Die WoZ spinnt
Früher hatte sie mal ein Gefäss «Die Welt spinnt». Das hat sie ersetzt.
Dass die absehbare Wiederwahl von Donald Trump bei vielen Linken zu Schnappatmung und Gehirnvereisung führte, ist bedauerlich und bekannt. Aber richtig traurig ist, dass die sonst durchaus lesbare und zurechnungsfähige WoZ (das erfolgreiche Gegenmodell zur «Republik», zudem wurde noch nie mit Selbstmord gedroht) schäumt und tobt, dass es eine Unart ist.
Da wäre mal der Leid-, Pardon. Leitartikel von Lukas Hermsmeier. Der sieht Armageddon heraufziehen:
«Das Land wird demnach ab Januar von einer faschistoiden Partei kontrolliert, die sich offen gegen demokratische Prinzipien stellt, Gewalt verherrlicht, den Klimawandel leugnet, Minderheiten dämonisiert, politische Gegner:innen kriminalisiert, Überreiche protegiert, Millionen Immigrant:innen abschieben sowie Sozialstandards und die öffentliche Gesundheitsversorgung abbauen will.»
Beim Machtantritt Hitlers hätte er wohl keine stärkeren Worte gefunden. Aber Hermsmeier bejammert nicht nur die Fehlentscheidung der US-Wähler. Er ist auch ganz schwach auf der Brust, wenn es darum ginge zu erklären, wieso denn eine Mehrheit Trump gewählt hat. Sind das also nun auch alles Faschisten? Oder sind sie mindestens faschistoid? Um diese logische Schlussfolgerung seines Gewäffels drückt er sich.
Aber er scheut sich immerhin nicht, Handlungsanweisungen für die Zukunft zu geben: «Die Herausforderung für alle linken Kräfte wird darin liegen, Basisarbeit fortzuführen und gerade in den ersten Trump-Monaten antifaschistisch parat zu stehen.»
Hm, Basisarbeit ist immer gut, auch wenn es gar keine Basis gibt. Aber was heisst «antifaschistisch parat stehen»? Soll das eine verklausulierte Aufforderung zu Protest, Widerstand, Gewalt sein? Oder ist es einfach eine leere Quatschansage?
Dann hätten wir noch die altgediente Lotta (eigentlich Lieselotte) Suter aus Vermont: «Seit Jahrzehnten bin ich für die WOZ mit dabei, wenn die Resultate der Präsidentschaftswahl in den US-Medien live präsentiert und kommentiert werden.»
Auch sie muss Hilfe bei der Psychologie suchen und rhabarbert um den Begriff Doublebind herum, ohne ihn wirklich zu verstehen. Aber macht ja nix, ihr geht es mehr darum: «Beschäftigen wir uns als Wählende oder Medienleute mit traditionellen politischen Themen wie Ökonomie, Migration, Umweltschutz oder dem Recht der Frauen auf den eigenen Bauch, vernachlässigen wir womöglich die faschistische Bedrohung durch Donald Trump und die ihm hörige republikanische Partei.»
Sie ist eine echte Dialektikerin: «Richten wir das Augenmerk auf die immer kruderen rassistischen und sexistischen Gewaltfantasien der Maga-Bewegung, verlieren wir die real existierende Gewalt in den USA, in der Ukraine und im Nahen Osten aus dem Blick.»
Auch sie muss grimmig eingestehen: «Lieber ein weisser Macho als eine erste und erst noch Schwarze Madam President.»
Aber immerhin, im Gegensatz zum Leitartikler versucht Suter wenigstens, eine Erklärung herbeizuzerren, wieso denn so verdammt viele dumme Amis Trump gewählt haben:
«2024 ist aber nicht zuletzt auch eine Hasswahl. Donald Trump hat Millionen von US-Bürger:innen mit fremdenfeindlicher, rassistischer und sexistischer Missinformation so aufgehetzt, dass ihnen mit der Zeit wichtiger war, wie hart die verleumdeten «anderen» (Menschen mit Migrationshintergrund, erfolgreiche Frauen, trans Personen …) bestraft werden, als was ihr eigenes Leben besser macht. Donald Trumps erfolgreichster Slogan war: «I am your retribution» (Ich bin eure Rache und Vergeltung).»
Also muss man mildernde Umstände gelten lassen. Die Trump-Wähler sind einfach so aufgehetzt, dass sie im Delirium Trump gewählt haben. In einem normalen Geisteszustand wäre ihnen das nie passiert.
Aber da Suter überhaupt nicht aufgehetzt ist, hat sie den klaren Durchblick. Oder doch nicht: «Erschreckend ist die Wahl 2024 aber nicht bloss, weil nun ein Möchtegernautokrat an die Macht kommt, sondern auch dessentwegen, was wir dabei über den Zustand der US-amerikanischen Gesellschaft in diesem Moment gelernt haben. Mehr als die Hälfte der Menschen haben Trumps düstere Prophezeiungen akzeptiert und auf den starken Mann als Retter gesetzt.»
Also, ein faschistoider Möchtegernautokrat. Geht da noch einer? Aber klar, dafür sorgen noch Kaspar Surber und Lukas Tobler. Auch sie lassen schon im ersten Satz keinen Zweifel an ihrer Haltung: «Grössenwahn war schon immer Teil seines Programms.»
Aber dagegen stellen sie mutig, denn auch sie können pfeifen im Wald, «einige linke Erfolge». Wow, das muss irgendwie untergegangen sein. Worin bestehen denn die? «Bernie Sanders, der sozialistische Senator aus Vermont, sicherte sich eine vierte Amtszeit. Im Repräsentantenhaus konnten alle vier Mitglieder der sogenannten Squad, der Linksaussen-Splittergruppe der Demokrat:innen, ihre Sitze problemlos verteidigen.»
Als wären das nicht der Triumphe genug; nun sitzen doch erstmals zwei schwarze Frauen gleichzeitig im Senat. Und noch besser: «Mit Sarah McBride zieht die erste trans Frau ins Repräsentantenhaus ein.»
Also eigentlich sind die USA noch nicht ganz verloren. Aber diese Vierertruppe wird genau verfolgen, ob und wann der Umschlag ins autokratisch Faschistische erfolgt.
Und dann «antifaschistisch parat stehen». Mit der Tastatur in der gereckten antifaschistische Faust.