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Tagi als Zensor

Unglaubliche Zustände im angeblichen Forumsblatt.

Tamedia bestreicht die Hälfte der Deutschschweiz, die nicht fest im Griff von CH Media ist. Bei jeder neuen Akquisition versicherte der Konzern, dass er sich selbstverständlich seiner Verantwortung als Duopolist bewusst sei und daher offen für widerstreitende Meinungen und verschiedenartige Positionen.

Das hat sich längst als lächerliche Behauptung erwiesen, der in keiner Form nachgelebt wird. Aber was sich Tamedia gerade geleistet hat, ist dann doch ein starkes Stück.

Das gesamte Team der Kolumnisten wurde ausgetauscht. Das ist in den meisten Fällen keine schlechte Idee gewesen, auch wenn die Nachfolgecrew noch fürchterlicher ist. Mit einer Ausnahme: Rudolf Strahm. Darüber drückte ZACKBUM sein Bedauern aus.

Was der kompetente und streitbare Publizist inzwischen auf seiner eigenen Webseite bekannt macht: sein letzter Beitrag, seine letzte Kolumne wurde zensiert. Der ganze Schlussabsatz wurde «in den Print-Versionen im Tages-Anzeiger und im Bund gegen meinem Willen gänzlich weggelassen». Noch schlimmer, auch in der Online-Version «um den fett gedruckten Abschnitt ohne Voranmeldung gekürzt».

Strahm liefert dann die von Tamedia gekürzte und zensierte Version in der Originalform nach:

«Das ist nach vierzehn Jahren meine letzte Kolumne. Sie endet nicht freiwillig. Die neue Chefredaktion des Tages-Anzeigers will die Beiträge neu ausrichten. Ich habe mit meinen Kolumnen gern zur Einordnung der Politik beigetragen. Mit Analysen aus einer gewissen Distanz, Unabhängigkeit und Weitsicht habe ich mich an jene Generation gewandt, die noch Zeitung liest und politisch reflektiert. Dabei habe ich versucht, dem Motto «Audiatur et altera pars» – Höre auch den andern – gerecht zu werden. Allen Leserinnen und Lesern danke ich für das Interesse an meinen Beiträgen.»

Ist das eine Art, einen verdienten Kolumnisten zu verabschieden? Schämt sich auf dieser Redaktion überhaupt niemand mehr für nix? Vielleicht hat Strahm mit dem letzten Absatz den Platz im Print überschrieben. Aber wäre es nicht eine Geste gewesen, bei seiner letzten Kolumne ein Auge zuzudrücken?

Insbesondere, wenn der Autor offensichtlich forderte, dass auch dieser Absatz im Print erscheint. Pfeif drauf, sagte Tamedia. Der Gipfel ist aber, dass in der Online-Version einfach ein entscheidender Satz ohne Einverständnis des Kolumnisten zensiert wurde.

Das ist doch kein anständiges, korrektes, verantwortliches Verhalten mehr. Das ist respektlos, arrogant und indolent.

Es scheint immer mehr, dass mit den Sparmassnahmen bei Tamedia auch die letzten Reste von journalistischen Ethos verlorengegangen sind. Ein Kolumnist muss auf seiner eigenen Webseite seine vollständige Kolumne veröffentlichen, weil Tamedia dazu nicht in der Lage ist. Wie peinlich ist das denn.