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Ukraine am Ende

Ein paar simple Tatsachen über Kriegsführung.

Man kann einen militärischen Zwerg wie die Ukraine mit genügend Militärhilfe zu einem Scheinriesen aufpumpen. Man kann einen ehemaligen Komiker zum Präsidenten aufblasen, der nach seinem gekauften Wahlsieg eine Weile blendend die Rolle als tapferer Kriegsherr spielt.

Man kann Mal für Mal die drohende Niederlage der russischen Invasoren behaupten, von einer Gegenoffensive faseln und einen «Friedensplan» ernsthaft vorstellen, der von Russland niemals akzeptiert würde. Schon alleine, weil er eine Aburteilung russischer Kriegsverbrecher fordert, das aber bei der Ukraine unterlässt. Man kann auch versuchen, in der Schweiz eine Friedenskonferenz einzuberufen, die Russland zu Recht als Farce bezeichnet. Nicht zuletzt deswegen, weil die Schweiz durch das Mittragen der sinnlosen Sanktionen ihre Neutralität aufgegeben hat.

Man kann daran vorbeisehen, dass Präsidentschaftskandidat Donald Trump schon jetzt verhindert, dass die USA ihre Militärhilfe fortsetzen. Man kann daran vorbeisehen, dass die EU nur einen kleinen Teil der versprochenen Waffenhilfe geleistet hat. Man kann darüber hinwegsehen, dass Präsident Selenskyj in der Ukraine eine Autokratie errichtet hat – ohne Opposition, ohne freie Presse, dafür anhaltend hochkorrupt –, die sich immer weniger von der Autokratie in Russland unterscheidet.

Man kann einem Präsidentendarsteller in martialischer Uniform und sorgfältig gestutztem Kriegsbart zujubeln, obwohl der sein Interesse, an der Macht zu bleiben, über die Interessen seines Landes und des Militärs stellt. Denn es gibt ja keinen Grund, einen erfolgreichen Armeechef wie Waleri Saluschni abzusetzen – ausser, dass dessen Zustimmungswerte haushoch über denjenigen des Präsidenten liegen.

Man kann ständig über den ungebrochenen Kampfeswillen, ja eine Reheroisierung in der Ukraine faslen und den Zustand der russische Streitkräfte als desaströs und nahe an der völlige Niederlage beschreiben.

Man kann darüber hinwegsehen, dass Selenskyj von US-PR-Agenturen beraten und von Mitspielern im Showgeschäft gelenkt wird. Sein Stabschef Andri Jermak war zuvor als Wirtschaftsanwalt und Filmproduzent tätig. Nichts davon befähigt ihn, wie den Präsidenten auch, ein Land im Krieg verantwortungsvoll zu führen.

Man kann darüber hinwegsehen, dass die Ukraine längst den Zeitpunkt verpasst hat, mit Russland einen für beide Seiten akzeptablen Frieden auszuhandeln. Nach fast zwei Jahren Krieg zeigt sich, dass die russische Kriegsindustrie auf vollen Touren läuft, die Sanktionen nur marginale Wirkung zeigen und die Einnahmen aus dem Verkauf von Rohstoffen sprudeln wie nie.

Währenddessen vermeidet die Ukraine nur deswegen den Staatsbankrott, weil immer noch von der EU Mulitmilliarden für das Funktionieren des Staates hineingepumpt werden.

Oder in banalen Zahlen: 831’000 Soldaten gegen 200’000. 4182 Flugzeuge gegen 312. 12’600 Kampfpanzer gegen 1900. Selbstfahrende und geschleppte Artillerie 10’000 gegen 1’800.

Man kann über das Interview herziehen, dass Präsident Putin dem US-Journalisten Tucker Carlson gab, über die Grösse des Tischs oder die Farbe von Carlsons Krawatte perseverieren. Und den Inhalt mit ein paar übellaunigen Nebensätzen abtischen.

All das kann man tun.

Man kann auch behaupten, dass in der Ukraine so ziemlich alle westlichen Werte verteidigt würden, obwohl sie dort nicht existieren. Man kann alte Feindbilder von slawischen Horden, entmenschten russischen Kämpfern, brutalen asiatischen Kriegern wieder aufwärmen. Man kann behaupten, Deutschland müsse sich ernsthaft auf einen russischen Angriff gefasst machen. Obwohl in den letzten Jahrhunderten Russland zweimal von Deutschland und einmal von Frankreich überfallen wurde und selbst niemals Westeuropa überfiel.

All das kann man tun.

Man kann auch jeden Abweichler von dieser Generallinie als Putin-Versteher, Diktatorenfreund, Befürworter von militärischen Überfällen, gar als Landesverräter, Demokratiefeind, nützlichen Idioten, wehrunwilligen Lakaien Moskaus, Opfer feindlicher Propaganda, Defätisten, Diversanten und Befürworter von Diktatur und Unrechtsstaaten denunzieren.

All das kann man tun.

Man kann auch einseitige Kriegspropaganda betreiben wie in den schlimmsten Zeiten der beiden vergangenen Weltkriege, wo die eigene Seite heroisch, blütenweiss, tapfer, menschlich, unerschrocken und siegeswillig dargestellt wird. Die feindliche Seite als verschlagen, dunkelschwarz, feige, unmenschlich, verzagt und wankelmütig.

All das kann man tun.

Man kann aber nicht behaupten, dass damit ein wirklichkeitsnahes Bild der Situation in der Ukraine hergestellt würde. Man kann nicht behaupten, dass so die sogenannten deutschsprachigen Qualitätsmedien auch nur im Ansatz ihrer Aufgabe nachkommen, ihre Konsumenten mit Einordnungen, Analysen und realitätsnahen Beschreibungen zu versorgen, auf dass sich die eine eigene Meinung bilden könnten.

Unabhängig davon, wie der Krieg in der Ukraine ausgeht: eine weitere dramatische Niederlage haben die Massenmedien bereits erlitten. Allerdings nicht durch feindliche Einwirkung, sondern selbstverschuldet.

Kriegsberichterstattung, reloaded

Kann man absurd steigern? Die Medien probieren’s.

Neues vom Sändele im militärischen Sandkasten. Das Kriegsglück schwankt, die Meldungen sind widersprüchlich, aber energisch vorgetragen.

In der militärischen Kommandozentrale des «Blick», aka Samuel Schumacher, «Ausland-Reporter» mit Einsatzgebiet Newsroom, herrscht Konsternation:

Statt Triumphmeldungen von den tapferen Ukrainern muss Schumacher Trauriges vermelden: «Das Fiese am russischen Killer-Kopter: Er kann seine Raketen aus bis zu zehn Kilometern Entfernung abfeuern und sie mit seinem integrierten Laserstrahl auf jedes erdenkliche Ziel in seinem Blickfeld lenken – bei Tag und bei Nacht. Damit liegt der Alligator ausserhalb der Reichweite der allermeisten ukrainischen Flugabwehrgeräte an der Front. Ein verzweifelter ukrainischer Soldat sagte gegenüber der «Bild»: «Wir haben nichts, um die russischen Helikopter in acht Kilometern Entfernung zu bekämpfen

Ist ja wirklich fies von den Russen, eine neue Wunderwaffe einzusetzen, mit der niemand gerechnet hat. Wobei: «Seit 2008 wird der 310-Stundenkilometer schnelle Killer-Heli in Russland seriell hergestellt.» Also eher ein Oldie auf dem Schlachtfeld.

Schon am 21. Juni musste Chiara Schlenz, «Ausland-Redaktorin» mit Einsatzgebiete Bildschirm, Unerwartetes von der Front vermelden:

Da sind die fernen «Kriegsbeobachter» mal wieder «überrascht», diese schwankenden Gestalten. Sie können ja auch nur abschreiben, was geschrieben steht: «Berichte über eine heftige russische Gegenoffensive zur Gegenoffensive häufen sich in den letzten Tagen.» Und versuchen, das Beste draus zu machen: «Diese aufwendigen Verteidigungsanlagen zeugen aber nicht nur von guter russischer Vorbereitung – sondern auch von russischer Angst.»

Wechseln wir zu Organen, die wenigstens behaupten, Journalismus in langen Hosen zu betreiben. In der neu benannten Rubrik «Russlands Krieg» zeigt Tamedia Tierliebe («Tiere suchen nach der Flut von Cherson ein neues Zuhause», was man als Tierporno bezeichnen könnte). Dann erholen sich «Ukrainierinnen, die von Russen missbraucht worden sind, im Zistertienserinnenkloster in Freiburg». Putin gebe «sich ganz volksnah», und im «Ticker» wird auch nur Pipifax vermeldet. Alles ruhig an der Front, wenn man Tamedia glauben will.

Auch CH Media berichtet weitab vom Kampfgeschehen: «Rache ist süss – Putin liquidiert das Wirtschaftsimperium des Söldner-Chefs». Auch der «Ukraine-Newsblog» muss News zusammenkratzen: «Selenski will Ukraine für Basis für Rakentschutzschirm in Europa machen» und «Bedrohter Getreidedeal: EU -Staaten erwägen Zugeständnis an Europa». «Will» und «erwägen», die beiden Allheilverben für: alles reine Spekulation. Eine knallharte Reportage hingegen ist das hier: «Die besten Skiakrobaten der Ukraine trainieren in der Schweiz – was macht der Krieg mit ihnen

Ach, und: «Rätselhafter Angriff in der Wüste – der Druck auf die Wagner-Söldner ausserhalb von Russland steigt». Das haben wir noch vergessen: «Druck steigt», die Allerweltsformel für «nichts Genaues weiss man nicht».

Nun ein militärstrategischer Zwischenruf der Kriegsmaschine «watson»:

Das trifft sich gut; da Putin bekanntlich auch wahnsinnig ist, müssten sich die beiden ausgezeichnet verstehen.

«20 Minuten» hat die geheimen Operationskarten des ukrainischen und des russischen Generalstabs durchgeblättert und versucht es mit einer grafischen Darstellung der Lage:

Korrekt ist sicherlich Transnistrien eingezeichnet, der Rest ist allerdings gegendarstellungsfreier Vermutungsraum.

Weit in die Vergangenheit blickt hingegen die NZZ, um weit in die Zukunft zu schauen:

Tatsächlich korreliert der Rückzug aus Afghanistan mit der Auflösung der UdSSR, wieweit er auch kausal daran beteiligt sein soll, weiss nur Ulrich Schmid, der Russland-Experte auf allen Kanälen. Noch wilder ist sein Blick in die Zukunft: «Was geschieht mit dem Vielvölkerstaat Russland nach einer Niederlage in der Ukraine?» Wenn man das auch historisch sehen will: nichts. Abgesehen davon, dass es zu einer Niederlage noch weit, sehr weit hin ist. Und zur Voraussetzung hätte, dass auch Russland, wie die USA in Vietnam oder Korea, gegen den Ratschlag der Militärs auf den Einsatz von Atomwaffen verzichten würde.

Aber die NZZ sorgt sich auch um die Heimatfront: «Die Schweiz wird als Spionage-Drehscheibe für Russland wichtiger – müssen die Behörden härter durchgreifen?» Die Frage stellen, heisst natürlich für die NZZ, sie auch beantworten.

Wer sich die Mühe machen würde, die Kriegsberichterstattung im Ersten oder Zweiten Weltkrieg durchzublättern, würde wenig überrascht zur Kenntnis nehmen: dass die Wahrheit im Krieg zuerst stirbt, ist eine ewig gültige Wahrheit.

Armes Rammstein

Alles nur geträumt? Tom Kummer will in Bern gewesen sein.

Früher hatten seine Storys bei der «Weltwoche» wenigstens einen Warnhinweis als Packungsbeilage: «Basierend auf wahren Begebenheiten». Oder auf Deutsch: kann so gewesen sein, muss aber nicht.

Wenn man bei einer Reportage nicht weiss, was erlebt und was erfunden, erschwindelt, halluziniert, gedichtet ist, wieso soll man sie dann noch lesen? Also stellte ZACKBUM die Lektüre von Kummertexten als Zeitverschwendung ein. Schlimm genug, dass die «Weltwoche» ihren kostbaren Platz darauf verschwendet.

Nun will Kummer beim Konzert von Rammstein in Bern gewesen sein und schreibt darüber. Das hat – was immer man vom Sänger und von der Musik und den Texten halten mag – die Band nicht verdient. Schon im Lead türmt Kummer Geschwurbel aufeinander: «Überwältigungskunst, deutsche Seele, Richard Wagner, «Blade Runner», Friedrich Nietzsche».

Hier beschleicht einen zum ersten Mal der Verdacht: ist Kummer eine KI? Oder hat er einen Chatbot diesen Text schreiben lassen?

Denn genauso schwülstig geht’s weiter: «Deutsches Bombergeschwader, Heimatkrieg, Bern brennt!» Interessant, dass solche Beschallung ermüdend langweilig sein kann, obwohl der Autor atemloses Stakkato imitieren will. «Hier ist jetzt alles möglich. Auch der Untergang», fabuliert Kummer. Jeglicher Reporterstolz ist bereits untergegangen.

Sieht er aber anders: «ich denke bereits ein wenig wie vielleicht der deutscheste aller Komponisten, Richard Wagner». Denken wie Wagner? Auf eine solche Sottise muss man erst mal kommen. Einzig gesicherte Tatsache ist: so hat Wagner nie gedacht.

«Filmästhetik von Leni Riefenstahl … ewige Strahlkraft der Nazi-Ästhetik, die im Pop nie verschwunden sei … Schlachtenszenen aus «Herr der Ringe»… Bomben fallen! Das Feuer breitet sich jetzt aus … jene vorderste Front, wo in einem wahren Krieg der Fleischwolf beginnt.»

Was wohl Kummer vom wahren Krieg weiss? Wohl so viel wie von Wahrhaftigkeit. Dafür schwurbelt Kummer hemmungslos alles durcheinander: «Es ist jene magische Stelle, von wo aus Helmut Rahn im alten Wankdorf beim WM-Finale 1954 mit dem linken Fuss das Tor schiesst, das heute noch ein Zeichen des Aufbruchs nach dem verlorenen Weltkrieg und den Entbehrungen der Nachkriegszeit gilt.»

Während Kummer wie Wagner denkt und wie ein Irrwisch schreibt, muss nun auch noch Nietzsche dran glauben. Der ist im Banalduktus nie weit: «Er hätte seine wahre Freude an Rammstein gehabt.» Weiss Kummer, der nun wohl auch wie Nietzsche denkt. Aber eigentlich ist er ja an einem Konzert. Oder auch nicht. Weiss man’s? «Es regnet gerade K.-o.-Tropfen – so jedenfalls sieht’s aus, als der Anführer eine Wasserflasche ins Publikum wirft und einige Mädchen auf die Knie fallen, um die Flasche kriechend aufzuspüren.» Check, sagt man da in Kummers Wahlheimat, auch dieser Punkt ist abgehakt.

Aber es ist mal wieder Zeit, beliebig Namen regnen zu lassen. «Goethe, Brecht und KraftwerkTheodor Fontane und die Gebrüder GrimmWilhelm Busch.» Ob da die KI wieder mal mit den Namen deutscher Autoren gewürfelt hat? Wieso ist ihr dann nicht «Dichtung und Wahrheit» eingefallen? Ist doch von Goethe. Hätte Nietzsche auch gefallen. Wagner wollte es vertonen. Busch zeichnen. Alles wahr.

Aber nun schlüpft Kummer aus dem Kopf von Wagner, Nietzsche und wem auch immer. Dafür in den Kopf von Konzertbesuchern: «Es sind auch ältere Menschen darunter, die aussehen, als hätten sie sehr viel Zeit mit Videospielen verbracht, wo sie in Rollen von folternden und tötenden Figuren geschlüpft sind.»

Nun ist Kummer auf Betriebstemperatur: «Die Wankdorf-Frauen, die mich einkreisen, fordern jetzt den totalen Krieg.» Obwohl er an einem Rammstein-Konzert ist, hat er nicht kapiert, wo der Unterschied zwischen künstlerischer Provokation und kunstloser Geschmacklosigkeit liegt.

Aber he, Kummer ist nicht einfach ein normaler Besucher: «Schliesslich gibt’s auch im Wankdorf einen Backstage-Bereich, konnte mich selbst davon überzeugen.» Natürlich gibt’s den, nur: wenn Kummer das behauptet, ist man geneigt, an seiner Existenz zu zweifeln.

Aber leider ist er immer noch nicht fertig, er muss ja noch zur Apotheose kommen, zum Erhabenen, wie das Nietzsche im wagnerischen Sinne mit den Worten Fontanes und in den Zeichnungen von Busch sagen würde. Oder so: «Die deutschen Bomber sind nach Bern gekommen, um uns mit Stechschritt und Poesie, Brachialität und Innerlichkeit, Feuer und Detonationskringel zu unterhalten.»

Das mag ja sein. Aber sie haben vergessen, Kummer Stadionverbot zu erteilen. Oder sie haben es gemacht und er war gar nicht dort. Oder er hat’s Konzert verpasst. Man weiss es nicht. Aber man weiss, dass dieser Text unerträgliches Hypern ist, ein abschreckendes Beispiel dafür, was herauskommt, wenn ein Nichtkönner versucht, New Journalism und Gonzo zu kreuzen. Und Gonzo konnte höchstens Hunter S. Thompson, aber auch der nicht immer.

 

Sudan? Falscher Ort

Und falsche Hautfarbe. Ausserdem zu weit weg.

Seit dem 15. April tobt im Sudan ein Krieg zwischen zwei verfeindeten Warlords, die um die ganze Macht im Land kämpfen. Die «Sudan Armed Forces» unter Abdel Fattah al-Burhan stehen den «Rapid Support Forces» unter Hemedethi gegenüber. Beide verfügen über jeweils rund 100’000 Kämpfer.

Konservativ geschätzt wurden bereits mehr als 2000 Menschen getötet, über 6000 verwundet. Eine Million Menschen sind auf der Flucht. Die wenigen Spitäler sind grösstenteils nicht mehr in Betrieb, Nahrungsmittel, Wasser, Medizin und Treibstoff sind extrem teuer geworden.

Natürlich kochen auch diverse ausländische Mächte dort ihr Süppchen, darunter ein libyscher Warlord, die Wagner Truppe, Ägypten, Äthiopien und die Vereinigten Arabischen Emirate. China, der französische Konzern TotalEnergies oder der US-Multi Chevron Corporation kümmern sich um die Ausbeutung der Ölvorräte des Landes.

Also alles in allem ein Desaster mit Hunderttausenden von Vertriebenen, Verhungernden, Elenden. Nur: ab und an poppt eine Meldung in den Medien auf. Aber gibt es ernsthafte Anstrengungen, den Konflikt zu befrieden? Sollen die Warlords mit Sanktionen zur Räson gebracht werden? Wird Druck auf alle Länder ausgeübt, die die Kriegstreiber mit Waffen und Ausrüstung versorgen? Fordert wenigstens Fabian Molina die sofortige Aufnahme von ein paar tausend Flüchtlingen?

Ach wo. Warum ist das so? Auch wenn es alle Gutmenschen, die am liebsten in einer ukrainischen Flagge eingewickelt schlafen, entrüstet abstreiten würden: interessiert niemanden wirklich. Schwarzafrika. Elendsloch. Immer das Gleiche. Neger, Pardon, Schwarze, Pardon, PoC metzeln sich ab. Kein blauäugiger Weisser weit und breit. Keine Lichtgestalt vorhanden, im Kampf gegen den Bösewicht. Zu kompliziert. Zu weit weg. Man kann sich doch nicht um alles kümmern.

Die Kamikaze-Krakeeler

Widersprich nie deinen Lesern. Alte Journalistenregel. Pfeif drauf.

Von Strack-Zimmermann aufwärts und abwärts gibt es Flachdenker, die meinen, Massenimmigration führe zu einer multikulturellen Durchmischung und Bereicherung der Gesellschaft.

Es gibt auch Flachdenker, die meinen, eine militärische Auseinandersetzung mit einer Atommacht könne man auf dem Schlachtfeld gewinnen. Die wollen als strahlende Sieger in den atomaren Holocaust marschieren.

Unterwegs dahin plappern sie ein Sammelsurium von Narrativen nach, die von geschickten US-PR-Buden in die Welt gesetzt wurden.

Kurze Packungsbeilage: natürlich ist der Überfall Russlands auf die Ukraine völkerrechtswidrig, geschieht unter Bruch eigener Versprechen und macht Russland zu einer Atommacht, der man längere Zeit nicht vertrauen kann, selbst wenn sie heilige Eide schwört.

Warum genau soll Russland eine militärische Niederlage in der Ukraine erleiden?

– weil hier der freie Westen gegen eine slawische Diktatur kämpfe

– weil Putin nach der Ukraine den übrigen Ostblock aufrollen wolle, gebietet man ihm dort nicht Einhalt

– weil es darum gehe, die ukrainische Demokratie, Souveränität und den heldenhaften Wehrwillen zu unterstützen

– weil Russland als Verlierer für die angerichteten Schäden aufkommen müsse. Ersatzweise können auch beschlagnahmte russische Vermögen dafür eingesetzt werden

– weil ein solcher Bruch aller Regeln des friedlichen Zusammenseins nicht geduldet werden könne

– weil die ganze Welt diese Invasion verurteile und Russland mit Sanktionen bestrafe

– weil Putin und seine Kamarilla vor ein internationales Kriegsgericht gehörten

– weil Präsident Selenskjy und seine Getreuen die Werte des freien Westens und die Demokratie verteidigten

– weil Putin zweifellos böse, irr, verbrecherisch, wahnsinnig, machtgierig, hinterhältig und keinem vernünftigen Argument zugänglich sei

– weil er und ganz Russland bestraft werden müssten

– weil Russland die Fähigkeit genommen werden müsse, das nochmal zu probieren

Einige dieser Argumente sind dermassen bescheuert, dass sich eine Widerlegung kaum lohnt. Es genügt, den wahren Satz des wohl einflussreichsten Intellektuellen der Welt wieder und wieder zu wiederholen. Noam Chomsky sagt:

Kriege werden nur auf zwei Arten beendet. Durch eine vollständige Niederlage einer der beiden Kriegsparteien – oder durch Verhandlungen.

Eine vollständige Niederlage Russlands ist ausgeschlossen, eine vollständige Niederlage der Ukraine ist denkbar, aber nicht sehr wahrscheinlich.

Nun gibt es Schlaumeier, die sagen: ja, sicher, irgendwann muss es Verhandlungen geben. Aber vorher muss Russland so geschwächt werden, so herbe Verluste hinnehmen, dass auch seine Verhandlungsposition geschwächt ist.

Diese Sandkastengeneräle wünschen also aus ihrer wohlig beheizten Klause heraus, dass es noch möglichst viele weitere Tote in der Ukraine gibt, noch mehr Infrastruktur zerstört wird, noch mehr Leid und Gram über die Bevölkerung hereinbrechen. Das ist schlichtweg widerwärtig.

Da nicht die ganze Welt, sondern nur eine einstellige Zahl von Staaten (wenn man die EU als ein Staatsgebilde nimmt) Sanktionen gegen Russland verhängt haben, ist es auch illusorisch anzunehmen, dass die Atommacht mit angeschlossener Rohstoffindustrie wirtschaftlich in die Knie gezwungen werden kann. Im Gegenteil, in erster Linie leiden unter den Sanktionen schwächere europäische Staaten.

Völlig pervers werden sie, wenn sie beispielsweise die Produktion von Düngemitteln betreffen. Darunter leidet dann nicht Russland (oder die Düngemittelfabrtikanten), sondern die Dritte Welt, von allem afrikanische Staaten, die sich den Import von dringend benötigten Düngemitteln nicht mehr leisten können. In Afrika ist von einer heraufziehenden schweren Hungersnot die Rede, was aber im Westen keinen interessiert. Oder in Umkehr von Ursache und Wirkung wird das auch Russland in die Schuhe geschoben.

Vielleicht sollten sich diese Kriegsgurgeln eine einfache Frage stellen: ist die Unterstützung eines zutiefst korrupten Oligarchenregimes eines Staates, der erst seit etwas mehr als 30 Jahren taumelnde Schritte in die Selbständigkeit unternimmt, das Risiko eines Atomkriegs wert?

Ist ein Präsident, der ein begabter Schauspieler ist, unter martialischem Olivgrün seine Muskeln spielen lässt, sich mitsamt Gattin sogar in der «Vogue» wie von Leni Riefenstahl inszeniert ablichten lässt, ist ein Präsident, der sich seine Präsidentschaft von einem Oligarchen kaufen liess, der damit ein eigenes Milliardenproblem löste, ist ein Präsident, der selbst Multimillionär ist und prominent in den letzten geleakten Papieren über Offshore-Konstrukte vorkam, ist ein Präsident, der masslose Korruption duldet, bis er nicht umhin kann, fürs Schaufenster durchzugreifen, ist ein Präsident, der die Opposition und potenzielle politische Konkurrenten übel unterdrückt, ist ein Präsident, der eine Pressezensur betreibt, die der russischen in nichts nachsteht, ist ein solcher Präsident wirklich die Lichtgestalt, für die wir alle in den Tod gehen wollten?

Früher gab es den blöden Spruch «Lieber tot als rot.» Dabei wäre «lieber rot als tot» viel intelligenter, hoffnungsfroher, subversiver, lebensbejahender gewesen.

Daher hat ZACKBUM eine klare, eindeutige Meinung, insofern die überhaupt eine Rolle spielt, was die Unterstützung der Ukraine mit noch mehr Waffen und mit noch gewaltigeren Waffen betrifft.

Sie lautet nein. Nein, und nochmals NEIN.

Wir sind da nicht ganz alleine. Das Manifest für den Frieden ist innert kürzester Zeit bereits von knapp einer halbe Million Menschen unterschrieben worden.

Versuch der Einordnung

Auch hier wird’s kriegerisch, wenn es um die Ukraine geht.

Es ist wie bei einer Wahl oder Abstimmung. Bei allem Für und Wider muss man sich für einen Kandidaten entscheiden. Oder für ein Ja oder Nein. Abgesehen von Stimmenthaltung, aber das würde im Publizistischen einfach Schweigen bedeuten. Nun hat aber wohl (fast) jeder eine Meinung zum Ukrainekrieg.

Auch hier sind letztlich binäre Entscheidungen gefragt. Für welche Seite will man Partei ergreifen, mit welchen Argumenten. Unabhängig davon, ob man auf der Seite Russlands oder der Ukraine steht: bei 99 Prozent, ach was, 99,99 Prozent der hier Streitenden ist das völlig egal, spielt keine Rolle, hat keinen Einfluss auf die Geschehnisse. Verlängert oder verkürzt den Krieg um keine Sekunde. Ändert null an seinem Verlauf.

Dennoch ist es geboten und nötig, sich Gedanken darüber zu machen. Schon alleine deswegen, weil der Ukrainekrieg auch Auswirkungen auf uns hat. Auf unser Leben, unser Budget, unsere Zukunft. Oder gar auf unser Ende.

Wir können die Ereignisse nicht beeinflussen. Aber wir können das Niveau und die Qualität der Argumente und Meinungen messen und beurteilen. Sowie versuchen, unter Anwendung von gesundem Menschenverstand und Logik aus intellektuellem Spass Analysen, Einschätzungen und Meinungen zum Besten zu geben. Wobei jede solche Äusserung einen unbestreitbaren Vorteil hat: niemand ist gezwungen, sie sich anzuhören oder zu lesen.

Alles freiwillig – und hier gratis. Das berechtigt den Betreiber der Plattform und den grossartigen Content Provider, für Zucht und Ordnung in den Kommentarspalten zu sorgen. Nebenbei gesagt.

Vor der binären Entscheidung – dafür oder dagegen, ja oder nein – steht eine möglichst hochklassige Erwägung. Solche gibt es. Aber sie sind begraben unter einem wahren Schuttberg von flachbrüstigen Krakeelern, Bedienern von Narrativen, Wiederholern von Banalitäten, Schreibtätern, die ungeniert nach mehr Gemetzel, Massakern und Zerstörungen in der Ukraine gieren. Mutigen Kriegsgurgeln, die ein direktes Eingreifen der NATO fordern und somit einen Dritten Weltkrieg in Kauf nehmen.

Bei ihnen ist es segensreich, dass auch ihre Meinungen und Forderungen ungehört verhallen.

Dann gibt es ganze Heerscharen, die ihre Aufgabe nicht in erster Linie darin sehen, eigene Gedanken zur Debatte beizusteuern, sondern in ihren Augen falsche Meinungen zu denunzieren. Dahinter vermuten sie meist unmenschliche, dumme, menschenverachtende, manipulierte Haltungen. Nassforsch fordern sie, dass solche Ansichten, gerne auch als Verschwörungstheorien denunziert, von der öffentlichen Debatte auszuschliessen seien.

Gleichzeitig kritisieren sie die in Russland herrschende Meinungszensur aufs schärfste. Übersehen, dass die auch in der Ukraine herrscht – und dass ein Verbot einer TV-Station wie Russia Today den gleichen Geist des obrigkeitshörigen Zensors atmet, der das Volk ja nur vor schädlichen Einflüssen beschützen möchte.

Wenn sich also ZACKBUM gelegentlich zu eigenen Meinungsäusserungen hinreissen lässt, so sind sie immer von zwei Faktoren begleitet. Der erste und wichtigste: wir zweifeln in erster Linie an allem. Natürlich auch an uns. Niemals wollen wir die einzige, richtige, wahre Wahrheit verkünden. Wir sind auch lernfähig, ein zweites Alleinstellungsmerkmal. So ist der Kommentar von Andreas Rüesch «Wer auf den Knien um Putins Gas bettelt, ruft zur Kapitulation gegenüber Russlands Grossmachtpolitik auf», ein auf einsamer Flughöhe geschriebenes Denkstück. Schade, dass es hinter der Bezahlschranke der NZZ steht, schade, dass eine Spur Parteipolitik den Leser leicht verstimmt.

Aber der Inhalt, die Stringenz der logischen Argumente, das ist herausragend. Zunächst zerpflückt Rüesch die Argumente der Unternehmerin und SVP-Nationalrätin Martullo-Blocher, die sich für Verhandlungen mit Putin starkmacht. Ein Deal sei vor allem im Interesse Europas, argumentiert die Politikerin. Rüesch hält dagegen:

«Zunächst ist festzuhalten, dass Putin kein Dummkopf ist. Dass man ihn dazu bewegen könnte, wenigstens die Energieversorgung bis nächsten Frühling zu garantieren, wie dies die Nationalrätin fordert, mag man sich in helvetischer Schlaumeierei erhoffen. Aber Putin weiss selbstverständlich, dass seine Energiewaffe jetzt am schärfsten ist, solange Europa noch Anpassungsprobleme hat. Schon 2023 ist sie wesentlich stumpfer. Wer jetzt eine Vereinbarung mit ihm sucht, zahlt entsprechend einen viel höheren Preis am Verhandlungstisch.

Zudem ist es keineswegs so, dass mit Moskau niemand Gespräche über eine Friedenslösung geführt hat. Das Problem ist vielmehr, dass Russlands Forderungen unerfüllbar hoch sind. Die Ukraine bietet an, ihr Nato-Beitritts-Gesuch zurückzuziehen und ihre politische Neutralität zu erklären. Doch der Kreml ist darauf nicht eingestiegen und setzt auf eine militärische Lösung, um sich einen möglichst grossen Teil des Landes einzuverleiben.

Denn wer das Grundprinzip einmal akzeptiert hat, dass Grenzen gewaltsam verschoben werden dürfen, muss mit einer Wiederholung jederzeit rechnen. Putins Wort oder Unterschrift ist nicht zu trauen. Er hat eine zweistellige Zahl von völkerrechtlichen Abkommen gebrochen, von der Uno-Charta und der Europäischen Sicherheitscharta über die Nato-Russland-Grundakte bis hin zu diversen Verträgen, in denen er die territoriale Integrität der Ukraine hoch und heilig anerkannt hatte. Eine Hinterzimmer-Vereinbarung mit dem Kreml würde Europa zu langfristiger Unsicherheit verdammen – und damit auch zu massiv höheren, volkswirtschaftlich belastenden Militärausgaben.»

Das ist nur ein – längerer – Ausschnitt aus dem Argumentarium von Rüesch. Er macht damit vor allem bewusst: Die Auswirkungen des Ukrainekriegs gehen uns alle an. Es ist kein lokal begrenzter Konflikt, wo ein Hegemon seinen Hinterhof aufräumen möchte. Es geht auch nicht um das Hinaufstilisieren eines korrupten, von Oligarchen beherrschten Pleitestaats Ukraine zum grossen Heldenballett. Es geht nicht um die Dämonisierung eines wahlweise kranken, verrückten, verbrecherischen, dummen, gescheiterten Kreml-Herrschers, der demnächst von seinem Posten entfernt werden wird.

Das ist dummes Geplapper, daran halten wir fest. Der Krieg wird mit Verhandlungen enden, das ist sonnenklar. Oder mit dem Einsatz von Atombomben, und dann ist alles egal. Aber wann diese Verhandlungen beginnen, und aus welcher Position heraus, das ist durchaus entscheidend. Der Westen, auch die Schweiz, hat dabei ein Problem. Bislang wurden alle Sanktionen und Waffenlieferungen so gesteuert, dass sie einerseits der Bevölkerung in Europa nicht zu sehr schaden. Die Benzinpreise sind zwar gestiegen, aber dank dem Wegfall der Corona-Sanktionen war die Reiselust im Sommer seit Jahren nicht so gross wie heuer.

Alleine die Unfähigkeit der Flugindustrie, also Airlines und Flughäfen, sorgt hier für Wermutstropfen im Glücksferiengefühl. Aber richtig weh würde Russland nur ein möglichst rascher Stopp aller Gas- und Ölimporte tun. Denn eine «Umleitung» nach Asien, konkreter nach China, das dauert laut russischen Angaben rund drei Jahre, bis die dafür nötige Infrastruktur steht. Das ist also das Zeitfenster, das der Westen hat. Anschliessend schliesst es sich …

Das wiederum hätte keine tödlichen, aber dramatische Auswirkungen auf die europäische Volkswirtschaft. Doch wer von den Ukrainern Helden- und Todesmut fordert und sie dafür mit Waffen beliefert, sollte so ein Opfer nicht scheuen.

Auch das ist natürlich nur eine Meinung, die mit Denkfehlern behaftet sein kann. Aber es scheint uns nur konsequent: wer aus der Ukraine eine Auseinandersetzung zwischen West und Ost, Freiheit und Demokratie gegen Unterdrückung und Autokratie macht, wer also oberhalb des Schiesskriegs einen Systemkrieg sieht, der sollte konsequenterweise die Umstellung auf Kriegswirtschaft fordern. In Europa und in der Schweiz.

Alles andere wäre nicht zu Ende gedacht, wäre das wohlfeile Fordern, dass sich die Ukrainer doch bitte für die Sache des freien Westens totschiessen lassen sollen. Während wir dann mal bereit wären, uns finanziell am Aufräumen des Schlamassels zu beteiligen. So denken all die, die wir hier weiterhin als dümmliche Kriegsgurgeln beschimpfen werden.

Wobei der Betreiber der Plattform sich das Privileg herausnimmt, zwar immer konkret und argumentativ, aber doch auch mit Schärfe zu kommentieren. Wer in den Kommentarspalten abstrakt formuliert, aber ohne Argumente auf den Mann spielt, wird zukünftig konsequent gekübelt.

Blochen mit Blocher

Wann ist genug auch genug im Blocher TV?

Es gibt Fans, Hasser und Gleichgültige. Inzwischen ist die TV-Satire oder das Langzeitexperiment, je nach Blickwinkel, zu Folge 769 gereift. Jede Woche ein Treffen zwischen Alt-Bundesrat Christoph Blocher und dem Mikrofonständer Matthias Ackeret.

Vor wechselnden Kulissen, drinnen, draussen, mit Ankerbild oder ohne. Aber immer zwei Herren, meistens mit Krawatte. Einer spricht und gestikuliert, der andere schweigt und schaut interessiert. Sollte der Redefluss wider Erwarten mal versiegen, wirft er ein neues Thema in den Raum und schaut dann wieder ruhig zu, wie sich sein Gesprächspartner daran abarbeitet. Oder den Einwurf schlichtweg ignoriert und was anderes erzählt.

Christoph Blocher ist inzwischen 81 Jahre alt. Er kann immer noch populistisch, er kann immer noch einfach, er kann immer noch mit den Armen rudern. Aber sollte er auch? Hören wir mal in ein paar Worte der Folge 769 hinein. Die dauert 23.13 Minuten. Redeanteil Blocher: gefühlte 57 Minuten. Redeanteil Ackeret: drei Soundbites.

Einige Highlights:

  • «Jede Kriegspartei macht mit einer Mitteilung Propaganda für sich.»
  • «Was will der Russ› eigentlich
  • «Die Schweiz ist jetzt im Krieg mit Russland»
  • «Zwingli sagte schon: Das Grausamste im Krieg sind nicht die Soldaten. Aber die Brotsperre.»
  • «Für Russland gehört die Ukraine zu ihnen.»
  • «Man kann nicht ausklammern, was die USA und die NATO gemacht haben.»
  • «Ich hoffe, dass die Russen in der Ukraine bleiben und nicht nach Polen einmarschieren. Nach Polen stünden sie vor Deutschland, also dann an unserer Grenze.»

Nur einmal versucht Ackeret, sanft einzugreifen. Als Blocher sagte: «Putin führt keinen richtigen, barbarischen Krieg.» – «Es gab da schon ein paar Kriegsverbrechen», wagt Ackeret einzuwerfen. Das wird nicht wirklich gnädig goutiert:

Links redet’s, rechts hört’s zu.

«Das müsste noch genauer abgeklärt werden. Und wer klärt’s ab? Die Amerikaner für die Ukrainer. Das ist doch von vornherein unglaubwürdig.» Moderator abgeklatscht, weiter im Text: «Das wäre etwas für die Schweiz. Aber wie der ehemalige US-.Botschafter in der Schweiz beschreibt in der «Weltwoche», wie wir die Neutralität kaputt gemacht haben. Wusste gar nicht, dass das international solches Aufsehen erregt. Und wir Trottel geben das auf.»

Fehlt da noch was? Aber natürlich, natürlich fehlt’s nicht: «Es gibt eine starke Mehrheit unter den Politikern in Bern, die näher zur EU wollen.»

Soll man einen älteren Herrn, der wie kein Zweiter in der Schweiz politisch etwas bewegt hat, vor laufender Kamera monologisieren lassen? Oder sollte man ihn vor sich selbst schützen und das nach 769 Folgen einstellen?

Die Gedankengänge sind häufig nicht neu, manchmal gibt’s Wortfindungsstörungen, und von fokussiert auf den Punkt gebracht, davon kann man bei Blocher sowieso nie sprechen. Die Gedankengänge sind auch gelegentlich eher dunkel.

Nur die Blumen bleiben stumm.

Ist die Schweiz wirklich im Krieg mit Russland? In einem Hungerkrieg gar? Wird der Russ’ bis an die Schweizer Grenze durchmarschieren? Wenn der Russ’ nunmal die Ukraine als Bestandteil des russischen Reichs empfindet, sollte man da wirklich dreinschlagen?

So mäandert sich Blocher durch die Sendung. Ist das förderlich oder schädlich? Nebensächlich, unerheblich, überflüssig? Zumindest ist es so: da der Parteipräsident der SVP nahezu unsichtbar ist, die SVP-Bundesräte auch nicht unbedingt auf Parteilinie politisieren, sollte es schon eine Rolle spielen, was der Alte vom Herrliberg zu sagen hat.

Nur: was will er uns eigentlich sagen? Und gibt es wirklich viele so geduldige Zuschauer wie Ackeret?

Hort von Freiheit und Demokratie

Seit der Ukraine scharen sich die Medien wieder hinter den USA.

Der Endkampf zwischen Gut und Böse ist mal wieder ausgerufen. Zum mittelalterlichen Vergleich fehlt nur noch die Endzeit und das drohende Jüngste Gericht.

Das Böse ist klar definiert: Russland. Da braucht es das Gute, so oberhalb der Ukraine. Das können dann nur die USA sein, logo.

Seit dem Zweiten Weltkrieg sind die USA unermüdlich daran, Frieden, Freiheit und Demokratie in die Welt zu bringen. Wenn nötig, allerdings auch mit Gewalt:

 

Wumms: Magdalena Martullo-Blocher

Krieg der Worte: da werden keine Gefangenen gemacht.

Die WoZ hat aufgedeckt, zwei Recherchierspürnasen von Tamedia höselen hinterher: Die Chefin der Ems-Chemie habe im «Kasernenhofton» die Anordnung erteilt, in der Kommunikation das Wort «Krieg» zu vermeiden und stattdessen vom «Ukraine-Konflikt» zu sprechen. Ein entsprechendes Mail habe sie Mitte März verschickt, «nur wenige Tage nach der Bombardierung einer Geburtsklinik in Mariupol durch russische Truppen, die Bilder von dieser Gräueltat gingen um die Welt».

Die WoZ richtet: «In der Ukraine tobt also kein brutaler Krieg, begonnen durch den russischen Präsidenten Putin – es hat sich ein Konflikt entsponnen.» Worum geht es Martullo-Blocher? Na, logo: «ums Geschäft.» Dabei zähle «jeder einzelne Franken», da Martullo-Blocher auch gesagt habe, «wir überlassen unsere Firmen nicht dem russischen Staat». Obwohl zurzeit die Nachfrage völlig zusammengebrochen sei, wäre sie bereit, die Produktion in russischen EMS-Fabriken sofort wieder hochzufahren, sollte sich das ändern. Zudem habe Russland gedroht, widrigenfalls solche Firmen zu verstaatlichen.

Diese Anordnung sei «zum Schutz unserer Mitarbeiter erfolgt», wird die Verteidigung der Chefin der EMS-Chemie zitiert. Es würden bei einer Verstaalichung nicht nur Angestellte ihren Arbeitsplatz verlieren, sondern es stehen bekanntlich bis zu 15 Jahre Gefängnis auf Aussagen, dass es sich in der Ukraine um einen Krieg handle. Aber was kümmert das alles die Vertreter der reinen und heiligen Moral in der Schweiz.

Die WoZ legt noch einen drauf:

«Im Interview mit dem «Tages-Anzeiger» sagt sie, die Ukraine gelte als eines der korruptesten Länder, deshalb würde sie dort nicht investieren. Eine Behauptung, die aus Moskau seit Jahren zu hören ist. Tatsächlich ist die Ukraine in allen Korruptionsranglisten besser platziert als Russland. Dann mahnt sie, auch Putin müsse einen Erfolg vorweisen können, damit es zum Frieden komme. Ist das noch neutral oder schon Komplizenschaft?»

Fein in eine Frage verkleidet die Beschuldigung, Martullo-Blocher sei Putins Komplizin, nur weil sie etwas völlig Richtiges sagt. Zudem ist es tatsächlich richtig, dass die Ukraine beispielsweise in der Korruptionsrangliste von Transparency International besser abschneidet als Russland. Allerdings steht die korrupte Oligarchen-Republik auf Platz 117; Russland folgt auf Platz 129. Also weit, weit hinten im Feld von insgesamt 179 untersuchten Ländern. Da ist es eigentlich egal, auf welchen hinteren Plätzen man sich genau befindet.

Aber Martullo-Blocher. Erfolgreich. Steuert die EMS-Chemie bislang sicher durch alle Stürme. Dazu noch SVP-Nationalrätin und vor allem Tochter des Gottseibeiuns aus Herrliberg.

Will ihre Mitarbeiter und ihre Investitionen in Russland schützen. Das findet auch Tamedia nicht gut: «Warum auch Ems-Beschäftigte, die keinen Kontakt mit Russland haben, nicht von «Krieg» sprechen dürfen, diese Frage liess das Unternehmen unbeantwortet.» Vielleicht, weil auch solche Beschäftigte mal in Kontakt kommen könnten? Aber solche Überlegungen stehen natürlich den Scharfrichtern im Wege.

In den USA gibt es aus Weltkriegszeiten den «Tradig with the Enemy Act». 1917 erlassen, wird er heute noch angewendet. Auf Kuba. Das könnte sich doch die Schweiz als Vorbild nehmen. Zumindest die Schweiz, von der Tamedia- und WoZ-Redaktoren träumen, die nicht Gefahr laufen, in Russland zu 15 Jahren Knast verknackt zu werden. Und denen es weder ums Geschäft, noch ums Geld geht. Vorausgesetzt, der Lohn kommt pünktlich aufs Konto.

 

Monokultur

In der Landwirtschaft weiss man um die negativen Auswirkungen.

Monokultur im Anbau hat vermeintlich viele Vorteile. Grossflächig, dadurch einfachere Ernte. Die Bauern sind spezialisiert auf ein Produkt, daher kennen sie es aus dem Effeff.  Die ganze Infrastruktur, der Maschinenpark, das Saatgut, der Dünger, die Pestizide sind auf ein Produkt ausgerichtet, das vereinfacht alles ungemein.

Durch ständige Forschung und Verbesserung können Ertragssteigerungen realisiert werden. Mit dem gleichen Aufwand mehr Wertschöpfung, ein Zusatznutzen für den Produzenten.

So ging das Lobeslied der Monokultur in der Landwirtschaft. Bis die negativen Auswirkungen immer deutlicher wurden. Grossflächige Gefahr der Ausbreitung von Krankheiten. Schädlingen. Überanspruchung des Bodens durch ausbleibenden Fruchtwechsel. Abhängigkeit der Produzenten von den Herstellern von Düngemitteln, Pestiziden und vor allem auch Samen.

Schliesslich völlige Abhängigkeit von den schwankenden Weltmarktpreisen, die immer die Tendenz haben, bei Knappheit hochzugehen, aber bei Produktionssteigerungen runter, was die Steigerung des Outputs zu einem sehr zweischneidigen Schwert macht, häufig bedeutet, dass mehr Produktivität mit weniger Einkommen bestraft wird. Von den schädlichen Folgen für Mensch und Umwelt ganz zu schweigen.

Monokultur bei Tamedia.

Also geht man inzwischen wieder vermehrt dazu über, auf alte Traditionen wie Dreifelderwirtschaft, Diversität der angebauten Produkte, auf Kleinteiliges umzustellen. Natürlich auch unter Berücksichtigung von Umweltaspekten und der Garantie von stabilen Einkommen der Hersteller.

Während also bei der Landwirtschaft zumindest gegenläufige Bewegungen zur Monokultur erkennbar sind, frönen die Medien dieser Methode immer intensiver. Das ist auch Ausdruck davon, dass so etwas wie Dossierverwaltung zunehmend unbekannt ist.

Monokultur in den Medien

Für jüngere Leser (und Journalisten) sei das kurz erklärt. Früher, als noch alles besser war, gab es genügend Redaktoren bei grossen Tageszeitungen. Die zudem in Konkurrenzkampf zueinander standen und nicht in Newsrooms in Verrichtungsboxen eine klickstarke Einheitssaucse am Laufmeter produzieren mussten.

Es gab also beispielsweise den Spezialisten für Pharma. War sonst nichts los, hatte der ein, zweimal im Jahr seinen Höhepunkt, wenn die grossen Konzerne ihre Jahresberichte veröffentlichten. Die konnte er, gestützt auf jahrelange Erfahrung und ein gutbestücktes Archiv, kompetent analysieren. Die Zwischenzeit vertrieb er sich mit nicht publizierten Untersuchungen oder Interviews mit der Geschäftsleitung. Oder mit Reportagen zum Thema.

Monokultur beim «Blick».

Ein solches Spezialistentum ist weitgehend passé. Weggespart, als überflüssiges Fleisch vom Knochen des skelettierten Journalismus geschabt. Schon alleine das Lesen (und Verstehen!) einer Bilanz überfordert den durchschnittlichen Journalisten. Aktiva, Passiva, wieso steht das Eigenkapital rechts, was sagt diese Bilanz aus, welche Tricks wurden angewendet, ist sie Ausdruck kreativer Buchhaltung oder realistisches Abbild des Istzustands? Dafür müsste man sattelfest sein.

Da das der gemeine Feld-Wald-Wiesen-Journalist nicht ist, greift er noch so gerne auf die ihm zugehaltene, bereits journalistisch aufgearbeitete Darstellung des Veranstalters des Geschäftsberichts zurück. Titel, Lead, Zwischentitel, strukturierter Aufbau, Illustrationsmaterial, verschiedene Längen, wunderbar. Alternative: Man übernimmt den Ticker der SDA, wozu zahlt man denn da noch das teure Abo.

Kürzere und längere Phasen der Monokultur

Bei diesen Zuständen wird eine neue Form von Monokultur im Journalismus gepflegt. Es gibt die kurze und die längere Monokultur. Corona war lang, der Fall Djokovic war kurz. Die Methode war aber die gleiche. Eine ganze Flut, repetitiv, detailverliebt, bis ins Absurde jeden Pipifax von allen Seiten beleuchtende Berichterstattung. Und gab es gerade beim besten Willen nichts Neues zu berichten, dann wurde gemeint. Kommentiert. Ungefragt Ratschläge erteilt. Forderungen aufgestellt. Jeder Redaktor hatte sich in einen Virologen, Epidemiologen, Fachmann für Visafragen, Spezialisten in der Seuchenbekämpfung verwandelt.

Monokultur bei «20 Minuten».

Inzwischen sind fast alle (mit der bedauerlichen Ausnahme Marc Brupbacher) aus dem Laborkittel geschlüpft und haben sich mit schusssicherer Weste und Stahlhelm bewaffnet. Geradezu rührend wirken die Versuche des deutschen Gesundheitsministers oder von Marcel Salathé in der Schweiz, das Thema irgendwie am Leben zu erhalten. Peinlich.

Denn jetzt ist Krieg. Krieg ist – journalistisch gesehen – viel besser als Seuche. Pandemie, das ist ein unsichtbarer Virus. Blöd. Der Virus ist weder gut noch böse, auch nicht heimtückisch oder hinterlistig. Saublöd. Die ihn bekämpfenden Wissenschaftler lassen sich nur beschränkt als tapfere Helden und Krieger abfeiern. Richtig blöd. Es gibt nicht mal genaue Frontverläufe, alles ist irgendwie in der Schwebe. Todeszahlen, Chaos, Zerstörung, Auflösung der gesellschaftlichen Ordnung: kann man zwar an die Wand malen, aber spätestens nach der zweiten Wiederholung schnarcht das Publikum weg.

Krieg ist in jeder Beziehung für den Journalismus gut

Aber Krieg, das ist gut. Es gibt den Bösewicht und den Helden. Es gibt klare Fronten. Es gibt Tote und Schicksale. Es gibt Waffen und Menschen. Es gibt Unmenschliches und Menschliches. Es gibt Tragödien und Happy Ends. Es gibt Emotionen, Bilder. Jeder Journalist ist nun Militärexperte, beherrscht das Völkerrecht, kann Putin, greift ungeniert auf alle abgelegten Topoi zurück.

Der russische Bär, Russland ist halt doch unzivilisiert, wir haben uns zu recht auch im Kalten Krieg davor gefürchtet. Wer zu verstehen versucht, ist zwar kein Kommunist mehr, aber «Moskau einfach» ist weiterhin angebracht. Jeder kann wieder sein kleinkariertes Schwarzweissraster über die Welt werfen.

Monokultur bei CH Media.

Differenzierung, zu Kritisierendes in der Ukraine, zu Verstehendes in Russland? Niemals. Solche «Versteher» werden ausgegrenzt, abgeklatscht, ganz so wie früher, wo einem ein lobendes Wort über die Errungenschaften des Sozialismus oder ein kritisches Wort über die hässliche Seite des westlichen Imperialismus schwer schaden konnte.

Monokultur bei der NZZ.

Nur war damals die Beschäftigung nicht so obsessiv wie jetzt, gab es in den Medien noch Fachkompetenz, Dossiersicherheit. Heutzutage ist keiner zu klein, Weltenerklärer zu sein. Ist ja auch einfach, in dieser Monokultur der Analysen und Meinungen. Den Vogel schoss hier die NZZaS ab. Sie räumte den gesamten ersten Bund frei, um ausschliesslich ein Monothema zu bewirtschaften.