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Entwicklungshilfe für Kongos Elite

Am WEF residierte eine sechsköpfige Delegation in einem Luxushotel in Bad Ragaz. Kosten: 440.000 Franken. Die Schweiz unterstützt das afrikanische Land mit 34 Millionen.

Von Christoph Mörgeli*

Die oberste Staatsführung der krisengeschüttelten Demokratischen Republik Kongo stieg anlässlich des Davoser World Economic Forum (WEF) an bester Adresse ab. Die sechsköpfige Delegation aus Afrika unter Präsident Félix Antoine Tshisekedi und Gefolge erwählte sich das vornehme Fünfsternehotel «Quellenhof» in Bad Ragaz zum Aufenthalt. Für die bestellten sechs Nächte – reserviert vom 18. bis 24. Januar 2025 – bezahlten die Politiker der Republik Kongo insgesamt nicht weniger als 440.000 Franken.
Wie diese horrende Summe zustande kam, ist schwer nachvollziehbar, zumal das zentralafrikanische Land nicht dafür bekannt ist, das mitreisende untergeordnete Personal mit Unterkünften im Luxussegment zu verwöhnen. In Normalzeiten ist im «Quellenhof» sogar ein Doppelzimmer der Klasse «Deluxe Grand» deutlich unter tausend Franken erhältlich. Auch flog Staatspräsident Tshisekedi erst am Montag, 20. Januar mit seiner Maschine den Flughafen Zürich an; nach drei Nächten verliess er die Schweiz bereits am Donnerstag, 23. Januar wieder.

Uni-Diplom gefälscht

Schwer zu rechtfertigen scheint der Aufenthalt der kongolesischen WEF-Gäste inklusive Präsident Félix Antoine Tshisekedi mit Kosten von beinahe einer halben Million Franken nicht nur aufgrund der Armut, unter der die Bevölkerung des Kongo leidet. Die Hotelausgaben von 440.000 Franken sind auch zu messen an den 34 Millionen Franken Entwicklungshilfe, welche die Schweiz beispielsweise im Jahr 2023 in die Demokratische Republik Kongo geschickt hat. In den fünf Jahren zwischen 2019 und 2023 betrug die Entwicklungshilfe der Eidgenossenschaft an den Kongo laut Website der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) 159,6 Millionen Franken. Zum Vergleich: Fürs Jahr 2005 wurde ein Beitrag der kongolesischen Zentralregierung an die Gesundheitskosten des Landes von gerade mal einer Million Dollar ausgewiesen – also lediglich das Doppelte der Übernachtungskosten im «Quellenhof» in Bad Ragaz.
Die Demokratische Republik Kongo gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Sie erfüllt weder die Kriterien einer Demokratie noch die eines Rechtsstaates. Die dort herrschende Korruption ist unbeschreiblich und gekennzeichnet durch den miserablen 162. Rang von 180 Staaten. Die Liste von Menschenrechtsverletzungen findet kein Ende. Es gibt weder eine Gewaltenteilung noch eine unabhängige Justiz. Das zentralafrikanische Land wird autoritär regiert, nämlich durch Staatspräsident Félix Antoine Tshisekedi, der seit einer höchst umstrittenen Wahl 2018 und einer ebenso umstrittenen Wiederwahl 2023 an der Spitze des Staates steht.
Präsident Tshisekedi rühmt sich, in Brüssel einen Hochschulabschluss in «Marketing und Kommunikation» erlangt zu haben, wobei das entsprechende Dokument gefälscht ist. Er behauptete auch, bei den erstmaligen Wahlen 38,6 Prozent der Stimmen erhalten zu haben; nach Ansicht der Wahlbeobachter waren es lediglich 20 Prozent. Die zweiten Wahlen mit angeblich 73,3 Prozent der Stimmen für Tshisekedi bezeichnete die katholische Bischofskonferenz des Landes als «Katastrophe».

«Wiederbelebung des Waldes»

Die bittere Armut der Mehrheit der Bevölkerung in der Demokratischen Republik Kongo ist und bleibt erschreckend. Laut Angaben der «Welthungerhilfe» sind 35 Prozent der Bevölkerung unterernährt. Mehr als jedes vierte Kind im Kongo sei «chronisch unterernährt», 33 Millionen Menschen haben keinen sicheren Zugang zu sauberem Wasser. Neben der allgemeinen Misswirtschaft kommt es vor allem im östlichen Grenzgebiet regelmässig zu schweren kriegerischen Auseinandersetzungen unter extremer Gewaltanwendung zwischen Rebellengruppen und der staatlichen Armee. 39 Prozent der Frauen und 24 Prozent der Männer wurden mindestens einmal Opfer einer Vergewaltigung. Kongo ist im Grunde ein gescheiterter Staat und steht bezüglich Stabilität an viertletzter Stelle aller Länder.
Die Demokratische Republik Kongo zählt zu jenen Ländern, in denen weltweit die meisten Menschen wegen Gewalt fliehen müssen. Überdies leidet die Bevölkerung an schweren Infektionskrankheiten wie Cholera oder Ebola. Ende 2022 wurde die Hauptstadt Kinshasa als bevölkerungsreichste von Afrika überschwemmt und so in eine humanitäre Notlage gestürzt. Von alledem war indessen am WEF in Davos kaum die Rede. Vielmehr glänzte die Delegation aus dem Kongo mit der Ankündigung, man wolle das grösste geschützte Tropenwaldreservat der Welt schaffen. Das Kongobecken erhalte einen grünen Korridor von der Fläche Frankreichs. Was dann am WEF so tönte: «Unter der mutigen und kooperativen Führung der Regierung der Demokratischen Republik Kongo wurde ein inspirierender Plan zum Schutz, zur Wiederherstellung und Wiederbelebung des Waldes und seiner Bewohner umgesetzt.»

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*Der Artikel erschien zuerst in der «Weltwoche». Mit freundlicher Genehmigung.

Manchmal schwächelt auch die NZZ

Wie kann man nur Mark Pieth zur Fifa interviewen …

Er wird ausführlich gelobhudelt: «Vorkämpfer gegen Korruption … hat sich als Anti-Korruptions-Experte einen Namen gemacht. Er gründete 2003 das Basel Institute on Governance … Bis 2013 leitete er die unabhängige Kommission für Governance und trieb die Fifa-Reformen voran.»

Das ist, höflich formuliert, eine etwas einäugige Sicht der Dinge. Man kann es mit Fug und Recht auch so sehen: bei der Fifa sollte er mit seinem Ruf dafür sorgen, dass der ewige Geruch nach Korruption weggepustet würde. Gebracht hat es schlichtweg – nichts. Zunächst verkündete er grossmäulig, man habe «unabhängige Strukturen gepflanzt, die funktionieren können». Bloss 18 Monaten danach wurden Fifa-Funktionäre spektakulär im Baur au Lac verhaftet – Korruptionsverdacht.

Nichts gebracht ist allerdings relativ. Denn der Professor arbeitete nicht gratis für die Fifa. Sondern zu einem Stundenansatz von 650 Franken und einem Tageshonorar von 5000 Eiern. Pieth alleine kassierte rund 215’000 Franken, sein «gemeinnütziges Institut» räumte 2,5 Millionen ab. Money for nothing.

Der Professor ist auch immer grossmäulig dabei, wenn es gilt gegen andere und vor allem gegen die Schweiz auszuteilen, wie der «Blick» mal zusammenfassend dargestellt hat. Wenn man dem emeritierten, aber lautstarken Professor zitiert, der immer und überall gerne auftritt, wenn er «Korruption» krähen darf, als Interviewpartner über die Fifa die Spalten öffnet, bekommt der Spruch vom Bock zum Gärtner eine ganz neue Dimension.

Hier darf Pieth mal wieder richtig vom Leder ziehen:

«Auf brutale Weise geht’s nur noch um Gewinnmaximierung.»

Er meint damit aber nicht die 2,5 Millionen, die er und sein Institut für nix abräumten.

Jammern darf er auch: «So wurde damals unser Reformprogramm torpediert.» Oder mit anderen Worten: auf ganzer Linie gescheitert, nachdem er sich als Feigenblatt willig missbrauchen liess. Dann widerspricht er sich auch gerne selbst, wie toll doch seine Arbeit gewesen sei: «Damals brachten wir professionelle Leute von aussen in die Fifa rein. Das war wichtig für die Reform. Doch die hat man alle entfernt. Jetzt dominieren Unfähigkeit oder Gefälligkeit. Früher tat die Ethikkommission ihre Arbeit.»

Starke Worte hat Pieth auch heute noch; über die Vergabe der Fussball-WM an Saudi-Arabien sagt er: «Die Fifa geht einen Deal mit dem Teufel ein.» Auch für den Schweizer Fussballverband hat er nur Beschimpfungen auf Lager: «Ja, im Übrigen sind es Feiglinge. Das gilt für fast ganz Europa.» Von sich selbst hingegen hat er eine ungebrochen hohe Meinung: «Vor der Fifa war ich daran beteiligt, die Uno zu reformieren.»

Aber zum Schluss blitzt doch noch ein Spürchen Selbstkritik durch: Nach seinem grossartigen Reformwerk der UNO (2000 Seiten!) «waren sie sehr freundlich, warfen aber alles in den Papierkorb. In der Fifa war es ähnlich. Ich war zu wenig Fussballer. Deshalb merkte ich das sehr spät

Tja, zu wenig Fussballer, zu wenig effizient, zu mediengeil, von allem etwas «zu». Sollte die NZZ lassen, wenn auch ZACKBUM in journalistischer Manier einen Ratschlag geben darf. Eine Seite mit Pieth ist eine verschenkte, verschwendete Seite.

Lob des «Blick»

Hätten wir nie gedacht, ZACKBUM ist aber weise und gerecht …

Auch das Organ mit dem Regenrohr im Logo lebt noch irgendwie, obwohl die oberste Führungsetage mit einem Heads-, Chiefs- und Kopfsalat angefüllt ist, dass sich die Kompetenz- und Meinungsträger gegenseitig auf den Füssen rumstehen.

Aber, Wunder gibt es immer wieder. Hier gab es einige Flachheiten bei der Berichterstattung über den Birkenstock. Aber auch Höhepunkte, einsame Höhepunkte.

Da wäre mal dieser hier:

Hier analysiert Raphael Rauch die auf dem Bürgenstock Abwesenden nach dem Kriterium: kassieren, aber nicht liefern: «Viele Länder, die jedes Jahr Millionen von Schweizer Steuergeldern erhalten, blieben der Friedenskonferenz auf dem Bürgenstock fern, von Aserbaidschan über Bolivien und den Libanon bis Tansania

Nun könnte der Gutmensch schäumen, dass man Hilfe für Arme doch nicht an Gegenleistungen knüpfen dürfte. Einfache Gegenfrage: wieso nicht? Ist eine Teilnahme (alles bezahlt) an einer Konferenz denn zu viel verlangt?

Rauch geht ins Detail: «Bolivien ist ein gutes Beispiel dafür, dass Staaten keine Freunde, sondern nur Interessen haben. Zwar kassierte Bolivien letztes Jahr 5,1 Millionen Franken von der Deza.» Aber: «Zwar kam der bolivianische Botschafter Wilfredo Bernardo Ticona (61) zur Deza-Konferenz nach Basel, um Klinken zu putzen. Auf dem Bürgenstock war der südamerikanische Staat jedoch ebenso wenig präsent wie hundert andere Uno-Mitglieder. Stattdessen beehrte Boliviens Präsident Luis Arce (60) letzte Woche Wladimir Putin (71) am Rande des Wirtschaftsforums in St. Petersburg.»

Noch verblüffender ist geradezu eine Wiederauferstehung als kritischer Journalist. Wir sprechen hier von Reza Rafi. Doch, da ist ZACKBUM gnadenlos objektiv. Vielleicht ein etwas melodramatischer Titel («Der Fluch des Bürgenstocks»), aber der Inhalt ist dann beeindruckend.

Fängt stark an: «Milana nimmt ihr Handy hervor und zeigt ein verstörendes Video. Darin ist zu sehen, wie Männer irgendwo an einem Strassenrand auf ein am Boden liegendes Opfer einprügeln. Immer wieder. … «So werden in der Ukraine junge Männer behandelt, die sich noch nicht für den Krieg registriert haben», sagt Milana. Sie stammt aus Kiew .»

Auch typisch: «Wer es sich leisten könne, kaufe sich mit Bestechungsgeld frei. Die Ukraine belegt im Korruptionswahrnehmungsindex 2022 den 116. Rang und zieht mit El Salvador und Angola gleich.»

Rafi fährt gnadenlos und stark fort: «Selenski ist ein Bel-Ami auf dem diplomatischen Parkett, unermüdlich wirbt er um Rüstung und Geld, mit aller Kraft arbeitet er an einer internationalen Einheit gegen den Aggressor Russland.»

Selenskyj sei bezüglich Schweiz ein Coup gelungen. Er konnte Bundespräsidentin Amherd gewinnen, sich nach einer Pannenserie mit dem «Giga-Anlass» ein Denkmal setzen zu können. So wie der Aussenminister Cassis, politisch immer wieder totgesagt, nun wieder wer.

Aber: «Sie liessen sich vom Charismatiker aus der Ukraine dazu hinreissen, einen einseitigen Gipfel zu organisieren. Es ist ein Klassentreffen der Nato-Mächte und ihrer Freunde

Was verteidigen die eigentlich? Westliche Werte? Auch dazu hat Rafi eine klare Meinung, die er seine Zeugin Milena (die natürlich anders heisst) sagen lässt: «Wie viel Rückhalt Selenski in seiner Bevölkerung geniesst, ist hingegen schwer zu sagen. Im Mai wäre seine Amtszeit abgelaufen, wegen des geltenden Kriegsrechts sind die Wahlen bislang ausgeblieben. «Ich weiss nur, was meine Familie und Freunde sehen», sagt die Geflüchtete Milana. «Es gibt in der Ukraine eigentlich keine Meinungsfreiheit mehr.»»

Wohlgemerkt, das wird hier nicht gelobt, weil es der kritischen Haltung von ZACKBUM gegenüber dieses Gipfels der Peinlichkeit entspricht. Sondern weil es guter Journalismus ist, der nicht einfach im Mainstream mitschwimmt und peinliche Lobesarien erklingen lässt wie der völlig denaturierte «Tages-Anzeiger».

Man muss mit diesen Anmerkungen des «Blick» nicht einverstanden sein. Es ist aber ein Armutszeugnis für die anderen Medienkonzerne, dass man sie nur im «Blick» liest. Tamedia imitiert Nordkorea, die NZZ ist entgleist, CH Media ein Schluck Wasser. Um es im Boulevardstil auszudrücken:

Bravo «Blick», rote Karte für die anderen.

Dumm, dümmer, «watson»

Es soll Menschen geben, die ihre Weltsicht von diesem Organ beziehen.

Sie sind entweder zu beneiden oder zu bedauern. Solange «watson» pseudolustige Listicals macht («Diese 26 Tattoos lassen sich nicht mal mehr in der Badi verstecken» – wobei: wieso sollte das jemand wollen), ist ja noch alles in Ordnung. Brachialkomik für Minderbemittelte.

Bedenklicher wird es, wenn «watson» die grosse Politik erklären will:

Was ist denn «bekannt»?

«Die Entlassung Resnikows erfolgt im Zuge einer Reihe von Korruptionsskandalen, in die das ukrainische Verteidigungsministerium verwickelt ist. Obwohl Resnikow selbst in keinen dieser Skandale verwickelt ist, wird er dennoch mit diesen in Verbindung gebracht.»

Natürlich ist auch Resnikow selbst in Korruption verwickelt (Stichwort Winteruniformen). Dabei hat «watson» doch die vereinten Kräfte von «lak/sda/dpa»  angespannt, um diesen Unsinn zu texten: «Die Ausmerzung der Korruption in der gesamten ukrainischen Regierung ist für Selenskyj von entscheidender Bedeutung.»

Das kann so nicht stimmen, denn dann müsste der Präsident und Villenbesitzer bei sich selbst anfangen …

Im Anschluss an diesen Ausrutscher in die Weltpolitik kehrt «watson» wieder zu seinem Niveau zurück:

ZACKBUM ist einverstanden: wer sich für das ukrainische Verteidigungsministerium interessiert, interessiert sich auch für den chilenischen Nati-Goalie oder für 23 skurrile Bilder aus China, keine Frage.

Von der Klimafront ist nur Durchwachsenes zu vermelden:

Das ist grosse Breaking News. Die Ukraine hat fast gewonnen. Der Hürdenläufer hat fast gesiegt. «watson» ist fast ein Newsmedium. Die Meldung ist fast bescheuert. Nein, ganz.

Aber Achtung, auch vor dem Erhabenen und Musikalischen schreckt «watson» nicht zurück. Was, gibt es neues von Rammstein? Aber nein, Redaktor Peter Blunschi legt die Latte echt hoch:

Da soll noch einer sagen, «watson» sei eine Bande von Kulturbanausen: «Gerade erst habe ich wieder einmal die Festspiele in Bayreuth besucht und kam voll auf meine Kosten.» Wunderbar, obwohl: «Der «Holländer», inszeniert vom Russen (!) Dmitri Tcherniakov, gilt als vergleichsweise unproblematisch, aber er illustriert einen Teil des Problems. Richard Wagner bediente sich für seine Opern oder Musikdramen (er schrieb als einer von wenigen Komponisten die Texte selber) vorwiegend bei Stoffen aus dem germanisch-nordischen Kulturkreis.»

Das wird die Holländer freuen, dass sie neuerdings zum «germanisch-nordischen Kulturkreis» gehören, ebenso wie die Sage vom holländischen Kapitän, der verflucht ist, die Weltmeere ewig zu durchpflügen.

Nun war Wagner aber, auf diese Erkenntnis ist man schon vor Blunschi gekommen, Antisemit. «In seinem Pamphlet «Das Judentum in der Musik» behauptete er, Juden könnten keine eigenständige Kunst schaffen. Und er raunte über ihren «Untergang». Kein Wunder, sehen manche eine direkte Linie von Wagner bis Auschwitz. Kein Wunder, können Wagners Werke in Israel kaum gespielt werden.»

So weit, so banal. Und Adorno sagte, nach Auschwitz könne man keine Gedichte mehr schreiben, und Louis-Ferdinand Céline war ebenfalls Antisemit und Nazi-Kollaborateur, schrieb aber mit «Reise ans Ende der Nacht» und dem ikonisch geworden Buchtitel «Kanonenfutter» («Casse-pipe») zwei Antikriegsromane von seltener Eindringlichkeit.

Es gibt eine ganze Reihe von Künstlern, deren künstlerisches Werk überragend ist, die aber menschlich oder politisch versagten. In Zeiten von Gesinnungsöffentlichkeit wird es natürlich wieder einmal problematisiert, ob man der künstlerischen Leistung Bewunderung zollen darf oder den Künstler verurteilen muss. Dabei ist es doch ganz einfach: ein politisch korrekter, dem Guten, Schönen, Menschlichen, Humanen, der Solidarität zuschreibender Künstler wie Lukas Bärfuss (Kim de l’Horizon kann man ja nicht mal so bezeichnen) ist deswegen trotzdem langweilig, künstlerisch niveaulos, vermurkst mit guten Absichten, aber mangelhaften Fähigkeiten die deutsche Sprache. Um dennoch bejubelt zu werden.

Schliesslich, damit wollen wir die Quälerei des ZACKBUM-Lesers beenden, hat aber auch «watson» einen Bildungsauftrag. Nicht nur, dass sich das Online-Magazin für intellektuelle Kreise an Wagner abmüht. Es macht auch den hier:

Genau, ein «Quizzticle» ist die Steigerung eines «Listicles», schenkelklopf.

Das hier fängt schon recht ungebildet an:

««Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.» Das ist erstens in Form eines Wandtattoos ein sicheres Indiz dafür, dass die soeben betretene Wohnung schnellstmöglich zu verlassen ist. Zweitens – und das ist in diesem Fall wichtiger – ist es kein Buchanfang, sondern versteckt sich mitten in einem Gedicht des ewigen Selbstsuchers Hermann Hesse

Aber zum «Quizzticle», interaktiv, dynamisch, copy/paste und unsinnig.

Die Lösungen sind teilweise banal (Orwell, Kafka, Melville, Grass), teilweise mehr als abgelegen (Miranda July, Erich Hackl, Wolfgang Hermsdorf), und am Schluss wurde noch eine unüberwindbare Schikane eingebaut. Es wird jeweils nach dem Buchtitel gefragt, aber bei «Fahrenheit 451» wird nur als richtige Antwort akzeptiert, wenn man auch den Autor Ray Bradbury nennt.

Das kommt halt davon, wenn  man per copy/paste sich hier bedient, sozusagen Bildungsersatz aus dem Internet. Dort kann sich der Gewinnertyp natürlich auch die Antworten googlen, denn fünf der hier erwähnten Buchanfänge muss man wirklich nicht kennen. Aber netter Versuch.

 

Tamedias tiefes Schweigen

Die Tx Group in Österreichs Korruptionssumpf?

Immerhin gibt es noch etwas Konkurrenzkampf im Schweizer Mediensumpf. So böllerte CH Media am 6. April:

Felix Austria, kann man nur sagen. Denn dort löst ein saftiger Skandal den nächsten ab, so geht das schon seit Jahren und Jahrzehnten.

Immer wieder für Schlagzeilen sorgt der gefallene Politstar und Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz. Denn dessen kometenhafter Aufstieg scheint mit einigen Hilfsraketen erfolgt zu sein, deren Verwendung – selbst für österreichische Verhältnisse – nicht ganz legal war.

Wie es sich für die Wiener Kaffeehaus-Klatschkultur gehört, gibt es einen Mitarbeiter, der auspackt. Der langjährige Kabinetts-Chef Thomas Schmid lässt die Justiz seine rund 300’000 Nachrichten auf dem Handy auswerten. Und dabei kommt Kunterbuntes heraus.

Zum Beispiel, dass die Gratis-Zeitung «heute» (und nicht nur sie) den damaligen Bundeskanzler im besten Licht darstellte, als Gegenleistung für grosszügige staatlich bezahlte Inserate. Das betrifft auch die berüchtigte «Kronen Zeitung». Beide Blätter gehören zum Imperium der Dichands, seit Jahrzehnten die gekrönten Zeitungskönige in Österreich. Hans Dichand begründete das Imperium, das seit dessen Tod im Jahr 2010 von seinem Sohn Christoph Dichand und dessen Ehegattin Eva regiert wird.

Das Ganze wird nun sehr österreichisch saftig-kompliziert, daher die Zusammenfassung aus Wikipedia: Dem «Ehepaar Dichand wird (von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, Red.) zur Last gelegt, von Amtsträgern Inserate sowie Änderungen am Privatstiftungsgesetz gefordert zu haben und im Gegenzug dafür wohlwollende Berichterstattung in Heute und der Kronen Zeitung in Aussicht gestellt zu haben.»

Bis hierher wäre das eine innerösterreichische Angelegenheit. Ab hier nicht mehr, wie CH Media schreibt: «Das grösste Schweizer Verlagshaus, die Zürcher TX Group (ehemals Tamedia), ist über eine Beteiligungsgesellschaft mit 25,5 Prozent an der AHHV GmbH beteiligt. Das Digitalgeschäft der «Heute»-Verlagsgruppe, darunter Österreichs reichweitenstärkstes Newsportal «heute.at», ist in der DJ Digitale Medien GmbH gebündelt. Hier ist die TX Group mit 51 Prozent sogar Mehrheitseignerin.»

Natürlich sondert die Tx Group auf Anfrage von CH Media Staatstragendes ab: ««Heute» sowie der Eigentümerschaft sei an einer vollumfänglichen Kooperation mit den Ermittlungsbehörden und einer raschen Aufklärung des Sachverhalts gelegen. Der TX Group liegen «Stand heute keine Hinweise vor, die die erhobenen Anschuldigungen bestätigen». Ihr seien die redaktionelle Unabhängigkeit sowie die Qualität ihrer Medien sehr wichtig.»

Nun wird’s wieder lustig. Lediglich die NZZ nahm diese Meldung auf. Sie rekapituliert den Skandal und schreibt: «Indirekt betroffen ist auch die Schweizer TX Group, die Herausgeberin des «Tages-Anzeigers»». Ausser einer Bestätigung der Besitzverhältnisse, wie sie bereits CH Media darstellte, ist der NZZ aber die Verwicklung von Tamedia keine weitere Zeile wert.

Diesem Schweigen hat sich auch Ringier angeschlossen; der «Blick» übergeht die ganze Affäre, obwohl für den Boulevard wie gemacht, mit einer Stille wie aus der Kapuzinergruft.

Dass Tx, sorry, Tamedia, Pardon, «Tages-Anzeiger» nichts dazu sagt, verwundert weniger. Bis sich Chefredaktorin Birrer in die Thematik eingelesen hätte, wäre die Publizistik doch längere Zeit führerlos. Pardon, führerinnenlos.

 

Gegenwahrheiten

«Provozierte» Nato-Erweiterung, «unprovozierter» Ukraine-Krieg, unheimliche «Bedrohung durch China». Teil 1

Von Felix Abt

Manche Behauptungen transatlantischer Politiker und ihrer Medienpartner stellen die Realität auf den Kopf – und würden selbst George Orwell verblüffen.

Eine Szene wie aus einem drittklassigen Mafia-Film: Produzent, Drehbuchautor und Regisseur (links) verlässt mit seinem Hauptdarsteller (rechts) mit gemächlichen Schritten diese orthodoxe Kirche in Kiew (beide sind nicht orthodox), während Sirenen heulen und vor einem bevorstehenden russischen Bombenangriff warnen. Obwohl Moskau vor diesem Besuch von Washington informiert wurde, um einen gefährlichen Zwischenfall zu vermeiden, jubelte „The Independent“, stellvertretend für die kriegslüsternen Mainstream-Medien, begeistert: „Biden trotzt Sicherheitswarnungen und Luftschutzsirenen für einen historischen Moment in Kiew.“ (Foto: Evan Vucci/Keystone)

US-Präsident Biden, westliche Politiker und ihre Medienpartner sind sich einig, dass der Einmarsch Russlands in die Ukraine «unprovoziert» war. Der Präsident des Landes, das für seine zahlreichen unprovozierten Angriffskriege berüchtigt ist, bezeichnete Putin dafür als «Verbrecher». Dass der Krieg in irgendeinem Zusammenhang mit der NATO-Erweiterung stehen könnte, die zur Stationierung nuklearfähiger Raketen in Polen und Rumänien mit einer Flugzeit von weniger als 10 Minuten nach Moskau führte, wird nicht einmal ansatzweise thematisiert. Ebenso wenig wie der Vorstoss der Obama/Biden-Regierung, die Ukraine der NATO einzuverleiben, mit einer 2.000 Kilometer langen gemeinsamen Grenze mit Russland und noch mehr Raketenbasen in der Zukunft. Wenn Kuba eine einzige russische Rakete stationieren würde, wäre das für Washington ein Grund für einen Krieg gegen die Insel; Russland hingegen wird es zugemutet, von zahllosen NATO-Raketen an seinen Grenzen und in seiner Nähe umzingelt zu werden, ohne sich dagegen zu wehren.

Russland hatte Deutschland friedlich wiedervereinigen lassen, nachdem der Westen auf diplomatischer Ebene versprochen hatte, die NATO keinen Zentimeter nach Osten zu verschieben. Darüber hinaus hatten die westlichen Länder 1999 in der Europäischen Sicherheitscharta dem Grundsatz zugestimmt, dass «jeder Staat verpflichtet ist, seine Sicherheit nicht auf Kosten der Sicherheit anderer Staaten zu stärken.»

Russische Limits ins Lächerliche gezogen

Der ach so vertrauenswürdige Wertewesten scherte sich aber einen Dreck um die Einhaltung von Versprechen und Vereinbarungen mit Russland. Moskau schluckte die große Kröte, als sich die NATO an Russlands Grenzen, nicht nur in Polen und Rumänien, zu einer ernsthaften Bedrohung aufblähte, hielt aber seit Jahren unvermindert an seiner Forderung fest, dass Georgien und die Ukraine unter keinen Umständen NATO-Mitglieder werden dürften. Westliche Politiker und Medien haben diese russische «rote Linie» nie ernst genommen und sie sogar ins Lächerliche gezogen. Spätestens seit den Angriffskriegen der NATO in Jugoslawien, im Nahen Osten und in Afghanistan dürfte sich Russland bewusst sein, dass die NATO nicht einfach eine Selbstverteidigungsorganisation, sondern ein aggressives Kriegsbündnis ist.

Es ist daher wohl kein Zufall, dass die Konsumenten der Mainstream-Medien nie erfahren haben, dass derselbe Joe Biden, als er noch ranghöchstes Mitglied des Ausschusses für auswärtige Beziehungen des US-Senats war, die NATO-Erweiterung als gefährliche westliche Provokation Russlands bewertete und davor warnte, dass sie «eine energische und feindselige Antwort Russlands» hervorrufen würde.

Anstatt diese vorhersehbare Reaktion durch eine Sicherheitsgarantie für Russland zu verhindern, was für alle Beteiligten kostengünstig und schmerzlos gewesen wäre, hat er aktiv dazu beigetragen, sie zu provozieren! Nun, dem ehrlichen Joe Biden ist es hoch anzurechnen, dass er sich als korrupter Politiker geoutet hat, der den Geldgebern zu dienen hat: «Ich denke, Sie sollten nicht annehmen, dass ich nicht korrupt bin. Man braucht eine Menge Geld, um ins Amt zu kommen. Und die Leute mit diesem Geld wollen immer etwas

Konnten Sie zu alledem irgendetwas in Ihrer Zeitung lesen oder aus Ihren TV-Kanälen erfahren? Eher nicht. Man kann also davon ausgehen, dass ein gut geschmierter Senator, der Präsident werden will, zumindest dem Expansionsdrang des allmächtigen militärisch-industriellen Komplexes nicht im Wege steht und deshalb seine Meinung anpasst: Es war also Russland, das provoziert hat! Washington-treue Politiker und Medien haben sofort den Grund für die NATO-Erweiterung nachgeliefert: Im Kreml sitze ein imperialistischer Zar, der sich in einen gefährlichen neuen Hitler verwandelt habe, und deshalb brauche man eine hochgerüstete NATO an möglichst vielen Grenzen Russlands. Wahrlich, der Teufel im Kreml hat die NATO-Expansion provoziert!

32 Jahre dauerte es von der Auflösung des Warschauer Paktes bis zur fast vollständigen NATOisierung Europas – vergleicht man den Zustand des Jahres 1990 mit dem von 2022, dem Jahr des «unprovozierten Angriffskrieges»:

Europa 1990 (Quelle: Bryn Bache | CNBC)

Die obige Illustration zeigt, dass 1990 – dem Jahr 1 nach dem Fall der Berliner Mauer – zur russisch dominierten Sowjetunion die Ukraine, die baltischen Staaten und mehrere andere, inzwischen unabhängige Länder gehörten. Dem Warschauer Pakt, einem ebenfalls von Russland dominierten Bündnis, gehörten sechs Staaten an, die heute ebenfalls alle unabhängig sind.

Und in der nachfolgenden Grafik, sieht man, dass 2022 – also 32 Jahre, seit sich Deutschland wiedervereinigt hat – alle ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten zwischenzeitlich der NATO beigetreten sind. Drei Länder, die früher zur Sowjetunion gehörten – Estland, Lettland und Litauen – sind ebenfalls NATO-Mitglieder geworden.

Europa 2022 (Quelle: Bryn Bache | CNBC)

Wer hat den Ukraine-Krieg wann begonnen?

Bislang lautete das offizielle und ständig wiederholte Mantra Washingtons, seiner europäischen Vasallen und Medienpartner, dass Russland für das Verbrechen eines völlig «unprovozierten» Angriffskrieges verantwortlich sei, den es im Februar 2022 begann. Jetzt hat NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg das Datum des Kriegsbeginns korrigiert – und bestätigt, was die Konsumenten alternativer Medien schon seit Jahren wissen: Der Krieg begann acht Jahre zuvor, im Jahr 2014, als die demokratisch gewählte Regierung Janukowitsch in Kiew durch einen von den USA unterstützten Staatsstreich gewaltsam abgesetzt und durch eine antirussische Regierung ersetzt wurde, die anschließend hart gegen russische Minderheiten vorging.

Übrigens kann es kein Zufall sein, dass ausgerechnet acht Jahre nach dem Putsch in Kiew, also im Jahr des «unprovozierten» Angriffskrieges Russlands, der entscheidende Beweis für die Beteiligung der USA am Sturz der Regierung in Kiew von YouTube entfernt wurde.

Nach dem Staatsstreich began die NATO sofort mit der Ausbildung und Bewaffnung der ukrainischen Streitkräfte. Das neue, banderistische und russophobe Regime in Kiew nutzte ab 2014 die militärische Aufrüstung und begann noch im selben Jahr mit der Bombardierung der russischsprachigen Zivilbevölkerung im Donbass, was zu Tod und Verwüstung führte. All dies konnten Sie auch nicht aus Ihren Zeitungen oder Fernsehkanälen erfahren.

Fortsetzung folgt.

Dumm gelaufen

Das EU-Parlament verweigert Ungarn Milliarden. Wegen Korruptionsverdacht.

Ein schlechter Tag für alle Euro-Turbos in der Schweiz. Während die EU zum ersten Mal in ihrer Geschichte einem Mitgliedsland zugesagte Unterstützungszahlungen in Milliardenhöhe verweigert, platzt im EU-Parlament der wohl grösste Korruptionsskandal aller Zeiten.

Eine der viel zu vielen Vizepräsidentinnen, plus weitere Betroffene, haben ihre bequemen Sessel im EU-Monster in Brüssel und Strassburg gegen eher unbequeme Pritschen in Gefängniszellen vertauscht. Natürlich gilt auch hier die Unschuldsvermutung, aber es sprechen doch deutliche Indizien dafür, dass sie sich ihre Lobyydienste für Katar unziemlich bezahlen liessen.

Unziemlich deswegen, weil Beeinflussung des zahnlosen Parlaments eine der Hauptbeschäftigungen in den beiden Tagungsorten ist. Insgesamt 25’000 Lobbyisten treiben hier ihr Unwesen, laut Lobbycontrol verpulvern sie dabei jährlich 1,5 Milliarden Euro. Immer wieder zeigte sich das EU-Parlament «besorgt» über mögliche Korruption und gekauften Einfluss. Geschehen ist bis heute – genau nichts.

Wie steht es denn mit Reaktionen aus der Szene der Schweizer Euro-Turbos? Da hört man bislang – genau nichts. «Foraus»: Sendepause. «Operation Libero»: hat zwar  eine «Europa-Initiative in den Startlöchern» und braucht «500’000 Franken zum Loslegen». Aber zum Korruptionsskandal fällt auch hier kein Wort. Vielleicht muss sich Sanija Ameti den Vorfall zuerst schöntrinken, politisch gesehen.

Die SP fordert immer mal wieder den EU-Beitritt, steht schliesslich verschämt im Parteiprogramm. Die Partei fordert und verurteilt dies und das, aber auch hier: kein Ton zum Korruptionsskandal. Christa Markwalder, die auch nach ihrem Rücktritt bei der Nebs (Neue Europäische Bewegung Schweiz) immer für einen Eu-Beitritt weibelt: Sendepause.

Und die Europäische Bewegung selbst, präsidiert von Eric Nussbaumer (SP)? Schweigen, tiefes Schweigen.

Schliesslich «Vorteil Schweiz», die mit grossem Trara und Geld des Milliardärs Hansjörg Wyss und des Millionärs Jobst Wagner ins Leben gerufene Bewegung für eine Entkrampfung des Verhältnisses zur EU, ausdrücklich als Gegenkraft zu Christoph Blocher gegründet? Ist im Internet nicht mehr auffindbar.

Oder Witzveranstaltungen wie RASA (Raus aus der Sackgasse)? Unauffindbar.

Es ist immer wieder verblüffend, wie mit peinlichem Schweigen auf unangenehme Nachrichten reagiert wird. Oder Krokodilstränen vergossen werden in Organen, die sich für eine angeblich weltoffene Schweiz in der EU und gegen eine angebliche abgeschottete Schweiz ausserhalb der EU starkmachen. «Super-GAU für die Glaubwürdigkeit», schimpft nun Tamedia. «Jetzt kann sich Urban die Hände reiben», fäustelt der «Blick».

Immerhin gibt es eine gute Nachricht. Bei solchen Befürwortern engerer Beziehungen zur EU muss man sich über die Gefahr eines EU-Beitritts keine Sorgen machen.

Verbal-Amok Kornelius

Russentag auf ZACKBUM. Mal wieder ein tobender Teutone.

Die zahlenden Leser von Tamedia haben’s nicht leicht. Ihr Verhalten wird in der Psychopathologie als Masochismus bezeichnet. Der Masochist bezahlt auch gerne dafür, dass er gequält wird.

Masochistische Lustschreie müssen jeweils die Kommentare des Brachial-Rhetorikers Stefan Kornelius auslösen. Der «Ressortleiter Politik» bei der «Süddeutschen» ist ein Büttel der «Atlantik Brücke», ein Meinungsträger vieler Herrn. Greift er in die Tasten, kann man sicher sein, dass überschiessende Meinung mit Faktenfreiheit zu einer ungeniessbaren Mischung verquirlt wird.

Diesmal nimmt sich Kornelius im krachledernen Stil den russischen Aussenminister vor:

Original in der SZ, …

… copy/paste im Qualitätskonzern Tamedia.

Gleich am Anfang legt Kornelius das Niveau niedriger: «Der russische Außenminister setzt Standards für alle aktiven Populisten und Demagogen, zu deren wichtigster Befähigung es gehört, Tatsachen in Lügen und Lügen in Tatsachen zu verwandeln. Lawrow ist so etwas wie die Verbalausgabe eines Spiegels: Was er von sich gibt, ist nur spiegelverkehrt korrekt

Nein, lieber Leser, Kornelius meint hier nicht das ehemalige deutsche Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» (siehe vorangehenden Artikel). Den Leerraum an Argumenten füllt Kornelius mit einer Verbalinjurie nach der anderen: «Es ist, als leide Lawrow unter einer Bewusstseinsspaltung … Ein Regime mit totalitären Zügen ist hingegen in Moskau an der Macht. Bedauerlicherweise ist seine Beseitigung nicht absehbar … Ziel von Demagogen ist es, die Köpfe zu verwirren oder durch die Widersprüchlichkeit von Aussagen eine Erschöpfung zu erzeugen.»

 

Solidaritätsfahrzeuge der ukrainischen Oligarchie.

Wahr gesprochen, auf Kornelius angewendet: «Lawrow reist mit seiner Botschaft durch Afrika – ohne Widerspruch aus dem Westen. Das muss sich ändern», dekretiert der Journalist vom Schreibtisch aus, den er mit einem Feldherrenhügel verwechselt. Denn er möchte Zerstörung und Leiden in der Ukraine verlängern: «Erstens ist es überflüssig, zu diesem Zeitpunkt über Verhandlungsoptionen zu reden. … Dieser Krieg wird enden, wenn er von Russland nicht mehr militärisch gewonnen werden kann.» Das kann aber noch eine ganze Weile dauern; die entsprechenden Verluste sind Kriegsgurgel Kornelius egal, solange die Heizung in seiner Stube auch im kommenden Winter funktioniert.

Hübsch ist auch diese Bemerkung, dass es dem russischen Aussenminister Lawrow «entgangen» sei, «dass es sich bei dem vermeintlichen Regime in Kiew um eine demokratisch gewählte Regierung handelt». Wer einen durch einen Oligarchen gekauften Wahlsieg in einem hochkorrupten Land ohne grosse demokratische Tradition oder Strukturen demagogisch so hochjubelt, kann eigentlich nicht ernst genommen werden.

Ein weiterer Vorwurf von Kornelius an den Faktenverdreher Lawrow: «Gerade machte er in Afrika die Ukraine für die ausbleibenden Getreidelieferungen verantwortlich.» Das ist in dieser Einseitigkeit natürlich absurd. Es als Vorwurf stehen zu lassen ohne darauf hinzuweisen, dass westliche Sanktionen die Düngemittelproduktion oder ihren Export ernsthaft gefährden, was viel dramatischere Auswirkungen als die paar Millionen in der Ukraine gelagerten Tonnen Getreide hat, ist dann aber auch nur eine spiegelverkehrte Halbwahrheit.

Die Meinungsblasenbildung in der Öffentlichkeit ist dermassen weit fortgeschritten, dass es wohl kaum mehr möglich ist, sich mit dieser Position gemütlich zwischen Stuhl und Bank einzurichten: Putins Überfall auf die Ukraine, inklusive Wortbrüchigkeit (Russland verpflichtete sich in internationalen Verträgen, die territoriale Integrität der Ukraine zu respektieren), ist unentschuldbar und durch nichts zu rechtfertigen. Er ist der Aggressor, verantwortlich für seinen Teil an Kriegsverbrechen, die in der Ukraine begangen werden. Zudem ist er ein militärischer Versager, der nicht die imperiale Stärke Russlands zeigt, sondern ein klägliches militärisches Schauspiel. Die Kollateralschäden seiner unbedachten Handlungen sind unabsehbar und werden Russland noch über Jahrzehnte beschädigen.

Das gesagt, ist weder die Ukraine, noch ihr Präsident eine Lichtgestalt an demokratischen Werten und heldenhaftem Widerstand. Unsere Freiheit und Demokratie wird weder am Hindukusch, noch in der Ostukraine verteidigt. Während die russischen Oligarchen zunehmend unter westlichen Sanktionen leiden – unbeschadet, ob sie Putin-Unterstützer sind oder nicht –, feiert die ukrainische Oligarchie rauschende Feste aller Orten; gerne auf dem Gebiet von Ex-Jugoslawien, geballt in Istrien. Dort kann der aufmerksame Beobachter davon ausgehen, dass an schweren SUV, schnellen Luxussportwagen oder protzigen Mercedes auf dem Nummernschild meistens ein UA prangt. UA für Ukraine.

Das gesagt, wird sich die Blindheit des Westens einmal mehr rächen, wenn all die Kriegsgurgeln und Hilfswilligen zur Kenntnis nehmen müssen, dass das Opfer der russischen Aggression keineswegs so unschuldig ist, wie es sich selbst gerne darstellt. Während viele hilfswillige Gutmenschen im Westen, auch in der Schweiz, ukrainische Flüchtlinge bei sich aufnehmen, brettert die ukrainische Oligarchie fröhlich mit ihren Luxusschlitten durch die Gegend. In solcher Zahl, dass es diverse Instagram-Accounts gibt, die sich dem Hobby verschrieben haben, möglichst viele solcher obszönen Schaustücke ungehemmten Reichtums zu fotografieren. Denn Schamgefühl, Mitgefühl, Solidarität mit den Kämpfern in der Ukraine – was ist das.

Vielleicht sollte sich Brachial-Schwätzer Kornelius mal ein Weilchen auf solchen Fotosammlungen herumtreiben. Aber der Mann ist gegenüber der Realität beratungsresistent.

Wumms: Mark Pieth

Der Vielschwätzer ist eine Schande für seinen Beruf.

Wo es um Korruptionsbekämpfung geht, da hört man von Mark Pieth. Allerdings meist nur markige Worte. Sein Wirken bei der FIFA war ein besserer Witz. Dann sass er ganz kurz in einem «Expertengremium» für Panama, jahrelang in der OECD und lebt auch nach seiner Pensionierung von seinem Ruf.

Letzthin hat er in einer US-Lobbyorganisation von sich reden gemacht, als er sich in der sogenannten Helsinki-Kommission sehr kritisch über den Schweizer Umgang mit Vermögenswerten von reichen Russen äusserte.

Das kam nicht besonders gut an, weil die USA die grössten Heuchler auf diesem Gebiet sind, bei ihnen die dicksten Schwarzgeldbunker und die mächtigsten Geldwaschmaschinen für alles stehen, was mit krimineller Herkunft zu tun hat.

Nun kritisiert er in der WoZ, dass sich Schweizer Anwälte an Schweizer Gesetze halten. Dazu gehört, dass die Errichtung von Finanzkonstrukten für Mandanten durchs Anwaltsgeheimnis gedeckt ist. Das mag man toll finden oder kritisieren, aber dass ein Rechtsprofessor dagegen polemisiert, in einem Rechtsstaat sich an gültige Gesetze zu halten, das ist schon ein starkes Stück.

Dabei plaudert er so vor sich hin: «Vor allem aber richten die Schweizer Anwälte die Gesellschaften meist nicht in der Schweiz ein, sondern etwa auf den British Virgin Islands. In der Schweiz sitzt nur die Spinne im Netz: der Anwalt.» Mit anderen Worten: Schweizer Anwälte nützen die viel laschere Gesetzgebung der Kolonie eines ehemaligen EU-Staats aus.

Dann behauptet Pieth, dass die EU «entschieden» habe, «in all ihren Mitgliedstaaten ein Register» einzuführen, in dem die wirtschaftlich Berechtigten von Firmen eingetragen sein sollten. Ein typisches EU-Gedöns; Holland, Belgien und Luxemburg balgen sich darum, die undurchsichtigsten Konstrukte zuzulassen.

Deutschland hat tatsächlich ein «Transparenzregister».

Offenbar hat der emeritierte Professor allerdings noch nie versucht, darin Einblick zu nehmen. Nach einem längeren Identifizierungsprozess landet man hier:

Versucht man dann, die App herunterzuladen, wird mitgeteilt, dass sie für die Schweiz nicht zur Verfügung stünde. Und das will Pieth als Vorbild für die Schweiz hinstellen. Was für ein Vielschwätzer.

 

Die Ukraine gedenkt

Die Medien strotzen dabei vor Geschichtsvergessenheit.

Die jüngere Geschichte der Ukraine ist voller Widersprüche und Leiden. Sie wurde 1922 als Bestandteil der UdSSR gegründet. Anschliessend litt sie fürchterlich unter Stalin. Ein Grund, um die deutschen Faschisten als Befreier zu begrüssen, als die Wehrmacht 1941 die Sowjetunion überfiel.

Die Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) kämpfte schon zuvor gegen die Sowjetunion, auch Pogrome gegen Juden begannen nicht erst nach der deutschen Invasion. Aber danach meldeten sich viele Ukrainer freiwillig als Hilfspolizisten und beteilgten sich am Massenmord an Juden.

Babyn Jar, wo der grösste Massenmord der Wehrmacht an Juden auf ukrainischem Gebiet stattfand, ist ein Tal in der Nähe der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Auch daran waren ukrainische Hilfspolizisten beteiligt.

Das Staatsgebiet der heutigen Ukraine wurde 1944 durch die Rote Armee von der deutschen Wehrmacht befreit. Viele ukrainische Kollaborateure flüchteten danach nach Deutschland oder allgemein in den Westen.

Als Symbolfigur für diese Beteiligung an Untaten des Naziregimes gilt bis heute Stepan Bandera. Wegen seiner Beteiligung an Massenerschiessungen und Pogromen wurde er in der Sowjetunion in Abwesenheit zum Tode verurteilt und 1959 von einem KGB-Agenten in seinem Exil in München getötet.

Gespaltene Ukraine

Der Osten der Ukraine, der keinesfalls so eng mit den Faschisten kollaborierte, führte einen Partisanenkrieg gegen die Nazis, dem sich andere Teile der Ukraine erst dann anschlossen, als es offenkundig wurde, dass die Herrschaft der Deutschen keinesfalls eine Befreiung von Stalins Joch darstellte, sondern seine Ersetzung durch ein neues Unrechtsregime.

Aber im Westen der Ukraine wird Bandera bis heute als Nationalheld mit Denkmälern geehrt.

Das alles macht den Überfall Russlands um keinen Deut besser und liefert keine Rechtfertigung dafür. Wer aber diesen Teil der Geschichte der Ukraine ausblendet, ebenso wie die Tatsache, dass die Feier des Sieges im Zweiten Weltkrieg über Hitler-Deutschland für Russland bedeutet, dass das von keinem anderen Land der Welt mit so grossen Opfern errungen wurde, der betreibt Geschichtsklitterung.

Natürlich ist der Slogan der Entnazifizierung der Ukraine reine Kriegspropaganda. Aber nicht völlig aus der Luft gegriffen, denn auch heute noch sympathisieren nicht nur militärische Hilfstruppen der Ukraine, sondern auch politische Parteien ideologisch eng mit dem Faschismus. Dass Selenskij seinerseits die russischen Truppen mit Faschisten gleichsetzt, ist nur propagandistisch zu verstehen.

Beflecktes Gedenken

Dieser übersteigerte Nationalismus und Patriotismus, gepaart mit Antisemitismus, widerspiegelt das Denken eines nicht geringen Prozentsatzes der ukrainischen Bevölkerung. Auch die Ukraine hat sich nicht aus eigenen Kräften vom Joch der Nazis befreit, sondern das erledigte die Rote Armee unter ungeheuerlichen Opfern.

Dass nun die Nachfolgeorganisation der Roten Armee als Invasor auftritt, ist beelendend. Das befleckt das Angedenken an die 25 Millionen Tote, die der Überfall Hitler-Deutschlands forderte – und die Rückeroberung der von den Deutschen besetzten und zerstörten Gebiete. Es war klar und unvermeidlich, dass die Rote Armee erst nach der Eroberung Berlins und der totalen Kapitulation Deutschlands den Krieg beendete.

Es war ebenfalls unvermeidlich, dass die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs, nicht zuletzt in einer Konferenz, die auf der Krim stattfand, Nachkriegseuropa unter sich aufteilten. Sie vermieden damit eine Fortsetzung des Zweiten Weltkriegs.

Nicht nur die Widerstandsgruppe um Graf Stauffenberg liebäugelte mit dem Gedanken, einen Separatfrieden mit dem Westen auszuhandeln – um dann mit gemeinsamen Kräften nochmals die UdSSR zu überfallen. Diesem Plan stand Hitler im Weg, deshalb sollte er beseitigt werden, nicht etwas als Ausdruck eines Protests gegen den Faschismus und seine Untaten, an denen Stauffenberg tatkräftig teilgenommen hatte.

Steinbruch Geschichte

Geschichte ist nichts Statisches oder Feststehendes. Sie wird immer wieder umgeschrieben, natürlich von den Siegern. Aber nicht nur die Ukraine zeigt, dass einseitiger Triumphalismus, gar das Ausrufen des Endes der Geschichte fatale Folgen haben kann. Wer geschichtliche Faktoren ausblendet, weil sie ihm nicht in sein Narrativ passen, lernt nichts aus der Geschichte und ist häufig dazu verurteilt, sie zu wiederholen.

Natürlich hat der ukrainische Präsident Selenskij alles Recht der Welt, sich mit allen Mitteln gegen die russische Invasion zu wehren, und propagandistisch erledigt er einen exzellenten Job, persönlicher Mut ist ihm auch nicht abzusprechen.

Dass er korrupt ist, über bedeutende Besitztümer im Ausland verfügt, wie man spätestens seit den Pandora Papers weiss, schmälert das nicht. Auch nicht, dass sein Wahlsieg von einem ukrainischen Oligarchen ermöglicht wurde, der damit Probleme löste, die ihn ins Exil ins Ausland gezwungen hatten. Auch nicht, dass in der Ukraine die gleiche Medienzensur herrscht wie in Russland.

Aber all das komplettiert die Beschreibung dieser Person. Genauso wie die erwähnten Aspekte der ukrainischen Geschichte hilft ein differenziertes Bild bei einer differenzierten Betrachtung. Beim Verständnis und beim Vermeiden von Irrtümern.