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Juhu: Bleisch hört auf

Es war ein harter Kampf, aber es hat sich gelohnt.

Als Erster zeigte Pascal Hollenstein Wirkung. Nach ausführlicher und wiederholter Kritik an seinem unseligen Wirken als publizistische Leiter nach unten hatte der Wannerclan endlich ein Einsehen: zackbum, weg war Hollenstein.

Die Westentaschenphilosophin Barbara Bleisch war auch zäh. Unbeleckt von jeglicher Kritik machte sie Mal auf Mal Ausflüge in die Niederungen der Banalphilosophie, ohne Rücksicht darauf, dass sie einer eigentlich ehrenvollen Tätigkeit einen Bärendienst (oder sagt man heute Bärinnendienstin?) erwies.

Immer wieder sorgte sie bei Fachleuten wie bei Laien mit ihren Kolumnen dafür, dass sich ein Gefühl ausbreitete, als beisse man in ein nasses Handtuch, während eine Kreide auf der Tafel quietscht. Auch hier musste ZACKBUM Kärrnerarbeit leisten, sich aufopfernd durch manche Kolumne quälen, immer wieder den Herrn um mehr Hirn bitten.

Vergeblich.

Aber dennoch hat der Herr ein Einsehen. Bleisch hat diesen Dienstag ihre letzte Kolumne für Tamedia verfasst. Auch sie beinhaltet wieder Flachdenken in Reinkultur, beim Titel angefangen. Es ist von erhabener und ewiger Wahrheit, dass sich so ab Mitte Dezember das Jahr dem Ende zuneigt, was dem scharfen Auge der Alltagsbeobachterin Bleisch nicht entgangen ist. Und was sie dem staunenden Publikum auch mitteilen muss.

Etwas unsicher wird sie allerdings bei der Zeitangabe am 13. Dezember: «In knapp drei Wochen ist Silvester.» Knapp daneben ist halt auch falsch, aber vielleicht sollte das eine indirekte Anspielung auf Einsteins Relativitätstheorie sein. Zum Abschied lässt Bleisch nochmal voll Rohr tiefe Weisheiten und Wahrheiten auf die Leser plätschern:

«Was uns zu schaffen macht, ist nicht, dass die Zeit vergeht, sondern dass wir es sind, die vergehen, und unser Dasein ein Ablaufdatum hat.»

Wie immer so gegen Mitte ihrer Kolumne fällt ihr auf, dass sie noch keinen Namen eines Philosophen genannt hat. Also muss Martin Heidegger dran glauben. Der hat als alter Nazi zwar so ziemlich alles verdient, aber auch noch von Bleisch kurz uneigentlich zitiert werden? Das ist vielleicht zu viel der Strafe.

Davon wollen wir uns die Feierlaune nicht verderben lassen: es war die letzte Kolumne von Bleisch. Wie meint sie noch richtig: «Wenn Sie den Text zu Ende gelesen haben werden, werden rund 120 Sekunden Ihrer Lebenszeit verstrichen sein.» Das mag sein, aber diese 120 Sekunden kamen einem wieder wie eine endlose Quälerei vor.

Die WeWo hat zwei Probleme

Das eine heisst Tom Kummer.

Ihr freiwilliger Beitrag für ZACKBUM

Wenn der Cédric Wermuth porträtiert, weiss man nie, was sich tatsächlich so abgespielt hat und was erfunden ist. Also überblättert man die drei Seiten lieber.

Das zweite Problem heisst Roger Köppel. Nein, so kann man das nicht formulieren. Denn es gibt ja viele Köppels in der «Weltwoche». Genau das ist das Problem. Es gibt den Editorial-Schreiber. Den Chefredaktor. Den Verleger. Den Besitzer. Den SVP-Nationalrat. Den Energiebolzen. Und den Interviewer.

Das ist vielleicht der schlimmste Köppel. Denn er findet kein Ende. Diesmal ist er beeindruckt vom deutschen Alt-Philosophen Hermann Lübbe. Dem muss man lassen, dass er für seine 95 Jahre noch ziemlich kregel ist. In dieser Ausgabe scheint es Köppel überhaupt die Philosophie angetan zu haben. In seinem Editorial schwärmt er für den Schwulstschwätzer aus dem Schwarzwald, über den Nazi-Anhänger Martin Heidegger, vor dessen Holzhütte sich Köppel ehrfurchtsvoll begeben hat. Heidegger sei nach dem Krieg «fast wieder rehabilitiert» gewesen, habe ganze Generationen von Denkern und Dichtern beeinflusst.

Das wüsste man aber, wenn das so gewesen wäre. Wer gerne über Krampfbegriffe wie «Gestell» nachsinnieren möchte, bitte.

Aber das ist (glücklicherweise) nur ein Teil seines einseitigen Editorials. Sagenhafte 12 Seiten, immerhin mit Bildanteil, verwendet Köppel aber auf sein Interview mit Lübbe. Auch der war, allerdings erst ab 1944, Mitglied der NSDAP. Später fiel er durch seine Polemik gegen die deutsche Studentenbewegung auf, seit vielen Jahren eigentlich durch nichts mehr.

Nun, wie soll man den Inhalt, den Gehalt von 12 Seiten zusammenfassen? Was soll man zu über 60’000 Anschlägen sagen? Nun, es gibt gewisse Längen. Und Peinlichkeiten:

«Man könnte Ihren Gedanken weiterspinnen und sagen: Je ausgeprägter der Zivilisationsprozess, diese Verflechtung ist, desto leichtfertiger leistet sich der Mensch Feindbilder, weil er weiss, dass er letzten Endes sicher ist. Man wird vielleicht etwas leichtsinniger, auch mit der Sprache. Das ist für den Aufmerksamkeitsgewinn gut, aber man macht es letztlich nur, weil man sich sicher ist, dass die Welt nicht einstürzt.
Lübbe: Ja, besser hätte ich es nicht sagen können. Das halte ich für richtig. Natürlich, die Intellektuellen-Rolle ist eine Rolle für sich.»

Häufig beschränkt sich Lübbe auch auf ein knappes «so ist es», nachdem Köppel seine Frage gestellt hat. Manchmal leistet er auch hinhaltenden Widerstand bei der Beantwortung:

«Wie gross ist die Gefahr, dass bei den sendungsbewussten Amerikanern das Gute ins Böse überschiesst – zum Beispiel jetzt, im Krieg gegen Russland?
Lübbe: Das ist eine sehr harte Frage, und ich zögere, sie ebenso sicher zu beantworten, wie sie von Ihnen gestellt worden ist.
Weltwoche: Es ist ja einfacher, eine Frage zu stellen, als sie zu beantworten.
Lübbe: Ja. Nichtsdestoweniger würde ich, in der Zuversicht, zu der ich nicht gefühlsmässig neige, sondern für die ich Gründe zu sehen glaube, sagen, auch die amerikanische Zivilisation neigt doch im Vergleich zur europäischen eher zum Realismus.»

Aber eigentlich begegnen sich hier zwei Denker auf Augenhöhe, wie Lübbe immer wieder feststellt: «Richtig. … Richtig … Ja, so sehe ich das auch … Exakt … Die Frage ist anspruchsvoll … Ich stimme zu … Genauso war es … Damit bin ich voll einverstanden

An nicht wenigen Stellen sehnt man sich einen Redaktor herbei, der den Mut gehabt hätte, diese und viele andere Stellen zu streichen:

«Weltwoche: Vereinigte Staaten von Europa. Das wird’s nicht geben.
Lübbe: Das wird es nicht geben. Das habe ich auch geschrieben.
Weltwoche: Genau. Den europäischen Superstaat wird es nicht geben.
Lübbe: Ja, das meine ich.»

Ein nicht mehr ganz junger Herr liefert einem ziemlich alten Herrn die Stichworte, damit der sich entweder auf ein knappes «Richtig» beschränken kann oder ohne kritisches Hinterfragen befürchten zu müssen diese oder jene Lebensweisheit von sich geben darf.

Man weiss es nicht, aber vielleicht wäre das Interview um 50 Prozent gekürzt interessant geworden. Vielleicht auch um 75 Prozent gekürzt. Oder aber, ein radikaler Seinsvorschlag im Heideggerschen Sinn: vielleicht wäre ein Kürzung um 100 Prozent sinnvoll gewesen, damit ein Ge-Stell daraus geworden wäre  …

 

Und Er heisst Köppel?

Der Mann kann was. Aber er ist nicht allmächtig.

Was über alles für Roger Köppel spricht: er ist der einzige Verleger, Herausgeber, Besitzer und Chefredaktor, den man in seinem eigenen Blatt kritisieren kann. Das schreibt ZACKBUM völlig schleimfrei, weil nicht nur wir das schon tun durften. Denn sein Kriterium ist einzig: wenn’s gut und anregend geschrieben ist, hat’s Platz in seiner «Weltwoche».

Allerdings verkörpert er auch als Einziger eine solche Personalunion und damit Machtvielfalt, sozusagen seine eigene Dreifaltigkeit. Hier kann kein Verleger, und erst recht kein Besitzer dem Chefredaktor sagen: lass den Quatsch, sonst knallt’s. Wenn schon, dann knallt’s unter ihm. So hat er nicht immer ein glückliches Händchen bei der Auswahl seiner Mitarbeiter oder gar Stellvertreter. Kenneth Angst, gerade nach einer üblen Affäre bei der NZZ in hohem Bogen herausgeflogen, denn deren Firmen-Kreditkarte sollte man nicht unbedingt im Rotlichtmilieu missbrauchen, konnte er bei der WeWo an Bord gehen. Kurzer Ausflug.

Viel länger hielt sich Philipp Gut auf dem Posten. Solidarisch, treu, Köppel konnte «fass» sagen, und Gut schnappte zu, verbiss sich und liess nie mehr los. Selbst Gerichtsurteile konnten ihn davon nicht abhalten. Dann zackiger Abgang, «nicht ganz freiwillig» mehr weiss man nicht. Auch hier: keine übergeordnete Kraft, die Köppel mal kurz in den Senkel stellte.

Die Auswahl des Personals ist nicht seine Kernkompetenz 

Auch Hanspeter Born (Toast Hawaii), wohl der einzige Journalist der Welt, der einen Täter freigeschrieben hat, kommt auch nach seiner Pensionierung immer wieder zu Gastauftritten. Urs Gehriger, mehrfach des Plagiats überführter «Auslandchef», echter Groupie von Donald Trump (und dessen Frau!): beim wiederholten Mal ein strenger Blick von oben, angebliches Opfer «interner Massnahmen», aber sonst: weiter so, Ausland ist weitgehend gegendarstellungsfrei, weiss man doch.

Dann füllt sich das Blatt mit der Krankheit Kolumnitis wie kein zweites. Darunter edle Federn, aber auch Abgehalftertes wie Hansrudolf Kamer, pensionierter Auslandchef der NZZ, mitten im Abklingbecken von ehemaligen Weltenordnern. Andreas Honegger, ehemaliger Zürich-Chef des Weltblatts, der schon damals sehr viel Zeit in Restaurants verbrachte. Oder Anabel Schunke, Postergirl von achgut.de und anderen Selbstbestätigungsplattformen. Claudia Schumacher, die das letzte Tröpfchen Langeweile aus dem Thema Liebe, Beziehungen und Sex rauspresst. Ganz zu schweigen von Tamara Wernli, die flacher als ein Blatt Papier schreibt.

Aber den Vogel schiesst Köppel gerade mit einem Wiederholungstäter ab. Das muss man schon beinahe pathologisch nennen. Denn Tom Kummer begleitet ihn schon seit vielen Jahren. Bereits im «Magazin» des «Tages-Anzeiger» durfte das Relotius-Vorbild seine Lügen- und Fakestorys veröffentlichen. Den Kollegen von der Süddeutschen kostete das den Job.

Und immer wieder grüsst der Faker

Nichtsdestotrotz bekam Kummer weitere Chancen in der WeWo. Und füllte das Blatt, wen wundert’s, mit Fake News. Resozialisierung, zweite Chance, Köppel war ganz als Mutter Theresa gestimmt. Und wieder fehlte ein Vorgesetzter, der ein Machtwort sprach: Köppel, lass den Quatsch. Kummer flog, Kummer fliegt wieder hinein. Und Köppel wird ein weiteres Mal auf die Schnauze fliegen, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

Checks and Balances ist nicht nur in der Politik eine gute Sache. Wenn das fehlt, kommt es hierzu:

«Wir freuen uns, Ihnen den Berner Schriftsteller Tom Kummer als neuen freien Mitarbeiter der Weltwoche vorstellen zu dürfen.»

Der soll angeblich einen Sohn haben, der in New York wohne, wo ihn Kummer besucht habe. Das schlägt nun alles.

Dem glaubt man nicht mal ein Selfie:
das soll Tom Kummer sein, möglicherweise vor Fototapete.

Schliesslich fehlt eine leitende Hand von oben, um Köppel vor sich selbst zu schützen. Denn der Workoholic mit täglichem Morgengrauen-Videocast, der unermüdliche Schaffer und Schreiber, der mehr Energie im kleinen Finger hat als ganze Redaktionen in allen Händen, schreibt auch ein markig mit «R.K.» gezeichnetes Editorial.

Eigentlich immer seiner nach Jahren etwas ausgeleierten Doktrin folgend: gegen den Strom. Was alle gut finden, finden wir aus Prinzip schlecht. Wenn alle Donald Trump bashen, entdecken wir seine staatsmännischen Seiten. Wenn alle Steve Bannon für einen geschwätzigen Vollidioten halten, der es sogar schafft, sich selbst aus rechtsgewirkten Plattformen zu kübeln, dann laden wir den nach Zürich ein und wollen uns in seiner aschgrauen Sonne glänzen sehen.

Auch ein Gottgleicher kann nicht alles

Vor allem aber, wenn es philosophisch wird, spielt Köppel leider ziemlich oberhalb seiner geistigen Gehaltsklasse. So bezeichnet er in seinem jüngsten Editorial den tief angebräunten Schwulstschwätzer aus dem Schwarzwald, den ehemaligen Nazi-Rektor und Lobhudel der braunen Pest, also den völlig zu Recht bis heute verfemten Martin Heidegger, als «Über-Philosophen», als «enttäuschten Katholiken», der nie über Nietzsche hinweggekommen sei.

Dabei ist dessen mystisches Geraune über Gesamtzusammenhänge der Welt als «Geviert» zutiefst kontaminiert durch seine NSDAP-Mitgliedschaft von 1933 bis 1945. Als Rektor der Freiburger Universität (und Nachfolger eines SPD-Rektors) salbaderte er über «Grösse und Herrlichkeit des Aufbruchs» der Nazis, war unbedingter Anhänger des Führerkults und mit einem Wort ein in der Wolle gefärbter Faschist.

Bis heute eigentlich nicht zitierfähig, abgesehen davon, dass sein schwülstiges Werk schwer verständlich ist und ohne Verluste an Erkenntnis ignoriert werden kann. Aber das ist für Köppel leider nur die Einleitung zu seinem eigenen Glaubensbekenntnis:

«Ich behaupte: es muss eine gütige Vorsehung geben, einen gnädigen Gott.»

Der Pfarrer von der Kanzel könnte es nicht besser: «Spielt es eine Rolle, ob wir an Gott glauben? Gottseidank glaubt Gott an uns.» Um mit einem urbi et orbi zu schliessen: «Fürchtet euch nicht. Bald ist Weihnachten.»

Nun ist Glauben Privatsache. Schon Bob Dylan sang:

But you’re gonna have to serve somebody, yes indeed
You’re gonna have to serve somebody
Well, it may be the devil or it may be the Lord
But you’re gonna have to serve somebody

Aus dieser Verirrung kam er dann auch wieder heraus, damals besass er noch eine Singstimme, und zusammen mit Mark Knopfler war das ganz schön rhythmisch inszeniert. Bei Köppel muss man bedauern, dass er selbst gottgleich über seiner Redaktion thront. Die darf zwar schon widersprechen, so ist’s nicht. Aber vor und nach Weihnachten entscheidet dann nur einer.

The Man. The Boss. Der, der keinen über sich hat und sich vor keiner Fehlentscheidung fürchtet.

 

Packungsbeilage: René Zeyer schreibt mehr oder minder regelmässig in der «Weltwoche». Weniger über Gott, mehr über die Welt.