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Neuer Kummer-Fall?

Clint Eastwood schiesst scharf: Interview sei «komplett erfunden».

Die Ansichten und Einsichten der Berühmten sind begehrte Handelsware. Mit solchen Interviews ging schon Tom Kummer hausieren. Bis sich herausstellte: hatten nie stattgefunden, waren aber gut erfunden.

Das Absurde am Fall Kummer ist, dass es bis heute Redaktionen gibt, die Stücke von ihm nehmen. Obwohl schwer zu entscheiden ist, ob es sich um Dichtung oder Wahrheit handelt.

Dann gab es den Fall Relotius, der mit seinen erfundenen, aber genau der Gesinnungslage der Redaktion entsprechenden Reportagen den «Spiegel» schwer ins Wanken brachte.

Nun gibt es die österreichische Journalistin Elisabeth Sereda. Sie ist in Hollywood zuhause und gut vernetzt. Daher interviewt sie Personen wie Jude Law, Cate Blanchett oder Pamela Anderson. Die normalweise nicht für ihre Auskunftslaune bekannt sind.

Anlässlich seines 95. Geburtstag erschien im Wiener «Kurier» ein Interview mit dem ansonsten wie in seinen frühen Filmen äusserst schweigsamen Clint Eastwood.

Der zog aber blitzschnell seinen Colt und feuerte zurück:

«Ich will ein paar Dinge richtigstellen: Ich kann bestätigen, dass ich 95 Jahre alt geworden bin. Ich kann auch bestätigen, dass ich weder dem österreichischen ›Kurier‹ noch irgendjemandem sonst in den vergangenen Wochen ein Interview gegeben habe und dass das Interview komplett gefälscht ist.»

Hoppla.

Nun geht alles seinen gewohnten Gang. Der «Kurier» untersucht, die Autorin geht auf Tauchstation und alle Beteiligten hoffen, dass andere Themen wie Trump, Ukraine oder der Gazastreifen wichtiger sind und daher die flüchtige Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit hier bald nachlässt.

Es scheint allerdings ein paar Indizien zu geben, dass das Interview schon letztes Jahr stattgefunden haben könnte und von der Autorin bis zum 95. Wiegenfest Eastwoods zurückgehalten wurde. Und der ehemalige Revolverheld, der in seiner zweiten Karriere grossartige Filme drehte, es schlichtweg vergessen hat.

Allerdings beweisen diese Fälle, und es gibt noch einige mehr, dass die Überprüfung der Authentizität schwer nachgelassen hat.

Insbesondere im Fall Relotius war es für den «Spiegel» äusserst peinlich, dass sein Faktencheckerteam nicht mal offensichtlich falsche geographische oder Distanzangaben überprüfte. Die Macht der Gesinnungsblase. Relotius lieferte genau das ab, was der Meinung der Redaktionsleitung entsprach. Plus Scoops, nach denen sich alle die Finger abschleckten und sich fragten, wie der denn das immer wieder schafft, woran andere gescheitert sind.

Sein angeblicher Besuch bei einer US-Bürgerwehr, die an der Grenze zu Mexico auf die Pirsch nach illegalen Einwanderern geht, war dann der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

Bei Kummer war es so, dass er wahre Dichtungen feilbot, in denen die interviewten Schauspieler und Berühmtheiten bedenkenswerte und überraschende Sachen sagten. Das über längere Zeit hinweg keine Redaktion auf die Idee kam, mal nachzufragen, ob das Interview tatsächlich stattgefunden hatte, kostet dann der Leitung des Magazins der «Süddeutschen Zeitung» den Kopf.

Völlig irr wird es dadurch, dass die «Weltwoche» dem Dichter der Wahrheit immer wieder Gelegenheit bot, seine Grenzgänge dem Leser zu servieren. Wenn etwas als Reportage daherkommt, der Leser aber nicht sicher sein kann, ob bei dem Autor hier nur real Erlebtes und Gesehenes vorkommt, löst sich Journalismus auf.

Im neusten Fall handelt es sich auch um eine seit einigen Jahren tätige Autorin, die bislang noch nie unangenehm aufgefallen wäre. Welche Redaktion würde nicht zugreifen, wenn ihr ein Exklusivinterview mit dem grossen Schweiger zu dessen 95. Geburtstag angeboten wird. Wieso er allerdings, ohne Schwarzenegger zu heissen, ausgerechnet dem Wiener «Kurier» oder der Autorin Sereda ein Interview gegeben haben soll – und sonst niemandem –, das müsste eigentlich zu Nachfragen führen.

Was nicht sonderlich schwierig ist, weil heutzutage jeder Star sehr darauf achtet, wie er öffentlich wahrgenommen wird. Eastwood soll in den Interview gesagt haben, dass er ab einem gewissen Zeitpunkt immer älter als seine Partnerinnen gewesen sei.

Es ist eher merkwürdig, dass er sich in ein solches Licht setzen möchte.

Und eine Anfrage bei seinem Presseagenten hätte eigentlich genügt, um die Authentizität zu überprüfen. Aber es hätte sich um ein Ferngespräch gehandelt …

Inzwischen hat die Autorin eingeräumt, dass es sich angeblich um den Zusammenschrieb verschiedener Interviews mit Eastwood gehandelt habe. Und der «Kurier» hat die Zusammenarbeit mit ihr beendet.