Schlagwortarchiv für: Marcel Rohner

«Grossartiger Journalismus»

Heuchlerische Berichterstattung zur Fussball-WM der Frauen.

Von Thomas Baumann*
Was wurde die Fussball-WM der Frauen doch über den grünen Klee gelobt: «Ob Frauen oder Männer auf dem Platz stehen – egal», «Traumtor bleibt Traumtor – Es gibt keine Qualitätsunterschiede zwischen den Geschlechtern». Oder schlicht: «Darum ist diese WM einfach grossartig».

So oder ähnlich wurde man während zwei Wochen quasi im Tages-Rhythmus traktiert. Man las, dass die Mutter der Nationaltrainerin beim Startspiel so nervös war, dass sie gleich die ganze Wohnung putzte, erfuhr als nicht menstruierende Person allerhand Wissenswertes über den weibliche Zyklus und dass die SRF-Co-Kommentatorin Rachel Rinast angeblich einen Top-Job gemacht hat (eine kaum verhüllte Spitze gegen Sascha Ruefer, der einigen in die Wolle gefärbten Linken deutlich zu nationalistisch ist).

Weniger grossartig ist dagegen der gebotene Journalismus. So verwahrte sich Marcel Rohner in seinem Elaborat «Darum ist diese WM einfach grossartig» dagegen, dass die Leistung der Fussball spielenden Frauen mit denjenigen der Männer verglichen wird und verstieg sich gar zur Behauptung: «Nirgends in der Sportwelt werden Frauen so stark an Männern gemessen. Was auch heisst: Nirgendwo werden Sport treibenden Menschen die Kernkompetenzen ihres Berufs dermassen abgesprochen wie hier.»

Kernkompetenzen der Fussballerinnen…

Doch um welche Kernkompetenzen handelt es sich hier? «Verhaltens- oder leistungsbezogene Vergleiche» zwischen Männern und Frauen seinen «Blödsinn», belehrt uns der Journalist. Denn: «Die WM in Australien und Neuseeland steht für sich, und sie ist ein Fest.»

Der Grund: «Fussball ist einfach, er lebt von den Emotionen, das gilt für den Sport allgemein. Es kann noch so viel Perfektion dabei sein – was bewegt, sind die Momente, in denen aus gewöhnlichen Menschen Siegerinnen oder Verliererinnen werden. Die Frauen, die in Neuseeland und Australien Fussball spielen, liefern diese Emotionen. […] Momente wie diese machen diese WM grossartig

Heute, im 21. Jahrhundert, und nach diversen Frauenstreiks, versucht uns der Journalist also tatsächlich weiszumachen: Die Kernkompetenz der (Fussball spielenden) Frauen seien – «Emotionen». Nicht Leistung, nein, sondern: Emotionen. Eine solche Definition weiblicher Kompetenzen könnte direkt aus dem vorletzten Jahrhundert stammen.

Und was den Fakt angeht, dass in einem bestimmten Moment aus «gewöhnlichen Menschen Siegerinnen und Verliererinnen werden»: Das ist in keiner Hinsicht eine Kernkompetenz, sondern eine schlichte Notwendigkeit des Fussballspiels: Es können ja nicht alle Teams im Final stehen.

… und Inkompetenz des Journalisten

Was hingegen ist die Kernkompetenz des Sportjournalisten, der 2017 als Praktikant in der Tamedia-Sportredaktion begann und im Winter «auch über Skirennen» berichtet? Emotionen? Fachwissen dürfte es kaum sein, wie er mit folgendem abwegigen Vergleich zeigt: «Wenn Lara Gut-Behrami einen Riesenslalom gewinnt, sagt auch keiner: ‹Aber Odermatt wäre doppelt so schnell gewesen.›»

Im Ernst jetzt? Denn genau dazu gibt es belastbare Zahlen: Weil nämlich beim Weltcupfinale am 16. März 2023 in Soldeu (Andorra) Frauen und Männer denselben Super-G-Kurs befuhren, kann man die Zeiten auch entsprechend miteinander vergleichen.

Siegerzeit Odermatt bei den Männern: 1:23,91
Siegerzeit Gut-Behrami bei den Frauen: 1:26,70

Oder in Sekunden umgerechnet: 83,91 : 86, 70. Odermatt war also nicht etwa «doppelt so schnell» wie Gut-Behrami, sondern bloss gut drei Prozent schneller. Solche Dinge sollte eigentlich wissen, wer als Sportjournalist im Winter «auch über Skirennen» berichtet. Ausser seine Kernkompetenz sei: Emotionen – und nicht Fachwissen.

Die Luft ist draussen

Doch wie steht es eigentlich um die Fussball-WM nach dem Ausscheiden der Schweizerinnen – um dieses «Fest», um diese «grossartigen» Momente, wenn «aus gewöhnlichen Menschen Siegerinnen oder Verliererinnen werden»?

Denn im Gegensatz zur Vorrunde, wo nach den ersten beiden Spielen kaum jemand definitiv zu den Siegerinnen oder Verliererinnen gehörte – die Marokkanerinnen, die gegen Deutschland 0:6 untergingen und wie die sicheren Verliererinnen aussahen, qualifizierten sich und Deutschland schied nach der Vorrunde aus – geht es jetzt, in der KO-Phase, wirklich um alles oder nichts, müssen die Verliererinnen definitiv ihre Koffer packen.

Wäre es eine Fussball-WM der Männer, würde jetzt auf Teufel komm raus spekuliert: Über den Fuss von Neymar, die Wade von Messi. Doch hier – nichts dergleichen. Kaum sind die Schweizerinnen ausgeschieden, sackt die Berichterstattung zusammen wie ein Soufflée. Die Füsse und Waden der Fussballspielerinnen interessieren nicht – als würden sie nicht damit Fussball spielen.

Plötzlich interessieren auch die Emotionen nicht mehr, die Aufstellungen und taktischen Spielchen der Coaches ebensowenig. Eben noch in den Himmel gelobt, wird die Fussball-WM nun ignoriert – wie ein Fussball, aus dem die Luft entwichen ist und der zerquetscht in der Ecke liegt.

Der TA-Journalist schliesst seinem Artikel folgendermassen: «Momente wie diese machen diese WM grossartig. Und das ändern auch jene nicht, die sich dazu berufen fühlen, jeden Goaliefehler ins Internet zu schreien – nur weil er einer Frau unterläuft.»

Was ist schlimmer, als über Frauenfussball abzulästern? Was ist die völlige Verachtung, die völlige Negation? Totschweigen.

Oder genau das, was die Zeitungen jetzt, nach dem Ausscheiden der Schweizerinnen, machen. Eben noch «grossartig», ist diese WM fast über Nacht quasi inexistent geworden.

«An ihren Taten sollt ihr sie erkennen», heisst es in der Bibel. An ihren Taten – oder vielmehr an ihrer Ignoranz – erkennt man, was die hiesigen Sportjournalisten wirklich von der Fussball-WM der Frauen halten: Nämlich fast nichts. Und die ganzen Lobpreisungen ehedem waren bloss Schall und Rauch.

 

*Dieser Artikel erschien in der «Walliser Zeitung» und wird hier mit freundlicher Genehmigung übernommen.

Noch ein Rohner …

Der eine geht (endlich), der andere kommt wieder: Marcel Rohner is back. Leider.

Marcel Ospel ist tot. Und blieb nach dem UBS-Desaster schön in der Versenkung. Basler Fasnacht, gelegentliche Besuche in der Zürcher «Kronenhalle» (wo er nicht ausgebuht, sondern applaudiert wurde), das war’s.

Peter Wuffli, die Pfeife, die 2007 nicht ganz freiwillig als CEO der UBS zurücktreten musste. Vor der Finanzkrise hatte er es bereits geschafft, mit der Pleite des US Hedgefonds Dillon Read ein erstes Zeichen für kommendes Unheil zu setzen. Das natürlich auch nicht Schicksal, sondern zu grossen Teilen bei den beiden Schweizer Grossbanken hausgemacht war.

Dann war etwas Ruhe, schliesslich tauchte er lächelnd als Präsident des VR der Partners Group wieder aus der Versenkung auf. Ach, und 2010 veröffentlichte er das Buch: Liberale Ethik. Orientierungsversuch im Zeitalter der Globalisierung. Unlesbar, ungeniessbar, aber Ethik ist immer gut im Titel.

Auf und nieder mit ewig gleichen Figuren

Peter Kurer, eine weitere Pfeife, hinterliess einen bleibenden Eindruck, weil er immer wieder von «das Schlimmste hinter uns, gut aufgestellt» zu «stehen vor dem Abgrund» wechseln musste. Bis er dann auch ausgewechselt wurde. Längere Ruhephase, dann tauchte er als VR-Präsident des Telecom-Unternehmens Sunrise wieder auf.

Da blamierte er sich ein weiteres Mal, als er ums Verrecken den Ankauf von UPC Schweiz durchstieren wollte. Gegen den Ratschlag aller Fachleute, gegen den Widerstand seiner Grossaktionäre. Das Hallenstadion war schon für die ausserordentliche GV angemietet, alles vorbereitet, als Kurer im letzten Moment auf die Notbremse trat. Es war ihm klargeworden, dass er wohl keine Stimmenmehrheit für dieses geplante Millionengrab bekommen hätte.

Diese Peinlichkeit wollte er sich ersparen, also nix GV. Der ganze Spass dürfte Sunrise rund 120 Millionen Franken gekostet haben. Dann trat Kurer nach verrichteter Tat auch dort zurück, und schliesslich kaufte UPC Sunrise.

Würden Sie diesem Mann eine Bank abkaufen?

Marcel Rohner, der Ziehsohn von seinem Vornamensvetters Ospel, wurde 2007 UBS-Chef. Gut zwei Jahre später war’s das dann, die historischen 60-Milliardenrettung der Bank durch den Bund überlebte er nicht. Es war ihm offenbar nicht gelungen, sich einen Überblick über den wahren Zustand der UBS zu verschaffen.

Wuffli, Rohner, und dann kam Oswald Grübel und räumte auf. Auch Rohner machte auf low profile, wurde VR bei SVP-Giezendanner und bei der UBP, einer der letzten (noch) überlebenden Privatbanken. Über seine Immobilienbude ist er zudem mit 5 Prozent an der «Helvetischen Bank» des SVP-Nationalrats Thomas Matter beteiligt – und sitzt auch dort im VR.

Nun ist Rohner als nächster Präsident der Bankiervereinigung gewählt worden. Das sorgt für leises Rauschen im Blätterwald. Die Zeitung mit dem Regenrohr im Titel macht sich gleich Sorgen: «Trimmt Rohner die Banken auf Anti-EU-Kurs?» Schliesslich sitze er mit SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi in SVP-Matters Bank. Die sind vehement gegen das Rahmenabkommen, die Schweizerische Bankiervereinigung ist dafür. Bislang.

Dann ist noch eine ganz bedeutende Machtfigur fürs Rahmenabkommen. Ringiers Hausgespenst Frank A Meyer. Da weiss der «Blick» natürlich, welche Farbe das Wasser haben muss, das er durch das Rohr auf Rohner giesst.

Laue Lüftchen aus den Medien

Eher unentschieden ist der «Tages-Anzeiger»: «Einst bei der UBS abgesägt, bald an der Spitze des wichtigsten Bankenverbands», titelt er. Der Tagi zeigt einmal mehr: tiefe Kenntnisse und intelligente Analyse, das ist seine Sache nicht. Und die NZZ? Die hat sich schnell festgelegt: «Der finanziell unabhängige, meinungsstarke und liberale Schweizer bringt somit nicht nur viel Sachverstand und eigene Erfahrung aus allen Zweigen der Branche mit.»

Somit hat die NZZ dieser Wahl ihren Segen erteilt; damit dabei nix stört, wird die SVP-Connection von Rohner erst gar nicht erwähnt. Das tut zwar CH Media, aber auch dort wird ein Lobeslied auf den gefallenen, sich dann aber wieder hocharbeitenden Ex-Banker und Immobilienlöwe Rohner gesungen.

Das waren noch Zeiten …

Nur – wie meist – «Inside Paradeplatz»  stört den Jubelchor mit ein paar handfesten und fundierten Hinweisen; so eben darauf, dass Rohner nicht nur im VR von Matters Bank sitzt, sondern auch an ihr beteiligt ist. Was den übrigen Recherchiergenies offenbar entging.

Hinzuzufügen wäre noch, dass die einstmals so mächtige Bankiervereinigung – darin all den gefallenen Starbankern nicht unähnlich – längst an Bedeutung und Grösse verloren hat. Raiffeisen ist bereits ausgetreten, der Spalt zwischen den beiden Grossbanken, den Kantonalbanken und Kleinbanken wird immer grösser, da UBS und CS natürlich ganz andere Interessen haben als beispielsweise eine Regionalbank.

Das Bankgeheimnis muss auch nicht mehr verteidigt werden, weil Rohner, Rohner & Co. dafür gesorgt haben, dass es aufgegeben werden musste. Also ist bei Rohners Wahl überhaupt nicht wichtig, ob er nun die Haltung zum Rahmenvertrag beibehalten wird – oder nicht. Einzig interessant wäre die Frage: Ist er als Totengräber der Vereinigung gewählt worden? Weiss er das? Ist er einfach als Schuldiger ausgeguckt, wenn weitere Bankenverbände austreten werden?

Aber eben, da müsste man ja etwas nachdenken und recherchieren. Also ist das kein Thema in den Medien.

Das waren noch Zeiten …