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Wumms: Silvia Aeschbach

Die Tamedia-Journalistin kann noch mehr als Tipps fürs Älterwerden geben.

Es kommt selbst im skelettierten Sparjournalismus äusserst selten vor, dass eine Redaktorin in ihrem Blatt ihr eigenes Buch rezensieren, also bejubeln darf. Die «SonntagsZeitung» hat das Silvia Aeschbach ermöglicht.

Dadurch gestärkt, hat Aeschbach nun wohl das Gefühl, sie könne eigentlich alles. Auch eine Filmrezension. Opfer dieses Trugschlusses ist «Blonde», das fiktionale Biopic über Marilyn Monroe. Das hat schon Tamara Wernli in der WeWo missverstanden, also sagt sich Aeschbacher: da capo.

Dass der Film nicht mehr der neuste ist, eigentlich überall von allen schon kommentiert wurde, na und. Jetzt kommt Aeschbach: «Warum dieser Film Marilyn Monroe missbraucht».

Hoppla. Aeschbach zieht ziemlich vom Leder:

«Der Spielfilm, der Marilyn Monroe und ihre Lebensgeschichte widerspiegeln will, beruht nicht nur auf falschen Fakten, sondern zeigt die Schauspielerin ausschliesslich als hypersexualisiertes Opfer ohne eigenen Willen, das selbstzerstörerisch veranlagt und fast keinen einzigen Tag in seinem Leben glücklich war.»

Welche «falschen Fakten» zum Beispiel? Da ist Aeschbach gnadenlos: «So wie beispielsweise die Eingangsszene, in der die kleine Norma Jean von ihrer psychisch kranken Mutter beinahe in der Badewanne ertränkt wird. … Aber es gibt keinen einzigen Beweis dafür, dass sie jemals gegen Norma Jean handgreiflich wurde oder sie sogar umbringen wollte.»

Nun, auch Beckmesserei will gekonnt sein. Natürlich gibt es dafür Belege. Ausser, Aeschbach will behaupten, der Ehemann von Monroe, Arthur Miller, habe gelogen, als er mehrfach berichtete, wie seine Frau ihm ihr Leiden darüber gestand, dass sie von ihrer Mutter misshandelt und auch beinahe umgebracht worden sei. Aeschbach unterschlägt auch die vorangehende Szene im Film, wo die psychisch kranke Mutter mit ihrer Tochter zum Haus des vermeintlichen Vaters fahren will – mitten in einen Waldbrand hinein. Davon wird sie nur durch die Intervention eines Polizisten abgehalten.

Genauso absurd ist die Behauptung von Aeschbach, «Marilyn Monroe war alles andere als ein dummes Blondchen, als das sie immer wieder dargestellt wird». Gerade in diesem Film wird gezeigt, wie sie den berühmten Autor Arthur Miller mit ihren literarischen Kenntnissen und ihrer Fähigkeit, sich in von ihm beschriebene Figuren hineinzudenken, schwer beeindruckt. Wie glücklich sie zeitweise in dieser Ehe war, zeigt der Film ebenfalls eindrücklich.

Richtig peinlich wird es, wenn Aeschbach mit ihrem Hang zur Selbstbespiegelung fortfährt: «Als ehemalige Filmjournalistin verfolge ich die Aufarbeitung des Lebens von Marilyn Monroe seit Jahrzehnten. Ich habe praktisch alle ihre Filme gesehen und zahlreiche Biografien gelesen

Da verbietet sich jeder Scherz darüber, dass Aeschbacher auch blond ist …

 

 

Zwei Tiefflieger

Wie sich Journalisten auch lächerlich machen können.

Ein Thema haben wir bei der Aufzählung vergessen, wie Journalisten sich öffentlich und peinlich entblössen können. Wenn sie über kulturelle Erlebnisse berichten. Da trifft im schlimmsten Fall ein niedriger Horizont auf künstlerische Weiten. Ein tiefergelegter Geschmack auf anspruchsvolle Kost. Gerade haben wir zwei Beispiele dafür überlesen müssen. Wir wollten über beide Protagonisten nicht mehr schreiben. Aber eben …

Tamara Wernli, die zusammen mit Anabel Schunke in der «Weltwoche» das Gnadenbrot des Frauenbonus verspeist, hat einen Film gesehen. Sehen heisst nicht verstehen:

«Blonde» zeichnet als Literaturverfilmung das Leben eines der ersten weiblichen Superstars der Leinwand nach. Das findet Wernli gar nicht gut: «Der Film zeigt eine hilfsbedürftige und psychisch völlig labile Marilyn, die beinahe einen Vormund braucht und mit tränengefüllten Rehaugen von Szene zu Szene taumelt, von der Welt benutzt und missbraucht

Kann man so sehen, muss man nicht so sehen. Vielleicht könnte man sich auch bemühen, den Film zu verstehen. Aber Wernli will mit feministischem Besteck sezieren. Sie gesteht dem Regisseur Andrew Dominik zu, dass er fiktional «Figuren nach eigenem Empfinden interpretieren» könne. Tut er zwar nicht, denn er lehnt sich an eine fiktionale Biographie an. Das erspart ihm den Vorwurf nicht: «Aber was, fragt man sich, mag der Zweck sein hinter dieser einseitigen Darstellung des Kultstars als überfordertes Geschöpf ohne Talent, eigenen Ambitionen und Durchsetzungsvermögen

Keine Ahnung, welchen Film Wernli gesehen hat, «Blonde» kann’s kaum gewesen sein. Denn der ist cineastisch anspruchsvoll, vielleicht ein Mü zu lang, aber alleine die Todesszene ist hochstehend gefilmt, die verwischten Erinnerungen, die Verwechselungen von Realität und Trauma, das Leiden der Norma Jean an der Kunstfigur Monroe, ihre Begegnung mit Henry Miller. Augenfutter, würde Wolfram Knorr sagen.

Wernli hingegen kennt keine Scham und errötet nicht wie ihre Schuhe, während sie diesen Satz schreibt:

«Die Andeutung, die sich durch den ganzen Film zieht, dass sie eigentlich nie berühmt sein, sondern einfach nur ein normales Leben führen wollte, lässt mich als einstige aspiring actress mit Hollywood-Vergangenheit aber wirklich lachen.»

Da schweigt des Medienkritikers Höflichkeit, bloss: it’s hopeless, bei solchem Narzissmus.

Wir wollten, bei Gutenberg, den Namen hier nie mehr erwähnen. Aber wir müssen Erich Maria Remarque gegen Philipp Loser in Schutz nehmen. Zunächst gibt Loser damit an, dass er doch tatsächlich die «New York Times» liest. Bravo. Da könnte er lernen, wie Journalismus nicht in kurzen Hosen, sondern unter Erwachsenen so geht. Tut er aber nicht. Stattdessen dient ihm das nur als angeberische Einleitung hierzu: «Krieg ist Horror. War er schon immer. Niemand hat das so eindrücklich beschrieben wie Erich Maria Remarque in dem Roman «Im Westen nichts Neues», der vor fast hundert Jahren erschienen ist.»

Niemand? So eindrücklich? Wie bemerkte der unerbittliche Marcel Reich-Ranicki so richtig: der Roman zeuge von «ungewöhnlicher literarischer Begabung wie von provozierender Effekthascherei». Das Werk sei «klassische Gymnasiumslektüre», räumt Loser ein, womit er auch noch erwähnt hätte, dass er ein solches besuchte. Aber da kommt man eben nicht wirklich in Kontakt mit grosser Literatur.

Tolstoi «Krieg und Frieden», Wassili Grossman «Leben und Schicksal», John Dos Passos «Drei Soldaten», Arnold Zweig «Der Streit um den Soldaten Grischa», Louis-Ferdinand Céline «Kanonenfutter», Ludwig Renn «Krieg», Ernest Hemingway «Wem die Stunde schlägt», Thomas Pynchon «Die Enden der Parabel», Denis Johnson «Ein gerader Rauch». Ein Auszug aus der grossen Liste von wahrlich bedeutenden Kriegsromanen.

Aber Loser hat’s lieber einfach, das entspricht mehr seinem Pennäler-Gemüt und seinen intellektuellen Fähigkeiten. Die er so zum Ausdruck bringt:

«Man liest diese einfachen Sätze, die vor fast hundert Jahren geschrieben wurden, und denkt an die jungen Ukrainer, die in einem Krieg kämpfen, den sie nie wollten. An die jungen Russen, die in einen Krieg geschickt werden, den viele von ihnen nie wollten.»

Es gibt die Banalität des Bösen. Und es gibt die Banalität des Blöden. Man fragt sich, was schlimmer ist.