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Schreckenswort Triage

Weniger schrecklich, wenn man weiss: findet ständig statt.

Allokation ist ein viel verbreiteteres und harmloseres Wort. Es bedeutet die möglichst optimale Zuordnung knapper Ressourcen. Triage, wörtlich auswählen oder sortieren, hat einen etwas martialischeren Hintergrund. Er wird in der Militärmedizin verwendet, wenn es darum geht, bei einer Schlacht aus dem Strom von Verwundeten die auszuwählen, bei denen sich eine Behandlung lohnt.

Man kann Kriege überhaupt verdammen und das für einen Ausfluss von schrecklichem Zynismus halten. Oder einfach konstatieren, dass es wohl sinnvoll ist in einer solchen Situation.

Französische Station im Ersten Weltkrieg.

Nun wird immer so getan, als wäre ein Menschenleben unbezahlbar, ein absoluter Wert. Und jeder, der das bezweifelt oder relativiert, sei ein Unmensch. Das ist Unsinn.

Wäre es so, würden wir nicht zulassen, dass täglich 15’000 Kinder an leicht zu kurierenden Krankheiten sterben. Wobei leicht bedeutet, dass Medikamente im Wert von weniger als einem Dollar pro Tag eingesetzt werden müssten. Wie zum Beispiel bei Cholera.

Natürlich werden auch in der Schweiz ständig Triagen vorgenommen. Nur heisst das dann vornehmer Abwägung. Denn die Krankenkassen sind gesetzlich dazu verpflichtet, vor einer Kostenübernahme abzuklären, ob Aufwand und Ertrag in einem gesunden Verhältnis stehen.

Dabei spielen die Kosten der Behandlung, die Heilungsaussichten, das Alter des Patienten, allfällige Vorerkrankungen, die mögliche Verlängerung der Lebenserwartung, die erzielbare Lebensqualität und einiges mehr eine Rolle. Über solche Zweifelsfälle muss häufig entschieden werden, dazu gibt es bei jeder Krankenkasse institutionalisierte Komitees.

Ein Bundesgerichtsurteil aus dem Jahr 2012 verdeutlicht das. Eine Krankenkasse wollte die Behandlungskosten von 400’000 Franken für einen 70-jährigen Patienten nicht übernehmen. Das oberste Gericht legte den Wert des Menschenlebens bei 100’000 Franken fest und gab dem Versicherer recht.

Es stimmt auch nicht, dass der Wert eines menschlichen Lebens nicht mit Geld ausgedrückt werden könnte. Sogar bis zu jedem Finger hinunter wird er das. Dabei spielen auch hier Alter, möglicher Verdienstausfall, Einschränkung der Lebensqualität, Bedeutung des verlorenen Organs (ein Bauarbeiter braucht ein Bein dringender als ein Bürolist) usw. eine Rolle.

Eigentlich müssen alle Kosten, bis hinunter zu einer Lawinenverbauung, immer in Relation mit damit möglicherweise geretteten Menschenleben gesetzt werden. Dabei wird pauschal von einem Wert von 6,7 Millionen Franken pro Nase ausgegangen. Wäre es anders, könnten beschränkte Mittel nicht richtig allokiert werden, würden die Krankenkassenprämien durch die Decke knallen, sich verdoppeln und verdreifachen. Was dann wohl all diesen Gutmenschen mit ihrer Ehrfurcht vor dem unbezahlbaren Wert eines Lebens auch nicht recht wäre.

Es ist letztlich unglaublich, mit wie viel profundem Unwissen diskutiert wird – und wie wenig die Medien dafür tun, ein paar banale Tatsachen klarzustellen.