Schlagwortarchiv für: Kriegsverbrechen

Tote zählen im Gazastreifen

Ist es möglich, deren Anzahl überhaupt zu erheben?

Bislang war die einzige Quelle die Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums im Gazastreifen. Israel denunziert sie als «Terrorpropaganda», und tatsächlich sind solche Zahlen bezweifelbar.

Zudem ist es äusserst schwierig, im weitgehend zerstörten Gazastreifen, in dem es zudem No-Go-Zonen gibt und der Zugang ausländischen Journalisten versperrt ist, entsprechende Erhebungen zu machen.

Nun hat eine Gruppe von Wissenschaftler versucht, unabhängig Daten zu erheben und ihre Ergebnisse auf «medRxiv, the Reprint server for Health Sciences» veröffentlicht. Die Studienergebnisse wurden von «Nature» übernommen. Die seit 1869 erscheinende Zeitschrift ist bekannt für ihre hohe wissenschaftliche Integrität.

Diese vorsichtige Einleitung ist nötig, weil die Ergebnisse der Studie schockierend sind und selbstverständlich sofort geframt und bezweifelt werden.

Sie kommt zum Ergebnis, dass die tatsächliche Zahl der Toten, zudem nur erhoben zwischen Oktober 2023 bis Anfang Januar 2025, bedeutend höher liegt als die Zahlen der Hamas. Laut der Erhebung starben in diesem Zeitraum beinahe 84’000 Menschen im Gazastreifen.

Mehr als die Hälfte der Getöteten seien Frauen im Alter von 18 bis 64, Kinder oder Menschen über 64.

Wer hinter der wissenschaftlichen Untersuchung steht, kann jeder selbst nachlesen und sich sein Urteil bilden.

Auf jeden Fall sind diese Zahlen um 60 Prozent höher als die vom Gesundheitsministerium angegebenen, während Israel keinerlei Zahlen veröffentlicht.

Selbst Zynikern verschlägt es langsam die Sprache, und nur noch ganz Verpeilte werfen Kritikern der Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen und Verstössen gegen Völker- und Kriegsrecht der israelischen Regierung vor, sie würden haltlosen Unsinn verzapfen.

So wie ein feige sich hinter Pseudonym versteckender Amok auf «Inside Paradeplatz», als Reaktion auf einen Artikel des ZACKBUM-Redaktors René Zeyer:

«Antisemiten können aber nicht anders, als immer wieder auf ihre rassistische, judenfeindliche Gesinnung zurückzufallen. Zeyer – ein williger Unterstützer von Hamas, Hisbollah, Iran, Nordkorea, Russland & China!»

Immerhin hatte Tamedia den Mut, einen entsprechenden Artikel der «Süddeutschen Zeitung» zu übernehmen. Wohlweisslich ohne Kommentarfunktion.

Quelle: «Tages-Anzeiger».

Sollten diese Zahlen stimmen, widerlegen sie die Behauptung der israelischen Armee, sie bemühe sich möglichst um eine Schonung der Zivilbevölkerung.

Obwohl die Studie bereits vor einer Woche erschienen ist, hat in den deutschsprachigen Medien bislang einzig die SZ (kopiert von Tamedia) diese Ergebnisse aufgenommen.

Medienkritisch geht es hier nicht um eine Diskussion der wissenschaftlichen Grundlage und der Plausibilität dieser Zahlen.

Sondern es geht darum, dass eine Debatte über den Gazakrieg im Sinne eines Meinungsaustauschs, basierend auf möglichen Erkenntnissen, kaum oder nicht möglich ist.

Verteidiger der israelischen Regierungspolitik verweisen auf die Greueltaten der Hamas, auf deren Massaker am 7. Oktober 2023. Da sie diktatorisch die Regierungsgewalt im Gazastreifen ausübt, sei die gesamte Bevölkerung mitschuldig daran – und letztlich selber schuld, wenn sie nun auch massakriert wird. Ein Zahlenvergleich sei obszön und nicht statthaft.

Noch erschreckender als diese Zahlen ist die meist fakten- und erkenntnisfreie öffentliche Debatte. Hilft alles andere nicht, schlägt die Antisemitismuskeule zu und wird an den Holocaust erinnert. Der deutsche Bundeskanzler Merz darf ungeniert davon sprechen, dass Israel hier die «Drecksarbeit» verrichte. In welchen Sprachduktus er sich damit begibt, fällt offenbar weder ihm noch breiten Teilen der Medien auf.

Wer auf der Einhaltung internationaler Regeln besteht, wird mit dem Argument niedergemacht, dass die gegen fundamentalistische Wahnsinnige und die Ayatollen im Iran nicht gelten würden. Wer Opfer eines Terrorangriffs und von den Mullahs in Teheran mit der Vernichtung bedroht wird, darf sich darum foutieren.

Dass sich damit die israelische Regierung und ihre Armee genauso zum Paria machen wie die von religiösen Wahnsinnigen regierten Staaten um das Land herum, genauso wie die Terrororganisationen Hamas und Hetzbollah, wird ignoriert.

Eine zivilisierte Gesellschaft kann sich nicht barbarisch gegen Barbaren wehren. Auch putative Notwehr hat ihre Grenzen. Sonst gilt einfach die Macht des Stärkeren, die alles Recht bricht.

Die Grundlagen zivilisierten Zusammenseins sind spätestens seit Kant bekannt. Wer sich aus Unkenntnis oder wissentlich selbst darüber hinwegsetzt, unterscheidet sich nicht mehr vom Barbaren und verliert jegliche Legitimation für sein Handeln.

 

Wenn der Richtige das Falsche schreibt

Chefredaktor Patrik Müller ist ein cleveres Kerlchen. Darf auch er sich mal verhauen?

Die Publizistik von CH Media flutscht skandalfrei über die Runden. Keine Untaten, keine erregten Mitarbeiterinnen, die haltlose anonyme Anschuldigungen in die Welt setzen. Kein ständiges Stühlerücken, kein Erfinden absurder Titel wie bei Ringier. Keine Schwachsinns-Kommentare, die bei Tamedia die Spalten füllen und die Leser quälen. Nicht zuletzt Müllers Verdienst.

Aber jetzt hat er in der auflagestärksten Wochenendzeitung einen rausgehauen, was an ein Zitat vom Philosophen Theodor W. Adorno erinnert: «Es gibt kein richtiges Leben im falschen.» Oder an Bertolt Brecht: «Was sind das für Zeiten, wo ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist. Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschliesst!»

Müller schreibt: «Die beiden in Europa weitherum verhassten Präsidenten Trump und Netanyahu haben ein wichtiges Ziel erreicht: die Schädigung des iranischen Atomprogramms. Trump und Netanyahu haben das Richtige getan.»

Schlimmer noch: «Es sind Lichtblicke in einer Region, deren Probleme fast unlösbar scheinen.»

Da sind dem Mann aber sein rechtsstaatliches Koordinatensystem und sein moralischer Kompass abhanden gekommen. Amok-Präsident Donald Trump fordert die Entlassung von Journalisten, weil CNN und «New York Times», gestützt auf Geheimdienstanalysen, es gewagt haben, das Ergebnis seiner «wohl erfolgreichsten Militäroperation aller Zeiten» in Frage zu stellen.

Der nur durch sein Amt vor dem Knast geschützte israelische Ministerpräsident ist verantwortlich für Kriegsverbrechen ohne Zahl. Israelische Soldaten schiessen gezielt auf hungernde Palästinenser vor Nahrungsausgabestationen, wie die renommierte Tageszeitung «Ha’aratz», gestützt auf Militärquellen, enthüllt.

Die fast völlige Zerstörung der Infrastruktur im Gazastreifen mit Tausenden von zivilen Toten und die Vertreibung der Bevölkerung, Bombardements im Libanon, Syrien und nun auch im Iran. Ausgelöst durch ein Massaker der fundamentalistischen Wahnsinnigen von der Hamas, begründet durch die irre Rhetorik der Ayatollen in Teheran, die von der Vernichtung Israels faseln.

Gezielte Tötungen, Massenmord an der Zivilbevölkerung, Ausbau illegaler Siedlungen im besetzten Westjordanland, Bombardierungen ohne Kriegserklärung, das alles sind Verbrechen. Kriegsverbrechen. Dass sich Staaten wie der Iran oder der westliche Verbündete Saudi-Arabien ausserhalb der zivilisierten Gemeinschaft befinden, dass Terrorgruppen wie die Hamas oder die Hetzbollah Verbrecherbanden sind, ist unbestritten.

Sie sind Parias – wie die israelische Regierung. Dass Trump ziemlich erfolgreich darin ist, das System der Checks and Balances in den USA auszuhebeln und dabei am helllichten Tag ungenierte Selbstbereicherung für sich und seinen Clan betreibt (alleine durch Insiderwissen bevorstehender Ankündigungen mit Auswirkungen auf die Finanzmärkte), ist ebenfalls eine Tatsache.

Sind das, was beide im Iran tun, wirklich «Lichtblicke»?

Lichtblick bedeutet, dass im dunklen Tunnel der Ausgang erkennbar wird. Es ist unbekannt, welche Auswirkungen dieses völkerrechtswidrige Bombardement auf die Fähigkeit Irans hat, eine Atombombe zu bauen. Es ist sonnenklar, dass es das Regime dazu motiviert, sich so schnell wie möglich eine oder mehrere zu verschaffen. Denn nur das schützt es – wie den Pariastaat Nordkorea – vor einer möglichen Invasion.

Pardon, vor einer «Befreiung» von aussen. Das hat bereits im Fall Iraks prima geklappt. Der Diktator Saddam Hussein (der niemals Massenvernichtungswaffen besass) ist weg, das Land ist im Chaos, wie Libyen.

Es sind die Falschen, die etwas tun. Darin kann man mit Müller übereinstimmen. Aber tun sie das «Richtige»? Das Richtige sollte ein erkennbares Ziel haben.

Da hat Müller erbärmlich wenig zu bieten:

«Die Hoffnung lebt weiter – auch für Frieden in Gaza. Gestärkt und mit verbesserten Umfragewerten könnte Netanyahu den Krieg beenden und den Austritt der Rechtsextremen aus seiner Regierung riskieren.»

Frieden in Gaza als Friedhofsruhe? Richtige Schritte zu einem friedlichen Zusammenleben mit Jordanien, Libanon, Syrien, Ägypten, selbst dem Iran? Mit den überlebenden Palästinensern? In welcher Parallelwelt lebt, denkt und schreibt Müller?

«Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage», so enden Märchen. Hat Müller in seiner Jugend die Erzählungen aus 1001-Nacht zu intensiv studiert? Oder wollte er sich in Dialektik versuchen, was nur was für Könner und nichts für Meiner ist? Hofft er, dass auch böse Buben Gutes tun können?

Beim Betrachten von Bäumen der irrigen Hoffnung schweigt er über so viele Verbrechen, die von diesen beiden «Falschen» verübt werden.Und lobt eines von ihnen.

Da hilft nur noch Friedrich Schiller: «Das eben ist der Fluch der bösen Tat, dass sie, fortzeugend, immer Böses muss gebären.»

Aber Bildung ist längst nicht mehr eine Kernkompetenz der modernen Journaille im Elendsjournalismus.

 

Ist Israel alles erlaubt?

Protest bleibt aus, nicht mal die richtige Bezeichnung wird verwendet.

Angesichts des völkerrechtswidrigen Angriffs der israelischen Regierung auf den Iran wurde in der Hauptausgabe der deutschen «Tagesschau» von einer «Eskalation» gesprochen.

Auch die übrigen Massenmedien beschränken sich auf eine bewundernde Darstellung der Präzision des Angriffs, der technologischen und militärischen Überlegenheit Israels.

Die europäischen Regierungen und ihr grosser Bruder in Übersee vermeiden jede Kritik am Vorgehen und drücken höchstens ihre «Besorgnis» über Irans Atomwaffenprogramm aus.

Dabei ist in Erinnerung zu rufen, dass es klar definierte Kriterien für den Begriff Kriegsverbrechen gibt:

  • Tötung, Geiselnahme, Folter und Vergewaltigung von Zivilbevölkerung und Kriegsgefangenen
  • Angriffe auf die Zivilbevölkerung, auf Krankenhäuser, Kirchen, Schulen, Universitäten und Denkmäler
  • Plünderungen und Zerstörung von Eigentum
  • Angriffe auf humanitäre Hilfsmissionen, friedenserhaltende Missionen und auf Missionen des Roten Kreuzes

Alleine die gezielte Tötung von iranischen Professoren und Wissenschaftlern wäre selbst bei vorangehender Kriegserklärung, die Israel unterliess, ein Verbrechen, das geahndet werden müsste.

Dass hochrangige Generäle Opfer wurden, dafür könnte man cum grano salis noch Verständnis aufbringen. Man stelle sich aber das Aufheulen der Massenmedien vor, wenn es irgend einer Terrororganisation oder einem Staat gelungen wäre, die israelische Militärführung zu enthaupten.

Während die Tötung und Geiselnahme von Zivilbevölkerung durch die Hamas zu recht international verurteilt wurde, fällt die Beurteilung gleicher Verbrechen durch die israelische Armee im Gazastreifen deutlich milder aus.

Gleich verhält es sich auch mit den Angriffen auf humanitäre Hilfsmissionen oder beim Bombenterror im Libanon oder Syrien.

Bei Kriegshandlungen geht es immer in erster Linie um militärische Erfolge. Aber in einer modernen Gesellschaft ist die Propagandaschlacht um die Oberhoheit über Begrifflichkeit genauso wichtig. Auch in neutralen Staaten wie der Schweiz verhalten sich die Massenmedien wie weiland im Ersten und Zweiten Weltkrieg die nationale Kampfpresse.

Was die einen tun, ist verständlich, notwendig als Selbstverteidigung, provoziert von den anderen. Dubiose Führer wie Selenskyi oder Netanyahu handeln letztlich aus ehrenwerten Motiven. Ihre Gegner wie Putin oder der Ayatollah in Teheran sind abgrundtief böse und verächtlich.

Wenn jemand Kriegsverbrechen begeht, dann sind es die anderen. Die Eigenen, nun ja, die mögen vielleicht manchmal zu übertriebener Härte neigen, aber im Existenzkampf ist das erlaubt.

Man kann  diese Ansicht durchaus vertreten. Nur begibt man sich damit jeglicher Glaubwürdigkeit, verspielt das Vertrauen der Konsumenten dieser Newsplattformen. Also des Teils, der sich nicht in seiner gleichlautenden, vorgefassten Meinung bestärkt sehen möchte.

Der Teil, der gerne Erkenntnisgewinn, möglichst realitätsnahe Berichterstattung möchte, weder gegenüber der Hamas, dem Iran oder Israel besondere Sympathien hat, verabschiedet sich.

Der Unterschied zu gelenkten Staatsmedien in so vielen Staaten der Welt sollte doch sein, dass die angeblich freie Presse des Westens behauptet, in unerschrockener Unabhängigkeit zu «sagen, was ist», wie das der «Spiegel» bei seinem letzten grossen Relotius-Skandal einfältig kundtat.

Es mag eine intellektuelle Turnübung sein, ein Kriegsverbrechen als bedauerlichen, aber notwendigen Kollateralschaden schönzuschwatzen. Dem Opfer die Schuld zuzuschieben, hätte halt nicht Atomwissenschaftler werden sollen. Übergeordnete Gründe anzuführen, die das angeblich legitimieren. Aber in Wirklichkeit ist das nur Dummschwätzen.

Wer ein Kriegsverbrechen nicht als Kriegsverbrechen bezeichnet, wenn es von einer Macht verübt wird, der man sympathisierend gegenübersteht, verwischt diesen Unterschied zur Unkenntlichkeit. Wer die Ermordung von Wissenschaftlern neutral vermeldet oder gar als gelungenen Präzisionsschlag bejubelt, könnte genauso gut in Nordkorea oder Kuba als Journalist arbeiten. Er hätte keinerlei Adaptionsprobleme.

Ausser vielleicht sprachliche.

Neuer Lichtblick beim Tagi

Auslandchef Christof Münger verurteilt die Kriegsverbrechen der israelischen Regierung.

Seine Aufgabe ist es normalerweise, Gelaber der Redaktion der «Süddeutschen Zeitung» per copy/paste seinen Lesern zahlungspflichtig zu servieren. Mit schlechteren Titeln und Leads versehen.

Oder tatenlos zuzusehen, wie sein Redaktor Enver Robelli mit kosovarischem Hintergrund Gift über alles spritzt, was mit dem Wort Serbien verbunden ist. Oder den Besuch der kosovarischen Präsidentin in der Schweiz mit Lob überschüttet.

Dass sie Chefin eines selbst von einigen EU-Mitgliedern nicht anerkannten Mafiastaats ist, der nur auf Betreiben der damaligen Schweizer Aussenministerin zur Welt kam, obwohl das ein eklatanter Verstoss gegen die Serbien zugesicherte territoriale Integrität war (aber Serbien ist halt nicht die Ukraine), was soll’s.

Nun aber ermannt sich Münger, die Kriegsverbrechen der israelischen Regierung zu kritisieren. Die ist – animiert vom US-Präsidenten Donald Trump, der Gaza gerne in eine neue Riviera verwandeln und möglichst viele Trump Towers bauen möchte – finster entschlossen, die Palästinenser von dort zu vertreiben – ins Nirgendwo, wie Trump. Auf zunehmenden internationalen Druck hin wurde eine obskure Organisation damit beauftragt, die wenigen Hilfslieferungen an die hungernde Bevölkerung zu managen. Deren Präsident ist sofort zurückgetreten, die Verteilung endete in einem Chaos mit Toten. Die Ausgabestellen liegen grösstenteils im Südwesten des Gazastreifens, nach der Devise: wenn ihr die Bombardements überlebt und etwas zu fressen wollt, dann macht euch doch dorthin auf den Weg. Eine «Schimäre» humanitären Handelns, wie Christof Münger konstatiert.

Das unterscheidet seinen Kommentar auch wohltuend vom haltlosen Leitartikel seiner Chefin.

Dagegen hält Münger in seiner «Meinung»:

«Das Vorgehen des israelischen Premiers im Gazastreifen lässt sich nicht mehr rechtfertigen. Den Preis dafür zahlen die Palästinenser – langfristig aber auch Netanyahus eigene Landsleute.»

Wobei diese Landsleute nach Meinungsumfragen mit dieser Vernichtungspolitik einverstanden sind. Und der isrealische Ministerpräsident im Windschatten dieses Verbrechens neue illegale Siedlungen im Westjordanland beschlossen hat.

Dass die Hamas eine Bande von fundamentalen Wahnsinnigen ist, die mit ihrem Massaker in Israel und den Geiselnahmen dafür den Vorwand geliefert hat, ist unbestritten. Wie es passieren konnte, dass der sonst so effektive israelische Geheimdienst und die Armee die mehr als ein Jahr andauernden Vorbereitungshandlungen übersehen haben könnten; Anlass für mehr als Verschwörungstheorien.

Aber immerhin, man muss auch loben können:

«Die israelischen Streitkräfte agieren dabei derart brutal, dass sie sich dem Vorwurf aussetzen, Kriegsverbrechen zu begehen. Für Israel ist das ein moralisches Desaster. … Dabei wäre es allein ein Gebot der Menschlichkeit, dass sich Israel zurückhält, da die Lage im Gazastreifen verheerend und das Leid evident ist.»

Münger weist auf eine Selbstverständlichkeit hin: Israel ist eine Demokratie und orientiert sich an Werten, die in der Erklärung der Menschenrechte verankert sind. «Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit», heisst es in Artikel 3 der UNO-Proklamation von 1948. Das gilt auch für Palästinenserinnen und Palästinenser

Und er benennt das einzige Motiv von Netanyahu: «Weshalb geht Israel so brutal vor? Die naheliegende Erklärung ist, dass sich Netanyahu nicht um die Sicherheit seines Landes, sondern um sein politisches Überleben kümmert. Der Regierungschef steht wegen mehrerer Korruptionsvorwürfe vor Gericht. Sein Amt ermöglicht es ihm, den Prozess in die Länge zu ziehen und einer möglichen Gefängnisstrafe zu entgehen.»

Er fordert den Schweizer Bundesrat auf, dem Beispiel von engen Verbündeten Israels wie Frankreich, England und anderen, zu folgen, und er schlussfolgert richtig: «Abbringen von seinem Krieg im Gazastreifen können ihn aber nur jene Bürgerinnen und Bürger Israels, die nicht mit dem Makel leben möchten, den ihnen ihr Premier auferlegt.»

Das ist mutig, denn der Gegenwind aller Israel-Verteidiger, die nicht zwischen Juden, Israel und seiner Regierung unterscheiden, sondern alle berechtigte Kritik an deren menschrechtswidrigem und verbrecherischem Handeln mit «Antisemitismus» niedermachen wollen, ist ihm gewiss.

Viel mehr haben sie nicht mehr zu bieten. Ausser: die Palästinenser im Gazastreifen seien selber daran schuld, dass die gesamte Infrastruktur in eine Ruinenlandschaft verwandelt wird, als Kollateralschaden Tausende von unschuldigen Zivilisten getötet werden, die Bevölkerung ausgehungert werden soll. Schliesslich hätten sie die Hamas mal «gewählt» und sollten sich gefälligst gegen ihre Überreste auflehnen. Tun sie das nicht, ereilt sie halt ihr wohlverdientes Schicksal.

Wie menschenverachtend ein solches Vorgehen der israelischen Regierung ist, ist evident.

Dass es sich bei der Hamas um fundamentalistische Irre handelt, ist unbestreitbar. Aber wer das zweifellos Böse bekämpft, darf nicht selbst mit seinen Mitteln unbezweifelbar böse werden. Damit verliert er seine Legitimation.

Die meisten Befürworter der kriminellen Regierungspolitik, die den Windschatten der Ereignisse im Gazastreifen dafür benützt, weitere illegale Siedlungen im Westjordanland zu beschliessen, können nur mit einer Gleichsetzung zwischen Regierung, Israel und den Juden argumentieren, um die Waffe «Antisemitismus» zu missbrauchen.

Und bevor die Nazikeule geschwungen wird: natürlich war der Krieg gegen den Hitler-Faschismus gerechtfertigt. Dass die Terror-Bombardements von Dresden und Hamburg Kriegsverbrechen waren, muss trotzdem festgehalten werden.

Denn der Zweck, selbst gegen das Böse, heiligt nicht alle Mittel. Wenn das Gute gesiegt hat, dabei aber grenzenlos böse geworden ist, was ist dann gewonnen? Wer den Mörder zum Tode verurteilt, ist auch ein Mörder. Selbst im Krieg, so pervers das einige anmuten mag, gibt es Regeln. Wer sich nicht daran hält, wie die Hamas, wie die israelische Regierung, begibt sich ausserhalb des zivilisierten Konsens in einer Welt, die schon zur Genüge darauf pfeift.

Die Welt ist nicht schwarzweiss, sondern bunt, chaotisch, widersprüchlich. Das menschliche Bedürfnis, zwecks Orientierung einfachen Narrativen zu glauben, sollte den Einzelnen nicht davon entheben, sich aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Informationen ein eigenes Bild zu machen. Ob die damit gewonnene Erkenntnis irgendeinen Nutzen hat, ist unerheblich.

Aber Erkentnnisgewinn ist ein Wert für sich, nur in ihm kann Fortschritt keimen. Dazu hat Münger einen Beitrag geleistet. Das ehrt ihn.

 

Die wahren Antisemiten

Sie heissen David Klein und Konsorten.

Der wegen Verstoss gegen die Antirassismus-Strafnorm einschlägig bekannte David Klein hat mal wieder eine Lanze gebrochen. Auf «Inside Paradeplatz» veröffentlichte er, was sicherlich anderswo abgelehnt wurde: «Wenn Schlagzeilen zu Schüssen werden».

Ein Amok erschoss in Washington zwei Israelis und skandierte danach «Free Palestine». Eine abscheuliche und sinnlose Tat. Aber noch widerwärtiger ist, was Klein daraus schlussfolgert: «Der Verdächtige? Er ist der Mörder.» Damit begibt er sich zunächst ausserhalb jeder Rechtsstaatlichkeit. So offensichtlich auch für den Mob diese Tat und seine Schuld sein mag: unsere letzte Bastion gegen Barbarei und Willkür verlangt, ihn als mutmasslichen Täter zu bezeichnen, der unschuldig ist, bis rechtsgültig seine Schuld erwiesen wurde.

Wer das ignoriert, ist ein Verächter der Rechtsstaats, der sich damit ausserhalb jedes vernünftigen Diskurses begibt. Aber Klein kennt wieder einmal kein Halten: «Die Saat dieses eliminatorischen Judenhasses wurde in den Redaktionsstuben genährt.» Eine Pauschalverurteilung jeder kritischen Berichterstattung über die Kriegsverbrechen, die Israels Armee im Gazastreifen begeht.

Indem die letzten Reste der Infrastruktur zerstört, zivile Opfer billigend in Kauf genommen werden, ist unter dem Deckmantel der Zerstörung der Hamas das erklärte Kriegsziel: die Bewohner des Gazastreifens sollen einfach verschwinden, sofern sie nicht zuvor verreckt sind. Wohin? Zunächst in angebliche Schutzzonen, die dann anschliessend gnadenlos bombardiert werden. Und dann? Irgendwohin, am besten ins Nirgends.

Wer zu kritisieren wagt, dass hier zurecht von einem Genozid gesprochen werden muss, begibt sich für wahre Antisemiten wie Klein in die Todeszone des Vorwurfs: diese Kritik ist antisemitisch. Es braucht nicht viel Dialektik, um umgekehrt zu konstatieren: solche verpeilte Irwische wie Klein befördern Antisemitismus, wie es die schlimmsten Feinde der verbrecherischen israelischen Regierung nicht könnten.

Klein verrichtet ungehemmt deren Geschäft:

«Das aktuellste Beispiel der Verbreitung einer modernen Ritualmordlegende gegen die Juden ist die BBC-Groteske der 14’000 Babys, die „innerhalb von 48 Stunden in Gaza zu sterben drohen“.
Die Berichtigung dieser monumentalen Falschmeldung, welche die Anti-Israel-Sturmtruppen bei SRF dankbar aufgesogen und ungeprüft verbreitet hatten, ist schwerer zu finden, wie die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen.«

Sturmtruppen? Klein adaptiert bewusst den Begriff «Sturmabteilung» (SA) der Nazis und verwendet ihn zur Denunziation der Berichterstattung des Gebührensenders SRF. Dessen Darstellung des Vernichtungskriegs im Gazastreifen mag nicht über jeden Zweifel erhaben sein. Aber eine solche Verleumdung hat sie nicht verdient.

Neben vielen anderen kritischen Stimmen wagt es inzwischen sogar der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz, trotz der lastenden Schuld des Holocaust, klare Worte zu sprechen: «Die Zivilbevölkerung derart in Mitleidenschaft zu nehmen, wie das in den letzten Tagen immer mehr der Fall gewesen ist, lässt sich nicht mehr mit einem Kampf gegen den Terrorismus der Hamas begründen.» Und: «Das, was die israelische Armee jetzt im Gazastreifen macht: Ich verstehe offen gestanden nicht mehr, mit welchem Ziel.»

Er schliesst sich damit der Kritik an, die auch israelische Verbündete wie England, Frankreich oder Italien äussern. Von der UNO («Die gesamte Bevölkerung Gazas ist von einer Hungersnot bedroht. Familien müssen hungern, und ihnen wird das Nötigste vorenthalten – und das alles vor den Augen der Weltöffentlichkeit») ganz zu schweigen. Sicherlich alles Antisemiten.

Dagegen verortet Klein die Vorbereitung des geistigen Nährbodens, der zu den Schüssen in Washington geführt haben soll, eindeutig in den Medien: «Wer Israel – stellvertretend für alle Juden – über Monate und Jahre hinweg mit einseitiger, unverhältnismässiger und faktenwidriger Kritik an den Pranger stellt, muss sich nicht wundern, wenn sich diese hetzerische Praktik irgendwann in Kugeln entlädt.»

Zunächst: Israel steht nicht stellvertretend für alle Juden. Die Kritik richtet sich weder gegen die Juden, noch gegen Israel. Sondern einzig und allein gegen die kriminelle Politik der Regierung, angeführt von einem per internationalem Haftbefehl gesuchten Ministerpräsidenten, der sich an sein Amt klammert, um dem Knast wegen Korruptionsanklagen zu entgehen.

Und keinesfalls ist jede Kritik an «Israel» einseitig, unverhältnismässig oder gar faktenwidrig. Noch viel weniger löste sie das Verbrechen in Washington aus.

Aber auch das ist sicherlich wieder antisemitisch.

Zum Schluss seines eigenen antisemitischen Rundumschlags kennt Klein keine Grenzen mehr:

«Der Mörder von Washington hatte seinen Finger am Abzug – aber das geistige Magazin wurde über Monate und Jahre geladen. Mit Schlagzeilen. Mit Meinungsstücken.
Mit der selbstgerechten Doppelmoral einer Medienmeute, die den Überblick längst verloren hat, aber weiter so tut, als hätte sie den moralischen Kompass gepachtet.
Es ist Zeit, dass sich die Redaktionen auf ihrem Feldzug gegen Juden und Israel fragen: „Was richten wir mit unserer Sprache an?“ Worte töten nicht – aber sie nähren tödliche Gedanken.»

Dabei hat alleine Klein den moralischen Kompass verschluckt. Und bedient sich ungehemmt des Vokabulars der Nazis («Medienmeute»). Hier werden Menschen zur tierischen Meute, zu Jagdhunden degradiert.

In seinem Furor wird es ihm keine Sekunde lang bewusst, dass er mit seinen haltlosen Behauptungen nicht nur bei dafür empfänglichen Lesern Antisemitismus befördert. Was ihn im Zirkelschluss zur Ansicht verleitet: alle, die meine absurden Ausführungen kritisieren, sind Antisemiten.

Was ihn davon enthebt, sich über die Folgen seines verantwortungslosen Geschreibsels im Klaren zu werden. Einer der Unterschiede, der eine vorbehaltlose Kritik an den verbrecherischen Amoks der Hamas erlaubt, ist der, dass das fundamentalistische Wahnsinnige sind, die sich durch ihr Handeln ausserhalb der zivilisierten Gemeinschaft begeben.

Wer aber in einer solchen lebt, missbraucht wie er die Meinungsfreiheit dazu, sich auf ihr Niveau herabzubegeben. Auch für die Hamas gilt keine Unschuldsvermutung, gibt es keinen rechtsstaatlichen Prozess, der erst die Schuld eines bis dahin Unschuldigen beweist. Auch für die Hamas ist keine Kritik an ihren Entscheidungen erlaubt. Bei ihr ist das absurde Argument, dass das Widerworte gegen den Willen Allahs seien. Bei Klein sind das Widerworte, die mit der Antisemitismus-Keule niedergemacht werden müssen, weil nur er im Besitz der einzigen Wahrheit ist.

«Worte töten nicht – aber sie nähren tödliche Gedanken», schliesst er seinen Amoklauf ab. Auch seine Worte töten nicht, aber sie nähren antisemitische Vorurteile mit verantwortungslosen Tiraden.

 

Die Judenfrage

ZACKBUM begibt sich mutig auf dünnes Eis.

Ist Kritik an Israel, einem jüdischen Staat, erlaubt? Oder ist das gleich Kritik an «den Juden» und damit antisemitisch?

«Der jüdische Schriftsteller Thomas Meyer findet die Parteinahme von Nemo «dumm» und erklärt, warum wir Schweizer ein sehr spezifisches Antisemitismus-Problem haben.»

So leitet die «SonntagsZeitung» das Interview mit Meyer ein. Ginge es nach dem Schriftsteller, stünde bereits das Adjektiv «jüdisch» unter strengem Antisemitismusverdacht. Allein darin zeigt sich die Absurdität seiner Position.

Er wertet, urteilt, qualifiziert und denunziert. All das mit der Massgabe: «Ich finde jegliche Parteinahme dumm.» Also sind seine Parteinahmen auch dumm. Oder ist das bereits antisemitisch?

Dabei widerspricht er sich gleich selbst.

Auf die Frage, ob denn in keinem Konflikt eine Parteinahme erlaubt sei, antwortet er: «Natürlich nicht. Beim Ukraine-Krieg oder den Nazigräueln ist der Fall klar. Der Israel-Palästina-Konflikt aber ist so alt und komplex, dass man sich als vernünftiger und intelligenter Mensch keine Parteinahme leisten sollte.»

Ist im Ukrainekrieg der Fall wirklich «klar»? Ist dessen Geschichte nicht auch alt und komplex? Und worin bestünde dann diese «Klarheit»? Urteilen also nur unvernünftige und blöde Menschen über den Palästina-Konflikt? So wie er es weiter unten auch tut.

Man dürfte also weder die Verbrechen der fundamentalistischen Wahnsinnigen von der Hamas, noch die Kriegsverbrechen der israelischen Regierung verurteilen? Es wäre nicht erlaubt, darauf hinzuweisen, dass der Ministerpräsident Netanyahu, der sich an sein Amt klammert, um dem Knast wegen Korruptionsanklagen zu entgehen, auf einer Fahndungsliste steht und eigentlich in jedem Land, das er besucht und das die Hoheit des Internationalen Strafgerichtshof anerkennt, verhaftet werden müsste?

So wie Putin, so wie die führenden Verbrecher der Hamas?

Noch mehr Unausgegorenes: «Parteinahme wertet bloss. Sie sagt: Dieses Leid ist schlimmer als das andere. Das halte ich für zynisch.» Man sollte also angesichts der völligen Zerstörung der Infrastruktur im Gazastreifen, der verbrecherischen Blockade jeglicher Hilfslieferungen an die leidenden Hunderttausenden von unschuldigen Zivilisten nicht parteilich werten dürfen, weil man dann bereits Antisemit sei? Und das Leiden der israelischen Geiseln sowie den terroristischen Angriff der Hamas damit als weniger schlimm taxierte?

Dass Meyer diese naheliegenden Fragen nicht gestellt wurden, zeugt von der Beisshemmung des Interviewers Christian Brüngger. Der ist «ist Redaktor, er kam 2001 zum Tages-Anzeiger. Er schreibt für das Ressort Reportagen & Storytelling. Davor arbeitete er viele Jahre fürs Sport-Team. Er studierte Geschichte und Filmwissenschaften in Zürich.» Also ein rundum qualifizierter, gut vorbereiteter Journalist, der hier seine Schleimspur hinterlässt.

Genauso hanebüchen ist Meyers Unterstellung aller Schweizer unter einen Generalverdacht. Die Schweiz habe seit den Pogromen im 14 Jahrhundert keine «Extreme» erlebt: «Viele Schweizerinnen und Schweizer glauben deshalb, das Land sei frei von diesem Problem. Das verleitet zu sagen: «Ich bin kein Antisemit, weil ich ja Schweizer bin. Und ausserdem ein guter Mensch.» Das führt dazu, dass man sein antisemitisches Gedankengut nicht als solches erkennt.»

Schön, dass Meyer, im Besitz eines geeichten Messgeräts für Antisemitismus, «vielen Schweizern» in die Fresse hauen kann, dass sie eben doch Antisemiten seien, es bloss nicht merkten. Denn auch wenn sie es nicht wissen, er weiss es:

«Alle Menschen, die mir antisemitische Dinge ins Gesicht sagten, waren überzeugt, keine Antisemiten zu sein. Vielmehr war in ihren Augen ich das Problem, weil ich angeblich überall Antisemitismus wittere.»

Wer also Meyer vorwirft, wie so viele andere, die die Antisemitismuskeule missbrauchen, selbst mit dieser Arroganz Antisemitismus zu befördern, ist in seinen Augen ein Antisemit. Dabei ist Kritik an den Untaten der israelischen Regierung keinesfalls per Definition antisemitisch. Sondern nötig und berechtigt. Es steht Meyer nicht an, hier den Schiedsrichter zu spielen, was zu sagen erlaubt ist und was nicht.

Seiner Logik folgend, dürfen nur Juden wie er Israel kritisieren: «Ich selber finde es, gerade als Jude, absolut unerträglich, in was für einen blindwütigen Verbrecherstaat sich Israel verwandelt hat.» Aber würde ZACKBUM als Nichtjude dasselbe sagen, stünde es bereits unter Antisemitismusverdacht, hätte Partei genommen, was Meyer ja eigentlich verurteilt, ausser, er tut es selbst.

Dass er die Parteinahme von Nemo und anderen Kunstschaffenden als «dumm» abqualifiziert, ist sein gutes Recht. Ist es dann auch möglich, seine Absonderungen als «dumm» zu bezeichnen? So als Nichtjude einem Juden gegenüber?

Folgte man seiner Aberwitzlogik, dürfte das allerhöchstens ein Jude tun. Das ist die gleiche woke Verpeiltheit, die fordert, dass nur Schwarze etwas über Angelegenheiten von Schwarzen sagen dürfen. Nur ein schwuler Schauspieler einen Schwulen spielen darf. Nur eine Frau über den Feminismus öffentlich nachdenken darf.

Meyer fordert einen «safe room» für alles, was mit dem Palästinakonflikt zu tun hat. In dem nur Juden Partei ergreifen dürfen, obwohl das eigentlich dumm sei.

Ein freier Diskurs, seit der Aufklärung unser probates Mittel zu Erkenntnisgewinn zu kommen, soll hier wieder in mittelalterliche Kerker der unberührbaren Themen gesperrt werden. Was die katholische Kirche damit angerichtet hat, ist bekannt.

Jeder Versuch einer Wiederholung ist strikt zurückzuweisen. Die Kirche masste sich an, als Verkünder des Wort Gottes über eine unumstössliche und nicht bezweifelbare Wahrheit zu verfügen. Wenn vergleichsweise kleine Lichter wie Meyer das auch für sich beanspruchen, machen sie sich nur lächerlich. Ein solches Urteil als antisemitisch zu denunzieren, was ja Meyers einziges, ärmliches Argument wäre, lässt die Frage aufkommen, ob dumm steigerbar ist.

Vermutlich ja.

________

Der Artikel erschien zuerst auf «Inside Paradeplatz». 

Orwell lässt grüssen

Moskau feiert, Kiew feiert. Und Gaza wird zerstört und entvölkert.

Massenmedien, die den Anspruch auf Glaubwürdigkeit erheben wollen, sollten ein Mindestmass an Objektivität bewahren. Die es absolut nicht gibt, aber man könnte ja versuchen, sich ihr anzunähern.

Russland begeht den 80. Jahrestag des Sieges über den Hitler-Faschismus. Kein Land der Welt hat wie die verblichene Sowjetunion einen dermassen hohen Blutzoll (mehr als 27 Millionen Tote) und gigantische Zerstörungen durch den Angriffskrieg des Hitler-Faschismus erlitten. Die Westalliierten haben erst 1944 mit der Landung in der Normandie ernsthaft eingegriffen. Aus Furcht, dass die nach Stalingrad siegreiche Rote Armee ganz Europa, mindestens das ganze Deutsche Reich erobern könnten.

Winston Churchill, nie um ein offenes Wort verlegen, meinte nach dem Sieg: «Vielleicht haben wir das falsche Schwein geschlachtet.» Das war auch die Hoffnung der Soldateska um den Kriegsverbrecher Graf von Stauffenberg, die Hitler vergeblich aus dem Weg räumen wollte, um einen Separatfrieden mit dem Westen auszuhandeln, um dann gemeinsam die UdSSR zu vernichten.

Dass Präsident Putin den Jahrestag dazu missbraucht, den Überfall auf die Ukraine zu rechtfertigen, kann als Propagandagedöns denunziert werden. Es ist genauso dummes Gequatsche wie die Ankündigung Präsident Trumps, den Ukrainekrieg am ersten Tag, allenfalls nach 100 Tagen zu beenden.

Die westlichen Staatschefs glänzten in Moskau durch Abwesenheit, knirschend musste eingestanden werden, dass dennoch viele Führer grosser Staaten in Moskau anwesend waren, in erster Linie Chinas Präsident Xi.

Die Anwesenheit eines Vertreters der EU in Moskau wurde im Rahmen der Meinungsfreiheit und der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten hingegen harsch kritisiert.

Respektvolles Gedenken an die unvorstellbaren Opfer der Sowjetunion ist eine Sache. Das kurz erwähnen, um dann auf Putin einzuprügeln, ist eine andere, unerträgliche.

Der US-Regisseur und Oscar-Preisträger Oliver Stone lässt sich von «Russia Today» zitieren: «Vor Journalisten äusserte er seine Empörung über Geschichtsrevisionismus und russophobe Politik in der Europäischen Union. «Ich finde das echt krass und bin echt schockiert, aber es passiert».» Damit hat er, anwesend in Moskau, den Bereich des Erwähnbaren in den westlichen Mainstreammedien verlassen.

Dafür gaben sich an der Gedenkfeier in Kiew die wichtigsten Vertreter der EU ein Stelldichein. Deutschland, England, Frankreich, auch Polen, waren mit Präsident und Ministerpräsidenten anwesend. Dabei waren grosse Teile der ukrainischen Bevölkerung Helfershelfer des Faschismus, halfen willig dabei, Hunderttausende von Juden zu deportieren oder gleich vor Ort umzubringen.  Der Kriegsverbrecher Stepan Bandera wird bis heute im Westen der Ukraine mit Denkmälern und Heldenverehrung gewürdigt. Die Asow-Brigaden, eine kriminelle ukrainische Soldateska, halten sein Andenken und seine Ideologie weiter hoch.

Die Teilnahme russischer Vertreter an den peinlichen, kleinen Gedenkveranstaltungen in Deutschland (der 8. Mai ist nichtmal ein allgemeiner Feiertag) ist unerwünscht. Als Ausdruck höchster Toleranz werden die Denkmäler zur Erinnerung an den heldenhaften Kampf der UdSSR (noch) nicht geschleift. Kann aber noch kommen.

Die DDR feierte den 8. Mai als Tag der Befreiung, die wiedervereinigte BRD wenn schon als Tag der Niederlage.

Zudem ist die israelische Regierung rund um den zur Fahndung ausgeschriebenen mutmasslichen Kriegsverbrecher Netanyahu finster entschlossen, die letzten Reste der Infrastruktur im Gazastreifen zu zerstören. Seit Längerem werden keine Hilfslieferungen mehr nach Gaza durchgelassen. Die Bevölkerung sollte sich am besten in Luft auflösen – oder einfach  krepieren. Frauen, Kinder, Alte, das ist der israelischen Soldateska so egal wie zuvor der Hamas.

Auch das ist natürlich eine nicht ausgewogene Darstellung dieser Ereignisse. Aber Moskaus Siegesparade als reine «Propagandashow» zu denunzieren, über Kiew hingegen wohlwollend zu berichten, beim Völkermord im Gazastreifen so distanziert wie möglich der Berichterstatterpflicht nachzugehen, das hat nichts mehr mit geldwerten Leistungen zu tun.

Der Konsument würde gerne dafür bezahlen, in einer aus den Fugen geratenen Welt Orientierungshilfe, Einordnung zu bekommen. Für diese Hilfestellung wären viele gerne bereit, Abonnements zu unterhalten, die inzwischen auch nicht mehr ganz billig sind.

Obwohl seit Jahren das Prinzip herrscht: weniger Angebot für höhere Preise.

Stattdessen:

«Protzparade, wie Putin seinen Krieg rechtfertigt, Kriegspropaganda, Moskau schränkt das Internet ein, insgesamt 29 ausländische Staats- und Regierungschefs sollen russischen Staatsmedien zufolge an der Parade teilnehmen».

Oder gleich, auch «Die Zeit» zerstört ihr Renommee: «Die Erinnerung an den Weltkrieg muss eine Mahnung sein, Russland bei seinem Angriff auf die Ukraine zu stoppen.» Oder der «Spiegel»: «Ein Aussteiger berichtet, wie Putin die Geschichte missbraucht».

Dagegen Schalmeien bei der Beschreibung des Propaganda-Events in Kiew.

Schön, gibt es die Papstwahl. Da rücken die Verbrechen der israelischen Regierung im Gazastreifen, die allen Regeln des Völkerrechts widersprechenden Angriffe auf Syrien und den Libanon in den Hintergrund. Man stelle sich vor, Russland würde nicht nur in der Ukraine einen Krieg führen, sondern auch noch willkürlich umliegende Staaten bombardieren und attackieren.

Die Journaille würde sich nicht mehr einkriegen. Aus Furcht, mit der Antisemitismus-Keule erschlagen zu werden, wagt es kaum einer, an Israels völlig illegalen, menschenverachtenden Militäroperationen Kritik zu üben.

Dafür gibt es einen Stellvertreterkrieg um den European Song Contest in Basel. Soll Israel daran teilnehmen? Nemo, der Vorjahressieger, und viele andere Kunstschaffende haben sich dagegen ausgesprochen, die Veranstalter halten unverbrüchlich daran fest. Statt Friede, Freude, Eierkuchen, bereitet sich die Stadt auf Ausschreitungen und üble Zusammenstösse vor.

Natürlich sind alle Solidaritätsadressen an die verbrecherische Hamas verächtlich und zeugen von völliger Verspeiltheit. Aber dass Events, die Multimillionen von Zuschauern haben, ein Geschenk für alle sind, für ihre Anliegen einzutreten, kann wohl nicht überraschen.

Liest man hier Einordnung, Reflexion? «So tobt Basel», schreibt die bz doppeldeutig. Denn es steht ja auch noch die Meisterfeier an. Hier wird mal wieder «unabdingbare Verteidigung des Existenzrechts Israels» und «from the river to the sea» aufeinanderprallen. Natürlich unversöhnlich, und sicherlich auch gewalttätig.

Bemühen sich da die Medien, die Gründe für das Verhalten beider Antagonisten ihren Konsumenten verständlich zu machen? Die Frage stellen, heisst, sie zu beantworten.

 

Deutliche Fallhöhe

Auch der NZZ-Chefredaktor greift zum Griffel. Da wird’s peinlich.

Aber nicht für Eric Gujer. Während sich seine Kollegin Raphaela Birrer quengelig und widersprüchlich in Kleinklein verliert, zeichnet God Almighty der NZZ mal wieder die ganz grossen Bögen.

Schon die Illustration, eine animierte Erdkugel mit Bildstörung, ist nicht schlecht. Denn Gujer versucht mit seinem »anderen Blick», den ganz grossen Überblick im Durcheinandertal zu behalten, wie das Dürrenmatt nannte:

«Die grosse Weltunordnung: Kriege und Chaos sind die neue Normalität. Worauf müssen wir uns noch einstellen?»

Für das Haus der ordnungspolitischen Zwischenrufe ist der Zustand der Welt ein desolater: «Die Welt ist ein Kartenhaus. … Solche Zäsuren sind die Signatur unserer Epoche: der überstürzte Abzug der Amerikaner aus Kabul, der russische Überfall auf die Ukraine, die sadistische Orgie der Hamas. Über Nacht werden neue, meist blutige Fakten geschaffen.»

Da gab es die Nachkriegszeit von 1945 bis 2022. Kalter Krieg, Zusammenbruch des sozialistischen Lagers, Pax Americana. Vorbei: «Wer bereit ist, maximale Gewalt anzuwenden, wer bereit ist, dafür notfalls auch einen hohen Preis zu zahlen, der kann viel Macht an sich reissen.»

Knallhart analysiert Gujer Russlands Stärke, vielmehr Schwäche: «Sie ist gross genug, um ein wehrloses Nachbarland zu überfallen. Aber sie genügt nicht für einen überlegenen Gegner oder einen weiter entfernten Schauplatz. So erscheinen die Warnungen, Putin werde sich nach der Ukraine dem Baltikum zuwenden, als masslos übertrieben.»

Noch ein hübscher Satz: «Putin ist ein Meister darin, grösser zu erscheinen, als er ist.» Das ist ziemlich bösartig, denn bekanntlich ist Putin auch körperlich nicht gerade grossgewachsen.

Aber auch die USA wirkten inzwischen häufig hilflos. Sie konnten Israel nicht im Zaum halten, sie wagen es nicht, massiv gegen die Mullahs in Teheran vorzugehen. Schlussfolgerung: es gebe heute «keine globale Ordnung» mehr: «Alle Machtverhältnisse sind flüchtig; es herrscht Weltunordnung.»

Soweit kann man Gujer kritiklos folgen. Dann aber setzt er zu einem Loblied auf Israel an. Seine Verbündeten hätten unablässig vor einer Eskalation gewarnt, aber: «Hätten sie sich durchgesetzt, hätte Israel keines seiner Kriegsziele erreicht. Ohne Risikobereitschaft werden keine Konflikte gewonnen. Die Warnung vor einer Eskalation indes verkommt zur Ausrede für westliche Untätigkeit.»

Die ununterbrochene Reihe von Kriegsverbrechen, die Israel begeht (wie andere Akteure im Nahen Osten auch), dass der sogenannte Wertewesten sich nur dann als moralisch überlegen aufspielen dürfte, wenn er es auch wäre – das verliert Gujer doch recht massiv aus dem Blick.

Stattdessen setzt er zum Lob des skrupellos Handelnden an: «Damit sich die Lage verbessert, muss man aktiv etwas dafür tun und auch bereit sein, Risiken einzugehen. Wer nur abwartet, gewinnt nichts.
Die USA haben im Nahen Osten zu lange zugeschaut. Das genügt nicht. Die Europäer wiederum vertrauen darauf, dass der grosse amerikanische Bruder mit Moskau eine Lösung für die Ukraine aushandelt. Das genügt erst recht nicht. Eine stabile Ordnung stellt sich nicht von alleine ein

Nun traut sich aber Gujer nicht, konkreter zu werden, was denn aktiv getan werden müsse. Militärisches Eingreifen in den Nachbarländern ohne Kriegserklärung? Bombardieren von ausgewählten Zielen in Grossstädten ohne Rücksicht auf Kollateralschäden? Ist das nicht ganz furchtbar, wenn es Russland in der Ukraine tut? Ist es dann vertretbar, wenn es Israel im Libanon und in Syrien tut?

Oder könnte man sich nicht darauf einigen, dass reine Machtpolitik immer amoralisch ist, schmutzig und skrupellos? So wie sie der Nobelpreisträger und Kriegsverbrecher Henry Kissinger mit offenem Zynismus betrieb. Das wäre dann den «anderen Blick» zu Ende gedacht. Was Dürrenmatt konnte, wovor Gujer zurückschreckt.

Völlig überflüssig

Matthias Kolb wäffelt den russischen Aussenminister an.

Das ist so spannend wie der Farbe an der Wand beim Trocknen zuzuschauen. Am 5. Dezember veröffentlichte SZplus seine Meinung: «Auf dem OSZE-Treffen ist Russlands Aussenminister isoliert, aber auch ein unvermeidlicher Gast.»

Am 9. Dezember fand der Qualitätsmedienkonzern Tamedia für diese Meinung ein trockenes Plätzchen:

Immerhin hat die sogenannte Auslandredaktion von Tamedia noch ihres Amtes gewaltet und entscheidend bei der Titelgebung eingegriffen. Freundlicherweise versteckt Tamedia diese Meinung auch nicht hinter der Bezahlschranke. Sondern belästigt alle verbliebenen Leser damit. Denn manchmal muss man auch SZ-Journalisten aushalten.

Kolb bellt kräftig los: «Lawrow ist seit 20 Jahren Aussenminister und daher politisch mitverantwortlich für die Kriegsverbrechen, die Russland in der Ukraine begeht.» Da fehlt das kleine, aber entscheidende Wörtchen «mutmasslich», das Kolb sicherlich bei Israels Ministerpräsident verwenden würde. Der ist sogar, im Gegensatz zu Lawrow, international zur Fahndung ausgeschrieben.

Aber Meinung ist ja eben nicht Wissen, sondern vielmehr Nichtwissen. Immerhin konzediert Kolb grosszügig: «Wer möchte, dass die OSZE diese Aufgaben weiter erfüllen kann, der muss ertragen, dass Lawrow jedes Jahr fürs heimische Publikum den starken Mann spielt.»

Also möchte Kolb offenbar, dass die OSZE weiter ihre Aufgaben erfüllen kann, was die Organisation sicherlich sehr freut und aufatmen lässt. Vorausgesetzt, sie nimmt seine Meinung überhaupt zur Kenntnis.

Diese Meinung ist ein Paradebeispiel für die zunehmende Degeneration des Journalismus. Wie kann ein Redaktor nur auf die kühne Idee kommen, seine gnädige Erlaubnis, dass der russische Aussenminister an einem OSZE-Treffen teilnehmen dürfe, könnte irgend jemand interessieren? Wie kann Kolb auf die kühne Idee kommen, dass er zu diesem Non-Ereignis auch noch seinen Senf geben muss? Hätte er die sofortige Verhaftung Lawrows gefordert, das wäre wenigstens noch originell, aber auch gaga gewesen.

Im Nachhinein nachzubelfern, dass der Mann zwar ein Kriegsverbrecher sei (was nicht mal als Meinung durchgehen sollte, wenn man sich noch an rechtsstaatliche Grundlagen halten will), aber dennoch bei der OSZE auftreten dürfe und dort auszuhalten sei, welch seltene Überhöhung eines Wichts zum Scheinriesen.

Statt dem Leser wenigstens ein winziges Beispiel von Lawrows «Lügen» zu geben, tritt Kolb mutig nach: «natürlich kneift Lawrow und hört sich nicht persönlich an, wie seine Lügen widerlegt werden». So, so. Welche Lügen wurden von wem womit widerlegt? Ein Beispiel? Ein klitzekleines, nur damit Kolb zeigen würde, dass er sich noch an Grundlagen des Handwerks erinnert?

Unter der  Bürde der eigenen Aufgeblasenheit kaum geradeaus laufen können, Meinungsträger sein, inhaltlich nichts Erhellendes beizutragen haben, wohlfeiles Geschimpfe auf einen Vertreter des Reichs des Bösen loslassen, das macht den modernen Journalisten aus.

Natürlich darf jeder seine Meinung haben, das nennt sich Meinungsfreiheit. Auch wenn diese Meinung frei von Wissen oder Erkenntnis ist. Wieso aber alle Instanzen einer Redaktion einen solchen Stuss durchwinken, das ist weiterhin ein süsses Geheimnis.

Dass Tamedia die aufgewärmte Meinung ein paar Tage später ihren Lesern auftischt, sozusagen als Restenrampe der Süddeutschen gut abgehangene und schon leicht miefende Meinungen nochmal bringt, das ist ein weiteres Zeichen dafür, dass Simon Bärtschi höchstwahrscheinlich – zur Steigerung der Qualität – bereits eingespart wurde. Denn selbst eine publizistische Leiter nach unten hätte so etwas nicht durchgehen lassen.

Die Zurückentwicklung

Joëlle Weil war einmal eine nachdenkliche Journalistin.

Die Journalistin lebte längere Zeit in Israel und schrieb 2018:

«Diese Ratlosigkeit auf allen Seiten, die manchmal zur Verzweiflung wird. Nur eines habe ich mit Bestimmtheit gelernt: sich mit Urteilen zurückzuhalten. Lieber einmal mehr zuhören, als einmal zu oft zu reden.»

Von dieser Position hat sie sich längst verabschiedet und zieht bei CH Media immer wieder mit Kommentaren kräftig vom Leder. Als Spanien die Anerkennung Palästinas als eigenen Staat forderte, keifte sie, das sei «zynisch» und «schamlos».

Sie verliert kein Wort über die israelischen Kriegsverbrechen und nimmt sich nun auch noch die UNO zur Brust. «Israel hält nichts mehr von der UNO – mit guten Gründen», kommentiert sie.

Anlass für diese Parteinahme ist das Einreiseverbot, das Israel gegenüber dem Generalsekretär der UNO António Guterres ausgesprochen hat. Ein international einmaliger Vorgang. Gerade die UNO wäre eine Organisation, wo sich Weil an ihren eigenen Ratschlag halten könnte und sollte. Denn auch da herrscht wirklich Ratlosigkeit.

Natürlich ist es absurd, dass Diktaturen über Menschenrechte befinden oder Saudi-Arabien «die Kommission der Vereinten Nationen zur Rechtsstellung der Frau leitet», wie Weil zu recht kritisiert.

Und dass Israel häufiger mit UNO-Resolutionen abgemahnt wird als jedes andere Land, auch das ist ungut, Ausdruck der Einflussnahme arabischer und anderer Gegner des Judenstaats.

Aber dann verlässt Weil den Raum der Ratlosigkeit und Nachdenklichkeit und haut drauf:

«Wer kann es Israel also verübeln, wenn es sich von der UNO abwendet? Wenn man ständig auf der Anklagebank sitzt, während die Schurken rundherum einander den Rücken freihalten

Und überhaupt:

«Die UNO ist eben nicht zwingend eine Stimme der Vernunft oder eine des Rechts. Und die antiisraelische Agenda ist der grösste gemeinsame Nenner vieler UN-Mitgliedsstaaten und wird so zum wichtigen Bindeglied. Nicht das Streben nach einer besseren Welt für alle.»

Das ist nun zumindest einäugig, wenn nicht blind gegenüber der Wirklichkeit. Natürlich gibt es UNO-Resolutionen gegen Israel, die eindeutig und einzig und alleine aus politischen Gründen beschlossen wurden. Und natürlich hat die Friedenstruppe der Unifil im Südlibanon versagt, was allerdings schon mit ihrer Verurteilung zur völligen Tatenlosigkeit angelegt war.

Alles unbestritten und richtig. Wäre Weil aber nachdenklich statt parteiisch, müsste sie auch einräumen, dass der Beschuss von Stellungen der Unifil durch die israelische Armee inakzeptabel ist und zu recht auch vom engsten Verbündeten, den USA, scharf kritisiert wird.

Der UNO-Resolution, die Israel aufforderte, den Überfall, die Invasion des Libanon im Jahre 1982 sofort zu beenden, wurde damals nicht durch ein Veto der USA verhindert – weil es sich einwandfrei um einen Verstoss gegen das Völkerrecht handelte.

Dass Israel seit 1967 genauso völkerrechtswidrig das Westjordanland besetzt und dort illegale Siedlungen unterhält und ausbaut, dass Israel völkerrechtswidrig die Golanhöhen besetzt, dass Israel zum wiederholten Mal in den Libanon einfällt, den Gazastreifen in Schutt und Asche bombt, dort Kriegsverbrechen ohne Zahl begeht, was nicht zuletzt von unverdächtigen Zeugen bestätigt wird, von 99 US-Ärzten, die dort tätig waren, eine Verurteilung dieser Untaten ist nicht Ausdruck einer antiisraelischen oder gar antisemitischen Politik.

Dass viele Mitgliedsstaaten der UNO keine Lichtgestalten sind, dass auch die USA beispielsweise auf einem illegal okkupierten Militärstützpunkt auf Kuba einen rechtsfreien Raum unterhalten, wo angebliche Terroristen oft jahrelang ohne Teilhabe an rechtsstaatlichen Möglichkeiten dahinvegetieren – das alles sind doch keine Gründe, um zu sagen: die auch, wieso dann wir nicht?

Natürlich ist es zutiefst widerwärtig, wenn die EU einem Diktator mit Blut an den Händen wie den saudischen Herrscher bin Salman hofiert, und gleichzeitig andere Staaten wegen Verstössen gegen Menschenrechte kritisiert.

Aber die UNO ist bei aller mangelnden Perfektion die einzige Plattform, auf die sich die Staaten der Welt einigen konnten, um wenigstens zu versuchen, miteinander ins Gespräch zu kommen und nicht gleich aufeinander los zu gehen.

Nur weil sich deren Generalsekretär völlig korrekt kritisch zu israelischen Verbrechen geäussert hat, wobei er genauso scharf die Gräueltaten der Hamas verurteilte, darf das kein Grund sein, ihm kindisch die Einreise zu verbieten.

Natürlich hat Weil im Rahmen der Meinungsfreiheit alles Recht, sich wiederholt über Logik und Vernunft hinwegzusetzen und gegen ihre eigene Mahnung zu verstossen. Wieso ihr allerdings CH Media wiederholt eine Plattform dafür bietet, ist unerfindlich.