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Der billige Biller im Tagi

Was soll ein Beitrag von Maxim Biller über Lisa Eckhart im Newsnet?

Die Erklärung ist einfach: Das Gebolze eines deutschen Drittklassliteraten gegen eine österreichische Kabarettistin erschien eigentlich in der «Süddeutschen Zeitung». Anlass ist deren Auftritt heute Freitagabend im «Literarischen Quartett» des ZDF (23.30 Uhr).

Was geht den Schweizer Leser dieser Erguss über 10’000 Anschläge an, der ja offensichtlich eine sehr deutsche Angelegenheit behandelt? Eigentlich nichts, aber da der Tagi ja immer mehr Inhalt von der SZ übernimmt, rutschen halt auch solche Ausrutscher ins Blatt.

Zunächst die nötigen Erklärungen

Vielleicht für die Leser, die sich in deutschen Untiefen nicht so auskennen: Maxim Biller ist ein unbedeutender Autor, der zu Zeitgeist-Zeiten mit einer Kolumne namens «100 Zeilen Hass» krampfhaft auf sich aufmerksam machen wollte. 2003 schaffte er es, dass der Vertrieb seines Romans Esra gerichtlich verboten wurde. Er hatte darin intime autobiographische Erlebnisse verwurstet, als Abrechnung mit einer verflossenen Freundin. Deren Mutter stellte er als herrschsüchtige, psychisch kranke Alkoholikerin dar.

Also ein richtiger Charmebolzen. Lisa Eckhart ist eine Kabarettistin, die mit ihrem Auftreten als langbeinige, superblonde Provokateurin und teilweise grenzwertigen Scherzen über Faschismus und Nazis für Aufregung sorgt. Natürlich sauste schon öfter die Antisemitismuskeule auf sie hernieder; ein Auftritt von ihr am Hamburger Literaturfestival wurde gestrichen, weil der Veranstalter angeblich nicht die Sicherheit von Künstlerin und Publikum garantieren konnte.

Henrik M. Broder, sonst auch immer schnell mit der Nazikeule zur Hand, verteidigte Eckhart öffentlich gegen den Antisemitismus-Vorwurf. Soweit, so deutsch. Nun erregt sich Maxim Biller darüber, dass Eckhart ins «Literarische Quartett» eingeladen ist. Dazu muss man wissen, dass diese TV-Sendung vom legendären deutschen Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki erfunden und lange Jahre geleitet worden war.

Auch Biller hatte einen Kurzauftritt in der TV-Sendung

Der Jude hatte die Terrorherrschaft der Nazis im Warschauer Ghetto überlebt und verlor durch diese Greueltaten nicht seine Liebe zur deutschen Literatur. Der er in dieser Sendung scharfzüngig, witzig, mit klaren Ansichten und Lob, sowie auch schneidenden Hinrichtungen Ausdruck verlieh.

Dann muss man noch wissen, dass auch Biller einen Kurzauftritt im «Literarischen Quartett» hatte. Dann hat man die Hintergründe, wieso er unflätig, unanständig, schamlos gegen die Kunstfigur Eckhart vom Leder zieht. Durch ihren Auftritt habe «der deutsche Jude und Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki endgültig den Kampf gegen die Nazis verloren».

Wie denn das? Weil da eine «28-jährige Frau aus einem Dorf in der Steiermark» mit «ihrer sehr, sehr blonden HJ-Frisur, mit ihrem Nazi-Domina-Look und ihrem herablassenden, nasalen Offiziersmessen-Ton» den Hitler-Faschismus wiederbelebe. Diese «Truppenbetreuerin des zu zwei Dritteln wiedervereinigten Deutschlands», bei der leider Teile des Feuilletons «ihre als unwitzige Witze getarnten volksverhetzenden Politlosungen als angebliche Ironie verklärt», von dieser «aus der Zeit gefallenen Ostmark-Kabarettistin».

HJ-Frisur und Nazi-Domina-Look?

Satire muss weh tun, gebrochen sein, Grenzen überschreiten. Der Scherz in Anlehnung an «ein Reich, ein Volk, ein Führer», dass sie zuhause Hitler-Dokus so schaue: «Eine Familie, ein Sofa, ein Sender» ist gar nicht so schlecht. Dass sie sich nebenbei mehrfach und sogar gerichtlich gegen eine Einvernahme durch die AfD zur Wehr gesetzt hat, was soll’s. Weder AfD noch Biller können Satire und Kunstfigur von der Realität unterscheiden.

Hinterlistige Abrechnungen, gelbgrüner Hass und Neid

Während Reich-Ranicki noch die deutsch-jüdische Kritik in der Tradition eines Heine, eines Börne, eines Kerr, ja eines Lessings verkörperte, lobhudelt Biller, geschieht durch diese Einladung der Bühnenfigur Lisa Eckhart nichts weniger als:

«Jetzt gewinnen die Hitlerboys im Zweiten Deutschen Fernsehen ihre antizivilisatorische Schlacht gleich noch ein zweites Mal!»

Unverschämtes Gewäffel eines von Neid zerfressenen, übellaunigen Schriftstellers, der seine mageren Fähigkeiten für Abrechnungen mit Lebensgefährten einsetzt, für gelbgrünen Hass, weil Eckhart heute so provoziert wie er früher, und erst noch mit Erfolg. Das neidet er ihr, und Reich-Ranicki bewundert er, neidet ihm aber gleichzeitig seine Biografie. Denn wie gerne würde der 1960 in Prag geborene Biller seinen Hass auf alles, was für ihn nach Antisemitismus riecht, mit seiner eigenen Biografie begründen. Mit Pogromen, Todesgefahr, persönlichem Leiden.

Kann er aber nicht, das gibt sein Lebensweg nicht her. Aber in Deutschland kann er natürlich bis heute die Karte spielen: «Ich bin Jude, ich darf das.» Wieso damit allerdings die zahlenden Leser von Tamedia belästigt werden, ist völlig unverständlich.