Serientäter
ZACKBUM möchte vom Tagi lassen. Aber der lässt es nicht zu.
Das Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft (FÖG) nennt es «News-Deprivation». Und die nehme immer mehr zu. Bereits 46 Prozent der lesefähigen Bevölkerung der Schweiz informiere sich nicht mehr über die klassischen Newsquellen.
Eigentlich heisst das News Avoidance, aber das FÖG ist nach dem Tod von Kurt Imhof auch nur noch eine Schatten seiner selbst. Denn Deprivation ist natürlich gaga: das bezeichnet den Zustand der Entbehrung, des Entzuges, des Verlustes oder der Isolation von etwas Vertrautem sowie das Gefühl einer Benachteiligung.
Auf jeden Fall bemüht sich Tamedia nach Kräften, diese Zahl zu steigern. Mit einer unbekömmlichen Mischung aus Alarmismus, Rechthaberei, erhobenem Zeigefinger, Selbstbetrachtung und Abkehr von klassischem News-Journalismus.
Michael Marti fragt sich im Tagi völlig zu recht: «Wer sich also vor den News-Deprivierten gruselt, sollte sich zuerst fragen und dann verstehen, wovor viele dieser News-Deprivierten sich gruseln.» Allerdings vermeidet er tunlichst die naheliegenden Antwort: vor dem Tamedia-Journalismus.
Die Sopranistin Netrebko singt im Opernhaus? Ja schon, aber weil ein verlorenes Dutzend ein paar ukrainische Flaggen schwenkt, kam es dabei angeblich zu Misstönen. Ganz abgesehen davon, dass sich die Primadonna assoluta angeblich nicht deutlich genug von Putin und dem Ukrainekrieg «distanziert» habe. Unglaubliches Kulturbanausentum.
Dann der Alarmismus:

Marc Brupbacher, ehemals bekannt als Corona-Kreische und Beschimpfer von Bundesräten, hat umgesattelt. Klima ist schliesslich nachhaltiger als so ein flüchtiges Virus.
Der ehemalige Bundesrat Ueli Maurer gehört zu den Lieblings-Watschenmännern des Tagi. Kaum hat eine reingekriegt, weil er den Leonhard-Kreis präsidiert, der für Meinungspluralismus eintritt (was ist das, fragt sich fassungslos der Tagi-Redaktor, es gibt doch nur eine Meinung, nämlich die richtige, also meine), bekommt er schon wieder einen Kübel Häme übers Haupt geschüttet:

Für Tagi-Redaktorin Nicoletta Gueorguiev, eine Allzweckwaffe («Disney einigt sich im Rechtsstreit mit US-Schauspielerin Gina Carano», oder «Walliser sollen ihre Weihnachtsbeleuchtung um 1 Uhr nachts abschalten»),wird eine freie Debatte gleich mit «umstritten» gelabelt. Obwohl Streit doch der einzig sichere Weg zu neuer Erkenntnis ist.
Sie beschwert sich: «Weder auf der Website noch im Programm ist indessen ersichtlich, welche Beiträge wissenschaftlich fundiert sind und welche nicht.» Bevor sie solche unfundierte Beschwerde erhebt, sollte sie sich vielleicht mal informieren, was man unter «wissenschaftlich fundiert» versteht. Nämlich Beobachtung, Experimente, Datenerhebung, Hypothesenbildung, Überprüfung und Veröffentlichung in Fachkreisen.
Dazu ein Beispiel: wenn der Tagi behauptet, er betreibe «Qualitätsjournalismus», möchte ZACKBUM mal gerne eine wissenschaftlich fundierte Beweisführung dafür sehen. Sonst muss man das zumindest als «umstritten» bezeichnen …
Dann kommen wir zur Abteilung «wenn Wünsche wahr werden sollen»:

Meint Claudia Franziska Brühwiler. Angeblich «die meistgesuchte Forschende der HSG». Allerdings mit eher spärlichen Veröffentlichungen, während sie auch für den Tagi zu zu «den profiliertesten USA-Kennerinnen der Schweiz» gehöre. Was sie von Fehlprognosen aber noch nie abgehalten hat.
Dann hätten wir noch die Pflege von Randgruppenproblemen:

Wie viele lesbische Paare es in der Schweiz gibt und wie viele von ihnen vor diesem Problem stehen, ist schwer eruierbar. Im Jahr 2022 haben rund 350 lesbische Paare geheiratet. Wie viele das mit einem Kinderwunsch verbinden? Alle? Die «Ehe für alle» trat am 1. Juli 2022 in Kraft. Nehmen wir an, dass es seither 1000 Heiraten gab. Selbst wenn alle diese Paare einen Kinderwunsch verspürten und per Adoption befriedigen wollen, so wären das rund 0,01 Prozent der Wohnbevölkerung …
Schliesslich noch ein Beitrag zu «die Welt ist schlecht und wird immer schlechter»:

Woher kommt diese Zahl, wie wird sie eruiert, wie verlässlich ist sie? Alles journalistische Fragen, auf die das Qualitätsorgan Tagi nur rudimentäre Auskünfte erteilt. Bzw. einfach abschreibt, was die NGO «Save the Children» behauptet. Diese Organisation ist auf vielen Gebieten in schwerer Kritik, interner Kultur, Führungsstruktur, Kommunikation und politischer Stellungnahme. Plus wie meist bei solchen NGO die Saläre der Führungsschicht. Aber das soll doch eine knackige Schlagzeile nicht kaputtmachen.
Das ist von einem beliebigen Tag das gesammelte Bemühen von Tamedia, den Leser davon zu überzeugen, dass es rausgeschmissenes Geld ist, dafür auch noch etwas zu bezahlen. Ausser natürlich für Masochisten, Anhänger einer strengen Belehrung oder für Menschen, die gerne testen wollen, ab wann sie depressiv werden.



