NZZaS: Der Sonntagsfalke im Sinkflug
Fäkalsprache und seltsame Werbung.
Die Abonnenten der «NZZ am Sonntag» (NZZaS) müssen in letzter Zeit ziemlich viel aushalten. Der Esprit ist verloren gegangen und die Sprache geht vor die Hunde. Im Kulturbund kam in zwei Texten zwar «Arschloch» vor, das machte den Inhalt aber auch nicht besser. Und im Bund «Wissen» erschien eine Doppelseite über die Samariterdienste des Tabakmultis Philip Morris (PMI).
Der Tabakkonzern erläuterte in seinem Promotext, dass er drauf und dran ist, einen Chip herzustellen, der «aus einem winzigen dreidimensionalen Lungenmodell und einer ebenso kleinen Minileber» besteht. Spannend. Die Minilunge hat vielleicht noch Platz im Zigaretten-Päckli.
Für die NZZ ist es nicht die erste Sponsored Content-Seite von Philip Morris. Bereits im Dezember erschien eine. Die NZZ-Leser mucken anscheinend nicht auf. «Rückmeldungen bisher seitens Leserschaft: keine», so die NZZ-Medienstelle.
Die Banden zwischen der Zeitung und dem Tabakkonzern sind eng. Am 12. September 2020 erschien in der NZZaS sogar ein Gastbeitrag von Dominique Leroux, CEO von PMI Switzerland. Leroux durfte an prominenter Stelle über das Parlament wettern. Dieses wollte im Tabakproduktegesetz auch Tabakerhitzer mit einem Werbeverbot belegen. Für Leroux ein Horror, dann könnte er keine Werbung mehr für seine gesundheitsschädigenden iQOS machen. Leroux: «Das wäre ein gravierender Fehler.» Horrorhorror aber für die NZZ. Keine Riesenwerbung mehr. Glück für beide: Der Nationalrat hat sich dagegen entschieden, der Ball liegt nun beim Ständerat.
Im Gastbeitrag von Leroux erschien zudem eine spannende Aussage: «Damit ist es uns gelungen, schon über 100’000 frühere Raucher und Raucherinnen in der Schweiz zum Umstieg auf unseren Tabakerhitzer zu bewegen. Allein im letzten Jahr konnten wir ihre Anzahl verdoppeln.» 100’000 ist eine schöne Zahl, 200’000 auch. Aber stimmt sie auch? Oder anders gefragt: Werden bei der NZZaS auch Gastbeiträge qualitativ überarbeitet?
«Ja», schreibt die NZZ. «Es handelt sich um eine Aussage des Konzerns, die er bereits 2019 gemacht hat auf Basis von internen Zahlen.» Und die werden in der NZZ anscheinend fraglos übernommen. Weder die Zahlen wurden überprüft, noch die Kausalität der Aussage des Tabakkonzerns. Die Lungenliga Schweiz zeigt sich von der Naivität der NZZ ernüchtert: «Philip Morris wird nicht müde, die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass ihr neues Produkt iQOS ein Segen für die Raucherinnen und Raucher ist. Der Tabakmulti verschweigt dabei, dass er auf Neukunden angewiesen ist, weil seine Kunden auszusterben drohen», so Claudia Künzli, Leiterin Gesundheitsförderung und Prävention. «Es geht also darum, eine neue Generation von Nikotinabhängigen zu generieren, mit welchen möglichst lange Profit gemacht werden kann.»