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Wumms: Gieri Cavelty

Er gibt nicht auf. ZACKBUM auch nicht.

Seit Januar dieses Jahres musste sich ZACKBUM schon gelegentlich mit dem Frühstücks-Direktor des «SonntagsBlick» befassen. Pardon mit dem Chefredaktor.

Gieri Cavelty hat Geschichte studiert und 2004 mit dem Lizentiat abgeschlossen. Leider können solche Titel nicht aberkannt werden. Denn der Hobbyhistoriker vergreift sich mal wieder an einem historischen Begriff:

Schon im Lead verstolpert er sich: «Der Putinismus lässt sich nicht mit Hitlers Nationalsozialismus gleichsetzen. Doch ihre Gemeinsamkeiten zu benennen, führt zur Erkenntnis: Der Faschismus ist keine einmalige Verirrung des 20. Jahrhunderts.»

Zum Mitschreiben: nicht gleichsetzen, aber Gemeinsamkeiten? Fascho oder nicht fascho? Schwanger oder nicht schwanger? Dazwischen gibt es nix. Wer hat jemals behauptet, der Faschismus sei eine einmalige Verirrung gewesen? Abgesehen davon, dass er es nicht wahr.

Dann geht’s weiter im wilden Galopp: «Was ist Faschismus? Natürlich gehört ein fanatischer Nationalismus dazu. Ebenso Gewalt.»  Plus die Selbstinszenierung als Opfer. Ist das Faschismus?

Weiss Cavelty, was Faschismus ist?

Natürlich nicht. Faschismus ist eine nach dem Führerprinzip organisierte, nationalistische, antidemokratische, rechtsradikale Bewegung. Dazu antisemitisch; in der deutschen Ausformung kam noch das Herrenmenschentum hinzu, also die Überzeugung, dass der deutsche Arier biologisch anderen Rassen überlegen sei.

Der italienische Faschismus, dort wurde diese Bewegung geboren, hatte teilweise ganz andere Inhalte und stammte ursprünglich aus linken syndikalistischen Kreisen, wie der italienische Führer Mussolini auch. Der deutsche Führer war hingegen ein gescheiterter Kunstmaler, der nach dem Ersten Weltkrieg seinen Hass darauf artikulierte, dass niemand seine Bedeutung erkennen wollte.

Von einem Historiker könnte man ein wenig Kenntnisse der Historie schon erwarten. Aber eigentlich will Cavelty etwas ganz anderes. Er hat es satt, Putin als Kriegsverbrecher zu bezeichnen. Am liebsten möchte er Arschloch zu ihm sagen, aber das geht dann selbst im SoBli nicht, also behauptet er:

«Putins Vernichtungsfeldzug gegen die Ukraine zeigt sämtliche Elemente einer faschistischen Intervention.»

Nachdem Cavelty im Vorbeilaufen noch der französischen Präsidentschaftskandidatin Le Pen und ihren 42 Prozent Wählern eine reingewürgt hat  («Ihr Erfolg ist ein Alarmzeichen für all jene, die für eine offene Gesellschaft sowie einen demokratischen Rechtsstaat eintreten»), kommt er in die Zielgerade.

«Was also ist der Faschismus? Angesichts der Herausforderungen, vor die uns insbesondere die Klimakrise stellen wird, ist er die grösste politische Bedrohung des 21. Jahrhunderts.»

Wie kann etwas, das Cavelty nicht mal richtig definieren kann, eine Bedrohung sein?  Mit der grossen Nazikeule ist Cavelty immer schnell bei der Hand. «Die Bewegung der Impfgegner zeigt totalitäre Züge», keifte er im September 2021. Denn die missbrauchten den Begriff «Freiheit». Auch damals griff Cavelty zu sehr kühnen Vergleichen: «Der sowjetische Diktator Josef Stalin beschwor in seinen Reden die «Freiheit der Arbeiter und Bauern»»

Abgesehen davon, dass das Stalin nicht tat, wie der Hobbyhistoriker Cavelty wissen sollte: damals zog er einen unstatthaften Vergleich von den angeblich totalitären Zügen der Bewegung der Impfskeptiker zur SVP und zu deren Bundesrat Maurer.

In staatstragendem Ton orgelte er: «Nicht weniger deutlich müssen die Medien darauf hinweisen, dass Politiker wie Ueli Maurer unmittelbar die Verantwortung dafür tragen, wenn das Misstrauen gegenüber unseren Institutionen stärker wird.»

Dumm gelaufen: für diese Philippika unterschob er Maurer zuerst ein Zitat, das der so nicht gesagt hatte. Aber damals sah der Ringier-Sprecher auf Anfrage «keinen Anlass zu einer Richtigstellung».

Caveltys gutes Recht 

Es ist Caveltys gutes Recht, den Überfall auf die Ukraine zu verurteilen. Dafür die Faschismuskeule zu verwenden, das ist ein Hohn für alle Opfer des wirklichen Faschismus. Vielleicht weiss Historiker Cavelty auch nicht, dass vor Putin zuletzt die deutsche Wehrmacht in der Ukraine wie die Barbaren hauste und die widerlichsten Kriegsverbrechen beging. Übrigens unterstützt von Teilen der ukrainischen Bevölkerung, deren Anführer Stepan Bandera im Westen des Landes bis heute mit Denkmälern als Nationalheld verehrt wird. Während er im Osten und in der ehemaligen UdSSR als Kriegsverbrecher und Kollaborateur der Nazis in Abwesenheit zum Tode verurteilt wurde.

Aber solche komplizierten historischen Zusammenhänge, wie soll man die verstehen, wenn man nicht Geschichte studiert hat?

 

 

 

 

 

 

Schnappatmung vor den Wahlen

Wäre es Le Pen geworden – Weltuntergang in den Medien.

Tamedia kriegte sich vor den französichen Präsidentschaftswahlen kaum mehr ein. «Sie will die Allianz des Westens sprengen», «Das zweite Gesicht der Marine Le Pen», «Eine Präsidentin Le Pen wäre für Putin ein Triumph». Das war schwer zu toppen, aber man probierte es: «In Frankreich entscheidet sich das Schicksal Europas». Und schliesslich: «Wie viele Warnschüsse braucht es noch? Was, wenn Marine Le Pen gewinnt

Der «Blick» arbeitete gewohnheitsmässig mit dem grossen Hammer: «Sieg Le Pens wäre lebensbedrohliche Katastrophe», warnte ein «Frankreich-Experte». «Heute fällt Frankreich grundlegenden Richtungsentscheid», wusste das Blatt der tiefen Analyse am Wahltag. Hoffnung gab da nur eine «geheime» Wahlumfrage:

Auch CH Media wollte sich alle Optionen offenhalten: «Das Schreckgespenst war einmal. Warum Le Pen trotz allem gewinnen kann». Aber schliesslich konnte auch die Zentralredaktion aus dem Aargau Entwarnung geben: «Europa atmet auf: Macron gewinnt deutlich gegen die rechtsextreme Le Pen». Immer wieder gut, wenn nur einer der beiden Kandidaten ein Etikett angeklebt kriegt. Also «teflonartiger Macron gewinnt gegen rechtsextreme Le Pen», zum Beispiel.

Auch das Blatt der Tiefenanalyse wollte sich nicht wirklich festlegen: «Frankreichs Politiker schliessen die Reihen gegen Le Pen – doch für Macron könnte es in der Stichwahl eng werden», unkte die NZZ noch am 11. April. Auch sie machte sich Sorgen: «Was ein Sieg Le Pens für Europa bedeuten würde». Ja was denn? «Das deutsch-französische Tandem würde an die Wand gefahren.» Aber auch die NZZ griff zu Alarmismus: ««Was Le Pen plant, kommt einem Staatsstreich gleich», lässt sie Juristen warnen. Aber auch hier findet es sich zum Happyend. Entweder haben CH Media und NZZ die SDA abgeschrieben, oder die alte Tante kam kongenial zum fast identischen Titel: «Grosse Erleichterung in Europa über den Wahlsieg von Macron».

Es konnte ja eigentlich kein vernünftiger Zweifel existieren, dass Macron gewinnen wird. Alleine die zusätzlichen Stimmen, die er vom linksradikalen Kandidaten kriegte, machten seinen Sieg klar. Während Le Pen nur die wenigen Stimmen von Éric Zemmour abstauben konnte. Der war zuvor auch als der noch grössere Gottseibeiuns und möglicher Kandidat für die Stichwahl hochgeschrieben worden.

Dabei schrumpfte er im ersten Wahlgang auf mickrige 7,1 Prozent, während der linksradikale Kandidat Mélenchon, den die meisten «Frankreich-Kenner» gar nicht auf dem Zettel hatten, mit 22 Prozent sogar knapp an Le Pen herankam und beinahe eine Sensation geschafft hätte.

Durch die krachende Fehlanalyse bei den vorletzten US-Präsidentschaftswahlen gewitzigt und vorsichtig geworden, wagte diesmal niemand eine klare Aussage. Selbst der mehr als wahrscheinliche Gewinn Macrons wurde immer in Frageform abgehandelt.

Dafür arbeitete man sich gewaltig an Le Pen ab. Obwohl sie eigentlich keine Chance hatte, konnte man mit ihr halt saftigere Schlagzeilen generieren als mit dem eher langweiligen Teflonpolitiker Macron, der wie beim ersten Mal eigentlich ohne Partei oder Parteiprogramm gewann. In Krisenzeiten hilft immer der Amtsbonus; selbst wenn der Wähler mit dem Präsidenten unzufrieden ist, will er mitten in der Flussüberquerung nicht die Pferde wechseln.

Also wäre Le Pen vielleicht Putins Triumph gewesen, aber Macron verdankt ihm zu einem guten Stück seine Wiederwahl. So verquer geht es in der Politik zu.

Als Absackerchen noch der Blick in die weite, ganz weite Zukunft, geworfen vom Frankreich-Kenner Peter Blunschi (man fragt sich, wo denn «watsons» Löpfe wieder steckt, wenn man ihn braucht): «Es geht für Präsident Macron dabei nicht nur um die Durchsetzung seiner Politik. Sondern auch um die Wahl 2027, wenn er nicht mehr antreten kann. Falls Macron scheitert, droht der Super-Gau: Eine Stichwahl zwischen der radikalen Linken und der extremen Rechten.» Wieso «watson» ein journalistischer Super-Gau ist, das kann man schon vor 2027 sagen. Wieso aber dannzumal eine Wahl zwischen links und rechts ein Super-Gau sein soll?

Blöde Realität

Das wird ganz knapp für Macron. Ausser, es gibt eine Überraschung.

Das nähere Ausland ist leider nicht so eine gegendarstellungsfreie Zone wie, sagen wir Cabo Verde. Nur ganz knapp konnte sich die Berichterstattung über die französischen Präsidentschaftswahlen gegen die Ukraine behaupten. Immerhin unser Nachbar, nach dem Austritt Grossbritanniens die zweitwichtigste Volkswirtschaft in der EU. Force de Frappe, Atommacht.

Also ist es nicht ganz unwichtig, wer dort Präsident ist oder wird. Nun war schon der amtierende Amtsinhaber eine «Überraschung», weil er sozusagen aus dem Nichts kam und eine eigene Bewegung, die man kaum als Partei bezeichnen kann, hinter sich scharte.

Viele «Frankreichkenner» kannten dann Frankreich eben doch nicht so gut und gaben ihm bis fast vor Schluss nur Aussenseiterchancen. Aber immerhin, man hatte aus dem Desaster der US-Präsidentschaftswahlen gelernt. Da hielt die Fassungslosigkeit bis in spätabendliche Nachrichtensendungen an, dass die sichere Siegerin Hillary Clinton weder sicher, noch Siegerin war. Sondern der «hat keine Chance, ausgeschlossen» Newcomer Donald Trump.

Aber auch in Frankreich war man sich vom «Frankreichkenner» Daniel Binswanger abwärts (und vor allem, da ist viel Luft, aufwärts) ganz sicher: das wird eine knappe Sache. Ganz knapp, richtig knapp. Selbst dem rechten Schreckgespenst Éric Zemmour wurden Aussenseiterchancen eingeräumt. Auf verlorenem Posten sah man hingegen den Linken Jean-Luc Mélonchon. Der grosse Gottseibeiuns wurde aber Marine Le Pen.

In den Meinungsumfragen schmolz der Vorsprung Macrons, also echoten alle Frankreichkenner von nah und fern: das wird eine ganz, ganz enge Sache. So blieb’s auch bis zu den ersten behaftbaren Hochrechnungen. 27,6 Prozent für Amtsinhaber Macron, 23,4 Prozent für Le Pen – und 22 Prozent für Mélonchon. Immerhin wurde richtig geraten, dass die sogenannten traditionellen Parteien, also Republikaner und Sozialisten, unter ferner liefen ins Ziel kommen würden.

Nun ist ein Unterschied von 4,2 Prozent nicht alle Welt. Aber weit entfernt von sauknapp. Das Adjektiv trifft eher auf Le Pen und den Linken zu, der den Einzug in den zweiten Wahlgang nur um 1,4 Prozent verpasste.

Und das rechte Schreckgespenst landete ebenfalls abgeschlagen bei 7,1 Prozent. ein vernachlässigbares Resultat, im Vergleich zu den vielen, vielen Artikeln, die Zemmour gewidmet wurden.

Nun ist die Vorhersage von Wahlergebnissen tatsächlich keine exakte Wissenschaft. Es erhebt sich aber die Frage, wozu der Konsument eigentlich Geld ausgeben soll, wenn ihm Erkenntnisse serviert werden, die er auch selbst aus den Umfragen ziehen kann. Womit der Laie dann genauso falsch lag wie der angebliche Kenner und Frankreich-Korrespondent. Unbeschadet, ob der seine Korrespondenz vom sicheren Schreibtisch in der Schweiz aus oder tatsächlich vor Ort ausübt.

Nach einer solchen Fehlananlyse könnte man – vielleicht – etwas aufs Haupt gestreute Asche erwarten. So eine klitzekleine Entschuldigung, dass man die Realität mal wieder zu sehr mit der gefärbten Brille betrachtet hätte. Aber das ist nicht die Kernkompetenz von Journalisten. Schon eine Richtigstellung oder gar Entschuldigung muss man normalerweise mit der juristischen Brechstange erzwingen.

Hier reicht der Allerweltsbegriff «Überraschung». Was hat sich der französische Wähler nur dabei gedacht? Aber wenn’s schon hier nicht knapp wurde, es steht ja noch der zweite Wahlgang bevor. Und da wird’s dann – Überraschung – ganz knapp. Richtig knapp. Ganz sicher.