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Wo ist denn der Krieg?

Kein Voyeurismus, aber: wo bleibt die Kriegsberichterstattung?

Seit es so etwas wie Newsproduzenten gibt, gibt es die Kriegsberichterstattung. Erster Weltkrieg, Zweiter Weltkrieg, Vietnamkrieg, Irakkrieg. Immer tauchen an der Front die harten Kerle (und auch harte Frauen) auf, die es für wichtig genug halten, über Kampfhandlungen zu berichten, um dafür ihr Leben zu riskieren.

So nach der Macho-Devise von Robert Capa: Wenn das Bild nicht gut ist, warst du nicht nahe genug dran. Er starb 1954, als er in damals Französisch-Indochina auf eine Mine trat.

Moderne Kriegsführung ist immer mehr psychologische Kriegsführung. Moderne Kriegsführung findet medial statt. Alle Beteiligten bemühen sich, nicht nur die Lufthoheit über dem Schlachtfeld zu erringen, sondern auch in den Medien, in der Berichterstattung. So erfanden die USA den Begriff des «embedded Journalist». Das soll es schon seit den Feldzügen von Alexander dem Grossen gegeben haben. Also Minnesänger des Krieges, dazu angestellt, das Loblied auf den Feldherrn zu verbreiten.

Im Irakkrieg gelang es den USA so, das Bild des Kriegsgeschehens weitgehend zu bestimmen. Journalisten bekamen exklusive Zugriffsrechte auf Militäroperationen. Das ging soweit, dass sich bei einer nächtlichen Anlandung die Soldaten darüber beschwerten, dass ihre Nachtsichtgeräte ausser Gefecht gesetzt wurden – Blitzlichtgewitter.

Der Nachteil für die Journalisten ist natürlich, dass sie Partei werden. Embedded heisst, dass sie eingebettet in das sind, was sie zeigen sollen. Was sie sehen dürfen. Worüber sie zu berichten haben. Nicht mehr so wie der Joker in Kubricks gewaltigem Antikriegsfilm «Full Metal Jacket».

«Born to kill» und Peace-Zeichen …

Aber in der Ukraine ist es nochmals anders. Es gibt keine nennenswerte Frontberichterstattung. Kaum Darstellungen oder Videos von Kampfhandlungen, von den offenbar vorhandenen Fronten. Lediglich ab und an eine Explosion in weiter Ferne, ein Feuerball, Fotos von zerstörten Gebäuden, Fahrzeugen.

Nur so als Frage: warum?

Ukraine und kein Ende

Der Krieg, der (noch) keiner ist. Taktische Rückzüge wechseln sich in den Medien mit Offensiven ab.

Nichts Genaues weiss man nicht. Das ist so, und das ist auch nicht verwunderlich. Auch wenn die Kreml-Astrologen und die Biden-Durchschauer zu wissen vorgeben, was in deren Köpfen vorgeht und was für Absichten die beiden haben: stimmt nicht.

Die Ukraine ist (mal wieder) ins Zentrum der weltweiten Aufmerksamkeit geraten. Nun ist die Ukraine das grösste europäische Land, was seine geographische Ausbreitung betrifft. Dennoch wissen wir herzlich wenig über die 1991 unabhängig gewordene ehemalige Sowjetrepublik.

Da war mal was mit orangener Revolution, ein Steinzeitkommunist konnte sich nicht länger an der Macht halten, wurde ersetzt durch grosse Hoffnungsträger – die dann schnell verglühten. Höchstens, dass ein Komiker zum neuen Staatspräsidenten gewählt wurde, sorgte zwischenzeitlich für Schlagzeilen.

Natürlich auch die Annexion der Halbinsel Krim, die im sozialistischen Überschwang 1954 der Ukraine zugesprochen wurde, obwohl es dafür keinen historischen Grund gibt. Schon bei der Aufzählung aller Staaten, die an die Ukraine grenzen, würde wohl so mancher an seine eigenen Grenzen kommen.

Sicher, Russland, Belarus, das ist einfach, Polen auch. Vielleicht weiss man noch Rumänien. Aber Moldawien? Schon mal davon gehört? Und wenn ja, von Transnistrien? Eben, da gibt dann wohl jeder auf, der nicht intimer Kenner der Sachlage ist.

Grenzen, Staaten tun immer so, als seien sie für die Ewigkeit gebaut. Das stimmt natürlich nicht. Gewisse Ethnien oder Nationen, die bleiben meistens über die Jahrhunderte intakt. Ausser, sie werden mehr oder weniger vollständig ausgerottet, wie die Inkas oder Mayas oder Azteken, wie die Indianer in Nordamerika.

Dann gibt es gemischte Staaten, wobei eigentlich jedes Gebilde, das grösser ist als Liechtenstein, meist mehr als eine Ethnie beherbergt. So ist das auch in der Ukraine, wobei hier Ukrainer und Russen tonangebend sind.

Komplizierte Geschichte, komplizierte Gegenwart 

Die Ukrainer kolonialisierten und beherrschten, auf dem heutigen Territorium und auch weiter im Westen. Sie wurden beherrscht, unter anderem von den Polen und den Russen. Man kann also von einer wechselhaften Geschichte sprechen, bei der nicht all zu viel zum «nation building» beitrug, zur Ausbildung einer klaren nationalen Identität. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg entstand, was man heute als Ukraine bezeichnet.

Wozu dieser kleine Ausflug? Ganz einfach. Das sind alles Mosaiksteine, Puzzleteile, die man zusammensetzen könnte, wenn man das Verständnis für die Ukraine befördern möchte. Natürlich gehen die meisten Medien zu Recht davon aus, dass das die Mehrheit ihrer Leser nicht sonderlich interessiert.

Sondern mehr die Frage, ob es nun Krieg gibt oder nicht. Ob Putin seine Truppen zurückzieht oder nicht. Ob Vorwände für eine Invasion gesucht werden oder nicht. Ob es wieder einen nicht erklärten Krieg geben wird oder nicht. Ob wieder «grüne Männchen» ohne Rangabzeichen oder staatliche Insignien die Dreckarbeit erledigen werden. Nun besteht das Problem der Medien darin, dass man das alles so oder so sehen kann.

Wie viele Truppen, welche und aus welchen Gründen Russland an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen hat, auch darauf wäre die ehrlichste Antwort: wir können doch auch nicht in den Kopf des russischen Präsidenten oder seiner Berater schauen.

Mangels Substanz Wiedergekäutes

Also werden fleissig Satellitenaufnahmen veröffentlicht und interpretiert, so wie es den Redaktoren vom US-Militär eingeflösst wird. So werden gute, wohlmeinende, kriegerische und andere Ratschläge en masse und gratis verteilt.

Der Westen soll Härte zeigen. Der Westen soll auf Diplomatie setzen. Der Westen darf nicht hinnehmen. Der Westen sollte doch wegen der Ukraine keinen Atomkrieg riskieren. Der Westen garantiert die territoriale Integrität der Ukraine. Der Westen garantiert sie nicht, weil er das gar nicht kann.

Die Ukraine fühlt sich von Russland militärisch bedroht, Oder doch nicht. Polen auch. Die baltischen Staaten sowieso. Rumänien weniger. Von Moldawien hört man nix. Belarus ist sowieso auf der Seite Russlands.

Es ist eine Kakophonie der Unübersichtlichkeit. Analysen politischer Konfliktgebiete, wo zudem die Interessen der verbliebenen Supermächte tangiert sind, das war noch nie ein einfaches Geschäft. Aber warum hat man den zunehmenden Eindruck, zunehmend schlecht, einseitig, oberflächlich, repetitiv, holzschnittartig, parteiisch, anspruchslos informiert zu werden?

Könnte das daran liegen, dass in den zu Tode gesparten Redaktionen mit immer weniger Korrespondenten schlichtweg die Dossiersicherheit fehlt? Sich der beschreibende Redaktor auch erst einmal mit Google Maps und Wikipedia aufrüsten muss, damit er ungefähr weiss, worüber er nun schreiben soll?

Das könnte sehr wohl so sein, ist aber auch nur eine Vermutung.

Wichtigtuer ohne Wichtigkeit

Interessiert die Botschaft oder der Botschafter? Tamedia ist unentschieden.

Früher hiess es: «the medium is the message». Form und Methode, die zur Kommunikation verwendet werden, haben einen bedeutenden Einfluss auf den Inhalt der Botschaft.

Im Rahmen des Elendssparjournalismus gibt es ein neues Phänomen zu beobachten. Man könnte es «the messenger is the message» nennen. Das äussert sich in verschiedenen Formen.

Zunächst einmal ist der eigene Bauchnabel des Schreibers ins Zentrum gerückt. Die eigene Befindlichkeit, Unwohlsein, Leiden, persönliches Erleben; der Leser wird zwangsweise in Beziehungsprobleme, Erziehungsknatsch, Essgewohnheiten, Hobbys und Vorlieben des Autors einbezogen.

Der geht durch eine Strasse, sieht einen Mohrenkopf an einer Hauswand – und ist betroffen. Er (kann auch eine Sie sein) verteidigt das Recht auf Burkatragen. Quält den Leser (kann auch eine Leserin sein) mit pseudofeministischen Sprachvergewaltigungen, verhunzt ganze Wörter mit Gendersternchen, Binnen-I und ähnlichen Folterwerkzeugen.

Der Autor (kann auch eine Autorin sein) fühlt sich diskriminiert, ausgeschlossen, eingeschlossen, leidet an seinem Arbeitsplatz unter männlicher Diskriminierung (eher selten unter weiblicher), kommt nicht zu seinem Recht als Mutter, Single, Lesbe, Dicker oder was auch immer.

Ablassventil für Frustrationen

Das ist offenbar das Ventil, um Frust über zunehmende Bedeutungslosigkeit abzudampfen. Inflationär gibt es daher auch Kommentare und Meinungen. Als ob es die Welt interessieren würde (oder den Leser), was ein Pseudo-Chefredaktor eines Kopfblatts eines Medienkonzerns zur Ukraine, Putin oder Biden meint. Als ob es jemanden interessieren würde, welche militärischen Sandkastenspiele veranstaltet werden.

Nun hat Tamedia seit einiger Zeit ein neues Wellnessprogramm für Journalisten aufgelegt. Unter jedem gezeichneten Artikel (also wenn nicht einfach SDA-Meldungen per copy/paste reinrutschen) wird der Leser – wenn er überhaupt so weit gekommen ist – mit ausführlichen Informationen über den Autor beglückt.

Eine unrepräsentative Sammlung:

Wollen wir wirklich wissen, dass eine Autorin vor vielen Jahren den Greulich-Kulturpreis gewann? Eine andere in Konstanz, Oxford und Freiburg i.Br. studierte? Jemand YB-Fan ist? Oder gar aufschreibt, was er hört und sieht, was natürlich für einen Journalisten schon bemerkenswert ist?

Woher diese neue Unsitte wohl kommt? Richtig, der abgehärtete Tamedia-Leser hat so seine Vermutung. Wenn schon jede Menge Inhalt von der «Süddeutschen» übernommen wird …

Original ist besser als Kopie

Allerdings gilt auch hier, dass das Original meistens eine Spur besser ist. Denn bei der SZ steht das nicht so aufdringlich am Schluss des Artikels. Sondern der Autorenname ist jeweils mit einem Link versehen, mit dem man auf eine Autorenseite kommt. Dort gibt es dann für Fans weitere biographische Angaben. Das hat Tamedia auch kopiert, aber zunächst wird der Leser mit ersten, launigen Hinweisen auf Vorlieben, Ausbildung, Themenbereiche und anderes belästigt.

ZACKBUM findet, dass das noch ausbaufähig ist. Irgend etwas stimmt noch nicht, wenn der Artikel länger als dieser Hinweis ist. Das scheint uns eine ganz falsche Gewichtung zu sein. Wir wären da für halbe, halbe. Mindestens. Zudem müssen wir an der Positionierung der Hinweise scharfe Kritik üben. Ganz am Schluss? Ganz falsches Signal. Das muss an den Anfang.

Schliesslich ist der Bote doch viel wichtiger als die Botschaft. Vor allem dann, wenn die Botschaft aus gebackener Luft besteht. Da ist man dann schon froh, dass wenigstens ein Mensch und kein Textroboter am Werk war. Wobei: wo ist genau der Unterschied?

Countdown zum Krieg

ZACKBUM zählt mit. Ab wann wird zurückgeschossen?

Nicht mal der böse Putin ist so böse, dass er am Valentinstag einen Krieg anfängt.

Nun muss man wissen, dass der Countdown 1929 vom Regisseur Fritz Lang erfunden wurde, um im Stummfilm spannend klarzumachen, wann eine Rakete abhebt.

Das gleiche Prinzip gilt natürlich noch heute. Nur ist der Film nicht mehr stumm, sondern wir hören eine wilde Kakophonie von Countdowns.

Wie meist unzuverlässig hat sich Tamedia aus dem Fenster gelehnt – und verloren. Unter Berufung auf «informierte Kreise» zu Bern (als ob es das dort gäbe) hat der Qualtitätsmedienkonzern den Kriegsbeginn auf den 15. Februar festgelegt. «Wenn nicht», natürlich mit Abbinder.

Da gilt seither «wenn nicht». Andere Schätzungen gingen von Mittwoch, aus. Oder Donnerstag. Oder wie wäre es mit Freitag? Dann erhebt sich die Frage, ob am Wochenende eigentlich auch Kriegsbeginn sein darf. Oder ist dann auch für Militärs Feierabend? Sonntag gar?

USA intelligenter als europäische Unken

Nein, die USA sind da wie immer cleverer als die Europäer. Sie sprechen von «unmittelbar bevorstehender Kriegsgefahr». Zügeln ihre Botschaft aus Kiew weg und fordern US-Bürger auf, das Land zu verlassen. Damit rühren sie kräftig die Kriegstrommel, verbrennen sich aber nicht die Finger mit einem fixen Datum.

Das Ganze hat auch einen Aspekt von «drôle de guerre» (googeln). Die Ukraine hatte den Mittwoch kurzerhand zum neuen Nationalfeiertag ernannt. Nach der Devise: Wir werden doch nicht an einem Feiertag überfallen. Wobei, Yom Kippur, man erinnert sich: am höchsten Feiertag, am 6. Oktober 1973, überfiel eine Koalition arabischer Staaten Israel.

Auf der anderen Seite vermeldet das «Bündner Tagblatt»: «Die Schweiz bleibt relativ entspannt.» Das bedeutet, die Botschaft bleibt, wo sie ist, Swiss fliegt. Eher kriegerisch gestimmt ist hingegen Peter Rásonyi, der Auslandchef der NZZ: «Verhandlungsdiplomatie ist gut, aber jetzt ist es allerhöchste Zeit, dass der Westen Putin die vollen Kosten eines Angriffs auf die Ukraine aufzeigt».

Während der deutsche Bundeskanzler Scholz noch im Flieger nach Moskau sass, wurde er mit guten Ratschlägen aus der NZZ überschüttet. Ratschläge? Ach was, Befehle.

«Scholz sollte deshalb noch mehr tun. Er sollte die Gelegenheit nutzen … er sollte klarmachen … scharfe Konsequenzen mit aller Klarheit aufzuzeigen …»

Denn, Rásonyi fürchtet das Schlimmste, hinter leisem Optimismus: «Es gibt noch immer Grund zur Hoffnung, dass Putin sein gewaltiges Waffenarsenal nicht dazu einsetzen wird, das Nachbarland durch einen Bomben- und Raketenhagel zu zerstören und Hunderttausende von ukrainischen «Brüdern und Schwestern» zu töten.»

NZZ gibt deutschem Bundeskanzler den Tarif durch

Scholz Mission in Moskau sieht so aus: «Deshalb muss der Westen jetzt klarmachen: Auch ein begrenzter Angriff ist durch nichts zu rechtfertigen. Dieser muss die maximal möglichen Gegenmassnahmen zur Folge haben, zu denen der Westen fähig ist. Jede Relativierung und jede Nachgiebigkeit würde einen autoritären Aggressor wie Putin nur zu noch mehr Provokationen und Zumutungen einladen und ihn zu einer noch grösseren Gefahr für die langfristigen Sicherheitsinteressen Westeuropas machen

Man kann sich lebhaft vorstellen, wie sich Rásonyi mit gerunzelter Stirn über den Sandkasten beugt und dort rote sowie blaue Pfeile und Bögen hin und her schiebt.

Nur der ukrainische Botschafter geht noch etwas weiter und fordert von Scholz ultimativ, der müsse Putin ein Ultimatum stellen. Ob Scholz das mit einer Besichtigung des Denkmals verbinden würde, wie weit die Nazi-Truppen beim Überfall auf die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg vor Moskau kamen?

Der NZZ-Falke verwechselt die Falkenstrasse mit dem NATO-Hauptquartier, hält sich nicht länger für einen Journalisten, sondern für einen Befehlshaber, dessen Ratschläge unbedingt zu befolgen sind.

Solches Gehampel hat, genau wie die Festlegung auf ein bestimmtes Datum des Kriegsausbruchs, etwas unfreiwillig Komisches, Aufgeblasenes. Das wirkt so, wie wenn der Autor vor eigener Wichtigkeit und Bedeutung kaum mehr geradeaus laufen kann. Seine Schultern gebeugt von der Last der Verantwortung, mit Buchstaben einen Krieg abwenden zu müssen.

Helm auf gilt für immer mehr Journalisten

«Helm auf», ist ein scherzhafter Journalistenspruch, um jemanden auf die Piste einer Reportage zu schicken. Das ist längst vorbei, heutzutage darf der Redaktor seine Verrichtungsbox nur noch ausnahmsweise verlassen. Aber bei Rásonyi kann man sich das lebhaft vorstellen, er schreibt mit Helm. Der ihm aber immer wieder über die Augen rutscht und den Blick verstellt.

Demnächst meldet er sich aus seinem Zivilschutzbunker. Notvorrat aufgefüllt, Filter ausgewechselt, Notstromaggregat revidiert, Zivilverteidigungsbüchlein griffbereit. Verkörperung einer militanten Tante. Obwohl das seit dem Ende des Kalten Kriegs gar nicht mehr so zur NZZ passt.

 

 

 

Kanonendonner

Jeder Schuss ein toter Russ. Wir erzählen wieder Stuss.

So hetzte vor dem Ersten Weltkrieg eine blutrünstige Presse. Natürlich überschätzen Medien seit ihrer Geburt ihre Wirkungsmacht. Sie schwafeln vom Blitzlichtgewitter, und aus Verzweiflung interviewen sich immer wieder Journalisten gegenseitig, wenn es sonst beim besten Willen nichts zu berichten gibt.

Sie sind auch sehr flexibel, wenn es um gummihalsige Berichterstattung geht. Einerseits wurde die Durchführung der Olympischen Spiele in der Winterhochburg Peking streng kritisiert. Gigatomie, ungeeignete Umgebung, Geldverschwendung, ein neues Sotschi. Nun würden wohl Winterspiele in Russland tatsächlich boykottiert werden.

Aber ein Ausflug in die chinesische Diktatur, mal eine Pause in der Berichterstattung über die Uiguren, das muss man verstehen. Wann kommt heute der Redaktor schon mal aus seiner Verrichtungsbox in der Hölle des Newsrooms heraus? Das ist doch fast wie früher. Flug in die weite Welt, Wichtigkeit, persönliche Anwesenheit.

Das verfolgen die Zurückgebliebenen mit Neid. Sie fragen sich sowieso, wann sie mal die Hauptrolle in einem Sequell von «The Expendables» spielen dürfen. Denn entbehrlich sind die meisten schon längst, nur leider nicht für eine Hauptrolle geeignet.

Die Zentralredaktion. Unklar, ob von Tamedia oder CH Media oder «Blick».

Da bietet mitten in die Tragödie hinein, dass Corona langsam abgibt, eine potenzielle Kriegsszenerie neue Chancen. Aber leider wird auch hier das fatale Prinzip angewendet, mit dem sich die Journaille schon bei der Pandemie um Kopf und Kragen und Glaubwürdigkeit schrieb. Mangels analytischen Fähigkeiten ist nur möglich, mit Steigerungen auf sich aufmerksam zu machen.

Hintergründe, Analysen, Erklärungen? Ach was.

Hintergründe des Ukraine-Konflikts, darf Russland auf seinem eigenen Territorium Truppen verschieben, während die USA Truppen in fremde Länder schicken? Wer will Krieg, wer nicht? Will sich Russland wirklich die Invasion eines korrupten, bankrotten, mehr oder minder «failed State» ans Bein binden?

Braucht Präsident Putin ums Verrecken einen kriegerischen Erfolg, um von inneren Schwierigkeiten abzulenken? Dank massiv gestiegener Preise für Öl und Gas spült es ihm doch gerade Multimilliarden in die Kassen, und strategisch vertieft sich die Bindung zwischen Russland als Rohstoffquelle mit einigermassen funktionierendem Militärapparat und der neuen wirtschaftlichen Supermacht China.

Aus diesem Grund kann Putin locker behaupten, dass ihm die westlichen Sanktionen schwer an einem gewissen Körperteil vorbeigehen. Das wären Ansätze zu einer Lagebeschreibung.

Aber doch nicht für unsere ausgehungerten und kriegslüsternen Massenmedien. Tamedia ruft den möglichen Kriegsbeginn  – unter Berufung auf eingeweihte Kreise ganz oben in Bern – für den 15. Februar aus. 24 Stunden nach dem Valentinstag, den die sentimentalen Russen halt noch abwarten wollten. Klappt’s nicht mit dem Krieg, hatte man natürlich einen Abbinder parat, Diplomatie könne doch noch das Schlimmste verhüten.

Tamedia übernimmt wie immer die kreischen Analysen des US-Korrespondenten der «Süddeutschen Zeitung», der für einmal nicht einen drohenden Bürgerkrieg in den USA sieht. Hubert Wetzel hat umgesattelt und schimpft nun Richtung russischer Bär: «Die USA blasen Putins Nebelwand davon».

Kriegsspiele, Sandkastenspiele, Manöver

Dazu stellt Tamedia ganze Sandkastenspiele von Hobbykriegern: «Was im Osten alles auf dem Spiel steht», und zum Nachspielen: «Sechs Szenarien einer Invasion. Wo die Ukraine russische Angriffe befürchten muss.»

Redaktionskonferenz, modern.

Bebildert wird das mit einer Vorwegnahme des Kriegs:

Tamedia lässt’s schon mal krachen.

Als Stimme der Vernunft versucht sich die NZZ; sie spekuliert zwar  in der Sonntagsausgabe ebenfalls über das Datum des Kriegsausbruchs, interviewt aber am Montag immerhin einen an der Deeskalation nach der Annexion der Krim beteiligten Schweizer Spitzendiplomaten über «verschiedene Wege aus der gegenwärtigen Krise um die Ukraine».

Auch die Bebilderung ist weniger kriegslüstern:

Bei der NZZ ballert es (noch) nicht.

Der «Blick» gibt einer Gastkommentatorin Gelegenheit, die Schweiz in die Pflicht zu nehmen:

«Die Frage, wann und wo Russland in die Ukraine einmarschieren wird, ist nebensächlich. Viel wichtiger wäre es zu fragen, wie Russlands Verstoss gegen die Uno-Charta zu sanktionieren ist – auch von der Schweiz.»

Als Rechtsanwältin in Genf sollte die Dame vielleicht schon mal etwas von der Schweizer Neutralität gehört haben.

Spendenaktion ins Auge fassen?

Die deutsche «Bild» hingegen zeigt mal wieder, wie man die Sache zu einem Kracher hochschreibt: «So will uns Putin in den KRIEG treiben». Nazivergleiche sind immer schwierig, aber hier liegt die Erinnerung an die Hitler-Lüge, «seit 5.45 wird jetzt zurückgeschossen», auf der Hand.

Figurenset für den Kriegsspielsandkasten.

«20 Minuten» kümmert sich, Hemd näher als Hose, um die «Auswirkungen auf die Schweiz», sollte der Krieg ausbrechen. Die «Schaffhauser Zeitung» verlegt den Beginn immerhin auf den «Mittwoch» und übernimmt damit wie alle Kopfblätter die Sauce aus der CH Media Zentralredaktion. «Nau.ch» leiht sich vom grossen Bruder im Norden die Einschätzung: «Bundesregierung hält Ukraine-Lage für «extrem gefährlich»». Denn  «Blick» weiss: «Jetzt sind die Russen stark genug für eine Invasion».

Das neue Handwerkszeug für Kindersoldaten in News-, Pardon, War Rooms.

Wir versuchen, die Lage zusammenzufassen. Der Krieg kommt. Ob heute oder morgen oder «in diesen Tagen» das ist noch nicht ganz sicher. Deutschland muss unbedingt mehr tun, um den tobenden Bären in die Schranke zu weisen. Die Schweiz sowieso. Sollte Putin Toblerone mögen, käme ein Schokoladeausfuhrverbot als schärfste Waffe in Frage. Die gehört zwar schon längst einem US-Multi, wird aber immer noch in der Schweiz hergestellt.

Es ist allerdings die Frage, ob angesichts der Ablehnung der Milliardenspritze die Anschaffung von Sandkästen für die Newsrooms, in denen Kriegsszenarien nachgespielt werden könnten, noch drinliegt. Vielleicht sollte man eine Spendenaktion ins Auge fassen.

Kriegsspiele aus dem Sandkasten

Abklingende Pandemie, Platz für Kriegsgeschrei.

Tamedia macht sich schon Sorgen um die Versorgung der Bevölkerung mit Notvorrat. Der «Blick» befürchtet eine neuerliche WC-Papier-Krise. Stefan Schmid, der eigentlich überflüssige Chefredaktor des St. Galler «Tagblatt», macht sich strategische Gedanken um den möglichen Einsatz der Schweizer Luftwaffe.

Das hört sich dann so an, wenn ein Spielzeug-General in die Tasten greift:

«Dass die Schweiz als eines der reichsten Länder Europas mithilft, die Sicherheit auf dem Kontinent zu garantieren, ist richtig. Angesichts der angespannten geopolitischen Lage in Osteuropa sind solche Überlegungen wichtiger denn je

Man spürt, wie aus jeder Zeile ernste, angestrengte Bedeutsamkeit tropft. Endlich hat die Journaille ein Thema gefasst, das Platz gibt für die volle Orgel, das ganze Klavier, sogar für Pauken und Trompeten.

Denn es geht doch um alles. Um Krieg und Frieden. Leben und Tod. Verantwortung und Mut. Endlich kann man sich wieder in Schwarzweissdenken suhlen, das Schachbrettmuster einfacher Gedanken und Begrifflichkeiten über die Welt werfen.

Eigentlich ist die Lage doch ganz einfach

Ist doch einfach. Da steht wieder mal der böse Russe, wie weiland im Kalten Krieg. Der ist zwar nicht mehr rot, aber immer noch ein Bär. Zuoberst ist kein Kommunist mehr, aber fast, so ein ehemaliger KGB-Agent, das reicht doch auch als Feindbild.

Dann haben wir das unschuldige Opfer. Die Ukraine, ein Land voll lupenreiner Demokraten, fleissig, westlich orientiert, mutig, unserer Sympathie und Unterstützung würdig. Da gab es doch auch mal so eine Heldin mit blondem, geflochtenem Haarkranz, und einen Helden mit leicht entstelltem Gesicht, weil der einen Giftanschlag überlebte. Wie hiessen die nur?

Der Präsident des Landes, wie heisst der schon wieder, war anscheinend ein Komiker. Vielleicht ist er’s noch. Dann ist da noch irgendwas mit Erdgas, und wo liegt die Ukraine schon wieder genau? An welche Länder grenzt sie? Was ist ihre Geschichte?

Ach, das würde ja alles zu weit führen. So kann man sich doch nicht richtig auf Krieg oder Frieden vorbereiten. Schliesslich müssen wir alle mithelfen, die Sicherheit auf dem Kontinent zu garantieren. Das sind wir Europa schuldig, reich, wie wir sind.

ZACKBUM bietet dazu Hand; wir geben eine Garantieerklärung für die Sicherheit auf dem Kontinent ab. Nimm das, du russischer Bär, und troll dich.

Nach der Intensivstation nun der War Room

Offensichtlich ist den meisten Medien ihre in der Pandemie entdeckte staatspolitische Bedeutsamkeit in den Kopf gestiegen. So wie sich eigentlich jeder Redaktor in einen Epidemiologen, Virologen und Seuchenspezialisten verwandelte, muss man sich das nun so vorstellen, dass die wenigen überlebenden Kindersoldaten im Newsroom sich in einem War Room fühlen, vor sich ein virtuelles Schlachtfeld mit den Blauen (unsere, die Guten) und den Roten (die anderen, die Bösen).

All die Virenkenner verwandeln sich nun in Spezialisten der Kriegskunst. Panzer, Artillerie, Luftwaffe, Seestreitkräfte nicht vergessen. Ach, Raketen natürlich, und am Schluss entscheidet immer die Infanterie.

Wie steht es eigentlich im näheren Umfeld der Schweiz? Im letzten grossen Krieg waren ja eigentlich alle gegen uns, wollten sich aber die Verkehrswege nicht kaputtmachen, und so ein neutraler Handelsplatz mitten in Europa war ja auch nicht schlecht.

Und heute? Wenn wir Kriegsstrategen nach Norden blicken, müssen wir erschrecken. Was ist aus dem deutschen Landser geworden? Überhaupt aus der Armee? Die Teutonen senden 350 Soldaten in den Osten und rund 6000 Helme. Das ist alles? Was macht Frankreich? Mit wem verbündet sich Italien? Das ist wichtig zu wissen, denn wer Italien an seiner Seite hat, verliert eigentlich immer. Österreich? Ach, die sind ja auch neutral, müssen uns wieder alles nachmachen.

So viele offene Fragen, so wenig Antworten

Sind wir eigentlich auch mental auf einen Krieg vorbereitet? Wird er uns wieder verschonen? Können wir uns mit den guten Diensten retten? Und bei allem Spass an neuen Fliegern, wie steht’s mit Cyberwar? Heutzutage muss Infrastruktur nicht mehr bombardiert werden, ein paar Computerviren erledigen das viel effizienter.

Wie steht es mit der Fünften Kolonne, dem Feind im Inneren? Gibt’s den überhaupt, und wenn ja, woran erkennt man ihn? Wem muss man zurufen: «Moskau einfach»?

Da gibt es noch so viel jungfräuliches Terrain zu beackern, so viele Fragen sind noch offen. Wir müssen den Journalisten aber noch etwas Zeit lassen, Betriebstemperatur zu erreichen. Ist schliesslich nicht so einfach, den Geschlechterkampf, die Durchsetzung des Gendersterns, den Kampf gegen Rassismus, Sklaverei, Mohrenköpfe und Männersprache mit echtem Kriegshandwerk zu ersetzen.

Sagen wir so: wenn Corona-Kreische Marc Brupbacher nicht mehr Viren zählt, sondern Panzer und Bodentruppen, dann wissen wir, dass der Paradigmenwechsel stattgefunden hat. Ehrlich gesagt ist Kriegsgeschrei zwar genauso nervig wie die ewigen Warnungen vor dem Massensterben durch ein Virus. Aber es ist immerhin eine Abwechslung.

Ins Hirn geniesst?

Stell dir vor, es ist Krieg und Tamedia schaut hin.

Entzugserscheinungen können grausam sein. Das weiss nicht nur jeder aufgehörte Raucher. Die Medien quälen sich bereits mit Corona-Entzug. Was tun, wenn dieses Thema wirklich wegfallen sollte?

Da muss natürlich Ersatz her. Irgend eine Krise, das ist immer gut. Krise? Quatsch, Krieg ist viel besser. In Afrika gibt es jede Menge Kriege, aber meiner Treu, das interessiert doch keinen, wenn sich dort Schwarze gegenseitig abmurksen. Und von «black live matter» hat man auch nix mehr gehört.

Vom «Blick» sogleich dankbar aufgenommen, hatte Tamedia einen Gedankenblitz. Natürlich, und erst noch naheliegend:

«In der Ukraine droht Krieg: Informierte Kreise in der Bundesverwaltung sehen die grösste Gefahr eines russischen Einmarsches für die Zeit um den 15. Februar.»

Wunderbarer Einstieg. Hätte er gelautet: Beni Gafner brauchte unbedingt einen neuen Artikel, um sein Plansoll zu erfüllen, das wäre entschieden schlaffer gewesen.

Aber «informierte Kreise», gleich ein fixes Datum, das haut rein. Natürlich folgt der Abbinder, dass auch eine Deeskalation dank Diplomatie möglich sei. So für den Fall, dass dummerweise am 15. doch kein Krieg ausbricht.

Was macht man nun angesichts dieser Kriegsgefahr? Si vis pacem para bellum. Okay, das ist Latein, kehren wir aufs Niveau Tamedia zurück: «Was droht bei einem Krieg in der Schweiz knapp zu werden?»

Da kann der «Blick» konkret werden:

Dafür erinnert Tamedia gleich an den guten, alten Notvorrat:

 

Also liebe Journis, man muss auch mal lernen, zu leiden ohne zu klagen. ZACKBUM ist ganz bei euch, wir fühlen den Schmerz. Thema weg, Loch, Depression, Alkoholismus. Arbeitslosigkeit. Worüber nur schreiben?

Dabei gibt es doch – in der Not – so viele andere Themen, als gleich einen Krieg herbeizuschreiben. Der eigene Bauchnabel, das konsequente Gendern, Ausgrenzung, Diskriminierung und immer noch Passanten tief verletzende Mohrenköpfe an Gebäuden. Und was ist eigentlich mit der Untersuchung des Protests von 78 erregten Tagi-Frauen passiert? Gibt’s da so nach fast einem Jahr mal Ergebnisse?

Apropos Ergebnisse, schreibt doch über Erlebnisse. Der schönste Absturz in der Kneipe. Wie es war, als ich nach Hause kam und meine Frau mit einem anderen im Bett ertappte. Mein letzter Velounfall. Wie mir im Restaurant eine angebrannte Pizza serviert wurde.

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