Tagi: Dummes Geschwätz von gestern
Das Kurzzeitgedächtnis der Journalisten in seiner schlimmsten Form.
«Was geht mich mein dummes Geschwätz von gestern an.» Es ist nicht sicher, ob das Lenin oder Konrad Adenauer (oder beide) gesagt haben.
Der «Tages-Anzeiger» titelt: «Gehyptes ETH-Start-up gerät ins Stottern – was ist da los?» Climeworks will mit grossen Staubsaugern CO2 aus der Luft filtern und unschädlich machen. Aber die Sauger haben Verstopfung, grossartige Projekte erbringen nicht im Ansatz die versprochene Leistung.
Multimillionen sind in die Luft geblasen worden, jetzt setzt es Massenentlassungen, begleitet von Durchhalteparolen. Und für den Tagi ist es plötzlich «gehypt».
Wer hat’s denn gehypt und hyperventiliert?
Regierungsrätin Carmen Walker Späh durfte in einem Gastbeitrag in den Qualitätsmedien aus dem Hause Tamedia im Juni 2024 jubilieren: «Die Schweiz ist bereits ein führender Standort für die Entwicklung solcher zukunftsweisenden Lösungen. Unternehmen wie Climeworks, das CO₂ direkt aus der Atmosphäre entfernt …»
Gut, eine Politikerin. Im August 2024 legte Klima-Koryphäe Simon Schmid aus der Qualitätsredaktion nach: «Das könnte mit Techniken passieren, wie sie etwa die Schweizer Firma Climeworks entwickelt und auf Island bereits umsetzt.»
Natürlich mit einem vorsichtigen Konjunktiv, man weiss ja nie so genau.
Im Oktober war dann die nächste Koryphäe, Joachim Laukenmann, dran. Er warnt in bewegenden Worten vor den schrecklichen Folgen der Erderwärmung. Aber es ist Abhilfe in Sicht: «Eine Anlage der Schweizer Firma Climeworks in Island, genannt Mammoth, die CO2 aus aus der Luft einfängt.» Allerdings in so geringen Mengen, dass schon alleine ihr Bau und Betrieb mehr CO2 freisetzt als «eingefangen» wird.
Im November 2024 interviewte er einen «Forscher», der unwidersprochen sagen durfte: «Ein Beispiel für diesen neuen Markt sind die Aktivitäten der Schweizer Firma Climeworks, die mithilfe grosser Filter CO₂ aus der Atmosphäre entfernt und das Gas im Untergrund lagert.»
Im Dezember durfte Spezialist Martin Läubli in die Tasten greifen: «Grosse Hoffnung wird in die – noch teure – direkte Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre gesetzt, wie das die Schweizer Firma Climeworks in Island macht.»
Nach diesem Hype nun die plötzliche Ernüchterung. Entlassungen, die Bude gerate ins Stottern.
Das passiert der versierten Redaktion vom Tagi natürlich nie.
Dass sie, ohne sich die Ergebnisse genauer anzuschauen, mitgehypt hat: Schwamm drüber. Wer erinnert sich schon noch an unser dummes Geschwätz von gestern?
«Ein geplantes Megaprojekt in den USA steht wegen drohender Mittelkürzungen still», unken Claudia Gnähm und eben der Läubli. «Das Filtern von 5 Millionen Tonnen CO2 hat Climeworks bereits vertraglich zugesichert. Aber: Tatsächlich aus der Luft entfernt hat Climeworks bisher aber nur 1000 Tonnen CO₂.» Ziele knapp verfehlt.
Glücklicherweise gibt es immer einen «Klimaexperten», der tröstliche Worte parat hat: «Grundsätzlich sieht er derzeit keinen Anlass, an den Zielen von Climeworks zu zweifeln.» Grundsätzlich ist eben etwas anderes als tatsächlich.
Die Pläne sind weiterhin gigantisch: «Das Langfristziel der Klimapionierin: bis 2050 pro Jahr eine Milliarde Tonnen CO₂ zu reduzieren.»
Von 1000 Tonnen auf eine Milliarde, und das soll mit Redimensionierung und Massenentlassung erreicht werden. Hätte der Tagi nicht mitgehypt, würde er das wohl so bezeichnen, wie es eine solche Hybris von Erbauern von Luftschlössern verdient: heisse Luft.
Beim Co2-Absaugen kennt sich Tamedia halt nicht so aus. Bei Entlassungen hingegen schon.
Kompetenz war gestern, Geschwafel ist heute.