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lic. phil. SRF

Warum einfach, wenn es auch à la SRF funktioniert? Wie SRF-Journalisten die Welt verkomplizieren.

Der Inhalt muss stimmen, die Grammatik irgendwie auch. Aber vor allem wollen wir Journalisten verstanden werden. Im Idealfall von allen Leserschichten. Die Dummen sollten nicht gleich im ersten Abschnitt abgehängt werden und die Gescheiten sollten uns bis zum Ende folgen. Die Grundfrage lautet darum: Wie schreibt man leicht verständlich? Nun, sicher nicht so:

Es entsteht ein Psychogramm unserer Gegenwart, in der jeder Einzelne auf der Suche nach Orientierung und Anerkennung ist und in einer immer schnelleren, informationsreicheren und lauteren Welt auch die Grenzen der eigenen Frustrationstoleranz ausloten muss.

Das Beispiel stammt von SRF News. Auf der Redaktion von SRF News sitzen Journalisten mit diversen Uni-Abschlüssen: Historiker, Politologen, Germanisten. Das merkt man den Texten auch an. Noch so ein Beispiel:

Es gibt ein eher diffuses Milieu von verschiedenen esoterischen Gruppen und Verschwörungstheoretikern, die ohnehin eine gewisse Offenheit für rechte Ideologie-Fragmente haben.

Vergebens sucht man auf srf.ch Seiten, die tagesaktuelle Nachrichten in leicht verständlicher Weise aufbereiten. Der öffentliche Rundfunk unserer Nachbarländer ist da schon viel weiter. Das ORF bietet jeden Tag eine Übersicht in leichter Sprache, das MDR hat eine eigene Seite für «Nachrichten in leichter Sprache» und der Deutschlandfunk hat ebenfalls eine Seite «Nachrichten leicht».

Zwar verpflichtet das Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) das SRF, Fernsehsendungen behindertengerecht aufzubereiten. Das SRF jagt darum viele Sendungen durch eine automatische Untertitelungssoftware durch. Für die Gehörlosen. Den 16 Prozent der Schweizer Wohnbevölkerung, die Mühe haben, schwierige Texte zu verstehen, hilft das aber nichts. Gerade in Coronazeiten sollte das SRF zumindest die wichtigsten Basisinfos leicht und schlank erklären. Sollte. Auf die Frage hin, warum sie plötzlich die Fallzahlen zwischen den Ländern publizieren, antwortet das SRF auf seiner Website:

Wir bieten ausserdem eine Reihe zusätzlicher Darstellungsmöglichkeiten wie etwa Normalisierung auf 1 Million Einwohner oder eben den Wechsel zur linearen Skala. Hinzu kommt, dass wir die Fallzahlen zusammen mit Kontexualisierung sowie weiteren, härteren Zahlen wie Mortalitätsraten und Übersterblichkeit publizieren.

Das verstehen nicht 16 Prozent Bahnhof, sondern 61 Prozent. Leicht – und trotzdem korrekt – wäre gewesen: «Wir bieten Ihnen viele Darstellungen an. Auf einer Darstellung sehen Sie, wie viele Coronakranke pro 1 Millionen Einwohner leben. Auf einer anderen Darstellung (Skala) sehen Sie, ob es mehr oder weniger Coronakranke gibt. Wir, das SRF, informieren Sie auch über die Sterblichkeit.»Viele Journalisten graust es vor diesen Vereinfachungen. Aber wer seinen Job ernst nimmt, muss sich Zeit für alle nehmen. Schwierige Texte darf man in der Freizeit schreiben.

Wie unglaublich kompliziert die News auf SRF geschrieben sind, offenbart der Flesch-Index. Er misst, wie leicht ein Text auf Grund seiner Struktur lesbar und verständlich ist. Je tiefer der Flesch-Wert, desto komplizierter der Text. Liegt der Wert zwischen 71 und 80 bedeutet das: Menschen mit Lernschwierigkeiten verstehen den Text.

Voraussichtlich allenfalls indirekt

Am 6. August erschien auf SRF News ein Interview mit einer spanischen Journalistin. Eine Frage lautete, wie die spanische Regierung den Tourismus retten könnte. Die gute Frau antwortete: «Von den 140 Milliarden Euro, die Spanien aus Brüssel bekommt, wird die Branche voraussichtlich allenfalls indirekt profitieren.» Sie hätte auch sagen können: «Das Brüssel-Geld landet nicht bei den Hotels.» Das wäre leicht verständlich gewesen. Der Artikel erreichte einen Flesch-Index von 42. Das bedeutet, dass ihn Menschen mit einem Berufsschul-Abschluss noch knapp verstehen.

0.06 zusätzliche Lohnprozente je hälftig

Am gleichen Tag schrieb ein anderer SRF-Journalist einen Artikel über den zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub. Um den Lesern die Finanzierung zu erklären, schrieb der Autor: «Dafür sollen 0.06 zusätzliche Lohnprozente je hälftig bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern erhoben werden.» Das ist Beamtendeutsch und hat in einem Artikel nichts zu suchen. Der Artikel hat einen Flesch-Index von 23. Nur Menschen mit Matura verstehen den Quatsch. Ab Index 20 gilt: Nur Hochschulabsolventen kommen mit.

Diese beiden Beispiele sind zufällig ausgewählte Artikel. Es liessen sich leider noch viele finden. Eigentlich, so antwortet das SRF gegenüber ZACKBUM.ch, gehöre es zur «Kernaufgabe», einfach zu schreiben. Nur, «gelingt das nicht immer». Die Newsroom-Journalisten würden aber dazu angehalten, Texte nach einer Publikation namens «Texten für Web und App» zu verfassen. Hoffentlich ist wenigstens diese Guideline halbwegs verständlich geschrieben.