Schlagwortarchiv für: Le Pen

Ist Polen verloren?

Die ganz objektive Berichterstattung über die Wahlen.

Das deutsche Nachrichtenmagazin «Spiegel» ist erschüttert: «Das liberale Europa steht der Herausforderung durch Populisten planlos gegenüber. So erschütternd wie der Wahlsieg des nationalkonservativen Präsidentschaftskandidaten Karol Nawrocki ist die Hilflosigkeit seiner Gegner.»

Bis knapp vor Schluss sah es noch gut aus für Rafał Trzaskowski. Der erklärte sich bereits nach den ersten Hochrechnungen zum Sieger und stimmte Triumphgesänge an. Aber dann, oh je, schwang Karol Nawrocki obenaus. Und erklärte sich zu Recht zum Sieger der polnischen Präsidentschaftswahlen.

Tamedia gratulierte ihm so zum Wahlsieg: «Er prügelte sich als Hooligan, kennt Neonazis – und ist jetzt Polens Präsident». Oder so: «Die Wahl des PiS-Kandidaten zum polnischen Präsidenten ist ein Bekenntnis zu hemmungslosem Rechtspopulismus.»

Eine Viktoria Grossmann ordnet ein, einer der Lieblingsausdrücke für hemmungslosen Gesinnungsjournalismus:

«Alle Anzeichen stehen dafür, dass die PiS-Partei mit ihren teils rechtsextremen Ansichten, ihren nationalistischen Parolen, ihren blanken Lügen über die EU oder auch Leute, die sich gern eine Regenbogenflagge an die Kleidung heften, noch weiter nach rechts rückt. Dass sie nun, zusätzlich zu ihrer verrohten Sprache, auch noch jegliche bürgerlichen Sitten fahren lässt.»

Sie sieht eine so grosse Gefahr durch den demokratisch gewählten Präsidenten Polens, dass sie gleich an höchster Stelle eine Forderung deponiert: «Die europäischen Partner können und sollten der polnischen Regierung helfen, wenn sie an einem verlässlichen Partner interessiert sind.»

Früher nannte man das Einmischung in innere Angelegenheiten.

Vielleicht wäre es der Mühe wert gewesen, dem Leser zu erklären, wieso eigentlich eine knappe Mehrheit der polnischen Stimmbürger diesen Kandidaten gewählt hat. Da wird es dann sehr, sehr dünn bei Grossmann: «Seine Wähler hat das nicht abgeschreckt – nein, es hat sie regelrecht angezogen.»

Stattdessen widmet sie sich sorgenvoll der Fehler, die die Regierung Tusk begangen haben soll. Und gibt auch ihr einen guten Rat mit auf den Weg, das wäre doch einen Versuch wert: «einen Plan haben und selbstbewusst auch umsetzen, ohne auf die nächsten Wahlen und den Angstgegner zu schielen. Tusk und seiner Regierung bleiben dafür jetzt etwas mehr als zwei Jahre Zeit.»

Die aktuelle Berichterstattung überlässt das Haus der Qualitätsmedien dann wieder den Newstickern wie dpa.

Grossmann ist Korrespondentin der «Süddeutschen Zeitung» in Warschau. Mangels eigener Kompetenz übernimmt der Kopfblattsalat an der Werdstrasse ihre Meinung ungefiltert. Obwohl sich alleine aus historischer Sicht der deutsche Blickwinkel auf Polen vom schweizerischen durchaus unterscheidet.

Wie tief der Graben ist, belegt der Kommentar, den der Chef des deutschen Politik-Magazins «Monitor» absonderte. Der gebührenfinanzierte und zu Objektivität verpflichtete Georg Restle schnödete auf X: „Das Wahlergebnis in Polen ist eine Katastrophe: Für Demokratie und Rechtsstaat in Polen.» Als ihm ein Kommentator Kontra gab, das sei das Ergebnis einer demokratischen Wahl, legte er gleich noch die Nazikeule drauf: «Auch der Sieg der Nazis in Deutschland war das Ergebnis einer Wahl und deren Folgen. Demokratie ist mehr als nur ein Verfahren.»

Demokratie ist für Restle offensichtlich ein «Verfahren», das nur ordnungsgemäss abläuft, wenn es ihm genehme Resultate zeitigt.

Aber was soll’s, der zahlende Leser (der Artikel ist hinter der Abo-Schranke verstaut) wird’s schon schlucken. Könnte aber ein Irrtum sein.

Denn vielleicht interessiert den, eine geldwerte Gegenleistung zu kriegen. Zum Beispiel einen Erklärungsversuch, wieso mehr als die Hälfte der Polen diesen Präsidenten gewählt hat – obwohl doch der andere viel besser gewesen wäre, laut fast einhelliger Meinung der Massenmedien.

Nun hat sich also eine Mehrheit der Polen zu «hemmungslosem Rechtspopulismus» bekannt, mit diesem erschütternden Wahlsieg. Warum? Nun, vielleicht weil sie so sind, oder schlichtweg doof. Halt wie die Amis, die auch aus Blödheit Trump gewählt haben, die Italiener mit ihrer Meloni, die Ungarn mit Orban, die Niederländer mit Wilders, die Franzosen mit Le Pen, die Deutschen mit der AfD.

Ach, und wohl auch die Schweizer mit der SVP, aber die ist dann nicht ganz so hemmungslos rechtspopulistisch, oder nur manchmal.

Früher, ja früher, gab es mal das journalistische Prinzip, dass Berichterstattung von Meinung so gut wie möglich getrennt sein sollte. Berichterstattung setzt allerdings Kompetenz voraus, Sachkenntnis, die Fähigkeit, zu analysieren, dem Leser Erkenntnisgewinn zu verschaffen.

Daran mangelt es immer mehr, umso hemmungsloser werden diese Lücken durch Meinung, Besserwisserei und arrogantes Erteilen von unverlangten Ratschlägen ersetzt.

Das ist natürlich erlaubt. Aber dafür noch Geld zu verlangen, das hat auch etwas Hemmungsloses, ja Zügelloses. Eigentlich Sinnloses. Denn wer will solchen Journalisten schon gegen Bezahlung bei der Bauchnabelschau und dem Äussern ihres Unwohlseins zuschauen. Populistisch ist es allerdings nicht, denn solchen Medien laufen die Leute in Scharen weg.

Hello, Mr. President

Christof Münger hat nicht mal ein Proseminar besucht …

«Im Proseminar fürs Politologiestudium spricht man nicht von Bullys, sondern etwas vornehmer von revisionistischen Grossmächten, die den territorialen Status quo ändern möchten. China verfolgt im Südchinesischen Meer und gegenüber Taiwan eine solche Aussenpolitik. In Hongkong wurde sie umgesetzt, sie ist aggressiv und expansiv. Russland ist die zweite revisionistische Atommacht, siehe Ukraine. Am 20. Januar kommt eine dritte revisionistische Grossmacht hinzu, die USA von Donald Trump.»

Geschichte für Anfänger und den Auslandchef ohne Ausland und Verstand von Tamedia: Taiwan war jahrhundertelang unter chinesischer Herrschaft, dann von 1895 bis 1945 Teil des japanischen Kaiserreichs, 1949 zog sich Chiang Kai-shek nach seiner Niederlage gegen Mao hierher zurück. Anschliessend war Formosa oder Taiwan Bestandteil des Kalten Krieges und wurde lange Zeit bis 1971 vom Westen als einzige legitime Vertretung ganz Chinas anerkannt.

Welcher Status quo von wann hier geändert werden soll, das ist wohl die Frage. Und Hongkong? Wurde 1841 von England besetzt und 1843 zur Kronkolonie erklärt. 1997 wurde dieses Überbleibsel des Kolonialismus an China zurückgegeben.

Würde Christof Münger in einem Proseminar so einen Quatsch erzählen, die Fortsetzung seines Studiums wäre gefährdet. Hiermit wäre sie dann wohl beendet: «Europa muss nun schnell erwachsen werden und an Unabhängigkeit gewinnen, vor allem was die eigene Sicherheit betrifft. » Erwachsen werden, mehr Unabhängigkeit? Von der mit Abstand grössten Militärmacht der Welt? Die übrigen Teilnehmer des Proseminars schütteln verzweifelt die Köpfe ob eines solchen Stusses.

Aber da geht noch mehr. Der israelische Ministerpräsident Netanyahu habe erst jetzt einer Waffenruhe zugestimmt, das sei «ein Geschenk zum Amtsantritt seines alten Verbündeten: Der Deal liegt schon ein halbes Jahr lang unterschriftsbereit vor. Mehrere israelische Geiseln, zahlreiche israelische Soldaten und viele palästinensische Zivilisten würden noch leben, hätte der israelische Premier früher eingewilligt. Doch Netanyahu wollte verhindern, dass US-Präsident Joe Biden diesen Erfolg verbuchen konnte».

Diesen Geheimplan hat Netanyahu mitsamt des unterschriftsreifen Vertrags aber wirklich sauber im Giftschrank eingeschlossen und keinen rangelassen. Bei solchem Gefasel würde manch Verschwörungstheoretiker vor Neid erblassen.

Und Musk? Dem gehe es nicht um die Redefreiheit, sondern «um die Freiheit, lügen zu dürfen». Das ist nun aber auch Bestandteil der Meinungsfreiheit, schliesslich darf doch auch Münger so viel Unsinn erzählen, wie es ihm drum ist.

Dann kommt ansatzlos ein Salto mortale ins Zusammenhangslose: «Wer hingegen in Moskau den Angriffskrieg gegen die Ukraine öffentlich kritisiert, bekommt Besuch von der Polizei. Und Chinesen, die das Massaker auf dem Tiananmen-Platz nur schon erwähnen, verschwinden im Gefängnis. Dort geht es um die Redefreiheit – für Europas Populisten kein Thema.»

Trump, Musk, Redefreiheit im Westen. Dagegen die Zensur im Osten, wobei Münger die genauso strikte Unterdrückung jeder freien Meinungsäusserung in der Ukraine zu erwähnen vergisst. Und wieso sollten sich «Europas Populisten» darum kümmern?

Aber verflixt, dachte Münger mal wieder, jeder Kommentar hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei. Also woher eine Schlusspointe nehmen und nicht stehlen? Ach, lieber was zusammennageln als gar nicht schreiben:

«Die Wahl von Trump und die Wucht von Elon Musk haben Leuten wie Alice Weidel, Herbert Kickl, Viktor Orbán und Marine Le Pen einen Boost verliehen. Angesichts des anstehenden Comebacks ihres Paten in Washington scheinen sie vor Vorfreude fast zu platzen – Trump kann auf eine politische Fangemeinde in Europa zählen.»

Das könnte Münger nun, dank der Meinungsfreiheit, auch auf X oder Facebook posten. Inklusive der Verbalinjurie «Pate» für Trump, also Mafiosi, also sind auch die erwähnten europäischen Politiker Mitglieder der Mafia.

Allerdings hört für Münger Meinungsfreiheit dort auf, wo ein anderer eine andere Meinung hat. Und freie Wahlen kommen irgendwie an ihre Grenzen, wenn die Falschen gewählt werden. Da wird Tamedia endgültig zum Witzblatt, ohne komisch zu sein.

Sie Faschist, Sie!

Das Allerweltsschimpfwort von geistig Armen und Verzweifelten.

Der Kampf gegen die braune Brut war schon immer eine Lieblingsbeschäftigung der Linken. Während bürgerliche Kreise die Mär von den braunen und roten Fäusten erfanden und beides gleichsetzten.

Früher, als noch mehr Leute alle Tassen im Schrank hatten, gab es immer wieder Versuche, geschichtlich Stalin und Hitler gleichzusetzen. Da Hitler als Verlierer abgegangen war, die Sowjetunion aber immerhin so eine Art Nachfolgestaat des Stalinismus war, diente das dazu, den Sozialismus zu diskreditieren. Auch das ist mangels Sowjetunion inzwischen obsolet.

Damals gab es auch noch zumindest rudimentäre Kenntnisse darüber, was Faschismus eigentlich ist. Aber das ist verloren gegangen. Heutzutage ist «Faschist» ein wohlfeiles Schimpfwort. Einfach ein Ersatz für «ein bösartiges und gefährliches Arschloch, das ich nicht ausstehen kann», was man aber so nicht sagen kann oder will.

Ganz Vorsichtige verwenden auch gerne das Wort «faschistoid», wenn sie Angst haben, dass sie beim Gebrauch von «Faschist» juristisch eins über die Rübe kriegten. Aber das ist ein nichtssagender Zwitter wie illegitim. Das verwendet man, wenn etwas völlig legal und keinesfalls illegal ist, man es aber dennoch kritisieren möchte. All die Händler mit Leaks- und Papers-Hehlerware verwendeten es gerne, wenn sie unschuldig ans mediale Kreuz Genagelten irgend etwas Illegales unterstellen wollten.

Aber aktuell ist der Begriff «faschistoid» in den Hintergrund getreten. Denn für viele Flachdenker ist klar: Donald Trump ist ein Faschist. In den USA ist der Faschismus an die Macht gekommen. Drohen faschistische Zustände. Schon bald werden die ersten KZs für illegale Immigranten errichtet. Gemischtrassige Ehen werden verboten, der Begriff Rassenschande wiederbelebt. Und bald einmal gibt es wieder lebensunwertes Leben.

Als nächsten Schritt fängt Trump dann den Dritten Weltkrieg an. Das haben Faschisten so an sich.

Der Begriff findet natürlich nicht nur dort reichlich Verwendung. SVP? Mindestens faschistoid. Blocher? Man würde gerne Faschist sagen, aber traut sich nicht, aus Angst vor juristischen Folgen. AfD: sowas von faschistisch. Corona-Leugner? Eigentlich auch Faschisten. Putin? Irgendwie ein Faschist. Meloni? Ganz sicher Faschistin. Le Pen? Verkleidet, aber klar braun. Und so weiter.

Vor allem der neue alte Gottseibeiuns Donald Trump ist nun ein Faschist. Das weiss Constantin Seibt am besten, der grosse Faschismus-Aufspürer, der alles Braune zehn Meilen gegen den Wind wittert. Auch wenn es nur ein Scheisshaufen ist. Gefolgt von diesem Kläffer von Tamedia und weiteren Dummschimpfern.

Dabei gibt es nur ein kleines Problem. Man darf Trump unterstellen, dass er nicht mal weiss, was Faschismus ist. Schlechte Voraussetzungen, um Faschist zu sein.

Es ist aber noch schlimmer: wissen all diese Faschismus-Kläffer überhaupt, was das ist? Wissen sie, dass sie mit der inflationären Verwendung des Begriffs alle wirklichen Opfer von Faschismus beleidigen, entwürdigen, sie missbrauchen?

Nein, dass wissen diese Tröten nicht. Wissen sie wenigstens selbst, was Faschismus ist? Wie bei Trump sei den meisten unterstellt: die haben doch keine Ahnung. Irgendwie so wie Hitler. Oder Mussolini. Oder so. Ganz schlimm halt. Das dürfte die häufigste Antwort sein.

Selbst eine Künstliche Intelligenz ist schlauer; also zum Mitschreiben (und wieder vergessen) ihre Antwort:

Hier sind die wichtigsten Merkmale des Faschismus in Stichpunkten:

  • Autoritäre Herrschaft: Konzentration von Macht in einer zentralen Führungsfigur oder Partei.
  • Nationalismus: Übersteigerte Betonung der eigenen Nation, oft verbunden mit Überlegenheitsdenken.
  • Antidemokratie: Ablehnung von Demokratie, Parlamentarismus und politischen Pluralismus.
  • Militarismus: Verherrlichung von Krieg und militärischer Stärke.
  • Ideologie der Einheit: Forderung nach nationaler oder sozialer Homogenität, Ablehnung von Diversität.
  • Kollektivismus: Vorrang der Gemeinschaft vor individuellen Rechten und Freiheiten.
  • Propaganda und Manipulation: Kontrolle der Medien, Verbreitung von Ideologien durch Massenkommunikation.
  • Gewaltbereitschaft: Einsatz von Gewalt als legitimes Mittel zur Erreichung politischer Ziele.
  • Feindbilder: Konstruktion von inneren und äußeren Feinden zur Mobilisierung der Gesellschaft.
  • Antikommunismus: Ablehnung marxistischer und sozialistischer Ideologien.
  • Kult der Führerfigur: Personenkult um den Anführer als unfehlbare Autorität.
  • Antiliberalismus: Ablehnung individueller Freiheiten und liberaler Werte.
  • Korporatismus: Kontrolle von Wirtschaft und Gesellschaft durch staatlich gelenkte Organisationen.

Wetten, dass die meisten, die «Faschist» krähen, nicht mal drei Merkmale von diesen 13 aufzählen könnten?

Noch schlimmer wird es aber, wenn man wie der emeritierte Geschichtsprofessor Jakob Tanner eine gelehrte Abhandlung über «Trump und der ständige Faschismus-Vergleich» bei Tamedia veröffentlicht. Und doch tatsächlich Umberto Ecos Pamphlet aus den 90er-Jahren als «bahnbrechenden Artikel über «Ur-Faschismus»» lobhudelt. Das schon unzähligen Deppen dafür diente, jeden beliebigen politischen Gegner als Faschisten zu verunglimpfen. Während die meisten Faschist-Gröler nicht wissen, was sie tun, weiss das Tanner sehr wohl. Und das macht ihn so unredlich wie demagogisch gefährlich.

Auch er malt – ein Bruder im Geist von Seibt – den Faschismus in den USA an die Wand. Und behauptet, dass «die institutionellen Sicherungen der amerikanischen Verfassung nicht genügen» würden, um ihn abzuwehren. «Vielmehr ist auf die Resilienz der Zivilgesellschaft zu bauen.» Ob das in Form von militanten linken Bürgerwehren gewalttätig oder anders zu erfolgen hat, darüber gibt Tanner aber keine Auskunft. Er murmelt nur etwas von Gewerkschaften und so.

So jämmerlich ist der politische Diskurs inzwischen geworden. Dass bei der «Republik» niemand Seibt Einhalt bietet, nun ja. Aber bei Tamedia? Da scheint jeder Anspruch auf Qualität und Niveau mit dem jüngsten Rausschmeissen und der Installation von führenden Flachpfeifen verloren gegangen zu sein.

Wenn es allerdings ein Merkmal des Faschismus ist, dass er Ideologie durch Massenkommunikation verbreitet, könnte es dann etwa sein, dass Tamedia auch …? Oder zumindest faschistoid? Oder allermindestens faschistoide Tendenzen? Ein brauner Oberton vielleicht? Oder auf dem Weg zum Faschismus? Zumindest diese Manie der Denunziation von sexistischen Wörtern und die Vorschriften, wie politisch korrektes Schreiben gehe, das hat etwas eindeutig faschistisch Sprachreinigendes. Heiliger Bimbam, das ist ja furchtbar. Hellsichtig warnte Jürgen Habermas schon bei der Studentenrevolte von 1968 vor linkem Faschismus.

Da gilt wohl auch:

Die grössten Kritiker der Elche waren früher selber welche.

Das ist von F.W. Bernstein, dem Mitherausgeber der «Unabhängigen Zeitung für eine sauberere Welt». Und kann bei Tamedia ergänzt werden mit: und sind es noch.

Wumms: Gieri Cavelty

Er gibt nicht auf. ZACKBUM auch nicht.

Seit Januar dieses Jahres musste sich ZACKBUM schon gelegentlich mit dem Frühstücks-Direktor des «SonntagsBlick» befassen. Pardon mit dem Chefredaktor.

Gieri Cavelty hat Geschichte studiert und 2004 mit dem Lizentiat abgeschlossen. Leider können solche Titel nicht aberkannt werden. Denn der Hobbyhistoriker vergreift sich mal wieder an einem historischen Begriff:

Schon im Lead verstolpert er sich: «Der Putinismus lässt sich nicht mit Hitlers Nationalsozialismus gleichsetzen. Doch ihre Gemeinsamkeiten zu benennen, führt zur Erkenntnis: Der Faschismus ist keine einmalige Verirrung des 20. Jahrhunderts.»

Zum Mitschreiben: nicht gleichsetzen, aber Gemeinsamkeiten? Fascho oder nicht fascho? Schwanger oder nicht schwanger? Dazwischen gibt es nix. Wer hat jemals behauptet, der Faschismus sei eine einmalige Verirrung gewesen? Abgesehen davon, dass er es nicht wahr.

Dann geht’s weiter im wilden Galopp: «Was ist Faschismus? Natürlich gehört ein fanatischer Nationalismus dazu. Ebenso Gewalt.»  Plus die Selbstinszenierung als Opfer. Ist das Faschismus?

Weiss Cavelty, was Faschismus ist?

Natürlich nicht. Faschismus ist eine nach dem Führerprinzip organisierte, nationalistische, antidemokratische, rechtsradikale Bewegung. Dazu antisemitisch; in der deutschen Ausformung kam noch das Herrenmenschentum hinzu, also die Überzeugung, dass der deutsche Arier biologisch anderen Rassen überlegen sei.

Der italienische Faschismus, dort wurde diese Bewegung geboren, hatte teilweise ganz andere Inhalte und stammte ursprünglich aus linken syndikalistischen Kreisen, wie der italienische Führer Mussolini auch. Der deutsche Führer war hingegen ein gescheiterter Kunstmaler, der nach dem Ersten Weltkrieg seinen Hass darauf artikulierte, dass niemand seine Bedeutung erkennen wollte.

Von einem Historiker könnte man ein wenig Kenntnisse der Historie schon erwarten. Aber eigentlich will Cavelty etwas ganz anderes. Er hat es satt, Putin als Kriegsverbrecher zu bezeichnen. Am liebsten möchte er Arschloch zu ihm sagen, aber das geht dann selbst im SoBli nicht, also behauptet er:

«Putins Vernichtungsfeldzug gegen die Ukraine zeigt sämtliche Elemente einer faschistischen Intervention.»

Nachdem Cavelty im Vorbeilaufen noch der französischen Präsidentschaftskandidatin Le Pen und ihren 42 Prozent Wählern eine reingewürgt hat  («Ihr Erfolg ist ein Alarmzeichen für all jene, die für eine offene Gesellschaft sowie einen demokratischen Rechtsstaat eintreten»), kommt er in die Zielgerade.

«Was also ist der Faschismus? Angesichts der Herausforderungen, vor die uns insbesondere die Klimakrise stellen wird, ist er die grösste politische Bedrohung des 21. Jahrhunderts.»

Wie kann etwas, das Cavelty nicht mal richtig definieren kann, eine Bedrohung sein?  Mit der grossen Nazikeule ist Cavelty immer schnell bei der Hand. «Die Bewegung der Impfgegner zeigt totalitäre Züge», keifte er im September 2021. Denn die missbrauchten den Begriff «Freiheit». Auch damals griff Cavelty zu sehr kühnen Vergleichen: «Der sowjetische Diktator Josef Stalin beschwor in seinen Reden die «Freiheit der Arbeiter und Bauern»»

Abgesehen davon, dass das Stalin nicht tat, wie der Hobbyhistoriker Cavelty wissen sollte: damals zog er einen unstatthaften Vergleich von den angeblich totalitären Zügen der Bewegung der Impfskeptiker zur SVP und zu deren Bundesrat Maurer.

In staatstragendem Ton orgelte er: «Nicht weniger deutlich müssen die Medien darauf hinweisen, dass Politiker wie Ueli Maurer unmittelbar die Verantwortung dafür tragen, wenn das Misstrauen gegenüber unseren Institutionen stärker wird.»

Dumm gelaufen: für diese Philippika unterschob er Maurer zuerst ein Zitat, das der so nicht gesagt hatte. Aber damals sah der Ringier-Sprecher auf Anfrage «keinen Anlass zu einer Richtigstellung».

Caveltys gutes Recht 

Es ist Caveltys gutes Recht, den Überfall auf die Ukraine zu verurteilen. Dafür die Faschismuskeule zu verwenden, das ist ein Hohn für alle Opfer des wirklichen Faschismus. Vielleicht weiss Historiker Cavelty auch nicht, dass vor Putin zuletzt die deutsche Wehrmacht in der Ukraine wie die Barbaren hauste und die widerlichsten Kriegsverbrechen beging. Übrigens unterstützt von Teilen der ukrainischen Bevölkerung, deren Anführer Stepan Bandera im Westen des Landes bis heute mit Denkmälern als Nationalheld verehrt wird. Während er im Osten und in der ehemaligen UdSSR als Kriegsverbrecher und Kollaborateur der Nazis in Abwesenheit zum Tode verurteilt wurde.

Aber solche komplizierten historischen Zusammenhänge, wie soll man die verstehen, wenn man nicht Geschichte studiert hat?

 

 

 

 

 

 

Schnappatmung vor den Wahlen

Wäre es Le Pen geworden – Weltuntergang in den Medien.

Tamedia kriegte sich vor den französichen Präsidentschaftswahlen kaum mehr ein. «Sie will die Allianz des Westens sprengen», «Das zweite Gesicht der Marine Le Pen», «Eine Präsidentin Le Pen wäre für Putin ein Triumph». Das war schwer zu toppen, aber man probierte es: «In Frankreich entscheidet sich das Schicksal Europas». Und schliesslich: «Wie viele Warnschüsse braucht es noch? Was, wenn Marine Le Pen gewinnt

Der «Blick» arbeitete gewohnheitsmässig mit dem grossen Hammer: «Sieg Le Pens wäre lebensbedrohliche Katastrophe», warnte ein «Frankreich-Experte». «Heute fällt Frankreich grundlegenden Richtungsentscheid», wusste das Blatt der tiefen Analyse am Wahltag. Hoffnung gab da nur eine «geheime» Wahlumfrage:

Auch CH Media wollte sich alle Optionen offenhalten: «Das Schreckgespenst war einmal. Warum Le Pen trotz allem gewinnen kann». Aber schliesslich konnte auch die Zentralredaktion aus dem Aargau Entwarnung geben: «Europa atmet auf: Macron gewinnt deutlich gegen die rechtsextreme Le Pen». Immer wieder gut, wenn nur einer der beiden Kandidaten ein Etikett angeklebt kriegt. Also «teflonartiger Macron gewinnt gegen rechtsextreme Le Pen», zum Beispiel.

Auch das Blatt der Tiefenanalyse wollte sich nicht wirklich festlegen: «Frankreichs Politiker schliessen die Reihen gegen Le Pen – doch für Macron könnte es in der Stichwahl eng werden», unkte die NZZ noch am 11. April. Auch sie machte sich Sorgen: «Was ein Sieg Le Pens für Europa bedeuten würde». Ja was denn? «Das deutsch-französische Tandem würde an die Wand gefahren.» Aber auch die NZZ griff zu Alarmismus: ««Was Le Pen plant, kommt einem Staatsstreich gleich», lässt sie Juristen warnen. Aber auch hier findet es sich zum Happyend. Entweder haben CH Media und NZZ die SDA abgeschrieben, oder die alte Tante kam kongenial zum fast identischen Titel: «Grosse Erleichterung in Europa über den Wahlsieg von Macron».

Es konnte ja eigentlich kein vernünftiger Zweifel existieren, dass Macron gewinnen wird. Alleine die zusätzlichen Stimmen, die er vom linksradikalen Kandidaten kriegte, machten seinen Sieg klar. Während Le Pen nur die wenigen Stimmen von Éric Zemmour abstauben konnte. Der war zuvor auch als der noch grössere Gottseibeiuns und möglicher Kandidat für die Stichwahl hochgeschrieben worden.

Dabei schrumpfte er im ersten Wahlgang auf mickrige 7,1 Prozent, während der linksradikale Kandidat Mélenchon, den die meisten «Frankreich-Kenner» gar nicht auf dem Zettel hatten, mit 22 Prozent sogar knapp an Le Pen herankam und beinahe eine Sensation geschafft hätte.

Durch die krachende Fehlanalyse bei den vorletzten US-Präsidentschaftswahlen gewitzigt und vorsichtig geworden, wagte diesmal niemand eine klare Aussage. Selbst der mehr als wahrscheinliche Gewinn Macrons wurde immer in Frageform abgehandelt.

Dafür arbeitete man sich gewaltig an Le Pen ab. Obwohl sie eigentlich keine Chance hatte, konnte man mit ihr halt saftigere Schlagzeilen generieren als mit dem eher langweiligen Teflonpolitiker Macron, der wie beim ersten Mal eigentlich ohne Partei oder Parteiprogramm gewann. In Krisenzeiten hilft immer der Amtsbonus; selbst wenn der Wähler mit dem Präsidenten unzufrieden ist, will er mitten in der Flussüberquerung nicht die Pferde wechseln.

Also wäre Le Pen vielleicht Putins Triumph gewesen, aber Macron verdankt ihm zu einem guten Stück seine Wiederwahl. So verquer geht es in der Politik zu.

Als Absackerchen noch der Blick in die weite, ganz weite Zukunft, geworfen vom Frankreich-Kenner Peter Blunschi (man fragt sich, wo denn «watsons» Löpfe wieder steckt, wenn man ihn braucht): «Es geht für Präsident Macron dabei nicht nur um die Durchsetzung seiner Politik. Sondern auch um die Wahl 2027, wenn er nicht mehr antreten kann. Falls Macron scheitert, droht der Super-Gau: Eine Stichwahl zwischen der radikalen Linken und der extremen Rechten.» Wieso «watson» ein journalistischer Super-Gau ist, das kann man schon vor 2027 sagen. Wieso aber dannzumal eine Wahl zwischen links und rechts ein Super-Gau sein soll?

Blöde Realität

Das wird ganz knapp für Macron. Ausser, es gibt eine Überraschung.

Das nähere Ausland ist leider nicht so eine gegendarstellungsfreie Zone wie, sagen wir Cabo Verde. Nur ganz knapp konnte sich die Berichterstattung über die französischen Präsidentschaftswahlen gegen die Ukraine behaupten. Immerhin unser Nachbar, nach dem Austritt Grossbritanniens die zweitwichtigste Volkswirtschaft in der EU. Force de Frappe, Atommacht.

Also ist es nicht ganz unwichtig, wer dort Präsident ist oder wird. Nun war schon der amtierende Amtsinhaber eine «Überraschung», weil er sozusagen aus dem Nichts kam und eine eigene Bewegung, die man kaum als Partei bezeichnen kann, hinter sich scharte.

Viele «Frankreichkenner» kannten dann Frankreich eben doch nicht so gut und gaben ihm bis fast vor Schluss nur Aussenseiterchancen. Aber immerhin, man hatte aus dem Desaster der US-Präsidentschaftswahlen gelernt. Da hielt die Fassungslosigkeit bis in spätabendliche Nachrichtensendungen an, dass die sichere Siegerin Hillary Clinton weder sicher, noch Siegerin war. Sondern der «hat keine Chance, ausgeschlossen» Newcomer Donald Trump.

Aber auch in Frankreich war man sich vom «Frankreichkenner» Daniel Binswanger abwärts (und vor allem, da ist viel Luft, aufwärts) ganz sicher: das wird eine knappe Sache. Ganz knapp, richtig knapp. Selbst dem rechten Schreckgespenst Éric Zemmour wurden Aussenseiterchancen eingeräumt. Auf verlorenem Posten sah man hingegen den Linken Jean-Luc Mélonchon. Der grosse Gottseibeiuns wurde aber Marine Le Pen.

In den Meinungsumfragen schmolz der Vorsprung Macrons, also echoten alle Frankreichkenner von nah und fern: das wird eine ganz, ganz enge Sache. So blieb’s auch bis zu den ersten behaftbaren Hochrechnungen. 27,6 Prozent für Amtsinhaber Macron, 23,4 Prozent für Le Pen – und 22 Prozent für Mélonchon. Immerhin wurde richtig geraten, dass die sogenannten traditionellen Parteien, also Republikaner und Sozialisten, unter ferner liefen ins Ziel kommen würden.

Nun ist ein Unterschied von 4,2 Prozent nicht alle Welt. Aber weit entfernt von sauknapp. Das Adjektiv trifft eher auf Le Pen und den Linken zu, der den Einzug in den zweiten Wahlgang nur um 1,4 Prozent verpasste.

Und das rechte Schreckgespenst landete ebenfalls abgeschlagen bei 7,1 Prozent. ein vernachlässigbares Resultat, im Vergleich zu den vielen, vielen Artikeln, die Zemmour gewidmet wurden.

Nun ist die Vorhersage von Wahlergebnissen tatsächlich keine exakte Wissenschaft. Es erhebt sich aber die Frage, wozu der Konsument eigentlich Geld ausgeben soll, wenn ihm Erkenntnisse serviert werden, die er auch selbst aus den Umfragen ziehen kann. Womit der Laie dann genauso falsch lag wie der angebliche Kenner und Frankreich-Korrespondent. Unbeschadet, ob der seine Korrespondenz vom sicheren Schreibtisch in der Schweiz aus oder tatsächlich vor Ort ausübt.

Nach einer solchen Fehlananlyse könnte man – vielleicht – etwas aufs Haupt gestreute Asche erwarten. So eine klitzekleine Entschuldigung, dass man die Realität mal wieder zu sehr mit der gefärbten Brille betrachtet hätte. Aber das ist nicht die Kernkompetenz von Journalisten. Schon eine Richtigstellung oder gar Entschuldigung muss man normalerweise mit der juristischen Brechstange erzwingen.

Hier reicht der Allerweltsbegriff «Überraschung». Was hat sich der französische Wähler nur dabei gedacht? Aber wenn’s schon hier nicht knapp wurde, es steht ja noch der zweite Wahlgang bevor. Und da wird’s dann – Überraschung – ganz knapp. Richtig knapp. Ganz sicher.