Schlagwortarchiv für: Lukaschenko

Würden Sie diesem Mann ein Haarfärbemittel abkaufen?

Der SoBli macht auf «buhu, Geisterbahn».

Den «Friedensengel und Pharma-Schreck» Donald Trump gross als Aufmacher. Friedensengel, echt jetzt? Weil er so schönes Engelshaar hat? Und Schreck, weil er so böse gucken kann? Also wenn Boulevard, selbst wenn er nicht mehr Boulevard sein will, etwas können muss, dann Schlagzeile.

Wie man das macht, zeigt natürlich «Bild»:

Oder in der Version der «Bild am Sonntag»:

Wenn Boulevard noch etwas sein soll, dann kurz und knackig. Öhm. Die tragisches Geschichte des Falls von Viola Amherd auf sechs Seiten? Gratis-Kaffeeausschank nach Seite 4. Tja, den Chefredaktor Reza Rafi in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf.

Und dann noch die überraschende Eröffnung von Hausgespenst Frank A. Meyer: «Viola Amherd tritt aus dem Bundesrat zurück. Ein neues Mitglied des Kollegiums ist zu wählen.» Verflixt nochmal, wie der Mann es immer schafft, uns auf ganz einfache Art verblüffend neue Erkenntnisse zu vermitteln.

Ach, wer immer noch nicht genug hat: Man könnte eine Meldung draus machen, dass die Amtseinführung wegen Arschkälte im Saale stattfindet. Oder man macht fast eine Seite mit Bildchen draus.

Also Crime hatten wir nun, Büsis zwar noch nicht, aber was fehlt sonst? Richtig; ein Thema, das nur noch auf Umwegen in die familientaugliche «Blick»-Familie geschmuggelt werden kann. Der «Langstrassenstrich» von Zürich, mit Bildern von gestern, vorgestern und heute. Endlich ein wenig Sex.

Ach ja, der «Stützli-Sex» von 1977, da lebten die ganzen Kindersoldaten im Newsroom doch noch nicht einmal als feuchter Traum.

Aber, nun kommt mal wieder das Einmann-Investigativteam, die menschliche Abrissbirne, der Journalist des Jahres, wenn nicht des Jahrhunderts Fabian Eberhard. Der findet zwar nicht mal ein Büro in einem Bürohaus, aber das kann er:

Bei den grossen Buchstaben fragt man sich einen Moment, ob damit Selenskyi gemeint sei. Scherz beiseite, natürlich handelt es sich um den Belarus-Herrscher Lukashenko. Der lässt nächsten Sonntag wählen und hat sich dafür, wenn man Eberhard glauben darf, drei Schweizer Wahlbeobachter geangelt. «Lukaschenkows Regime zahlt ihnen die Reise- und Hotelkosten, erwartet im Gegenzug aber freundliche Worte über den Diktator», weiss Eberhard.

Sicher ist es komisch, dass darunter ein Politiker ist, der bereits 2014 wegen Wahlfälschung verurteilt wurde, wie Eberhard schreibt. Andererseits könnte man ja sagen, dass so einer besonders sensibilisiert ist. Aber Scherz beiseite, dass der Basler Grossrat vom belarussischen Aussenminister höchstselbst und mit freundlichen Worten eingeladen wurde, kann man nun nicht gegen diesen Mann verwenden. Hätte der denn schreiben sollen: dann komm halt, wenn du’s einrichten kannst?

Dann gibt es noch einen SVP-Kantonsrat aus Zug, der wohlweisslich nicht mit dem SoBli sprechen will, und einen echten Putin-Fan und «Russland-Versteher», den man vielleicht vor sich selbst schützen sollte: «Die Wahlen sind frei und fair», Proteste dagegen seien «vom Westen eingefädelt». Meine Güte.

Kann man sonst noch jemandem etwas vorwerfen? Nun, der «Politquerulant» und Grossrat Eric Weber wurde doch tatsächlich bei seiner letzten Reise nach Minsk im Sommer von der Schweizer Botschafterin «persönlich begrüsst». Wie das halt so bei Auslandsreisli von Schweizer Parlamentariern üblich ist und von Molina abwärts auch immer gerne genommen wird.

Aber sicherlich hat sich Frau Botschafterin anschliessend die Hände gewaschen.

Und das war’s dann auch hier soweit. Oder interessiert sich jemand für das Knalleraufmacherthema unter «Gesellschaft»: «Notendruck statt Bewegungsfreude?» Himmels willen, reicht mens sana in corpore sano nicht mehr? Würden unsere Kinder nicht viel freier über den Schwebebalken hüpfen, das Pferd überspringen, die Kletterstange hochhangeln, wenn es nicht diesen elenden Notendruck gäbe?

Schliesslich wird der SoBli doch auch nicht benotet. So kommt er allerdings auch daher.

Wumms: Peter Rásonyi

Wie sehr darf man sich von seiner Herkunft leiten lassen?

In der Affäre Djokovic (erinnert sich noch jemand an das unglaubliche Geschrei?) durfte vor allem bei Tamedia über den Serben hergezogen werden, dass es eine Unart hatte. Besonders ausfällig wurde ein Schreiber mit kosovarischem Hintergrund; Enver Robelli teilte ganz übel (und unkontrolliert) aus.

Der Auslandchef der NZZ ist der Sohn ungarisch-deutscher Eltern und wurde 1966 in Zürich geboren. Es steht zu vermuten, dass eine Flucht nach dem ungarischen Aufstand von 1956 zur Familiengeschichte gehört.

Damit soll Peter Rásonyi nun nicht eine quasi genetisch bedingte Russlandfeindlichkeit unterstellt werden. Es ist aber dennoch auffällig, dass er bei osteuropäischen Themen ziemlich ranzig wird. Wenn er die EU dafür lobt, «schnell und entschlossen gegen Lukaschenko gehandelt» zu haben, vergisst er nicht, «dessen Schutzmacht Russland» zu erwähnen.

Obwohl zur ungarischen Vergangenheit – neben Faschismus – auch ein Aufstand gehört, ist Rásonyi anderswo strikt gegen solchen zivilen Ungehorsam. Die LKW-Blokaden in Kanada seien «unverhältnismässig», befindet er, nie um einen guten Ratschlag verlegen: «Die Regierung sollte härter dagegen einschreiten

Den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz begleitete Rásonyi mit einem ganzen Geschwader an Ratschlägen, Vorgaben und Handlungsanweisungen. Da wäre man bei der NZZ mit dem immer noch besten Netz an Auslandkorrespondenten um eine Spur mehr Differenziertheit dankbar.

Redak-Torin* Salome *Müller*In*

Rastlos und übergriffig setzt sie sich für die Sache der Frau ein. Leistet ihr dabei eine Bärinnendienstin.

Zunächst: Ich entschuldige mich Ausdrücklich für das «der» vor Frau, auch beim Genitiv hat der Sprachfeminismus noch Arbeit vor sich.

Aber fangen wir mit einer guten Nachricht an. Wie teilte mir ein aufmerksamer Leser so richtig mit: «Fortschritt. Der Stern wandert.» Natürlich, es handelt sich um einen noch nicht durchfeminisierten, männlichen Leser, der die wunderliche Marotte beobachtet, dass Salome Müller ihre Funktion als gelegentliche Tagi-NL-Autorin dafür missbraucht, vor allem die dafür auch noch bezahlenden Abonnenten (männlich) mit einem fröhlichen «Guten Morgen, liebe Leserinnen*» zu begrüssen.

Mit diesem Genderstern an ungewohntem Ort wolle sie ihren «Respekt» gegenüber all denen bezeugen, die sich nicht in das banal-binäre Raster Männlein/Weiblein pressen lassen wollen. Aber, bei Minerva, wo ist der Respekt geblieben? Die neue Variante lautet: «liebe Leser*innen». Ob das wirklich ein Fortschritt ist?

Der wandernde Stern. Aber der Dutt ist unverrückbar.

Es geht um Menschenrechte, bitte schön

Aber sprechen wir nicht länger von solchem Pipifax (der, maskulin, blöd). Inzwischen geht es der Dame mit dem komischen Wurmfortsatz auf dem Haupt um grössere Dinge. Um nichts weniger als die Menschenrechte.

Kämpferinnen für die Menschenrechte zeichnen sich oft dadurch aus, dass sie sie in weit entfernten Gegenden einfordern. Das ist auch hier der Fall. Denn gegen die Schweizer Doppelbürgerin Natallia Hersche wurde im fernen Weissrussland ein «wuchtiges Urteil» gefällt. Zweieinhalb Jahre Gefängnis, weil sie dort «für die Einhaltung der Menschenrechte auf die Strasse ging».

Allerdings wurde sie nicht deswegen, sondern wegen «gewalttätigem Widerstand gegen einen Polizisten» (Art. 363, Absatz 2, Strafgesetzbuch) verurteilt. Sie räumte das indirekt auch beim Prozess ein; sie habe Todesangst gehabt und gedacht, wenn sie dem Polizisten seine Sturmhaube vom Kopf reisst und ihm in die Augen schaue, dann würde der sicher Mitleid empfinden und sie laufenlassen.

Wurde sie zum Lächeln gezwungen? Herrsche beim Prozess. (Foto: spring96.org)

Wer sich in der Schweiz gegen eine Verhaftung wehrt, bekommt einen Orden

Da Müller – in Gegensatz zu mir – das ganze Urteil gelesen und verstanden hat, kommt sie ihrerseits zu einem klaren Verdikt: «Es ist ein politisches, ein willkürliches Urteil» gegen eine «zweifache Mutter aus St. Gallen». So unmenschlich geht’s in Lukaschenkos Reich zu und her. Eine Mutter wird von ihren Kindern getrennt, nur weil sie als Doppelbürgerin nach Weissrussland fuhr, um an Demonstrationen teilzunehmen.

Sie soll sich angeblich gegen die Verhaftung gewehrt haben, womit sie natürlich auch nur ein Menschenrecht einforderte. Wenn sich in der Schweiz jemand gegen die Verhaftung wehrt, besonders bei einer illegalen Manifestation, wird er umgehend mit einem Orden für Zivilcourage ausgezeichnet.

Denn, merke auf, die Schweiz sei – im Gegensatz zu Weissrussland – ein «sicherer Rechtsstaat», weiss Staatskundlerin Müller. Es läge mir fern, das Regime in Weissrussland als Rechtsstaat zu bezeichnen. Es ist eine der typischen post-sowjetischen Diktaturen mit einem Häuptling, der seine Halbwertszeit überschritten hat. Aber was empfiehlt denn Müller der Schweiz als rechtsstaatliche Mittel? Diplomatische Betreuung, eventuell Unterstützung, Bezahlung eines Anwalts?

Der Rechtsstaat muss Druck aufsetzen gegen einen Unrechtsstaat

Ach was, Pipifax (männlich, blöd), da muss mit massiveren rechtsstaatlichen Mitteln durchgegriffen werden. «Aussenminister Cassis kann Druck aufsetzen. Oder der Bundesrat baut mit Sanktionen Druck auf.» Welche rechtsstaatlichen Mittel hätte er denn da? «Die Regierung könnte die Konten des weissrussischen Staatsoberhaupts Alexander Lukaschenko und seiner Familie einfrieren und Visa-Beschränkungen erlassen.» Habe die EU schon lange getan, worauf wartet die Schweiz?

Nehmen wir mal spasseshalber an, ein Weissrussin nähme in der Schweiz an einem Plausch des Schwarzen Blocks teil. Ein wenig Sachschaden, ein paar verletzte Bullen, das Übliche halt. Nehmen wir an, sie würde im Rechtsstaat Schweiz dafür verurteilt. Nehmen wir weiter an, Lukaschenko würde deswegen toben, seinen Botschafter einbestellen, mit Sanktionen gegen die Schweiz drohen, Einreiseverbote aussprechen.

Da würde man sicherlich auch bei Müller das Halszäpfchen sehen, so erregt würde sie diese Einmischung, dieses Verhalten eines Unrechtsstaats, diesen eklatanten Verstoss gegen die heilige Gewaltenteilung – und die Menschenrechte – verurteilen.

Was wäre, wenn sich Lukaschenko das trauen würde?

Was masst sich der an, unsere Urteile als politisch und willkürlich zu verunglimpfen. Soll doch lieber mal bei sich aufräumen. Dem sollte man eine Antwort geben, dass er nur noch Sternchen sieht, würde die Sternchen-Feministin vielleicht fordern.

Menschenrechte sind Grundrechte, weiss Müller am Schluss ihres rechtsstaatlich durchaus durchwachsenen Kommentars. «Sie gelten auch für Natallia Hersche.» Wohl auch im Rechtsstaat Schweiz. Aber nicht für Müller, wenn sie fordert, mit unrechten Mitteln ein mögliches Fehlurteil zu bekämpfen.

Kleine Rechtskunde über Doppelbürger (ja, auch Doppelbürgerinnen*)

So nebenbei: Die Doppelbürgerin mit oder ohne Stern kann sich im einen ihrer Heimatstaaten nicht auf die Zugehörigkeit zum andern berufen, sondern ist erst einmal Inländer/In*+#. So viel zum Schutz der Schweizer Staatsbürgerin. Und bei aller Abscheu gegen Lukaschenko: Das Frauenstimmrecht wurde in Belarus, so wie in der gesamten UdSSR, 1917 eingeführt. Im Fall. Aber Feminismus und Logik, nun ja, ich sage nichts mehr, so als Mann.