle es sich um eine Racheaktion ukrainischer Milizsoldaten an Sympathisanten der Russen, nachdem deren Truppen abgezogen seien.

Ein gefaktes Massaker

In den Wirren nach dem Sturz Ceausescus in Rumänien gab es Berichte über Greueltaten seines Geheimdiensts Securitate, dessen Angehörige sich weiterhin gegen den Machtverlust wehrten. Zum Beleg gab es Fotos eines Massengrabs, in dem Leichen lagen, offensichtlich Zivilisten, die mit Stacheldraht gefesselt waren und mit Schüssen getötet. Das sollte als Beleg für das grausame Wüten der Securitate dienen.

Von dieser Mörderbande wurden tatsächlich Kriegsverbrechen begangen, zum Beispiel in Temesvar. Nur stellte sich hier heraus, dass es sich um Leichen handelte, die aus Leichenhallen von Spitälern herbeigeschleppt und entsprechend hindrapiert worden waren, um Stimmung gegen die Securitate zu machen.

Das Beispiel der Massenvernichtungswaffen des Iraks, wie angeblich irakische Soldaten bei der Invasion Kuwaits Babys aus Brutkästen gezerrt und auf den Boden geworfen haben sollen – es gibt viele Berichte, die sich im Nachhinein als Fake News herausstellten.

Allerdings: in vielen, sicher nicht in allen Fällen, kommt die Wahrheit ans Tageslicht. Meistens dadurch, dass für eine Verschwörungsstory zu viele Beteiligte dicht halten müssten. Konkret heisst das aktuell: angenommen, die russische Version stimmte, dass alle Augenzeugen, die Russen als Verursacher identifizieren, lügen. Dass die Satellitenaufnahmen der Leichen, als noch russische Truppen den Vorort kontrollierten, gefälscht sind. Oder dass ukrainische Truppen die Leichen dort präpariert hätten, um sie dann westlichen Medien vorzuführen. Ohne dass einer der Beteiligten auspackt.

Sicherlich sind die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen und sollte ein verantwortungsvoller Journalismus die Unschuldsvermutung und das Wort «mutmasslich» nicht aus seinem Vokabular streichen.

Berechtigte Zweifel oder Verschwörungsstorys?

Aber bislang hat die russische Seite wirklich keinerlei stichhaltige Beweise vorgelegt, um ihre Behauptung zu stützen. Natürlich werden auf den unendlich vielen Plattformen im Internet wildeste Verschwörungsstorys feilgeboten. Videoanalysen, Widersprüche, Zweifel, Schlussfolgerungen. Natürlich dient zur Selbstverteidigung auch immer das Argument, dass die westlichen Medien eben einseitig berichten würden, dem Narrativ widersprechende Fakten unterdrückten.

Bei aller Unfähigkeit der Medien, bei allem Geheule im Mainstream und der ewigen unreflektierten Wiederholung der gleichen Gemeinplätze: bei all dieser Verwirrung sollte man ein Instrument des Menschen nicht zu gering schätzen: den gesunden Menschenverstand. Etwas ist so, etwas ist nicht so. Man kann sich früher oder später festlegen, was man glaubt.

Aber im Fall von Butscha grenzt es an gesicherte Erkenntnis, noch nicht ganz, aber fast über jeden vernünftigen Zweifel erhaben, dass die Invasionstruppen dieses Massaker verübt haben. Das zu bezweifeln, ist das Recht jedes Bürgers in einer freien Gesellschaft. Ihn deswegen zu beschimpfen oder auszugrenzen oder ihm Nachteile welcher Art auch immer anzudrohen, gehört sich nicht. Oberhalb davon, dass freie Meinungsäusserung eben nicht gratis ist. Die Kosten muss dann schon jeder selber tragen, die Entscheidung ist dem Einzelnen überlassen, ob ihm seine öffentlich geäusserte Meinung etwas wert ist oder nicht.

ZACKBUM hatte beschlossen, sich inhaltlich zum Kriegsverlauf nicht zu äussern. Hier handelt es sich aber um ein Problem, das auch die Rolle der Medien umfasst. Mindestens so erschreckend wie das Massaker selbst ist der offenkundige Vertrauensverlust, den auch seriöse oder halbstaatliche Newsplattformen hinnehmen müssen. Früher hätte eine bestätigte Meldung in der «Tagesschau», erst recht, wenn sie von Paul Spahn vorgetragen wurde, amtlichen Charakter.

Paul Spahn (1914 bis 2002).

Das ist heute leider anders geworden, und daran sind nicht die Russen schuld.