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Tamedias tiefes Schweigen

Die Tx Group in Österreichs Korruptionssumpf?

Immerhin gibt es noch etwas Konkurrenzkampf im Schweizer Mediensumpf. So böllerte CH Media am 6. April:

Felix Austria, kann man nur sagen. Denn dort löst ein saftiger Skandal den nächsten ab, so geht das schon seit Jahren und Jahrzehnten.

Immer wieder für Schlagzeilen sorgt der gefallene Politstar und Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz. Denn dessen kometenhafter Aufstieg scheint mit einigen Hilfsraketen erfolgt zu sein, deren Verwendung – selbst für österreichische Verhältnisse – nicht ganz legal war.

Wie es sich für die Wiener Kaffeehaus-Klatschkultur gehört, gibt es einen Mitarbeiter, der auspackt. Der langjährige Kabinetts-Chef Thomas Schmid lässt die Justiz seine rund 300’000 Nachrichten auf dem Handy auswerten. Und dabei kommt Kunterbuntes heraus.

Zum Beispiel, dass die Gratis-Zeitung «heute» (und nicht nur sie) den damaligen Bundeskanzler im besten Licht darstellte, als Gegenleistung für grosszügige staatlich bezahlte Inserate. Das betrifft auch die berüchtigte «Kronen Zeitung». Beide Blätter gehören zum Imperium der Dichands, seit Jahrzehnten die gekrönten Zeitungskönige in Österreich. Hans Dichand begründete das Imperium, das seit dessen Tod im Jahr 2010 von seinem Sohn Christoph Dichand und dessen Ehegattin Eva regiert wird.

Das Ganze wird nun sehr österreichisch saftig-kompliziert, daher die Zusammenfassung aus Wikipedia: Dem «Ehepaar Dichand wird (von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, Red.) zur Last gelegt, von Amtsträgern Inserate sowie Änderungen am Privatstiftungsgesetz gefordert zu haben und im Gegenzug dafür wohlwollende Berichterstattung in Heute und der Kronen Zeitung in Aussicht gestellt zu haben.»

Bis hierher wäre das eine innerösterreichische Angelegenheit. Ab hier nicht mehr, wie CH Media schreibt: «Das grösste Schweizer Verlagshaus, die Zürcher TX Group (ehemals Tamedia), ist über eine Beteiligungsgesellschaft mit 25,5 Prozent an der AHHV GmbH beteiligt. Das Digitalgeschäft der «Heute»-Verlagsgruppe, darunter Österreichs reichweitenstärkstes Newsportal «heute.at», ist in der DJ Digitale Medien GmbH gebündelt. Hier ist die TX Group mit 51 Prozent sogar Mehrheitseignerin.»

Natürlich sondert die Tx Group auf Anfrage von CH Media Staatstragendes ab: ««Heute» sowie der Eigentümerschaft sei an einer vollumfänglichen Kooperation mit den Ermittlungsbehörden und einer raschen Aufklärung des Sachverhalts gelegen. Der TX Group liegen «Stand heute keine Hinweise vor, die die erhobenen Anschuldigungen bestätigen». Ihr seien die redaktionelle Unabhängigkeit sowie die Qualität ihrer Medien sehr wichtig.»

Nun wird’s wieder lustig. Lediglich die NZZ nahm diese Meldung auf. Sie rekapituliert den Skandal und schreibt: «Indirekt betroffen ist auch die Schweizer TX Group, die Herausgeberin des «Tages-Anzeigers»». Ausser einer Bestätigung der Besitzverhältnisse, wie sie bereits CH Media darstellte, ist der NZZ aber die Verwicklung von Tamedia keine weitere Zeile wert.

Diesem Schweigen hat sich auch Ringier angeschlossen; der «Blick» übergeht die ganze Affäre, obwohl für den Boulevard wie gemacht, mit einer Stille wie aus der Kapuzinergruft.

Dass Tx, sorry, Tamedia, Pardon, «Tages-Anzeiger» nichts dazu sagt, verwundert weniger. Bis sich Chefredaktorin Birrer in die Thematik eingelesen hätte, wäre die Publizistik doch längere Zeit führerlos. Pardon, führerinnenlos.

 

Zu Kurz gelacht

Der Ex-Bundeskanzler soll die öffentliche Meinung manipuliert haben. Na und?

Die Schweiz schaut mal wieder neidisch nach Österreich. Solche Skandale wie die in Wien kriegt eigentlich in Europa sonst keiner hin.

Ein seitenspringender Bundesrat oder ein anderer, der sich kurz ein T-Shirt einer Trachtentruppe überstreift, mehr ist hier nicht. Selbst der Versuch, via gestohlene Geschäftsunterlagen einem Bundesrat das Verwenden luscher Briefkastenfirmen vorzuhalten, scheiterte schon im Ansatz.

Ganz gelegentlich wird mal ein Beamter dabei erwischt, wie er die Finger nicht von den Rösti lassen kann. Sich schmieren lässt, bei der Auftragszuteilung mischelt. Aber obwohl von Gemeindeebene an aufwärts die Schweiz inzwischen schon ziemlich korrupt ist – für richtig grosse Skandale ist sie einfach zu klein.

Der Bundeskanzler muss zurücktreten? Wäre in der Schweiz sowieso kein Riesending, der versteht sich zwar gerne als achter Bundesrat, ist aber in Wirklichkeit ein besserer Aktuar.

Der Bundespräsident muss zurücktreten? Scheitert wohl schon daran, dass nicht allzu viele wissen, wer das denn gerade ist. Ausserdem gab’s das in der langjährigen Geschichte der Schweizer Bundesregierung noch nie.

Auch er lacht doch immer so sympathisch.

Aber wieso musste denn der Jungstar, der geschniegelte Aufsteiger, das Politwunderkind Sebastian Kurz zurücktreten? Nach dem üblichen, erbitterten Widerstand, Unschuldsbeteuerungen und mit einem Sprung auf ein anderes warmes Plätzchen. Vor allem eins mit Immunität.

Kurz wird vorgeworfen, unter seiner Billigung oder gar mit seinem Wissen sei aus seinem Umfeld mediales Wohlverhalten mit staatlichen Inseratekampagnen belohnt worden. Ein Skandal. Wirklich wahr?

Bei Joker wird’s schnell ein Lachkrampf.

Der Skandal ist wohl nur der, dass man so bescheuert war, sich dabei erwischen zu lassen. Und die Finger nicht von Kurznachrichtendiensten lassen konnte, obwohl man doch endlich wissen sollte, dass das Internet nie etwas vergisst und schriftliche Äusserungen fast immer früher oder später dem Absender ins Gesicht explodieren.

Schön, dass in der Schweiz alles ganz anders ist

Geschmierte Presse in Österreich, das Allerletzte, schäumen die Schweizer Medien. Inserate oder andere geldwerte Vorteile gegen freundliche Berichterstattung, pfui. Wo bleibt da das Wächteramt der Medien, ihr wichtigstes Gut, ihre Unabhängigkeit und ihre Glaubwürdigkeit? Gar nichts mehr leiwand in Felix Austria. Die haben ja auch eine so ausgetrocknete Medienlandschaft wie eine Wüste. Obwohl die Österreicher traditionsgemäss im Caféhaus stundenlang mit Zeitungslektüre verbringen können. Aber halt von ausländischen Printprodukten.

Schön, dass das alles in der Schweiz ganz anders ist. Ja, ja, morgen erzählen wir dann ein anderes Märchen. Heute sagen wir aber die Wahrheit: natürlich ist es in der Schweiz mindestens so schlimm und korrupt wie in Österreich.

Die Zeiten sind zwar vorbei, als das Hausgespenst des Ringier-Verlags in Bern Hof hielt und gestandenen Bundesräten einflüsterte, was die tun sollten oder lassen. Aber natürlich existiert zunächst einmal auch in der Schweiz eine unselige Komplizenschaft zwischen Medien und Politikern.

Wenn man lächeln will, kriegt man das doch hin.

Denn Politiker tun, ausser politisieren und regieren und ganz furchtbar wichtige Sachen machen, eigentlich im Wesentlichen reden. Unablässig, zu allem, früh, spät und auch durch den Tag hindurch.

Ein Politiker ohne Resonanz ist kein Politiker

Nur: findet das keinen Resonanzkörper, keinen Multiplikator, dann ist’s zum Fenster raus gequatscht. Besser sogar, von den Medien in die Pfanne gehauen zu werden, damit kommt man wenigstens ins Gespräch.

Aber am Platz an der Sonne der medialen Aufmerksamkeit drängeln sich sehr, sehr viele. Alleine in Bern haben wir 246 Parlamentarier, 7 Bundesräte und eine Unzahl furchtbar wichtiger Staatssekretäre und leitender Beamten. Aber alle Kanäle, elektronisch oder im Print, digital oder mit Bewegtbild, haben nur eine begrenzte Aufnahmefähigkeit.

Da trifft es sich auch in der Schweiz gut, dass ein verelendender Journalismus auf ein gesteigertes Mitteilungsbedürfnis des Staates trifft. Stichwort Corona, Stichwort Medienförderung und Medienförderung mit Nachschlag.

So direkt läuft’s natürlich nicht.

Natürlich können die grossen Medienhäuser entrüstet und mit angewidertem Gesichtsausdruck weit von sich weisen, dass sie staatlichen Amststellen gegenüber gewogen berichten, die ihnen via Inserate oder direkt oder via Pflege des Umfelds Unterstützung angedeihen lassen.

Niemals liest man ein kritisches Wort über ein neues Auto

Niemals, lachhaft. Genau aus diesem Grund, der totalen Unabhängigkeit von Geldgebern, liest man eher selten bis nie einen kritischen Artikel über ein neues Automodell. Oder eine Breitseite gegen die zwei Grossverteiler. Niemals käme irgend ein Redaktor einer Tipseite auf die Idee, ihm zugehaltene Produkte anders als grossartig zu beschreiben.

Während das früher unterlassen wurde, ist es immerhin inzwischen üblich, dass Reiseberichte ausweisen, mit welcher Unterstützung sie zustande kamen. Das ändert aber auch nichts daran, dass die Destination immer super ist, das Hotel ein Geheimtipp, die Umgebung authentisch, die Märkte sehr empfehlenswert, und dass sich der Journalist gratis den Magen vollschlagen durfte, ändert doch nichts an seinem unparteiischen Urteil, dass das Lokal ausgezeichnete einheimische Küche serviert.

Kämen die Mainstream-Medien auf die Idee, die Unterstützer des Mediengesetzes zu beschimpfen? Sind wir uns nicht alle einig, dass die Unterstützung des Covid-Gesetzes und die Beschimpfung derjenigen, die erfolgreich das Referendum ergriffen, überhaupt nichts mit Gutwettermachen zu tun hat.

Wenige Kontakte genügen heutzutage

Mehr noch, durch die neue Übersichtlichkeit der Medienszene weiss jeder Politiker von Bedeutung (oder einer, der’s werden will), dass er eigentlich nur mit Arthur Rutishauser, Patrik Müller, Christian Dorer und Eric Gujer gutstehen muss.

Oder, das geht nur bei Gujer nicht wirklich, er steigt gleich bei Ringiers, Wanners oder Supino-Coninx ein. Nein, die geben dann keine Direktiven nach unten weiter, so im Stil: schreibt mal was Nettes über Nationalrat Blüblü. So blöd läuft das nicht. Aber ist Nationalrat Blüblü ein Opinion Leader in Sachen Presseförderung, kann man sicher sein, dass seine Interpellationen, Anfragen und Anträge  mit wohlwollender Aufmerksamkeit verfolgt werden.

So wie das Wirken der Beamten, die über grosse Geldtöpfe von Informationskampagnen bestimmen können.

Aber bitte sehr, bitte der Herr, gschamigister Diener, so wie in Österreich geht’s in der Schweiz nimmermehr zu und her.

Hier müssen wir leider abbrechen, der Lachreflex wird übermächtig, so schlimm wie bei «Joker», sorry.

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