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Radio Swiss Eriwan

Wenn zwei Drittel dagegen sind, ist doch ein Drittel dafür.

Lassen wir Gnade bei der Sprachvergewaltigung walten. Wobei falscher Sprachgebrauch meistens ein Indiz für falsche Gedankengänge ist. So auch hier.

Früher, als es noch professionelle Kriterien bei der Herstellung eines Titels gab, sollte er die Kernaussage des folgenden Artikels zusammenfassen. Die Kernaussage hier ist, dass laut einer Studie «Sicherheit 2024» zwar 82 Prozent der befragten Schweizer die weltpolitische Lage negativ sehen. Hingegen 79 Prozent die Zukunft der Schweiz positiv, 92 Prozent gar haben ein positives Sicherheitsempfinden, und immerhin noch 68 Prozent Vertrauen in öffentliche Institutionen.

Ob SWI swissinfo.ch auch noch dazugezählt werden kann? Das setzt über diese Studie den Titel «Eine Mehrheit der Schweizer:innen will näher an die Nato», abwattiert durch «mit klaren Einschränkungen».

Das ist nun ein Titel aus Absurdistan, ein übler handwerklicher Fehlgriff. Ungefähr so wie die alte Militärparole: «vorwärts, wir ziehen uns zurück». Es ist ein Titel, der dem entsprechenden Resultat der Umfrage diametral widerspricht. Denn nur 30 Prozent haben sich für einen Nato-Beitritt ausgesprochen, satte 70 Prozent dagegen. Dass es bei Unterformen wie der gemeinsamen Entwicklung von Technologien Mehrheiten gibt, ändert nichts an diesem eindeutigen Resultat.

Immer noch 58 Prozent der Befragten lehnen eine Gastgeberrolle der Schweiz für Nato-Veranstaltungen ab. Wenn man sich als gebührenfinanzierter Staatssender besonders um Ausgewogenheit bemühen würde, wie es eigentlich Bedingung wäre, könnte ein solcher Titel niemals alle Kontrollinstanzen passieren. Wenn aber eine ideologische Brille den Blick auf die Wirklichkeit einfärbt, dann ist er natürlich als Wunsch möglich.

Ähnlich auch der Einstieg: «Für die amtierende Verteidigungsministerin Viola Amherd ist klar, dass es eine engere Kooperation der Schweiz und der Nato braucht.» Dass sie damit regelmässig schon im Bundesrat aufläuft, wird abtemperiert zu: «In der Politik sorgt das für Kontroversen.»

Im Wolkenkuckucksheim finden dann die «Analysen» einzelner Ergebnisse der Umfrage statt. Eingeleitet mit: «Mehr als die Hälfte der Befragten, nämlich 53%, sprechen sich für eine Annäherung an die Verteidigungsallianz aus.» Kleines Problem: diese Zahl kommt in den erwähnten Umfrageresultaten nirgends vor.

Dann wird schöngeschwurbelt, dass es kracht: «Einem Beitritt würde mit 30% der Befragten weiterhin nur eine Minderheit zustimmen. Auch hier ist der Trend aber eindeutig, der Schnitt über die letzten zehn Jahre lag bei 23%.» Auf Deutsch: gut, ist immer noch eine radikale Minderheit, aber es werden mehr.

Auch auf Nebenschauplätzen wird schöngeschrieben: «Einen Einbruch gab es bei der Entwicklungshilfe: 58% (-7%) sagen, die Schweiz solle mehr Entwicklungshilfe leisten, das ist weniger als der Zehnjahresschnitt (64%). Angesichts der drastischen Sparpläne im Parlament aber weiterhin ein solides Bekenntnis zur Entwicklungshilfe.»

58 zu 42 Prozent, Tendenz deutlich abnehmend, das soll ein «solides Bekenntnis» sein?

Eines der Probleme der zusammengebrochenen sozialistischen Staaten war, dass die veröffentlichte Meinung durch die Parteipresse immer weniger mit der Realität zu tun hatte. Während es auf Papier oder in Sendungen nur Planübererfüllungen, glückliche Menschen und volle Regale gab, sah die Wirklichkeit viel trister aus. Das führte dazu, dass selbst korrekte Triumphmeldungen nicht mehr geglaubt wurde.

Nicht nur Swissinfo wandelt auf diesen Spuren. Ob Natobeitritt, französische, deutsche oder amerikanische Wahlen, vom Ukrainekrieg ganz zu schweigen: es gibt bekanntlich keine objektive Berichterstattung. Aber es gab den Versuch, mit anerkannten journalistischen Mitteln der Wirklichkeit nahe zu kommen – und die Beurteilung dem Konsumenten zu überlassen. Wobei der Journalist seinen Trieb zur Bauchnabelbetrachtung in Kommentaren ausleben konnte.

Aber diese Einfärbung, diese offenkundige parteiische Perspektive, dieses Umdeuten klarer Zahlen, das hilft dem Anliegen dieser Journaille keinesfalls. Im Gegenteil, sie bestätigt die bösen Wörter von Lügen- und Lückenpresse. Die so absolut auch eine unzulässige Verallgemeinerung darstellen. Aber sich der Realität bei einigen Medienplattformen immer mehr annähern.

Lückenpresse?

Die Fronten sind gezogen und verhärtet. Wie berichten westliche Medien?

Nach dem Corona-Desaster ist vor der Ukraine-Katastrophe und dem Gazastreifen-Debakel. Seit Menschengedenken ist Kriegsberichterstattung das Gebiet, auf dem die Medien krachend versagen.

Die Medien der direkt Beteiligten sowieso, sie verwandeln sich in Propagandaschleudern ihrer jeweiligen Regierungen. Der Feind ist immer grausam, unmenschlich, feige und erleidet Niederlage um Niederlage. Die eigenen Truppen sind immer human, tapfer und eilen von Sieg zu Sieg. Gibt es Rückschläge, sind die nur taktischer und vorübergehender Natur.

Allerdings gibt es doch graduelle Unterschiede. Wenn man zum Beispiel vergleicht, wie die sowjetischen Medien über das Afghanistan-Desaster berichteten, wo sich die UdSSR am Schluss schmählich zurückziehen musste. Wie Jahrzehnte später die USA auch.

Aber deren Presse hatte sicherlich einen Anteil daran, dass sich die USA schmählich aus Vietnam zurückzogen. Angefangen bei den Pentagon-Papers und wiederholten Berichten über US-Kriegsverbrechen (Massaker von My Lai) über aufrüttelnden Beschreibungen der Auswirkungen des Militäreinsatzes auf die Psyche von GIs, hier kamen die Medien (nicht alle, aber einige) ihrer Berichterstatterpflicht nach.

Seither haben sich die westlichen Medien aber nicht weiter-, sondern zurückentwickelt. Die Berichte von sogenannten embedded journalists über die völkerrechtswidrige Invasion  des Iraks. Ein Trauerspiel.

Das seine Fortsetzung in der Berichterstattung über die Invasion der Ukraine findet. Die faschistischen Wurzeln des Landes, seine endemische Korruption, der Putsch, die gekauften Wahlen, die einen Präsidentendarsteller an die Macht brachten, die weiterhin grassierende Veruntreuung selbst von kriegswichtigem Material, terroristische Aktionen der Ukraine, die lange Liste der Repressalien gegen Dissidenten in der Ukraine – alles kein Thema. Oder höchsten so im Vorbeilaufen.

Dafür laufen Schreibtischgeneräle zu Höchstformen auf, die ihren Arbeitsplatz mit einem Sandkasten verwechseln, in dem Truppenteile herumgeschoben werden, Spielzeugpanzer herumfahren, Flugzeuge mit lautem «rrooam» virtuell die Luft zerschneiden.

Aber obwohl zum Beispiel die Schweiz theoretisch neutral ist und somit keine Partei ergreifen sollte, gibt es in der Schweiz kein einziges Organ, das den Blickwinkel Putins wiedergibt. Gut, die «Weltwoche», aber selbst die macht das trotz Köppels unermüdlichem Kasatschok nur punktuell.

Das völlige Versagen der westlichen Medien zeigt sich schon darin, dass doch in Wirklichkeit kein Konsument all dieser Medien weiss, wie es denn nun eigentlich militärisch an der Front aussieht. Wie viele Reserven die Ukraine noch hat, was Russland noch alles in die Schlacht werfen kann.

Da wurde lange Zeit ein ukrainischer Sieg in den glühendsten Farben gemalt, bis die Journaille kleinlaut den ungeordneten Rückzug antrat.

Noch schlimmer, wenn da eine Steigerung überhaupt möglich ist, steht es um die Berichterstattung aus dem Gazastreifen. Sicherlich, Israel untersagt Journalisten grundsätzlich den Zugang, obwohl man ja nichts zu verbergen habe. Aber ob zum Beispiel Israel Lastwagenkonvois mit Hilfsgütern aufhält, oder ob die Verteilungskapazitäten der humanitären Organisationen nicht ausreichen, man weiss es nicht. Ob die Hamas innerhalb oder unterhalb von Spitälern mit Wissen der Spitalleitung Basen unterhält, man weiss es nicht.

Beginnt die Bevölkerung zu verhungern oder ist das eine weitere Mär der Hamas, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen? Wie überlebt es sich überhaupt im Gazastreifen? Tut Israel irgend etwas, um den Flüchtlingen aus dem Norden Schutz zu bieten, wenn es nun auch noch im Süden durchgreift? Wie steht es eigentlich aktuell um die von Israel zugewiesenen sogenannten Schutzräumen, die angeboten wurden, als die massive Invasion von Gazastadt begann?

Die Wahrheit stirbt im Krieg zuerst, ein banaler, aber dennoch richtiger Satz.

Nachdem Social Media die Informationsvorherrschaft der grossen Medien gebrochen hat, dröhnen unablässig Bilder- und Wortfluten auf all die ein, die meinen, sich so einen eigenen Überblick verschaffen zu können.

Aber genauso, wie die grossen Medienhäuser das Internet verschlafen haben und sein Funktionieren als Wertschöpfungsgenerator bis heute nicht kapieren, verschlafen sie nun die Parallelinformationen via Internet.

Der dünne Brei, denn zum Beispiel die grossen Schweizer Medienhäuser verfüttern, ist eigentlich die Aufforderung zum wirtschaftlichen Selbstmord. Denn wenn schon gratis häufig Besseres und Kompetenteres geliefert wird, wozu braucht es dann noch eine Tageszeitung?

Die könnte sich, um hier auch kurz zu sändelen, eine USP schaffen, indem sie Mehrwert anbietet. Das, was schon längst auf YouTube, Tictoc, telegram und Instagram dudelt, nochmals mit ernstem Blick zu verkünden, das kann es ja nicht sein.

Die Medien versagen einmal mehr. Sie sind parteiisch, subjektiv, schlecht informiert. Sie liefern so viele Hintergrundinformationen nicht, weil sie entweder zu faul sind oder der noch existierende Korrespondent dreht lieber Klischees und Vorurteile durch die Mühle. Macht viel weniger Stress als dieses blöde «vor Ort den Puls fühlen».

Laut Meldungen soll Russland als Vergeltung für das Moskauer Massaker das Hauptquartier des ukrainischen Geheimdienstes SBU in Kiew mit einem Marschflugkörper in Schutt und Asche gelegt haben. Stimmt das? Wieso konnte das die ukrainische Luftabwehr nicht verhindern? Stimmt es, dass der Geheimdienst vorgewarnt wurde? Durch wen? ein weiteres Beispiel unter vielen, wie lückenhaft berichtet wird.

So viele Fragen, so wenig Antworten. Ausser einer: es ist ein Trauerspiel.