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Wumms: Nicola Forster

Tagi-Interview, realoaded.

Offenbar kann  jeder, der unbelästigt von wirklich kritischen Fragen etwas loswerden will, auf  Tamedia zählen. Das betrifft auch Nicola Forster. Das ist der Marko Kovic der politischen Bewegungen.

Er hat die «Operation Libero» ins Leben gerufen, die gerade von Sanija Ameti beerdigt wird. Und die «Denkfabrik» Foraus, die gerade in der Bedeutungslosigkeit versinkt. Schön, dass er als Präsident der altehrwürdigen «Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft» wieder ein Zubrot gefunden hat.

Dort schmiss er mal kurz den langjährigen Geschäftsleiter Lukas Niederberger raus, verkrachte sich heillos mit Teilen des Vorstands und hob «Pro Futuris» aus der Taufe. Immerhin hat Forster hier Zugang zu einer Kriegskasse von  rund 100 Millionen Franken.

Nun merkt der abgesägte Co-Chefredaktor von Tamedia kritisch an: «Der Netzwerker ist unter Druck geraten.» Aber gemach, wer Mario Stäuble ein Interview gibt, bzw. «Jetzt redet zum ersten Mal der Präsident, der scharf attackiert worden ist», weiss, dass er hier mit Samthandschuhen angefasst wird.

Daher darf er gleich am Anfang kompetent und inhaltlich überzeugend zu einer kritischen Frage Stellung  nehmen:

«Herr Forster, sind Sie ein Vereinsdiktator? – So ein Hafechääs
So geht’s dann weiter; pseudo-kritsche Frage, nicht hinterfragte Nonsens-Antwort. «Sie wollen Herrn Kallay nun aus dem Vorstand werfen. Nicht gerade demokratisch. – Es ist mir ein grosses Anliegen, alle Kräfte einzubinden. Aber dafür muss man sich in die Augen schauen können. Und in diesem Fall wurde unser Vertrauen Mal für Mal verspielt, wobei es nie um politische Fragen ging. Deswegen ist dieser Schritt unumgänglich. – Moment, Sie können Ihrem Widersacher nicht mehr in die Augen schauen? – Ich kann ihm sehr gut in die Augen schauen, aber… (bricht ab) Es ist eine schwierige Situation. Wir haben immer wieder versucht, ihn einzubinden, aber das hat nicht funktioniert.»

Hä?

Forster sistiert Neueintritte von Vereinsmitgliedern, kassiert immerhin 48’000 Franken für seine Tätigkeit (sein Vorgänger 12’000, die er gleich wieder spendete), die Organisation ist seit Amtsantritt Forster in hellem Aufruhr – alles gut, alles kein Problem, alles unter Kontrolle.

Es ist offensichtlich so: wer ins ideologische Raster von Tamedia passt, bekommt ein Gefälligkeitsinterview serviert, in dem er auf vermeintlich kritische Fragen ungehindert seine Propaganda-Show abziehen darf.

Das hat mit Journalismus ungefähr so viel zu tun wie eine Kuh mit Foxtrott. Nur verlangt die keinen Eintritt für ihre blamable Leistung.

 

Gesetzesbrecher

Journalisten kennen nix, wenn es um Waffenlieferungen geht.

Das Kriegsmaterialgesetz der Schweiz lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Jeder Laie versteht den Artikel 22a, «Bewilligungskriterien für Auslandgeschäfte».

Die werden nicht bewilligt, «wenn das Bestimmungsland in einen internen oder internationalen Bewaffnete Konflikt verwickelt ist».

Um das scheunentorgrosse Schlupfloch von erlaubten Lieferungen an Staaten zu schliessen, die das Kriegsmaterial dann flugs weiterverkaufen, gibt es zudem die Pflicht der «Nichtwiederausfuhr-Erklärung». Auch das versteht jeder Laie.

Das verstehen aber viele Politiker und auch Journalisten nicht. In geradezu nordkoreanischem Dreiklang meinen die grossen meinungsbildenden Konzerne Tamedia, CH Media und NZZ, dass der Export von 25 Leopard 2 nach Deutschland schon voll in Ordnung sei. Maja Briner ist seit fast 5 Jahren Bundeshausredaktorin in Teilzeit bei CH Media. Sie ist Militärexpertin und Rechtsspezialistin. Oder nein, sie hat einen BA in Medien- und Kommunikationswissenschaft. Also kommuniziert sie: «Die Schweiz aber steht abseits. … Nun kommt endlich etwas Bewegung in die verhockte Debatte … dass sie auf eingemotteten deutschen Panzern hockt, die sie nicht braucht, während andere sie dringend benötigen: Das ist in dieser Situation kaum zu rechtfertigen.» Dieser Verkauf sei «ein erstes Zeichen von gutem Willen».

Dass Mario Stäuble von vielem wenig versteht, ist bekannt. Nun outet er sich auch noch als Nicht-Gesetzesversteher bei Tamedia: «Der Bundesrat will alte Kampfpanzer nach Deutschland zurückgeben, um die Ukraine zu unterstützen. Das ist pragmatisch und richtig … er verletzt weder das Neutralitätsrecht noch verursacht er grosse Kosten … das Narrativ eines Staates, der Mühe damit hat, sich auf die neue europäische Sicherheitslage einzustellen, wird abgeschwächt».

Georg Häsler ist Philologe und Oberst der Schweizer Armee. Mit dieser Autorität ausgestattet, verkündet er in der NZZ, dass gegen diesen Entscheid nichts einzuwenden sei «– im Gegenteil. Die Schweiz als westliches Land hat ein Interesse daran, dass die ukrainische Armee die Besatzungstruppen zurückschlagen und im besten Fall vertreiben kann. Auch aus militärischer Sicht ist die Rückgabe von 25 von 96 stillgelegten Leopard 2A4 knapp vertretbar».

Aber immerhin, es ist dann doch die NZZ, fügt er hinzu: «Zuerst reagiert Bern mit grossen Worten, dann wahlweise taub oder gekränkt – und knickt dann schliesslich ein.»

Die Beschreibung ist nicht schlecht. Sie beinhaltet aber unausgesprochen, dass in der Schweiz Gesetze, die aus irgend einem Grund nicht genehm sind, nicht mehr auf dem vorgeschriebenen Weg geändert – sondern schlichtweg umgangen werden. Wie das Deutschland und diverse andere europäische Staaten auch tun.

Blasen wir die Nebel des Krieges von diesem Thema. Und kehren wir zu den einfachen Worten des Gesetzes zurück. Waffenlieferungen an die Ukraine sind verboten. Verboten heisst hier verboten, wie in verboten. Waffenlieferungen an nicht kriegführende Staaten sind erlaubt, wenn sie nicht in Kriegsgebiete weiterexportiert werden. Das ist verboten. Verboten wie in verboten.

Nun kommt eine Schlaumeierei. Wie ist es denn dann, wenn die Schweiz an Deutschland Panzer liefert, damit Deutschland Panzer an die Ukraine liefern kann? Machen wir einen kleinen Multiple Choice Test: Das ist

a) erlaubt
b) verboten
c) eine Schlaumeierei
d) eine verdammte Schlaumeierei

Natürlich ist die Antwort b) richtig. Erlaubt ist es auf keinen Fall, und Schlaumeiereien sind in Gesetzen eigentlich nicht vorgesehen. Die betreiben normalerweise Winkeladvokaten, die nach Auslegungen, Auswegen und Umwegen suchen, um trotz klarem Wortlaut eines Gesetzes einen Verstoss wegzuschummeln. So à la Bill Clinton: «Ich hatte keinen Sex mit dieser Frau.» Nein, das war nicht gelogen, in den Südstaaten gilt Oralverkehr nicht als Sex, ätsch.

Zu den vielen Gebieten, auf denen die Medien versagen, gesellt sich nun noch ein ziemlich wichtiges. Sie behaupten unverzichtbar zu sein, weil sie die Vierte Gewalt seien, eine Kontrollfunktion wahrnähmen, vor allem staatliches Handeln kritisch unter die Lupe nähmen. Wie schon während der Pandemie …

Das obrigkeitshörige, manchmal geradezu kriecherische Verhalten der Mainstreammedien gegenüber der Regierungspolitik bei Corona war bereits hochbedenklich. Nun wiederholen aber die Medien beim Ukrainekrieg ungehemmt den gleichen Fehler. Statt kritisch zu begleiten, Fragen nach Gesetzestreue zu stellen, sich Gedanken zu machen, was die Aufgabe der Neutralität bewirken könnte – lobhudeln sie fragwürdige Regierungsentscheidungen, rufen sogar nach mehr und direkteren Waffenlieferungen an die Ukraine.

Mit dem absurden Argument, dass das den «Druck des Auslands» auf die Schweiz nehme, sie damit zu den «guten» Staaten gehöre, nicht länger «abseits stehe», «berechtigten Forderungen» nachgebe. Welch ein Niedergang.

Politiker sind flexibel, das ist bekannt. Der gleiche Bundesrat Berset, der in Berlin noch tapfer verkündete, dass sich die Schweiz an ihre Gesetze halte, sich zuvor sogar gegen einen «Kriegsrausch» aussprach, gehört nun plötzlich zu den Befürwortern dieses Gesetzesbruchs.

Wenn aber der vermeintliche Wächter des Staates, die Vierte Gewalt, klarem Rechtsbruch applaudiert, sogar noch mehr fordert, dann kann er die Behauptung dieser Funktion auch gleich selbst beerdigen. Denn das Publikum glaubt auch hier kein Wort mehr.

 

Kleiner Kopf, grosses Thema

Früher war ein «Leitartikel zum 1. August» noch was.

Mario Stäuble ist, viele wissen das nicht, Co-Chefredaktor des «Tages-Anzeiger». Die Zeitung war einmal, viele wissen das nicht mehr, eine ernstzunehmende Stimme in der öffentlichen Auseinandersetzung. Neben viel Eigenrecherche positionierte sich der Tagi mit kantigen Kommentaren und intelligenten, elegant geschriebenen Kolumnen.

Inzwischen werden grosse Teile des Inhalts von der «Süddeutschen» aus München übernommen. Eigenleistungen spielen sich häufig in Themengebieten wie der Genderfrage ab, die 98 Prozent der Konsumenten eher nicht interessieren. Als Grossleistungen sind höchstens noch die Beteiligung an der Ausschlachtung von gestohlenen Geschäftsunterlagen zu erwähnen. Die Hehlerware wird dann von Anklägern, Richtern und Vollstreckern in einer Person dem Publikum als «Papers» oder «Leaks» präsentiert.

Beim letzten Versuch klagte der Tagi selber, dass es sich um einen Skandal handle, der keiner wurde. Oder einfacher ausgedrückt: es war wieder ein Flop.

Im allgemeinen Niedergang bietet die Chefredaktion des Tagi ein besonders jämmerliches Bild. Sie reagierte verschreckt und duckmäuserisch auf ein Protestschreiben erregter Tamedia-Mitarbeiterinnen, die Sexismus, Diskriminierung und unerträgliche Arbeitsbedingungen beklagten. Unterfüttert mit einer Latte von anonymisierten, nicht nachprüfbaren, weder zeitlich noch sonst verorteten Beispielen von angeblichen Übergriffen.

Anlass zu Fremdschämen und peinlicher Berührtheit beim Lesen gibt regelmässig Mario Stäuble. Zuletzt wurde er verhaltensauffällig mit einer oberhochnotpeinlichen und gewundenen Erklärung, wieso der Tagi den Namen eines Entführungsopfers zuerst nannte, dann nicht mehr nennen durfte. Die einfache Begründung wäre gewesen: der Tagi, in erster Linie seine Chefredaktion, haben’s versemmelt.

Vergessen wir die Vergangenheit. Leiden wir unter der Gegenwart

Schlamm drüber. Nun vergreift sich Stäuble aber am 1. August. Was immer man von diesem Datum halten mag, ob es Anlass zur Besinnung, zur Feier, zur Freude, zum Schämen oder was auch immer ist: man sollte zumindest in Würde und auf einem minimalen intellektuellen Niveau darüber nachdenken oder schreiben.

Zwei Gebiete, die nicht zu den Kernkompetenzen von Stäuble gehören. Keiner zu klein, grossmäulig zu sein:

«Die Idee der Schweiz als isolierte Insel ist überholt. Das Land braucht ein neues Selbstverständnis.»

Das ist ja mal eine Ansage. Sie krankt schon daran, dass es in der Schweiz wohl keinen Robinson Crusoe gibt, der sie als isolierte Insel anschaut. Und was für ein neues Selbstverständnis soll gebraucht werden, welches alte ist überholt?

Stäuble holt tief Luft und zitiert aus einer Rede des ersten Schweizer Literaturnobelpreisträgers Carl Spitteler, in der er sich darüber freute, dass eine «Ausnahmegunst» der Schweiz erlaubt habe, während des Ersten Weltkriegs «im Zuschauerraum zu sitzen».

Wie jeder Halbgebildete greift sich Stäuble aus einer längeren Entwicklung von Gedanken einen Satz heraus, der ihm in den Kram passt. Es lohnt sich aber tatsächlich, diese Rede nachzulesen, gehalten am 14. Dezember 1914.

Wer das tut, erfährt, dass sich Spitteler nicht über eine Sonderrolle der Schweiz ausliess, sondern in erster Linie seiner Besorgnis Ausdruck gab, ob sich angesichts des europäischen Schlachtfelds der französische und der deutsche Teil der Schweiz nicht näher zu den jeweiligen grossen Nachbarländern als zur gemeinsamen Sache der Schweiz fühlen könnten.

Stäuble galoppiert durch Niemandsland der Gedankenfreiheit 

Die Rolle von Grossmächten brachte Spitteler übrigens schneidend scharf und gut auf den Punkt:

«Nicht umsonst führen die Staaten mit Vorliebe ein Raubtier im Wappen. In der Tat lässt sich die ganze Weisheit der Weltgeschichte in einen einzigen Satz zusammenfassen: Jeder Staat raubt, soviel er kann. Punktum. Mit Verdauungspausen und Ohnmachtanfällen, welche man „Frieden“ nennt.»

Genauso klar äussert er sich auch zur Position der Schweiz in Kriegszeiten zwischen sie umgebenden Grossmächten: «Der Tag, an dem wir ein Bündnis abschlössen oder sonstwie mit dem Auslande Heimlichkeiten mächelten, wäre der Anfang vom Ende der Schweiz.»

Was Spitteler für den «richtigen, den neutralen, den Schweizer Standpunkt» hält, das lohnt sich wahrhaftig nachzulesen. Das hat mit dem herausgerissenen Zitat von Schäuble null und nichts zu tun. Der Co-Chefredaktor startet also mit einer Bauchlandung. Und von da an geht’s weiter nach unten.

Denn nun versucht er es mit falschem Pathos: «Ein Krieg ist ausgebrochen, und 27 Energieminister kommen zusammen, um einen Kontinent zu einen. Russland hat die Ukraine überfallen und setzt seine Erdgasvorkommen als Waffe gegen Europa ein. Die EU-Minister beschliessen, jedes Land werde seinen Gasverbrauch um 15 Prozent senken, um sich aus Putins Würgegriff zu befreien. Das ist historisch – auch wenn der Plan jede Menge Ausnahmen enthält.»

Es ist ein löchriger, nicht funktionierender Plan von 27 EU-Ministern. Obwohl die Schweiz bekanntlich nicht Mitglied in diesem Verein ist, fragt Stäuble inquisitorisch: «Was ist eigentlich mit der Schweiz? Ist man Teil dieses Plans?»

Gegenfrage: wieso genau sollte die Schweiz Teil eines unrealistischen EU-Plans sein? Dem viele Minister im festen Wissen zustimmten, dass er sowieso nicht funktionieren wird?

Schrecklicher Sonderfall Schweiz

Der Bundesrat setze da weiterhin auf den «Sonderfall Schweiz», schreibt Stäuble anklägerisch. Schlimmer noch: «Es ist nicht das erste Mal, dass dies seit Kriegsausbruch passiert. Die verspäteten Sanktionen gegen Russland sind ein Beispiel, das Nein zur Aufnahme von Verletzten aus der Ukraine ebenfalls

Verspätete Sanktionen? Die erstmalige Übernahme von Sanktionen, die nicht vom UN-Sicherheitsrat, sondern von der EU beschlossen wurden? Und was für ein «Nein» meint Stäuble hier? Hat er auch das nicht verstanden?

Nun, falsch zitiert, anderes auch nicht kapiert, worin sollte denn nun das «neue Selbstverständnis» bestehen? «Zur Neupositionierung der Schweiz gehört, dass sie ihr Verhältnis zur EU entkrampft.» Ach was, und was würde eine Entkrampfung der Schweiz bringen?

«Nur so wird es gelingen, dass man etwa Entwürfe von Sanktionen gegen Russland im Vertrauen vorab zu sehen bekommt, statt die Informationen nachträglich im Internet suchen zu müssen.» Das ist nun so jämmerlich und lächerlich, dass man beim Lesen nicht weiss, ob man weinen, lachen oder mitleidig den Kopf schütteln soll.

Aber wir sind tapfer und zitieren noch die Schlusspointe: «Zwischen Bern und Brüssel braucht es Nähe und Vertrauen. Nur schon, um für den Tag gewappnet zu sein, an dem Carl Spittelers «Ausnahmegunst des Schicksals» plötzlich ausläuft.»

Ein Leitartikel als Leidartikel

Nähe und Vertrauen? Mit dem dysfunktionalen, undemokratischen, «sanften Monster Brüssel», wie das Hans Magnus Enzensberger nannte. Untertitel seines genialen Essays: «Oder die Entmündigung Europas». Und das schrieb er noch lange bevor sich die EU entschloss, militärisch einem Nicht-NATO-Mitglied zu helfen.

Denn was Spitteler ironisch «Ausnahmegunst des Schicksals» nannte, ersparte der Schweiz Leid und Zerstörung im Ersten Weltkrieg. Es ersparte der Schweiz Leid und Zerstörung im Zweiten Weltkrieg. Sie hat sich dabei nicht nur mit Ruhm und Ehre bekleckert, sie hat sich auch durchgewurstelt. Na und? Hätte sie sich damals auf eine Seite stellen sollen? Auf die der Faschisten? Oder der Alliierten, zu denen nebenbei auch die ehemalige Sowjetunion gehörte?

Wer das auch im Nachhinein korrekt mit nein beantwortet, soll heute für Schulterschluss, «Nähe und Vertrauen» mit Brüssel sein?

Es ist tragisch. Es ist jämmerlich. Es ist peinlich. Es ist bedauerlich, auf welches Niveau ein Leitartikel zum 1. August im Tagi abgesunken ist. Es ist ein Leidartikel. Es ist ein Schriftstück, das Mitleid auslöst. Man wünschte der schrumpfenden Leserschar des Tagi etwas Besseres für den 1. August. «Betet, freie Schweizer, betet», heisst es in der Nationalhymne. Wir wissen hier, worum gebetet werden sollte: Oh Herr, lass Hirn vom Himmel regnen.

 

 

 

Der Politchef, der eine Spritze braucht

Denis von Burg fiel schon durch diverse Ausraster auf. Jetzt wird’s pathologisch.

Wir sind doch alle für verbale Abrüstung und einen pfleglichen Umgang in der politischen Debatte. Alle? Einer sicher nicht:

«Regelmässig ziehen ein paar Tausend durch die Städte, sind laut und manchmal auch gewaltbereit», «inhaltlich auf sehr bescheidenem Niveau», «abstrus und entblösst die Wortführer der Bewegung als libertäre Wirrköpfe».

Dabei könnte von Burg doch durchatmen: «sicher ist: Mehrheitsfähig ist diese Bewegung nicht.» Aber er mahnt und warnt: «Und doch ist deren Kraft, die Politik einzuschüchtern, gross – gefährlich gross.»

Ganz schlimm treibt es, wer sonst, die SVP, sie «wechselte instinktiv die Seite, kaum ertönten die ersten Kuhglocken. Sie bekämpft das Covid-Gesetz und lässt ihre Tenöre demonstrativ im Trychlerhemd auftreten».

Aber oh Schreck, was tun denn die Regierenden? «Nur weil eine radikale Minderheit den Parteien und Behörden Angst macht, riskiert man jetzt eine fünfte Welle. Das ist verantwortungslos. Statt sich mundtot machen zu lassen …»

Er kann’s nicht fassen: niemand hört auf von Burg

Nun folgen die Ratschläge eines Verzweifelten, der es doch besser wüsste, aber auf den niemand hört:  «Es braucht jetzt deutliche Zeichen.» Nämlich was für eins? Da hat von Burg eine Idee:

«Besser wäre es, die eingeschüchterten sieben würden sich nochmals aufraffen und selbst in Impfbussen durchs Land reisen. Ueli Maurer ist es dem Land schuldig, jetzt in den SVP-Hochburgen auf Impftour zu gehen.»

Sonst noch was? Klar: «Die St. Galler Ikone Karin Keller-Sutter hat genug Strahlkraft, um derweil in der Ostschweiz die Abwehr gegen die von Bern diktierte Impfung zu brechen.»

Denn, merke auf, du Schweizer Stimmvolk:

Ein braunes Stück gezeichnete Demagogie, das nie hätte veröffentlicht werden dürfen.

Von Burg liebt martialische Worte. «Abwehr brechen, gefährlich, einschüchtern, Angst machen». Das gehört in eine Linie von verbalen Entgleisungen: «Zwingen, jeden erdenktlichen Druck machen, rücksichtslose Trödler, Bürgerpflicht». Das Vokabular des Totalitarismus, das von Burg gern verwendet.

Dabei hatte sein Westentaschen-Co-Chefredaktor Mario Stäuble gefordert: «Die Hetze muss aufhören.» Seinen Politchef hat er damit aber wohl nicht gemeint, der darf poltern: «Jetzt muss Berset die Gegner endlich zur Impfung zwingen»

Vollpfosten hüben wie drüben – nur haben die einen Treicheln, die anderen eine grosse Plattform

Es ist unbestreitbar, dass es unter den Coronamassnahmen-Skeptikern auch Verirrte und Verwirrte gibt. Wer Vergleiche zum Faschismus zieht, beleidigt Opfer und Täter des wahren Faschismus.

Aber im grössten Medienkonzern der Schweiz gibt es unkontrollierte Kadermitglieder wie die Corona-Kreische Marc Brupbacher, der den gesamten Bundesrat für «total übergeschnappt» erklärt, die Uni Luzern dazu auffordert, «diesen Dreck» sofort aus dem Netz zu nehmen, nur weil dem Laien die Meinung zweier Fachkoryphäen nicht passt.

Und dann haben wir von Burg, der in jedem verantwortungsbewussten Medienhaus, das um seine Macht und Quasi-Monopolstellung weiss, schon längst untragbar geworden wäre. Wer in einer Schweiz ohne Impfzwang den zuständigen Bundesrat zu Zwang auffordert, hat tatsächlich totalitäre Anwandlungen, hat die Grundlagen von Demokratie und Rechtsstaat nicht verstanden und kann daher nicht länger Politchef sein.

So wäre das, wäre Tamedia ein Unternehmen mit Prinzipien und Anstand. So aber darf von Burg ungehemmt nachlegen, poltern, rempeln, keilen und mit seinen Hasskommentaren die Stimmung vergiften. Das ist wahrlich verantwortungslos – und niemand stoppt ihn. Dabei gibt es auch Spritzen gegen zu starke Exaltiertheit, Erregtheit und alle typischen Symptome eines Burn-out. Beruhigungsspritzen nennt man die.

Aber niemals würden wir fordern, die zwangsweise bei Brupbacher, von Burg und Co. anzuwenden. Denn es gibt wirklich keinen Impfzwang in der Schweiz.