Ex-Press XXVIII
Blasen aus dem Mediensumpf
Nebelspalter spaltet Nebel
Markus Somm enthüllt Schritt für Schritt die Mannschaft, mit der er die Traditionsmarke zum Erfolg führen will. Es sind, mit ganz wenigen Ausnahmen, alte Weggefährten von ihm. Offensichtlich ist es ihm bislang aber nicht gelungen, auch zur WeWo abgeschwirrte ehemalige BaZler zur Rückkehr zu motivieren.
Wir wünschen natürlich auch diesem Neustart alle Glück der Welt. Denn im Gegensatz zu den Gefangenen in ihren Echokammern begrüssen wir jeden Versuch, in dieses Jammertal der Schweizer Medienlandschaft eine Ehrenrettung des einstmals angesehenen Berufs des Journalisten zu starten.
Die anscheinend vorhandenen 7,5 Millionen, ein breites Feld von Shareholdern und als Dompteur Konrad Hummler in der Manege als VR-Präsident, keine schlechten Voraussetzung, es besser zu machen als die «Republik», die ein ähnliches Startkapital hatte. Und es tragisch verröstete.
Wirklich gegen braune und rote Fäuste?
Als Historiker nimmt Somm natürlich öfter Bezug auf die Vergangenheit des «Nebelspalter», und unweigerlich zitiert er dann dessen Spruch:
«Gegen rote und braune Fäuste».
Das sei in den Zeiten des Hitlerismus in Deutschland und des Stalinismus in der UdSSR genau die richtige Haltung gewesen sei, sozusagen stilbildend auch für heute.
Das ist beunruhigend. Denn es war damals falsch, es ist es heute. Denn dieser Slogan behauptet eine Neutralität, die nicht einmal die Schweiz damals hatte. Es war ein Intellektuellentraum, dass man sich erhaben über den Kampf des Faschismus gegen den Kommunismus sehen könnte.
Wenn die braune Fäuste gesiegt hätten …?
Dass es die Schweiz in ihrer heutigen Form auch nach 1945 gab, ist nicht das Verdienst der braunen Fäuste. Aber der roten. Was immer man von Stalin halten mag, die Sowjetunion hat den höchsten Blutzoll im Kampf gegen den Hitler-Faschismus erbracht. Während die Westalliierten erst 1944 mit der Invasion in der Normandie militärisch in den Krieg in Europa eingriffen, hatte die Rote Armee bereits unter unvorstellbaren Opfern die okkupierten Gebiete zurückerobert.
Was die Rotarmisten dort sahen, entschuldigt nicht alle ihre Greueltaten in Deutschland. Aber es erklärt sie und macht sie verständlich. Die Schweiz hatte sich, was ja durchaus erlaubt ist, umgeben von faschistischen Staaten, mit einer Neutralität von Fall zu Fall durchgemogelt.
Aber wenn die braunen Fäuste gesiegt hätten, gäbe es die Schweiz in ihrer heutigen Form nicht mehr. Das ist zweifellos, und so beinhaltet dieser Lieblingsslogan von Somm ein gutes Stück Fehlanalyse, gespeist aus intellektueller Ignoranz in der Schreibstube.
Man muss sich für eine Seite entscheiden
«Which side are you on?», heisst es in einem US-Arbeiterlied, und das war die Frage damals, das ist die Frage heute. Auf welcher Seite stehst du? Auf keiner, ich bin neutral, liberal? Ds ist normalerweise der Anfang vom Ende, oder im glücklichen Fall überlebt man so aus Zufall. So wie die Schweiz letztlich sehr wenig, die UdSSR fast alles dafür konnte, dass die Schweiz als neutraler Staat die Hitlerei überlebte.
Die deutschen Landser starben für eine falsche, kriminelle, rassistische, möderische Sache. Also Schande über ihre Gräber. Die Soldaten der Roten Armee starben vielleicht nicht für einen besseren Feldherrn, aber für eine bessere Sache. Mit diesem dämlichen Slogan, vor allem, wenn man ihn heute wiederbelebt, spuckt man auf die Gräber von 26 Millionen Sowjets, die starben, um auch der Schweiz das Überleben zu sichern.
Von einem Historiker zustimmend zitiert, ist das, mit Verlaub, ein ahistorisches Armutszeugnis.
Feminismus in der Praxis I
Claudia Blumer gehört zu den Unterzeichnern des Protestschreibens, das Tamedia unerträglich frauenfeindliche Betriebskultur vorwirft. Sie ist sogar – das nennt man den Bock zur Gärtnerin machen – mit der Untersuchung der anonymen Vorwürfe beauftragt worden.
In ihrer Nebenrolle als Journalistin kommentierte sie kürzlich einen Entscheid des Bundesgerichts, das weiter mit der Vorstellung aufräume, «die Frau sei in der Ehe wirtschaftlich nur ein Anhängsel des Mannes». Ein Fortschritt für Blumer: «Wenn Scheidungsfälle vor Gericht landeten, konnte eine geschiedene Mutter in der Regel erwirken, dass sie bis zur Pensionierung vom Ex-Mann finanziell unterstützt wird.»
Das ist nun insofern interessant, dass Blumer eine objektive Schlechterstellung der Frau begrüsst, sozusagen als Opfer, dass für die Forderung nach Selbstbestimmung erbracht werden müsste.
Während Blumer mit ihrer Unterschrift bezeugt, dass sie für Sonderbehandlung für Frauen via Geschlecht ist (in dem ganzen Protestgeheul kommt mit keinem Wort vor, dass auch Männer von Diskriminierung durch weibliche Vorgesetzte betroffen sein könnten), begrüsst sie andererseits eine zunehmende Gleichstellung von Frauen ausserhalb der Redaktionsräume.
Hat da jemand was von Frauen und Logik gesagt?
Feminismus in der Praxis II
War das Protestschreiben von 78 Tamedia-Mitarbeiterinnen nur für den internen Gebrauch gedacht? Seine Aufmachung, die Logik und diverse Quellen innerhalb von Tamedia sprechen dafür. Bis hin zu Äusserungen gegenüber Aussenstehenden, die aber aus Quellenschutz hier nicht zitiert werden können.
Im Gegensatz zu diesem Protestschreiben, das anonyme Behauptungen ungeniert zur Wahrheit erhebt, tun wir das nicht. Aber es gibt genügend Indizien und Aussagen, die dies These stützen. Wenn das also so war, erhebt sich die Frage, wer ausgerechnet Jolanda Spiess-Hegglin, die weder sich selbst noch der Sache der Frau ein grosser Gewinn ist, damit beauftragte, das Schreiben unter die Leute zu bringen.
In Kreisen von harten Bewunderern von Spiess-Hegglin mag das gut kommen, aber in der breiten Öffentlichkeit gibt dieser Absender dem Anliegen einen Hautgout. Abgesehen von der Frage der Rücksprache. Während Spiess-Hegglin anfänglich behauptete, ihre Veröffentlichung habe sie «in Rücksprache» gemacht, musste sie anschliessend einräumen, dass sie «natürlich nicht» mit allen 78 Unterzeichnern Rücksprache genommen habe.
Sagen wir mal so: Wenn die Person, die Kontakt mit Spiess-Hegglin aufnahm und einfädelte, dass auf diesem Weg das Schreiben an die Öffentlichkeit durchgestochen wird, sich nicht demnächst selber outet, werden wir das übernehmen.
Feminismus in der Praxis III
Darf man sowas zum Geburi gratulieren?
Was macht Barbie, wenn sie auf eine unter Frauendiskriminierung leidende Tagi-Redaktorin trifft? Nun, Maren Meyer weiss offensichtlich nicht so recht, was sie mit dem Geburtstag der Kleiderpuppe anfangen soll. Toll finden geht ja nun gar nicht. Die Puppe ist zwar inzwischen 61 Jahre alt, aber diese unmögliche Proportionen, diese ungesunde Wespentaille und überhaupt. Die Reduktion der Frau auf eine Kleiderpuppe, igitt. Dass es auch schon seit längerem Ken gibt, die männliche Kleiderpuppe, was soll’s. Dass die Barbie-Hersteller natürlich alles versuchen, ihre Erfolgspuppe ins 21. Jahrhundert zu retten, was soll’s.
Seit 1980 gibt es die ethnisch differenziert Barbie, 2018 schenkte die Produktionsfirma Mattel der Barbie der Welt zum Tag der Frau eine Serie von «inspirierenden Frauen». Von Amelia Earhart über Frida Kahlo bis zur Primaballerina Yuan Yuan Tan.
Aber was macht frau, wenn sich aktuell niemand in Tamedia traut, einer Frau zu sagen, dass man diesen Schrott auch auf fünf Zeilen abhandeln könne? Genau, sie füllt fast eine Seite damit.
Warum Barbie? Aber bitte, warum nicht. Lego hat zwar einen vielen grösseren Umsatzsprung wegen Corona gemacht, aber das Geschlecht eines Legosteins ist nicht ganz klar, und selbst wenn, das ist doch kein Grund für Aufregung. Aber während Lego wirklich Umsätze und Gewinn deutlich steigert, sind es beim Barbie-Konzern nur 2 Prozent.
Sieht so ein Comeback aus?
Aber bitte, wie schon Mark Twain gesagt haben soll: never let the truth spoil a good story. Etwas frei übersetzt: lass dir nie durch die Wahrheit eine gute Story kaputtmachen. Also titelt Maren Meyer: «Corona verhilft Mattel zum Comeback». Aber die erst vor Kurzem zu Tamedia gestossene Wirtschaftsredaktorin ist ein weitere Beispiel, wie jedem (männlichen Vorgesetzten) das Gesicht einfriert und er auch so etwas lieber durchwinkt – statt als Frauenfeind geoutet zu werden.
Peinlich für eine Wirtschaftsredaktorin, total in Ordnung für eine weibliche Wirtschaftsredaktorin, aus einem kleinen Hopser gleich ein Comeback zu machen.
Denn niemand, vor allen wenn er Eier in der Hose hat, würde sich trauen, diesem Erguss gegenüber zu sagen, dass das auf Lego zutrifft, aber auf Mattel sicher nicht: «Rekordumsätze für Spielwarenkonzerne. Sie vermitteln ein unrealistisches Körperideal und sind doch gefragt. Nicht nur im Kinderzimmer, auch als Sammlerstück ist die Plastikpuppe angesagt.»