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Starkes Stück

NZZ trifft Lorraine. Volltreffer.

Man erinnert sich? Berner Alternativ-Beiz, Auftritt der Band «Lauwarm», Weisse mit Rastalocken, anonyme Nörgler im Publikum fühlten sich wegen angeblicher kultureller Aneignung «unwohl», Abbruch des Konzerts nach der Pause.

Danach Riesengebrüll mit internationalem Echo. Dialogfreier Austausch von Schnöseleien. Mitten drin das Kollektiv der Beiz, das mit der Situation heillos überfordert war.

So naheliegend wie schwierig, nach dem Sturm eine Reportage über das Lorraine zu schreiben. Besonders, wenn man Redaktor der NZZ ist. Aber Nadine A. Brügger beweist, was man mit Hartnäckigkeit und Sensibilität erreichen kann.

Rund vier Monate nach dem Skandal beginnt sie, per Mail um ein Gespräch mit den Beizern nachzusuchen. Einen Monat später und nach Aussprachen in kleiner und grosser Runde des Kollektivs bekommt sie am 14. November die Antwort: «Wir machen mit. Wänn chunsch?» Einen Tag später steht sie auf der Matte, beziehungsweise vor der Türe des Lorraine.

Auch in dieser Schlüsselszene zeigt Brügger, wie man szenische und reflektierende Passagen miteinander verbindet:

«15. November, Bern. Abends ist die Lorraine ein dunkles Quartier. Vor der Tür der Brasserie steht eine Frau, den Hund an der Leine, die Zigarette in den letzten Zügen. Aus einem Fenster fällt Licht auf die Strasse. Am Tisch dahinter sitzt eine fröhliche Männerrunde, Jasskarten in den Händen.
Drinnen hängt ein Kronleuchter von der Decke. In den Zeitungsständern ist die Auswahl bunter als an manchem Kiosk. In der Gaststube riecht es nach Essen. Zum Gespräch geht es in einen ruhigeren Raum. Auf dem Tisch dampft ein Zitronen-Ingwer-Tee.
Die Kollektiv-Mitglieder sind etwas nervös. Das legt sich erst, als sie davon erzählen, wie das so ist: im Kollektiv arbeiten.»

Das ist nicht anbiedernd, aber auch nicht im Nachhinein denunzierend. Denn nichts ist leichter, als durch geschickt gesetzte Adjektive oder maliziöse Bemerkungen eine Situation zu karikieren, ohne dass der Karikierte sagen könnte, man habe ihm das Wort im Mund umgedreht.

Leider hinter der Bezahlschranke, aber ein starkes Stück ganz einfacher Journalismus. Hingehen, hinhören, für den Leser die Zusammenhänge herstellen, nicht werten, einfach berichten.

Man erfährt auch, wie’s denn genau war. Die Band trat auf, in der Pause meldeten sich anonyme Schneeflocken beim Kollektiv und äusserten ihr Unwohlsein. Das wurde der Band mitgeteilt, wodurch die Stimmung dann futsch war. Man wollte mit den Unwohlen sprechen, aber die waren nach ihrer Denunziation bereits verschwunden. Welch ein feiger und peinlicher Auftritt. Dann Abbruch. Auch später hatte keiner der Verursacher des Skandals die Eier, sich öffentlich hinzustellen.

Ist eigentlich gar nicht so schwierig. Aber völlig aus der Mode gekommen. Verdrängt von Nabelschau, Rechthaberei, wohlfeilem Umschreiben der Wirklichkeit, wie sie dem Schreiber passt. Oder wie sie sein sollte. Daher ist dieser Artikel eine Oase in der Wüste.

Wumms: Fabian Eberhard

Keiner zu klein, Denunziant zu sein.

Fabian Eberhard ist das Recherchegenie vom Blöd-«Blick», das in seinem Schmierenartikel über das Internetradio «Kontrafunk» nicht einmal in der Lage war, deren Büroräumlichkeiten zu finden. Das Gebäude lag noch knapp in der Reichweite seiner Fähigkeiten, aber offenbar einen Überfall rechter Kräfte befürchtend, hastete er drinnen durch leere Gänge, fotografierte schnell ein leeres Büro – und nichts wie weg.

Das Ergebnis dieser Glanzleistung verkaufte er dann den SoBli-Lesern als echtes Bildmaterial. Dabei waren es bloss lachhafte Fake News. Zu einer Richtigstellung konnten sich weder Eberhard, noch der Blöd-«Blick» aufraffen:

So sehen alternative Wahrheiten à la Eberhard aus.

Nun hält sich aber der Journalist offenbar für eine ganz grosse Nummer im Investigativen:

Das Betätigungsfeld des «Head of Investigations» ist dabei weit gefächert. Es reicht von Katalonien bis zur Türkei, es umfasst «soziale Bewegungen» und «Verschwörungstheoretiker». Das bietet er auf Twitter gerne auf Englisch feil, more international, you know.

Aber auch hier scheint es seine Lieblingsbeschäftigung zu sein, mit zusammenhangslosen Zusammenstellungen zu denunzieren. Diesmal hat die Band «Lauwarm» seinen Ärger erregt. Nachdem die mehrfach von Woke-Wahnsinnigen an Auftritten gehindert wurden, wagten sie es doch tatsächlich, am Fest der «Weltwoche» kurz aufzuspielen. Das geht nun für Eberhard überhaupt nicht, also hat er mal seinerseits im Account des Sängers geschnüffelt und ist dabei auch einige Jahre zurückgegangen.

Sein drakonisches Urteil: «Putin-Propaganda, Corona-Verharmlosung». Wieviel das mit der Realität zu tun hat, kann sich jeder überzeugen, der die Original-Posts anschaut. So gut wie nix.

Selber nix auf die Reihe kriegen, aber bei anderen austeilen, das ist vielleicht eine beschämende Mischung. Aber um so zu schreiben wie Eberhard, da muss man völlig schamfrei sein.

Journalistischer Scheinriese

ZACKBUM gesteht: wir haben die welterschütternde Bedeutung von Dreadlocks unterschätzt.

Im Gegensatz zu vielen Mainstream-Medien ist sich ZACKBUM nicht zu schade, eine Fehleinschätzung einzuräumen und zu korrigieren. Wir meinten: dass in einer Berner Alternativbeiz vor einer Handvoll Zuhörer ein Alternativkonzert einer Alternativband in der Pause abgebrochen wird, habe eine ähnliche Bedeutung, wie wenn in China ein Sack Reis umfällt.

Aber weit gefehlt. Die «Südthüringer Zeitung» meldet: «Konzertabbruch wegen weisser Dreadlock-Träger». Natürlich verschwendet auch SRF Gebührengelder darauf: «Wenn Rastalocken und Reggae für eine Sturm der Entrüstung sorgen». Dazu alle Schweizer Medienkonzerne, also Tamedia, CH Media und Ringier, ebenfalls «Spiegel», Süddeutsche», »Focus» und FAZ, «stern» sowie «Bild».

Auch die Sprachschranke hat die schreckliche Nachricht über «kulturelle Aneignung» übersprungen, sie ist nach Holland und Schweden metastasiert. Wie eine Kommentarschreiberin auf ZACKBUM richtig vermutet, werden demnächst CNN, BBC, Al Jazeera und Sky News berichten. Wenn sich dann auch noch die chinesische «Morning Post», die russische «Pravda» oder das «Wall Street Journal» des Themas annehmen, kann man von einer Weltschlagzeile sprechen.

So viel Echo hatte die Band «Lauwarm» wohl noch nie, die Brasserie Lorraine darf sich über Gaffer und Touristen freuen, die den Schauplatz solch welterschütternder Ereignisse persönlich in Augenschein nehmen wollen.

Schon vor einiger Zeit hatte eine deutsche Künstlerin Auftrittverbot bei einer Veranstaltung von «Fridays for Future». Ihr Verbrechen: sie ist weiss – und trägt Rastas. Das geht nicht, da fühlen sich Sektenschwurbler plötzlich «unwohl», das zeugt von angeblich mangelnder Sensibilität. Das stünde in der Tradition des «Black facing». Das alles ist der brüllende Wahnsinn, aber legt auch Zeugnis davon ab, wie viel Verpeilte, Genderschwurbler, Diskriminierungssensibelchen, Bauchnabelbetrachter sich in den Massenmedien tummeln.

Wäre das nicht der Fall, müsste ihnen doch aufgehen, dass es sich hier keinesfalls um ein Ereignis handelt, das ein grosses Medienecho verdient hätte. Oder aber, jeder Schwarze, der mit heissem Kamm oder Wässerchen seine Naturkrause bändigt und glättet, ist auch der kulturellen Aneignung schuldig und müsste von der Bühne gebuht werden.

Wir sollten endlich aufhören, Kartoffeln zu essen, die gehören bolivianischen Bauern, denen sie von blutrünstigen Kolonisatoren entwendet wurden. Tee, vergiss es, der gehört Chinesen, und ohne Schlitzaugen darf der nicht getrunken werden. Genau wie Spaghetti, die keinesfalls von den Italienern erfunden wurden. Pizza? Etrusker und Griechen. Kaffee? Hört auf, die Äthiopier zu imitieren.

Und wer faule Tomaten aus Protest gegen kulturelle Aneignung auf die Bühne wirft, sollte gefälligst bei den Azteken und Mayas Abbitte leisten, denn die haben die Xictomatl erfunden und kultiviert.

Und haben wir schon von Baumwolle, Seide, Porzellan und vielen anderen Produkten des täglichen Lebens gesprochen?

Man könnte nun sagen: glücklich eine Gesellschaft, die keine grösseren Probleme hat. Aber obwohl das Zentralorgan des Gutmenschentums, Tamedia, dieses weltbewegende Ereignis gestern zur Aufmacherstory auf Seite eins machte: doch, wir haben grössere Probleme. Altersvorsorge, Energie, Welthandel, Ukrainekrieg, Konfrontation USA – China, 10-Millionen-Schweiz, es gibt da ein paar.

Oder müsste einen der dunkle Verdacht beschleichen, dass «panem et circensis», Brot und Spiele, schon seit den Zeiten der alten Römer ein gutes Konzept war, die Bevölkerung von bedeutenderen Bedrückungen abzulenken?

Das ist die eine Erklärung. Die andere: in den Massenmedien fehlt zunehmend jede Qualitätskontrolle, jedes Bemühen, Ereignisse nach Bedeutung einzuordnen. Sobald Triggerwörter wie Kulturimperialismus, Diskriminierung, Rassismus, Sexismus, Gendergerechtigkeit fallen, wird das Hirn ausgeschaltet und niemand traut sich, diesen sektiererischen Bannerträgern von brüllendem Wahnsinn zu widersprechen.

Da wundern sich diese Qualitätsmedien, dass sich das zahlende Publikum zunehmend fragt, warum es Geld dafür ausgeben soll, mit belanglosem, in der Lebenswirklichkeit der grossen Mehrheit völlig unbedeutendem Pipifax beschallt zu werden. Oder will jemand ernsthaft behaupten, dass das Tragen von Dreadlocks mehr als 0,01 Prozent aller Leser interessiert? Oder will jemand behaupten, dass die Frage, ob das auch Weisse tun dürfen, mehr als 0,001 Prozent beschäftigt?