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Jetzt schlägt’s 13

Eine wichtige Korrelation übersehen die Medien.

Mit klammheimlicher oder offener Freude berichten die Mainstream-Medien über die Annahme der verantwortungslosen Fehlentscheidung, eine 13. AHV auszuzahlen. Woher man die jährlich bis zu 5 Milliarden nehmen soll, ach, die reiche Schweiz kann sich das doch wohl leisten.

Dabei gibt es bei aller Unvorhersehbarkeit der Zukunft eine Entwicklung, die mit versicherungsmathematischer Eindeutigkeit prognostiziert werden kann. Wann angesichts der demographischen Entwicklung (zunehmende Überalterung der Gesellschaft) und einer nicht fantastisch steigenden Produktivität der Zeitpunkt erreicht ist, an dem ein Beitragszahler im Umlageprinzip AHV einen Rentenbezüger alimentieren wird.

Hier habe Arm gegen Reich abgestimmt, niedrige Lohnbezüger gegen wohlhabende, eher Ungebildete gegen Akademiker. Das ist alles richtig. Verantwortungslose gegen Vernünftige, könnte man hinzufügen.

Ähnlich wie bei der Subventionsmilliarde für notleidende Medienclans mit einem Wilhelm Tell, der mit einer Zeitung eine Mauer niederschlägt, hat auch in dieser Abstimmung eine völlig misslungene und bescheuerte Werbekampagne ihre unselige Wirkung entfaltet.

Wer auf die Idee kam, wohlsituierte Alt-Bundesräte, die eine lebenslange Pension von rund 250’000 Franken im Jahr verzehren, in einem Schreiben an alle Rentenbezüge vor dieser «brandgefährlichen Initiative» warnen zu lassen, sollte fristlos gefeuert werden. Mitsamt all den Clowns, die diesen Rohrkrepierer toll fanden und umsetzten.

Das sogenannte bürgerliche Lager konnte anfänglich vor Siegesgewissheit kaum geradeaus laufen, geriet dann zunehmend in Panik, und angesichts einer sich abzeichnenden Niederlage duckten sich alle weg, die dann im Fall nicht namentlich dran schuld sein wollten. Daran, dass sie krachend versagten. Aber das war in der Schweiz noch nie ein Grund, als Parteipräsident zurückzutreten. Oder als Bundesrat.

In all den Korrelationen, die nun in der Analyse des Abstimmungsverhaltens erstellt werden, wird eine wichtige, bezeichnende, typische vergessen. Dabei sagt sie eigentlich alles über die Motivation der Stimmbürger, die ein Ja in die Urne legten.

Es ist die Korrelation zwischen Schulden und Höhe der Zustimmung, nach Kantonen gemessen. Nehmen wir zunächst die Schuldnerquote, also den Anteil Schuldner an allen Privatpersonen. Nehmen wir jeweils nur die Extremwerte, aber die ganze Statistik stützt diesen Befund. Spitzenreiter ist Neuenburg mit 10,8 Prozent, gefolgt von Genf (10,2) und Basel-Stadt (8,5).

Am unteren Ende liegen Obwalden (3,1 Prozent), Uri (3,1), Zug (3) und Appenzell Innerrhoden (1,6). Nun korrelieren wir das mit der Zustimmung zur 13. AHV in Prozent.  Nur vom Jura übertroffen liegt Neuenburg mit 78,45 Ja-Stimmen an der Spitze. Genf (75,48), Basel-Stadt (64,45). Dagegen Obwalden 64,5 Prozent Nein-Stimmen, Uri (62,57 Nein), Zug (65,54 Nein) und Appenzell Innerrhoden als Spitzenreiter mit 68,55 Prozent Nein-Stimmen.

Wenn wundert’s, dass die kantonale Verschuldung eine ähnliche Korrelation aufweist? Was bedeutet das? Es ist offensichtlich: in den Kantonen, in denen am meisten Privathaushalte nicht mit Geld umgehen können, sammelte die Initiative am meisten Ja-Stimmen ein. Umgekehrt in den Kantonen mit den wenigsten Schuldnern gab es am meisten Nein-Stimmen.

Es ist eindeutig: wer in seinem Privathaushalt mit Geld umgehen kann, stimmt eher nein zu einer Initiative, die Milliarden Mehrkosten verursacht und mit der Giesskanne eine Extra-Rente an Arm und Reich verteilt, an den armen Schlucker und an Christoph Blocher. Der Aberwitz eines solchen Vorhabens müsste eigentlich jedem einleuchten.

Alle Schlaumeiereien, Umverteilung, Reiche werden mehr zur Kasse gebeten, Arme profitieren überproportional, nützen nix. Wer bedürftigen Rentenbezügen wirklich helfen wollte, würde die Ergänzungsleistungen ausbauen wollen. Aber das wäre nicht mehrheitsfähig, weil der Anteil bedürftiger Rentner verschwindend gering ist. Nur 12,5 Prozent der AHV-Rentner benötigen eine Ergänzungsleistung (EL).

Lustig ist das häufig gehörte Argument, dass doch für genügend Blödsinn von der Ukraine abwärts Geld rausgeschmissen werde, wieso dann nicht für Rentner. Nach der Devise: minus mal minus gibt plus. Bescheuert.

Aber das geschickte Massieren von wir hier unten, ihr da oben, der arme Rentner in der reichen Schweiz, das Allerweltswort der sozialen Gerechtigkeit, mit solchen Rattenfänger-Tönen fängt man den Stimmbürger. Keine Glanzstunde der direkten Demokratie.

 

Die Granulierung des Betroffenseins, Teil I

Jeder für sich in seiner Privatblase und ansonsten alle gegen alle. Der neuste Unfug.

Exemplarisch wird in Holland zurzeit eine aufgeregte Debatte geführt. Wer ist legitimiert, das bei der Inauguration von Joe Biden verlesene Gedicht einer jungen Afroamerikanerin zu übersetzen?

Jeder, der’s kann und diese Flachsinnslyrik im Kopf aushält? Könnte man meinen. Zudem guckte sich der Verlag eine junge, wilde Poetin aus, die sich als non-binär bezeichnet, also wohl auch als ausgegrenzt und diskriminiert empfindet, wie Amanda Gorman in den USA.

Aber weit gefehlt. Es erhob sich grosses Geschrei der dunkelhäutigen Community in Holland, wie man es wagen könne. Denn die holländische Poetin ist – weiss. Dazu fehle ihr jeder sozio-kulturelle Hintergrund, um das Werk aus den USA adäquat übertragen zu können. Darüber könnte man hinweglachen, wenn es nicht ein Ausdruck der allgemeinen Verwilderung wäre, der Protest, Debatten, gemeinsam sind wir stark, so mühsam bis unmöglich macht.

Die offene Debatte liegt im Koma

Gleich zwei Wellenbewegungen beschädigen, oftmals zerstören sogar die offene Debatte, unser einziges und wichtigstes Alleinstellungsmerkmal gegenüber diktatorisch oder fundamentalistisch-religiös beherrschten Gesellschaften. Die offene Debatte röchelt vor sich hin.

Zunächst durch diesen Mitbetroffenheitsschwachsinn. Nur eine junge Schwarze mit ethnisch ähnlichem Hintergrund kann ein Gedicht einer anderen Schwarzen korrekt übersetzen? Nur ein Einbeiniger kann über die Probleme von Einbeinigen klagen? Nur eine Mutter darf sich zu Kindererziehung äussern? Es wird grundsätzlich bestritten, dass ohne Teilhabe, die sich in schlichter Ähnlichkeit äussert, eine Teilnahme an der Debatte über ein Problem möglich sei.

Und diese Qualifikation wird mit absurden Korrelationen erworben? Gleiche Pigmentfärbung der Haut, gleiches körperliches Gebrechen, gleicher Erfahrungshorizont? Gleiches Geschlecht, gleiche Sozialisierung? Wenn die älteren, weissen, reichen Männer im englischen Parlament auch so gedacht hätten, wäre ihnen nicht im Traum eingefallen, Sklavenhandel und Sklaverei zu verbieten.

Statt immer mehr Teilnehmer immer weniger

Früher, ja früher wurde der gesellschaftliche Fortschritt und die Erkenntnis dadurch befördert, dass im Verlauf der Demokratisierung immer mehr Teilnehmern das Mitdiskutieren, Mitstreiten, Mitdenken erlaubt wurde. Das gipfelte dann in den Erklärungen der allgemeinen Menschenrechte, die jedem alleine durch das Menschsein unveräusserliche Rechte zubilligten.

Auch das wurde zuerst ausschliesslich von wohlhabenden, nicht mehr ganz jungen  weissen Männern beschlossen. Dann entwickelte sich eine Inklusion, die den Namen auch verdiente. Von Frauen, von Besitzlosen, von ethnisch oder schlicht an der Hautfarbe erkennbar anderen. Das war seit 1776, seit 1789, seit 1848 ein grandioses Erfolgsmodell.

Bis 1989, als der Zusammenbruch des sozialistischen Lagers und der damit verbundene Wegfall eines einfachen Schwarzweiss-Rasters – hier gut, dort böse – das Koordinatensystem zur Weltkartographie und die Orientierung verlorengingen. Nach kurzzeitigem Triumphalismus – das Ende der Geschichte ist erreicht  –, begann eine ganz unheilvolle Entwicklung, um neue Weltvermessungen durchführen zu können und wieder Halt zu finden in einer unübersichtlichen, chaotischen, globalisierten Welt.

Selbstdefinition durch Abgrenzung

Es begann die Granulierung, also die Selbstdefinition jedes Einzelnen durch Abgrenzung, nicht durch Gemeinsamkeit. Während es vorher eine mächtige Schwulenbewegung gab, zersplitterte sie nun. Der schwarze Schwule im Ghetto, genauso meilenweit entfernt vom weissen mittelständischen Schwulen wie der vom reichen Schwulen, unabhängig von der Hautfarbe.

Ausgebeutete und Ausbeuter, Besitzer und Habenichtse, Mächtige und Machtlose, Dominierende und Dominierte? Aber nein, so einfach ist das nicht mehr. Habenichtse müssen nach Hautfarbe, Geschlecht, Herkunft, Sozialisation, Glauben, Aufenthaltsort und vielen weiteren Kriterien vorsortiert werden.

So entstehen vereinzelte Schneeflocken in ihren Blasen, die vor jedem Kontakt mit Andersartigen, aber auch mit eigentlich Gleichgesinnten, zurückschrecken. Einen schwarzen, schwulen Sozialdemokraten trennen Welten vom Ausbeuter, aber auch Welten von der weissen, weiblichen, heterosexuellen Genossin.

Komplettiert wird diese Symphonie des Wahnsinns durch eine zweite, völlig falsche Zuweisung. Indem eine Eigenschaft, die überhaupt nichts mit einer anderen zu tun hat, mit der korreliert wird, um einen sachunabhängigen Vorwurf zu legitimieren. Hä?

 

Fortsetzung folgt.