Hilfe, mein Papagei onaniert VI
Hier sammeln wir bescheuerte, nachplappernde und ewig die gleiche Leier wiederholende Duftmarken aus Schweizer Medien. Subjektiv, aber völlig unparteiisch.
Über dem Nebelmeer
Wer springt schon in eine Nebeldecke?
Hundert Tage Bewährungsfrist, das ist im schnelllebigen Internet nichts. Eine Woche «neuer Nebelspalter», Gelegenheit für eine erste Zwischenbilanz.
Allerdings der besonderen Art. Wir sind nach wie vor der Auffassung, ein neues Medium muss seinen Inhalt, schliesslich die beste Eigenwerbung und die USP, einen Monat lang gratis anbieten. Solange zahlen wir nicht.
Aber wir können ja da und dort unters Nebelmeer schauen. Was wir dort sehen, hat einen hohen Wiedererkennungswert.
Neu und überraschend ist anders
Dominik Feusi interviewt Beda Stadler. In der Musik würde man das ein Traditional nennen. Eigentlich ist nur die Einstiegsfrage neu, nachdem Stadler selber eine schwere Erkrankung überstand. «Wie geht es Ihnen?», anschliessend fällt das Bezahlbeil.
Allerdings kann man sich die Fortsetzung genau wie bei Claudia Wirz («China-Strategie: Luft nach oben»), Martin A. Senn («Das Rahmenabkommen zeigt Deutschlands Angst vor der direkten Demokratie») oder Milusz Matuschek («Die Freiheit stirbt zentimeterweise») vorstellen.
Satire oder Humor? Da scheint der Online-Nebelspalter der Auffassung zu sein: unfreiwillig ja, freiwillig niemals:
Nach 5 Stunden gemerkt: Korrektur oder Karikatur?
Aber es gibt ja die frei zugänglichen Videos, immerhin. Gioia redet zum zweiten mal «Klartext». Über das rasend originelle Thema: «Verbieten ist für Anfänger». Überzeugen natürlich für Fortgeschrittene. Allerdings wäre sie viel überzeugender, wenn das Video nicht sehr ruckelig geschnitten wäre und sie nicht ständig aufs Manuskript starrte. So anspruchsvoll sind die Sätze auch nicht, die sie abliest.
«Drei mögliche Antwortmöglichkeiten», da wäre trotz schriftlicher Vorbereitung noch Luft nach oben.
Sichtbar ablesen tut Tamara Wernli, in dem Sinn ein Profi, nicht. Sie griff das rasend aktuelle und neue Thema «Multidiskriminierung von Frauen» auf. Sie wehrt sich am Anfang dagegen, dass ihr Show eine Satire sei. Damit hat sie recht, denn der Ratschlag, dass Frauen ja nicht mehr als zwei Minuten in der Küche verbringen sollten, um keinen Rollenklischees zu entsprechen, kann weder als Satire, noch als lustig bezeichnet werden.
Kaminzimmer-Atmosphäre, aber nichts knistert oder knattert
Schliesslich schafft es Reto Brennwald auch in seinem zweiten Herrengespräch, die knisternde Langweile des Nachtbilds einer deutschen TV-Station zu erschaffen, das ein fröhlich flackerndes Kaminfeuer zeigt.
Beim «Nebelspalter» weder knisternd, noch feurig.
Das gelang ihm schon mit Markus Somm, aber das mit Oswald Grübel zu wiederholen, ist schon ein Kunststück. Nachdem Grübel auf die «übliche Einleitungsfrage» von Brennwald, wie es ihm gehe auf einer Skala von eins bis zehn, mit einem fröhlichen «zehn» geantwortet hatte, setzte Brennwald gnadenlos nach: «Warum?»
Das brachte dann selbst einen harten Knochen wie Grübel etwas aus der Fassung. Anschliessend wollte Brennwald Ossi G. offenbar von hinten aufrollen und begann mit dessen Jugenderfahrung im Nachkriegsdeutschland, genauer in der DDR.
Das interessierte nun Grübel nicht wirklich, also leierte er die üblichen Erzählungen herunter, und Brennwald musste sich von einem weiteren Zuschauer verabschieden.
Neu, überraschend, kontradiktorisch, breites Spektrum, viel Recherche, wenig Meinung? Kann alles noch kommen. Aber nach einer Woche sieht es mehr danach aus, dass man sich nicht in einer Bubble, sondern in einer Meinungswolke gemütlich einrichten wolle, wo Selbstbestätigung, Echokammer und «haben wir schon immer gesagt, deshalb sagen wir’s nochmal» herrschen.
Guerilla-Werbung?
«Unsere Protagonisten haben am Erscheinungstag auf jeden Fall für Aufsehen gesorgt», behauptet der neue «Nebelspalter» auf «Facebook». Gefährliche Aussage. Fast 22’000 Abonnenten hat diese Seite, ganze 5 Likes hat diese Super-Werbeaktion generiert. Da schafft es sogar Gioia auf 6. Die «China-Strategie» hat klar Luft nach oben: 1 Like. Alles übrigens völlig kommentarlos.
Bedauerlich, denn immerhin stehen 12 Redaktoren, 16 ständige Mitarbeiter und 5 Mitglieder des Overhead auf der Payroll. Damit wären wir bei 33 Nasen; fehlen noch 17 bis zur «Republik». Inhaltlich gespiegelt sieht’s schon ziemlich ähnlich aus.
Der einzige kleine Lichtblick ist der fleissige Stefan Millius, aber da sind wir mehr Partei als Michèle Binswanger gegenüber Jonas Projer. Millius schreibt ab und an bei ZACKBUM.ch, ich schreibe auf «Die Ostschweiz». Aber immerhin wäre damit Transparenz geschaffen.
Vom Nebelmeer ins Seichte.
«watson» kann’s einfach
Immer, wenn man denkt, der Bodensatz sei erreicht, gräbt «watson» tiefer. «Sex oder Heuschnupfen», fragt das Online Magazin für binäre Denker. Und konfrontiert den nicht vorgewarnten Leser mit Fotos, die an Widerlichkeit kaum zu überbieten sind. Um bei jedem zu fragen: Ist das ein Gesichtsausdruck, der beim Niesen oder beim Sex entsteht? Schön, das niemand meinen beim Betrachten sieht.
Aber immerhin, «watson» hat es mit einem Beitrag geschafft, die Intelligenz seiner Leser zu beleidigen. Nämlich mit Lobhudeleien über «unsere Kultur-und-Glamour- Simone», über «unsere hochgeschätzte Simone Meier». Obwohl für den irgendwas-am-meisten-Kommentar ein Buch als Geschenk ausgelobt wird (oder gerade deswegen), gibt es bei den obersten drei nur Gemecker: «und wieder eine nicht gekennzeichnete Publireportage». – «Müssen wir uns Sorgen machen?» – «Die Eigenwerbung wird auch immer aufdringlicher auf Watson.»
Hätte ich auch nicht besser formulieren können.
Vom Seichten ins Hochkulturelle.
Präventiv gegen Anonymität
CH Media hat einen ganz eigenartigen Fall von anonymer Beschimpfung am Köcheln. In drei Akten.
- Akt: Im Zusammenhang mit dem schnellen Abgang des vormaligen Opernhausdirektors im Januar sei eine «Untersuchung wegen sexueller Gewalt gestanden».
- Das sei aussergerichtlich und mit Schweigegelöbnis erledigt worden.
- Nun soll es ein Schreiben des aktuellen Intendanten des Opernhauses geben, in dem die Mitarbeiter davor gewarnt werden, dass ein anonymer Opernhausangestellter anonymisiert der Sendung «Kulturplatz» ein Interview gegeben habe. Das werde nach Ostern ausgestrahlt und enthalte weitere Vorwürfe über ein Klima der Angst, der Einschüchterung und dass Opernhaus-Angestellte nicht genügend vor Machtmissbrauch geschützt würden.
Nun führt hier die Leitung des Opernhauses sozusagen einen Präventivschlag, immer laut CH Media, und will in einer absolut anonymen Meinungsumfrage testen, wie denn das Betriebsklima wirklich sei. Keine schlechte Idee. Handelt es sich bei dem anonymen Denunzianten wieder einmal um einen Windmacher, könnte ihm so der Wind aus den Segeln genommen werden.