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Eine überfällige Rubrik

Tata, ZACKBUM hebt aus der Taufe: die Leserverarschung.

In dieser Rubrik werden künftig in unregelmässigen Abständen wunderschöne Beispiele aus dem Schweizer Mediensumpf aufgespiesst; meistens erklären sie sich selbst oder durch einen angefügten Kurzkommentar.

Zum Einstieg:

Ein Angebot von «Blick+» für zahlungswillige Leser. Das ist offenbar so gut, dass es inzwischen fast eine Woche lang zuoberst in der Rubrik «Politik» beim «Blick» steht. Man sieht mal wieder: politisch ist in der Schweiz selbst im Wahlkampf nichts los. Jedenfalls in diesem Organ.

Das hatte schon so einen Bart, als der «Tages-Anzeiger» noch Schwarzweissfotos druckte. Der wichtigtuerische Aufruf an einen Politiker, einen Wirtschaftsführer, einen Trainer, einen Chef, an wen auch immer, irgend was zu «übernehmen». Das geht zwar dem Adressaten wie auch den Leser schwer am hier titelgebenden Körperteil vorbei. Aber der Journalist fühlt sich wenigstens einen Moment lang bedeutend. Sollte man ihm aber nicht gönnen.

Luzi Bernet, der abservierte Chefredaktor der NZZaS, hat den Schoggi-Job (oh, darf man ds noch sagen?) – Italien-Korrespondent der NZZ mit Sitz in Rom – gefasst. Natürlich nicht für das politische Tagesgeschäft, mehr so für das Spezielle und Schöne im Leben. Gut, auch Lampedusa und die Flüchtlingspolitik spielen eine Rolle, aber auch die zwei Intendanten der Oper von Neapel. Oder Schmonzetten wie «Räuber bringt gestohlenes Auto mit Brautkleid zurück». Oder eben das x-te Interview mit Saviano.

Diese aus «People» abgeschriebene Meldung bestätigt das Vorurteil, dass ein Gratisblatt wie «20 Minuten» halt auch nichts wert ist.

Natürlich gibt es ein digitales Blatt, das immer locker einen drauflegen kann. Passend zur Meldung aus der Welt der Schokolade ein Promotext von Fairtrade auf «watson», wie das Label Max Havelaar honduranischen Kaffeebauern helfe. Auch dazu gäbe es eigentlich einiges Kritisches zu sagen. Aber das wäre ja, pfuibäh, mit Recherche verbunden.

Schliessen wir mit dem Dreierschlag eines Blatts, das wir viel zu wenig berücksichtigen: Die «Südostschweiz». Ein Sonntagsquiz über Schlafen, eine launige Kolumne des CEO Masüger (dem halt keiner reinreden darf), und schliesslich eine Umfrage der Woche mit dem etwas kryptischen Titel «Ihr habt eure Nachbarn gern, aber verfolgt nicht die Uefa Champions League». Irgendwie ticken die Südostschweizer anders als der Rest der Welt.

 

Neue Sitten im Hause NZZ

Abgänge von Chefredaktoren waren auch schon mal geräuschloser.

Hugo Bütler war der letzte ordentliche Chefredaktor des 1780 gegründeten Blatts. Er amtierte von 1985 bis 2006. Vorsitzender der NZZ-Gruppenleitung blieb er noch ein Jahr länger. Niklaus Meienberg witzelte über sein Kürzel bü., dass das für Bürgertum stehe. So sehr verkörperte Bütler in Stil und Auftreten die Schicht, für die die NZZ gemacht wurde.

Freisinn, Filz, Bourgeoisie, enge Bande zwischen Wirtschaft, Finanzplatz und Redaktion sowie Verwaltungsrat. Aber dann kam die Finanzkrise eins, das Grounding der Swissair, die Finanzgötter Marcel Ospel und Lukas Mühlemann (Multi-VR) schrumpften zu Zwergen, mitsamt dem FDP-Filz.

Das hatte Markus Spillmann abzufedern, Bütlers Nachfolger. Ende 2014 wurde er selbst gefedert; der erste nicht freiwillige Abgang seit Gründung der alten Tante. Seither amtiert Eric Gujer mit eiserner Hand. Er hat es bereits geschafft, die eingeführte Trennung zwischen Chefredaktor und Geschäftsführer faktisch aufzuheben. Nachdem es auch dort zu Flops kam, ist der aktuelle CEO Felix Graf mehr der Mann am Fenster, der Frühstücksdirektor.

Neue Flugzeiten für Chefredaktoren

Nun ist’s auch der NZZamSonntag passiert. Felix E. Müller war von der Gründung bis zu seiner Pensionierung Chefredaktor. Nach einem Abstecher zur «Weltwoche» war er von 2002 bis 2017 am Gerät. Seither versucht er sich als Medienkritiker und Buchautor. Die Meilensteine: «Ein Zürcher Quartier und seine Zunft», «Wie ich die Krise erlebte», eine liebedienerische Gesprächsreihe mit Bundesrat Alain Berset.

Sein Nachfolger (nein, nicht Bersets) wurde Luzi Bernet, ein altgedientes Schlachtross der NZZ und NZZaS. Aber Anfang März wurde er nach eigenem Bekunden plötzlich «auf null runtergebremst». Also mit knappem Dank entlassen. Man konnte sich offensichtlich bislang nicht mal auf ein Trostpöstchen einigen, was mit einem wolkigen «Zukunft unkar, in Gesprächen» umhüllt wird. Entweder ist das Angebot finanziell unattraktiv, oder Bernet zu angesäuert.

Es werden interessante Zeiten kommen

Der Name seines Nachfolgers verspricht eine Fortsetzung von interessanten Zeiten auf der NZZaS-Redaktion: Jonas Projer, vormalig Leiter «Blick»-TV, vormalig langjähriger Mitarbeiter von SRF. Kann der überhaupt schreiben, hat der überhaupt das Niveau, will der nun alles digitalisieren und verfilmen? Das sind nur einige der Vorschusslorbeeren, die die wie immer grünneidischen Kollegen auf seinen Weg streuen.

Erschwerend kommt hinzu, dass diese Wahl des Verwaltungsrats diesmal klappen muss. Denn Ende 2014 wurde die NZZ kräftig durchgeschüttelt, als durchsickerte, dass der VR Markus Somm als Nachfolger von Spillmann ausgeguckt hatte. Mit geradezu revolutionär-rebellischem Mut schäumte die ganze Redaktion auf. 60 Korrespondenten und 163 Redaktoren appellierten an den VR, ja nicht einen Nationalkonservativen zum Chef zu machen.

Der damalige Nachrichtenchef Luzi Bernet, Inlandchef René Zeller, Bereichsleiterin Colette Gradwohl, die Interimsspitze, drohte mit Rücktritt. Gradwohl verabschiedete sich dann in die Frühpensionierung, Zeller zur «Weltwoche». Nur Bernet machte weiter Karriere. Geplant waren noch weitere Protestmassnahmen, wie die NZZ-Frontseite für einmal weiss und blank erscheinen zu lassen, der nicht unlustige Hashtag «#NZZgate: Some like #Somm not» wurde in Umlauf gebracht.

Krisensitzung des Verwaltungsrats, der – ohne die Redaktion zu informieren – Somm bereits einstimmig inthronisiert hatte. Ein zerknirschter VRP Etienne Jornod, der bei der Bekanntgabe des Abtritts von Spillmann den Namen des bereits gewählten Nachfolgers verschwieg, musste sich bei der Redaktion entschuldigen.

Dann galt der mächtige Feuilleton-Chef Martin Meyer als Nachfolger, im Aktionariat der NZZ wurde gegrummelt, dass die «offensichtliche Unfähigkeit» des VR unbedingt thematisiert werden müsse.

Wahl auf Nummer sicher?

Mit Eric Gujer wurde dann ein knochentrockener Rechtsausleger aus dem Hut gezaubert, der sich mit unheimlichem Fleiss daran machte, seine Machtposition auszubauen. Was ihm inzwischen so vollständig gelungen ist, dass selbst eine Fastenkur mit seiner Gattin, die sich in einem huldvoll gewährten Interview Gujers im Hotel-Blog und einem zweiseitigen Jubelartikel seiner Frau in der NZZ niederschlug, zu keinerlei hörbarer interner Kritik führte.

Bei der NZZ hat man ein langes Gedächtnis, es ist sicher, dass weder Jornod noch der übrige Verwaltungsrat die damalige Rebellion von Bernet vergessen hat; und einem sonst erfolgsverwöhnten Chef wie Jornod brennt sich eine Entschuldigung sicherlich ganz tief in die Hirnwindungen ein.

Rache hat ein langes Gedächtnis …

Zeller ist inzwischen verstorben, Gradwohl längst pensioniert. Da blieb nur noch einer übrig, an dem Rache genommen werden konnte. Während Gujer natürlich die Gelegenheit benützen will, seinen Machtanspruch endgültig auch auf die NZZaS auszudehnen. Dazu kommen rückläufige Verkäufe, die übliche Misere dank Corona, eine verunsicherte und misstrauische Redaktion.Plus mehr als fünf Monate Wartezeit bis zur Inthronisierung. So etwas hält eigentlich nur Prinz Charles aus.

Wäre eine Variante der Verfilmung von Projers Abenteuer.

Einziger Trost zurzeit für Jonas Projer: die «Mission Impossible» im Film wird jeweils doch erfolgreich absolviert. Und entfernte Ähnlichkeiten – ausser in der Körpergrösse und hoffentlich der religiösen Ausrichtung – mit Tom Cruise sind doch vorhanden. Nur, wenn wir einen Rat geben dürfen, der Spitzbart muss ab. Und dann Helm auf!

Jonas Projer: ein unheimlich starker Abgang

Viele Jahre Schweizer Fernsehen, ein Jahr Blick-TV. Und nun der Einzug in den Olymp. Das freut die Journalisten – nicht wirklich.

Chefredaktor von NZZamSonntag, das ist wohl der zweitprestigeträchtigste Job, den man in der Schweiz ausüben kann. Wie im Hause NZZ üblich, kann man sich hier normalerweise auf seine Pensionierung freuen.

So wie der erste Chefredaktor, der seit der Gründung dabei war und nun als schreibende Sparmassnahme und Pensionär weiter – und nicht unbedingt zum Vorteil – seine Feder in Bewegung hält.

Aber so, wie Martin Spillmann (2006 bis 2014) als NZZ-Chefredaktor nicht seine gesamte Restlaufzeit dort verbrachte (nein, sein Dreitagebart war nicht der Grund für seinen Abgang), ereilt nun Luzi Bernet das gleiche Schicksal; er trat 2017 die Nachfolge von Felix E. Müller an.

Spitzbube als Spitzenbube: Jonas Projer.

Weil es für einmal tatsächlich bis fast am Schluss gelang, diesen Wechsel unter dem Deckel zu halten, ist natürlich von «Knall», von «Überraschung» die Rede. Wieder ein hübsches Beispiel dafür, dass sich Journalisten für den Nabel der Welt halten. Nur weil sie es nicht mitkriegten, was sie natürlich muff macht, ist es überraschend.

Es geht auch um Jornods Kopf

Also ob dieser Entscheidung nicht umfangreiche Verhandlungen vorausgegangen wären. Interessant ist sicher, dass der VR-Präsident Etienne Jornod – und mit ihm der ganze Verwaltungsrat – mit dieser Entscheidung nicht auf die Nase fallen darf. Denn der Schock, dass es nicht gelang, Markus Somm auf den Chefsessel der NZZ zu heben – und das publik wurde – sitzt noch tief.

Nun also Jonas Projer. Mutiger Mann. Die Redaktion der NZZaS wehrt sich einerseits gegen den Machtanspruch von Eric Gujer, die Alleinherrschaft übernehmen zu wollen. Sie war sich bislang nicht gewohnt, dass ein Chefredaktor abgesetzt und durch einen Aussenseiter ohne Stallgeruch ersetzt wird.

Aber Jonas heisst ja in der hebräischen Bedeutung «Taube», ein Bote der Götter, und der kann bekanntlich fliegen. In der biblischen Verwendung kam dann noch Zerstörer und Unterdrücker dazu. Man darf also gespannt sein.

«Blick», und somit Ringier, ist sicherlich nicht glücklich, dass der Kapitän und das Aushängeschild von «Blick»-TV nach nur einem Jahr von Bord geht. Wenn die hartnäckigen Gerüchte stimmen, dass das ein Millionengrab sei, war’s das dann wohl für dieses Experiment.

TV-Fuzzi gibt Guzzi ohne Printerfahrung?

Das Schweizer Farbfernsehen nimmt jeden Abgang persönlich und ist verstimmt. Also no way back. Natürlich beginnt die liebe Konkurrenz, sich sofort auf Projer einzuschiessen. Bevor der auch nur ein Wort zu seinen Absichten und Plänen gesagt hat.

TV-Fuzzi ohne Printerfahrung ist die aufgelegte Häme. «Arena»-Dompteur, Brüssel-Korrespondent, aber weiss er von Printprodukten mehr, als dass man sie nicht in ein Abspielgerät stecken kann?

Schlimmer noch: ist ein aus den Niederungen des Boulevards aufsteigender Mensch denn ohne Höhenangst, wenn er die dünne Luft der Oberliga schnuppert? Eine Vorahnung, was alles über ihm hereinbrechen wird, gibt bereits die Allzweckwaffe des «Tages-Anzeiger», Andreas Tobler. Der schreibt am liebsten faktenfrei, also war er sofort für einen als «Kulturmeldung» verkleideten Kommentar zu haben.

Der «39-Jährige verfügt bisher über keine grossen Erfahrungen im Printjournalismus», unklar sei auch die Strategie, die die NZZ damit verfolge; mehr Bewegtbild wie bei «Blick-TV»? Dann setzt Tobler zum Fangschuss am Schluss an:

«Als jetziger Chefredaktor bei einem Boulevardmedium wie Blick TV widerspricht Projer auch dem Qualitätsanspruch der «NZZ am Sonntag» – und der linksliberalen Positionierung des Blattes

Die NZZaS linksliberal? Das wüsste man aber. Und über Qualitätsansprüche sollte sich Tobler keine Gedanken machen: Er selbst ist der beste Beweis, dass man die sorglos ganz niedrig hängen kann. Dabei ist er beim Tagi auch nicht alleine. Sein Konzernjournalismus-Kollege Philipp Loser begrüsste Projer bei dessen Stellenantritt damals mit dem launigen Titel: «Projers unmögliche Aufgabe». Nein, die bestünde darin, solchen Schreibbütteln Manieren beizubringen.

 

NZZaS: schwacher Kafi Lutz

«Wir sind leider noch keine LeserInnen Ihres Portals»

Meinen ersten Liebesbrief habe ich von einem Kollegen kopiert. Abschreiben ist gar nicht schlimm. Man sollte aber die Quelle angeben; ausser bei Liebesbriefen.

Am 4. November verschickte ZACKBUM.ch eine Medienmitteilung an die wichtigsten Redaktionen der Schweiz: «20 Minuten verlässt Keystone-SDA». Für die Nachrichtenagentur ein herber Schlag. Die Meldung machte die Runde, unter anderem bei der Medienwoche.

Einen Monat später schrieb die «NZZ am Sonntag» ebenfalls einen längeren Artikel. Zum gleichen Thema. Zur gleichen News. Aber ohne uns zu zitieren.

Geweint haben wir deswegen nicht, aber geärgert schon. Zumal gleich zwei hochdekorierte Journalisten hinter dem Artikel standen: Boas Ruh und Anja Burri. Sie werden auch in Zukunft hoffentlich viele Preise, Pokale und Diplome einheimsen.

Der Schweizer Presserat übertreibt natürlich wie immer: «Wer ein Plagiat begeht, d.h. wer Informationen, Präzisierungen, Kommentare, Analysen und sämtliche anderen Informationsformen von einer Berufskollegin, einem Berufskollegen ohne Quellenangabe in identischer oder anlehnender Weise übernimmt, handelt unlauter gegenüber seinesgleichen.»

So weit wollen wir nicht gehen. Burri, die hoffentlich privat ganz anders ist, schreibt: «Leider sind wir noch keine LeserInnen Ihres Portals und haben deshalb auch Ihre Texte zur SDA nicht gesehen. Eine Medienmitteilung hat weder mich noch Kollege Boas Ruh erreicht.»

Und: «Vielleicht können Sie abklären, wann genau und wohin diese verschickt wurde?» Wir haben das intern nochmals genau abgeklärt: Genau am 4. November ging die Meldung an ihren Chef, Herrn Luzi Bernet. Der meldete sich dann auf Anfrage am Abend und will der «freundlichen und korrekten Antwort» seiner Mitarbeiterin nichts hinzufügen.

Wer noch nie etwas von Bernet gehört hat, lernt ihn im Filmchen der «NZZ am Sonntag» ein bisschen näher kennen. Im Begleittext wird vorsorglich gewarnt: «Begleiten Sie Chefredaktor Luzi Bernet eine Woche lang durch die Redaktion und erfahren Sie von ihm, wie die «NZZ am Sonntag» und NZZaS.ch entsteht.» Wir finden: Zum Glück muss Bernet keine Staubsauger verkaufen. Die Zuschauer erfahren vor allem, dass die NZZaS-Journalisten gerne und fleissig Gipfeli essen und Kaffee schlürfen. Dazwischen gibt es eine Sitzung, noch eine Sitzung und warum nicht nochmals eine Sitzung?

Wer so viele Gipfeli essen muss und ständig eine Sitzung hat, verliert manchmal den Überblick. Was ist aber schlimmer: Ein Chefredaktor, der eine Nachricht verpennt oder zwei Journalisten, die eine Woche lang hinter einer Geschichte her sind und ihren Text anscheinend auf der Schreibmaschine verfassen? Nun, wir sind nicht nachtragend. Gerne übernehmen wir den nächsten Espresso. Einen besonders starken.