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Johannes Kabatek, Kenner

Johannes who? Professoraler Rechthaber Kabatek.

Keiner zu klein, seinen Auftritt zu haben, wenn der «Blick» mal wieder auf der Suche nach einem Experten ist. Lula, Brasilien, weit weg, nix verstan. Die Chance für «Brasilien-Experte», nein «Brasilien-Kenner» Kabatek.

Eigentlich ist der im wahren Leben Professor für Romanische Philologie an der Uni Zürich. Wikipedia weiss, wovon er tatsächlich Kenner ist:

«Zu seinen Forschungsgebieten gehört unter anderem die Untersuchung von Diskurstraditionen, die Varietätenlinguistik, das Werk Eugenio Coserius, die Geschichte der Linguistik im 20. Jahrhundert, die Sprachkontaktforschung und die Erforschung des Galicischen in Geschichte und Gegenwart.»

Aber gut, dank «Blick» ist er nun auch Brasilien-Kenner. Und mit professoral-differenzierten Urteilen schnell zur Hand: Kabatek «bezeichnet zwar Lulas Aussagen als «absurd». Es sei praktisch O-Ton der Moskauer Propaganda, wenn Selenski und dem Westen zumindest eine Mitschuld an der Invasion gegeben werde. Kabatek: «Das ist, als würde man Polen die Mitschuld an der Invasion Hitlers zuschreiben – so wie es die Nazipropaganda dargestellt hatte.»»

Lula habe zwar einiges richtig gemacht, so sei er viel gereist: «Brasilien ist zurück auf der internationalen Bühne. Es gibt Staatsbesuche in Argentinien, den USA, China und im April Portugal.» Lula war schon immer eine Reisepräsident mit Fluchttendenzen ins Ausland.

Das scheint er fortzusetzen, zum Wohlgefallen des Romanistik-Philologen. Aber der muss Lula dennoch einen Fehler ankreiden: ««Es fehlt eine klare Ablehnung Lulas gegenüber Putin». Da muss Lula unbedingt nachbessern, sonst würde er beim Professor durchfallen.

Auch Bolsonaro ordnet der Brasilien-Spezialist kurz und knapp ein: ««Er ist nicht mehr Präsident und auch kein Millionär», sagt Kabatek. «Damit ist er für Trump weder interessant noch gut genug.»»

Vielleicht sollte Kabatek wenigstens einmal jemand ein paar Geschichtslektionen über den Zweiten Weltkrieg geben, bezüglich Brasilien ist Hopfen und Malz verloren.

Wenn einer über ein Thema quatscht, von dem er keine Ahnung hat, dabei von einem Journalisten zitiert wird, der auch keine Ahnung hat, hier vom «Ausland-Redaktor» Guido Felder, dann entsteht ein weiterer Artikel als Sargnagel für den Journalismus, der behauptet, eine geldwerte Leistung zu erbringen.

Im Gegenteil, der Leser müsste Schmerzensgeld verlangen dürfen.

 

Wumms: Alex Baur

Der Pensionär als Zeusler.

Man kann Alex Baur sicher nicht vorwerfen, dass er Lateinamerika nicht kennen würde. Im Gegenteil, kaum einer kennt es besser als er. Aus jahrelangen Aufenthalten in Peru, aus Reisen kreuz und quer. Das kommt nun erschwerend hinzu, wenn er behauptet:

«Der Strassenprotest gegen den knappen Wahlsieg von Lula ist legitim. Die Wiederwahl des Linkspopulisten war nicht ganz sauber.»

Brasiliens Demokratie ist ein Witz. Die Mehrheit der Parlamentsabgeordneten ist vorbestraft, korrupt sind wohl alle. Es stellen sich Witzfiguren, selbsterklärte Analphabeten und Beknackte zur Wahl – und werden nicht allzu selten auch gewählt.

Diesmal hatten die Brasilianer mal wieder die Wahl zwischen Skylla und Charybdis. Zwischen dem gescheiterten Rechtspopulisten Bolsonaro und dem korrupten und ebenfalls gescheiterten Linkspopulisten Lula.

Im Wahlkampf wurde von beiden Seiten mit Haken und Ösen, Lügen, Verleumdungen und allen juristischen Tricks gekämpft, Wahlwillige der anderen Seite kujoniert, billige Versprechungen wie auf dem Jahrmarkt gemacht.

Aber das Wahlprozedere anzuzweifeln, wo in ganz Lateinamerika Wahlen nur mehr oder minder mit zivilisierten Vorstellungen von diesem Vorgang zu tun haben, das ist ungut. Das ist besonders ungut, wenn nicht der Kandidat gewinnt, den Baur offensichtlich und ausweislich seiner Berichterstattung vor den Wahlen lieber als Sieger gesehen hätte.

Das Wörtchen «legitim» ist immer die Zuflucht von Populisten jeder Art, auch von Publizisten. Denn es gibt legal oder illegal, nichts dazwischen. Legitim heisst, es ist illegal, aber mir gefällt’s.

Politische Präferenzen haben und die auch ausdrücken, wieso nicht. Aber den Wahlvorgang schelten, das öffnet Tür und Tor für Zweifel an demokratischen Prozessen überhaupt. Was sich da in die Kommentarspalte der «Weltwoche» ergiesst, ist übel und übelriechend.

Ein paar Mütterchen: «Ich zweifle mittlerweile sogar in der Schweiz an den Wahlen. – Wahl und Abstimmungsmanipulation ist in der Schweiz möglich. – Und in 5 Tagen geht der nächste Wahlbetrug über die Bühne… in den USA. – Da soll jemand noch sagen, es geben keinen Deep-State Staatsapprat der als Würgegriff für linke Politik agiert. – Alles was wir jetzt sehen bei Wahlen in Westen ist NUR eine Illusion, Lügen und Manipulation.»

Wer solche Geister ruft, ist ein Brandstifter, ein verantwortungsloser Geselle, dem jede Polemik recht ist, der ohne Weiteres am Stützpfeiler freie Wahlen sägt, wenn ihm das Resultat nicht passt.

Dabei war’s in Brasilien doch ganz einfach. Es war eine Schlammschlacht, die TV-Debatten waren Slapstick vom Gröbsten, und einer der beiden Catcher hat gewonnen. Hätte auch der andere sein können. Zu bedauern sind die Brasilianer auf jeden Fall.