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Wie man ein Gefälligkeitsinterview führt

Auch die NZZ hat so ihre Schwächeanfälle.

Thomas Ribi und Lucien Scherrer interviewen Daniel Ben-Ami. Der ist Finanzspezialist und hat zum Beispiel ein Buch mit der steilen These geschrieben, dass zögerliche Feigheit der Finanzhäuser viel gefährlicher sei als der ihnen vorgeworfene Gier-Kapitalismus («Cowardly Capitalism: The Myth of the Global Financial Casino»). Nun ja, er publizierte diesen Unsinn vor der Fast-Kernschmelze von 2008, die durch Casino-Kapitalismus verursacht worden war.

Hier ist er aber «Antisemitismus-Spezialist», also ein Spezialist für alle Fälle. Wie auch immer könnte man mit einem debattiergestählten Juden sicherlich ein interessantes, erkenntnisförderndes Interview führen. Wenn man wollte. Hier wird allerdings eine Seite Feuilleton der NZZ darauf verschwendet, ein «was wollten Sie schon immer mal unwidersprochen sagen?»-Gespräch abzudrucken.

Ein Beispiel in voller Länge und Hässlichkeit:

«Viele Leute rechtfertigen ihre Ablehnung von Israel damit, die israelische Armee habe überreagiert. Ist das angesichts von Zehntausenden Toten in Gaza nicht nachvollziehbar?
Die Reaktionen im Westen hängen damit zusammen, dass zwei Faktoren zusammenkommen. Zum einen der Islamismus als politische Bewegung. Durch die Migration aus dem Nahen Osten und zum Teil aus Afrika sind Muslime in den Westen gekommen, die antisemitisch sind. Sie prägen das Klima mit, in Deutschland, in England. Diese Menschen haben viel weniger Hemmungen, ihren Antisemitismus offen zu zeigen. Als zweiter Faktor kommt dazu, dass sich der intellektuelle Hintergrund der Debatten geändert hat: durch den Aufstieg der Identitätspolitik, der Critical Race Theory und des Postkolonialismus. Zentral ist dabei die Idee, dass es eine Hierarchie der Unterdrückung gibt. Dass die Weissen per se privilegiert sind – und dass auch die Juden privilegiert sind. Der Krieg in Gaza war der Katalysator, um das alles freizusetzen. Aber es war bereits angelegt und dient jetzt als Argument, um antisemitische Positionen zu begründen.»

Vielleicht zur Erinnerung: die Frage war, ob eine Ablehnung der Politik Israels angesichts von Zehntausenden von Toten im Gazastreifen nicht nachvollziehbar sei. Die Antwort hat null und nichts damit zu tun.

In einem ernsthaften Interview würde man diese Antwort streichen – oder den Interviewten auffordern, bitte sehr auf die Frage zu antworten. Aber doch nicht, wenn die Interviewer sowieso dessen Meinung sind, was immer er auch sagen mag. Leider hat das den gegenteiligen Effekt des Gewünschten. Ein solches deklamatorisches Gespräch, wo der Interviewte, ohne sich kritischen Nachfragen ausgesetzt zu sehen, seine Ideologie ausbreiten kann, ist nutzlos und überflüssig.

Nun kommt erschwerend hinzu, dass es in einem Qualitätsorgan eine Qualitätskontrolle geben sollte. Also zwei Redaktoren (nomen est omen) führen ein Interview, verschriftlichen es, lassen es autorisieren und präsentieren ihren Fang stolz dem Blattmacher, dem Ressortchef, der Chefredaktion. Eigentlich sollte ihnen dann ein dreifaches «gohts no? Wo ist das kritische Hinterfragen geblieben? Setzen, eins, spülen» entgegenschallen.

Natürlich darf Ben-Ami seine Meinung äussern. Allerdings würde das nur spannend, wenn er wenigstens mit auf der Hand liegenden Gegenargumenten konfrontiert würde. Oder wenn man unterbinden würde, dass er auf ihm nicht genehme Fragen einfach nicht antwortet.

Aber auch Interview ist eine Kunst, mindestens ein Kunsthandwerk, das immer weniger Journalisten beherrschen. Dass gleich zwei Koryphäen der NZZ so kläglich daran scheitern, bedauerlich.

Immer wieder Sonntag

ZACKBUM war gespannt: wie sieht die erste SoZ ohne eigene Redaktion aus?

Aber eigentlich war die Antwort vorhersehbar: so unanimiert, wie man das in einer solchen Situation erwarten darf.

Der Velo-Unfall von Zürich, Prügel für die inklusive Schule, eine Meinungsumfrage zu AKW. Schnarch. «Die Sex-Skandale von P. Diddy und Al Fayed», eigentlich etwas für den Boulevard. Max Frisch und die Zimtschnecke, hier mieft Aufgewärmtes vor sich hin.

Und Banalitäten als Titel: «Der Tod des Hizbollah-Führers verändert die Kriegssituation». Dabei hätte der arglose SoZ-Leser gedacht, dass das Kriegsverbrechen überhaupt keine Auswirkung haben wird.

Allerdings: was gedruckt wird, ist von mässiger Relevanz. Relevant ist vielmehr, was nicht gedruckt wird. Ein Satz zum Versuch, eine Sonntagszeitung mit einem Chefredaktor, aber ohne eigene Redaktion zu machen? Nix.

Am gröbsten stört aber das finstere Schweigen zu einem Skandal, der sich in Velodistanz der Nicht-mehr-Redaktion der SoZ abspielt. Das Zurich Film Festival, neuerdings bekannt als Zensur Film Festival (ZFF), knickt vor Drohungen und Druck der Ukraine ein und nimmt einen Dokumentarfilm über russische Soldaten an der Front aus dem Programm. Auch wenn die «Weltwoche» schneller war, mindestens ein Interview mit der Autorin oder den renommierten Produzenten des Dokumentarfilms hätte es schon sein sollen.

Aber stattdessen? Wohlfeile Prügel für die Velo-WM in Zürich, zu deren Lobsängern Tamedia bislang gehörte. Ein Loblied auf Albert Rösti, medizinisches Personal aus Osteuropa will lieber in der Schweiz besser verdienen, ein Interview mit einer Tierschützerin im «Fokus», Fehlbehandlungen von Asylsuchenden, «Männer als Monster», ein verzweifeltes Eigeninserat:

Fall Benko, «den Kantonalbanken droht ein Abschreiber in Millionenhöhe», gähn. «Leben & Kultur» macht mit Kammerdienerbemerkungen des Verlegers Siegfried Unseld über seine Autoren (und was diese Primadonnen voneinander hielten) auf. Schnarch.

Dann drei Hämmer: «Zimtschnecken ganz neu gedacht». Sicher der Start einer Serie, als nächstes Gipfeli, Cremeschnitten und Nussgipfel. Dazu die weltbewegende Frage: «Kann man Kühe klimafreundlich machen?» Indem man ihnen das Furzen abgewöhnt?

Schliesslich die Autoseite für den Otto Normalverbraucher:

Ach, und dann noch eine Zugfahrt für den typischen SoZ-Leser:

Wunderbar für Ulrike Hark, dass sie acht Tage in der Suite President verbringen durfte. Aufrecht der Abbinder: «Diese Reise wurde unterstützt von der spanischen Eisenbahngesellschaft Renfe». Noch ehrlich wäre gewesen: Die Publireportage wurde von Renfe bezahlt. Denn sie wäre wohl etwas ausserhalb des Sparbudgets des Schrumpfqualitätsorgans SoZ gelegen. Sieben Nächte in dem Luxuszug kosten schlappe 14’500 Franken für den Alleinreisenden. Wer es sich als Pärchen gönnt, drückt vergleichsweise günstige 16’800 Franken ab. Natürlich inkl. Verpflegung und Ausflüge, exklusive Anreise.

Man dürfte von der aufgelösten SoZ-Redaktion nicht harsche Worte zur Unfähigkeit der Führungscrew von Tamedia erwarten. Noch viel weniger könnte man von der publizistischen Leiter Simon Bärtschi eine Stellungnahme «In eigener Sache» oder so erwarten. Obwohl es der Abonnent der SoZ vielleicht verdient hätte, darüber aufgeklärt zu werden, dass er zukünftig mit dem Einheitsbrei der Einheitsschrumpfredaktion abgefüttert wird.

Vielleicht wäre es auch angebracht gewesen, dafür eine Preissenkung in Aussicht zu stellen. Aber doch nicht bei Tamedia.

Vielleicht hätte auch der Chefredaktor ohne Chef und Redaktion ein launiges Wort darüber verlieren können, dass man ihm die Räder abmontiert hat, nachdem er die SoZ eigentlich hübsch unter Dampf setzte. Man kann und sollte sich auch die Frustration der verbliebenen SoZ-Ressortleiter und Häuptlinge vorstellen. Nach langer Wegstrecke endlich auf der Karriereleiter eine Stufe nach oben geklettert – und zwack, wird die Leiter weggetreten.

Aber passiver Widerstand, Dienst nach Vorschrift, mangelnde Motivation, Lethargie, das tropft dieser SoZ aus jeder Seite. Richtig Spass macht eigentlich nur noch Reiseredaktor; einer der letzten Jobs, bei dem man aus dem Glashaus kommt und sich den Wind der Wirklichkeit um die Nase wehen lassen kann. Sogar in einem Luxuszug, wobei Poirot ausschliesslich den Orient Express frequentierte. Aber Bücherlesen war noch nie so die starke Seite von Reiseredaktoren.

Was bleibt, ist natürlich die Frage: braucht es die SoZ noch? CH Media hat am Sonntag bereits den Schwanz eingezogen. Die NZZaS kann auch nicht so weitermachen wie in letzter Zeit. Der SoBli? Dümpelt, mit gelegentlichen Glanzleistungen, irrelevant vor sich hin. Vielleicht ist die gloriose Zeit der Sonntagszeitungen einfach vorbei.

Bleibt nur die bange Frage: Was macht dann Rutishauser?

Verregneter Sonntag

Die Sonntagszeitungen rufen: bleibt im Bett!

Ein mögliches Ende der Welt sieht so aus, dass alles gleichförmig zu Staub wird. Zuvor müssen sich aber viele Dinge konvergent entwickeln. Die Sonntagszeitungen machen da grosse Schritte in diese Richtung.

Denn die aktuellen Ausgaben von NZZamSonntag und SonntagsZeitung haben so vieles gemeinsam. Sie sind langweilig, uninspiriert und gleiten einem wie Staub durch die Finger.

Oder will jemand ernsthaft behaupten, das hier löse einen Kaufrausch aus?

Man könnte höchstens anführen, dass die Redaktion ihre Antwort auf die Titelfrage geliefert hat: so wenig wie möglich.

Da will die SonntagsZeitung nicht hintanstehen:

Noch zu gut, möchte man der Redaktion der SonntagsZeitung zurufen. Sonst würde sie nicht wagen, dafür auch noch Geld zu verlangen. Denn nach dem Kauf  fühlt sich der Leser ärmer.

Und mit Sauglattismus bedrängt:

Ist so ein Shutterstock-Foto wirklich gefühlt den halben Platz einer Doppelseite wert?

Dafür arbeitet die NZZamSonntag mit Uralt-Fotos, die wir schon längst vergessen haben – und nicht unbedingt riesengross nochmals sehen wollen:

Ach, das sind Äusserlichkeiten? Auf die inneren Werte komme es an? Ja, aber wo sind sie? Ein wenig englisches Königshaus und der Krebs, ein wenig SVP-Bashing, dann spürt man förmlich, wie dankbar die Redaktion für den Anschlag bei Moskau ist, und schon wandert der erste Bund ins Altpapier.

Auf der Debattenseite dann immerhin ein kleiner Aufreger. Die bereits mehrfach verhaltensauffällig gewordene Silke Mertins aus Berlin drischt im Nachgang auf Rolf Mützenich, den Chef der SPD-Fraktion, ein. Der hatte einen klugen Satz gesagt, beziehungsweise eine vernünftige Frage in den Raum gestellt: «Ist es nicht an der Zeit, dass wir nicht nur darüber reden, wie man einen Krieg führt, sondern auch darüber nachdenken, wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann

Das nimmt Mertins nun sehr übel: «Die Bemühungen der Partei, kein Verein von Putin-Verstehern zu sein, hat er auf einen Schlag pulverisiert.» Als Kronzeugin zitiert sie ausgerechnet die Waffenindustrie-Lobbyistin und Kriegsgurgel Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die am liebsten höchstpersönlich den Dritten Weltkrieg auslösen möchte. Die findet diese Idee eines Kriegsendes «skandalös». Für sie sei Mützenich «ein Sinnbild aller Verfehlungen deutscher Aussenpolitik». Dieses Flintenweib spielt Opposition gegen die eigene Regierung.

Aber Mützenich hatte laut Mertens schon immer ein völlig verpeiltes Weltbild; er gehöre «zu jenen in der SPD, die mit fast religiöser Inbrunst an die Ostpolitik der sozialdemokratischen Ikone Willy Brandt glauben». Sie meint damit wohl die Aussöhnung mit Polen und der Sowjetunion, die der Friedensnobelpreisträger vorantrieb und die BRD damit auf den Weg zur Wiedervereinigung brachte.

Nicht nur, dass Mützenich laut Mertens ein Ober-Putinversteher sei, er wird auch noch von allen falschen Leuten unterstützt: «Der Applaus, den Mützenich nun von der Rechtsaussenpartei AfD, von der Linken, dem Bündnis Sahra Wagenknecht und dann auch noch von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder bekam, sind dabei auch nicht gerade hilfreich.»

Sagen wir so: dass Mertens gegen ihn keift, hilft dabei, seine Position als richtig zu beurteilen.

Und sonst? Es ist nicht sehr übertrieben, wenn man die Fortsetzung der «Verlagsserie» – also eine bezahlte Inseratekampagne von Rolex, die wie redaktioneller Inhalt daherkommt – als ein herausragend interessantes Stück bezeichnet. Bei dem Umfeld …

Ist man auf Seite 60, «Leserbriefe», angekommen, fällt der frühe Abschied nicht schwer.

Nicht viel anders geht’s einem bei der SonntagsZeitung. Ein kurzes Verweilen beim Artikel «Streit um Baba News eskaliert», wo Rico Bandle verdienstvollerweise bei den Hatern der Migranten-Plattform dranbleibt, die absurderweise Workshops gegen «Hate-Speech» anbieten. Dabei aber den Zugang streng reglementieren und islamische Judenfeindlichkeit in ihrem Feldzug für Palästina konsequent ausblenden.

Die NZZ hingegen halten die beiden Macherinnen für «gefährlich», weil sie von ihr kritisiert wurden, auch der sich um Integration verdient gemachte GLP-Grossrat Alain Pichard gerät in ihr Schussfeld, ihm unterstellt Baba News «offensichtliche Muslimfeindlichkeit». Da nie mit ihm geredet wurde, beschuldigt Pichard die Baba-News-Macherinnen, «eine gezielte Rufschädigung» begangen zu haben.

Ds ist wenigstens etwas Eigenständiges. Aber sonst? Was der NZZaS ihre Rolex ist, das scheint der SoZ der Verein Agentur C zu sein, der ein etwas schräges ganzseitiges Inserat geschaltet hat:

Irgendwie erinnert dieses Inserat an diese redaktionelle Horrorseite:

Da ZACKBUM weder religiöse, noch niedrige Gefühle verletzen möchte, verzichten wir zweimal auf einen Kommentar.

Und sonst? Was sonst? Gibt es denn keinen Trost? Doch:

Auch schleimen will gelernt sein: «Prinzessin, Mutter, Ehefrau – ein Mensch». Reza Rafi, Chefredaktor, Schmachtlockenträger, Ehemann – ein Schreiberling». Aber mit Ratgeber:

Gut, wir sind getröstet. Schlimmer geht immer.

 

Somnambule SoZ

Ein Grund für einen Winterschlaf.

ZACKBUM hat vielleicht in letzter Zeit das Schaffen zweier Sonntagsblätter etwas vernachlässigt. Beim «SonntagsBlick» wollen wir diese schöne Tradition auch fortsetzen. Gewisse minimale Anforderungen an Informationsvermittlung, Sprachbeherrschung und Durchdringung eines Themas sind Voraussetzung, um hier gewürdigt zu werden.

Schliesslich greifen wir auch nur in höchster Not zu «watson» oder der «Republik».

Also die SoZ. Sie macht’s einem aber auch nicht leicht:

Wer will hier schon aufblättern, wenn er nicht muss? Wir müssen, das ist unsere Berichterstatterpflicht. Eine Meldung auf der Front erregte allerdings unsere besondere Aufmerksamkeit: «Studierende können nicht mehr richtig Deutsch», klagt hier die SoZ. Wie wahr, denn das gilt in verschärftem Mass auch für Journalisten. Nur schon dieser Titel enthält einen gravierenden Fehler. Journalisten sind sozusagen Fehlende …

Die nächste Doppelseite hat die SoZ einem Thema gewidmet, dass wohl nicht einmal ihr Leserpublikum wirklich interessiert. Die Frage, welche Frauen denn nun die SP ins Rennen um den Bundesratssitz schickt, und was Irène Kälin dazu zu sagen hat. Nein, die Nationalratspräsidentin strebt nicht nach dem Amt einer Bundesrätin, sie will aber ein wenig die Wahlen aufmischen. Oder wie die SoZ formulieren würde, sie ist eine Aufmischende.

Aber immerhin, wir wollen gerecht sein, lasst uns gerecht Seiende sein, der entsprechende Artikel ist dann sogar korrekt betitelt: «Jetzt können sogar Studenten nicht mehr richtig Deutsch». Was uns aber als Fragende zurücklässt, wieso das auf der Front nicht auch möglich war. Wahrscheinlich hat diesen Titel hier einer der wenig zu korrektem Deutsch Fähigen gesetzt, während vorne ein politisch Korrekter am Werk war, sozusagen ein Verschlimmbessernder.

Aber auch hier kommt der Text nicht ohne Schäden davon. So ist von wieder von «Studierenden» und «Dozierenden» die Rede. Offenbar hat sich dieser falsche Gebrauch des Partizips Präsens mittels Gewohnheitsrecht Zugang zur normalen Schreibe verschafft.

Daher nochmal zum Mitschreiben. Auf Deutsch bezeichnet das eigentlich eher selten angewendete Partizip Präsens einen Zustand. Zum Beispiel das weinende Kind oder die liebende Mutter. Aber das Weinende oder die Liebende würde jemanden bezeichnen, der stetig in diesem Zustand verharrt.

Studierend ist jemand, während er studiert. Sollte er aber schlafen, dann ist es ein Schlafender, nicht mehr ein Studierender. Also ist diese Verwendung des substantivierten Partizips unsinnig. Falsch. Unpassend. Eine Quälerei, um dem nervigen «die Studenten und die Studentinnen» auszuweichen. Was ja dann alle non-binären und sich anderweitig sexuell Definierenden (!) ausschliessen würde.

Wohl oder übel, daran vergreift sich die Autorin nicht, zitiert sie eine Schulleiterin (immerhin keine Schulleitende) mit «Schülerinnen und Schüler». Aber, wieso ist es denn so weit gekommen? Da vermutet die Journalistin:

«Als Grund für das Deutschdebakel wird unter anderem die Verbreitung der sozialen Medien vermutet.»

Man kann hier allerdings auch eine gewisse Unsicherheit vermuten, wann es richtig wäre, Grund, wann Ursache zu verwenden …

Aber jetzt kommen wir – endlich – zu einem wichtigen, dramatischen, besorgniserregenden Thema. Ist es der Klimawandel? Nein. Der Ukrainekrieg? Nein. Die aufsteigende Weltmacht China? Nein, näher und schlimmer:

Furchtbar. Der Artikel folgt dem klassischen Aufbau. Ein Beispiel, der aufgelöste «Glarnerverein Basel». Ob die Welt dadurch schlechter wird, ob den Baslern und den Glarnern nun etwas Wichtiges fehlt, wir lassen es dahingestellt. Es bleiben nur noch Erinnerungen wie die, dass auch der «inzwischen verstorbene Alt-Bundesrat mit Glarner Wurzeln, Hans-Peter Tschudi, regelmässiger Teilnehmer des Glarner Kalberwurstessens im Mai war, einem Höhepunkt im Vereinsleben». Nun ist Tschudi vor doch schon 20 Jahren verstorben, also musste dieser Höhepunkt schon länger ohne ihn stattfinden.

Nach dem Beispiel folgt natürlich der Aufschwung ins Allgemeine, so seien auch «Hunderte Samaritervereine eingegangen». Schliesslich kommt noch der Fachmann zu Wort: «Soziologe Adrian Fischer forscht zum Thema freiwilliges Engagement.» Dazu gehören natürlich auch ein trauriges Bild und ein paar Kurven:

Blöd nur: es gibt weiterhin rund 100’000 Vereine in der Schweiz. Rund 40 Prozent aller Schweizer sind in der einen oder anderen Art Vereinsmeier (und -meierinnen, selbstverständlich). Natürlich war Corona dem geselligen Beisammensein nicht gerade förderlich, was wohl logisch ist.

Aber es geht nichts über den alten Dreisprung im Journalismus, wenn man sonst keine Themen hat. Ein Beispiel, dann eine Welle, der Experte ordnet ein, und tschüss.

Apropos, von einer besonderen Erfahrung des Jodlerclubs Walzenhausen berichtet die SoZ auch. Zu afrikanischen Klängen hatte sich ein Jodler das Gesicht schwarz geschminkt und trat im Baströckchen auf. Logisch, bleibt so etwas heutzutage nicht ungefilmt und unbemerkt, also entwickelte sich daraus flugs «Blackfacing – Jodlerverein sorgt für Rassismus-Eklat». So titelte das sonst zurechnungsfähige «20 Minuten», die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Solche zugegebenermassen etwas unsensible und geschmacklose Aktionen setzen natürlich auch kein Zeichen gegen das Vereinssterben.

Ein kurzer, seltener, aber sehr erheiternder Lichtblick ist aber wie fast immer Peter Schneider:

Dann wird’s allerdings wieder düster, wenn die berüchtigten «Investigativjournalisten» von Tamedia ihre mit vielen Konjunktiven, anonymen Quellen und Vermutungen gespickten Märchenstunden abhalten.

Auch hier ist der Aufbau eigentlich immer der gleiche. Zuerst ein kleiner Kracher, dann schwer nachlassen. Der Kracher: ««Hören Sie, es ist sehr gefährlich, darüber zu reden … physisch gefährlich», sagt der Mann. «Vielleicht nicht hier in der Schweiz, aber in anderen Ländern.» Dann legt er auf.»

Nach diesem rasanten Einstieg, bei dem man bewundern muss, wie todesmutig sich Sylvain Besson und Oliver Zihlmann in die gefährlichen, lebensbedrohenden Abgründe russischer Oligarchen und von Putins Umfeld begeben, lässt es aber wie bei einem schlechten Bond-Film dramatisch nach.

Denn nun regiert der Konjunktiv, der Vermutungs-, Behauptungs- und Schmierenjournalismus, mit diesem raunenden Sound, dass alles eigentlich ganz abgründig und schlimm ist. Sei. Sein könnte.

Nun stapeln sich die «In den USA und in Europa laufen inzwischen die Ermittlungen, … leicht sind die Nachforschungen nicht … Recherchen der SonntagsZeitung zeigen nun … 2016 wurde Chudainatow offenbar Kunde bei … deshalb wird im Westen und von russischen Oppositionellen vermutet … so soll die Scheherazade ein Geschenk einflussreicher Oligarchen an Wladimir Putin sein … auch deutsche Ermittler bringen die Yacht mit dem russischen Präsidenten in Verbindung … der Zusammenschluss internationaler investigativer Journalisten OCCRP sieht wiederum … wird in Verbindung gebracht … Boris F. hat einen Bruder in Monaco …»

Selbst die manchmal etwas fahrlässige Dokumentation des «Spiegel» würde bei einer solchen Anhäufung von Geschwurbel, Vermutungen, Behauptungen, Räuberpistolen und Mutmassungen sagen: ein John Le Carré schrieb zwar fiktive Spionagekrimis, aber so einen Schwachsinn hätte der sich nie getraut zu veröffentlichen.

Die ganze Story profitiert von zwei Dingen. Erstens, Oligarch, Luxusjacht, Putin. Sonst noch Fragen? Und zweitens: alles Geraune spielt sich im gegendarstellungsfreien Raum ab.

Und als Absackerchen noch diese merkwürdige Behauptung:

Man frag sich schon, was für Freundinnen Tina Huber hat.

Aber gut, ZACKBUM ist mal wieder dringend auf milde Gaben angewiesen. Oder müssen wir uns die Flaschen wirklich aus dem eigenen Sack bezahlen, die wir nach diesem Martyrium zur Wiederherstellung brauchen?