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Kommunikationsgenies

Scheint’s wird der Laden dichtgemacht …

Aber wenn man sich auf der Webseite von Swissprinters umtut, ist dort die Welt noch völlig in Ordnung. Alles läuft rund, die Angebote sind da:

Gestalten, drucken, ausrüsten, gar vermieten: alles vorhanden, natürlich nachhaltig und zukunftsträchtig. Nur: war da nicht mal was mit Betriebseinstellung? Mal angenommen, ein potenzieller Kunde lässt sich von all diesem Werbe-Palaver überzeugen und möchte gerne einen grossen Druckauftrag vergeben. Und dann?

Dann teilt man ihm wohl per Mail oder mündlich mit: so sorry, die Webseite steht da nur noch aus Gewohnheit und weil wir es mit der Kommunikation nicht so haben.

Schon die offizielle Medienmitteilung war schräg genug:

«Von der beabsichtigten Betriebseinstellung wären alle Mitarbeitenden von Swissprinters betroffen, wobei die definitive Zahl der zu entlassenden Mitarbeitenden erst nach Abschluss des Konsultationsverfahrens feststehen wird. Das Konsultationsverfahren mit der Belegschaft von Swissprinters wird heute eröffnet. Die Mitarbeitenden würden bis zur Betriebsschliessung Ende September 2024 weiterbeschäftigt werden. Im Rahmen des bestehenden Sozialplans könnte ein Teil des Stellenabbaus über Frühpensionierungen aufgefangen werden.»

Also die Betriebseinstellung ist «beabsichtigt», nicht etwa beschlossen. Daher sind nicht alle Mitarbeitenden davon betroffen, sondern sie «wären» es nur. Sie werden auch keineswegs weiterbeschäftigt, sondern «würden» das im Fall der Fälle. Wenn nicht ein Teil des Stellenabbaus über Frühpensionierungen aufgefangen wird. Nein, er «könnte» damit aufgefangen werden.

Wenn man das genau liest, dann wurde hier einfach mal so eine Idee in den Raum gestellt, wobei sich das meiste im Konjunktiv abspielt, also gar nicht real ist. Real ist hingegen das Angebot auf der Webseite.

Auch bei den etwas angestaubten News ist die Druckwelt noch heil und in Ordnung:

Statt Samichlaus und Jubel über Gedrucktes wäre doch hier Gelegenheit, dezent auf das baldige Ende hinzuweisen …

Allerdings gibt es einen winzig kleinen Hinweis, dass die Welt doch nicht völlig in Ordnung ist. Es werden zwar noch tapfer drei Lehrberufe angeboten:

Vielleicht sollten aber hoffnungsfrohe angehende Berufsleute doch von einer Bewerbung Abstand nehmen. Denn offensichtlich herrscht bei Ringiers in Zofingen kein Fachkräftemangel:

Na, da haben wir ihn doch, den versteckten, feinen Hinweis darauf, dass die Zukunft von Swissprinters vielleicht doch nicht so gesichert ist.

Aber suchen muss man ihn schon.

Was für Kommunikationsgenies im Hause Ringier. Nun gut, da man mit Kommunikation, Wörtern, Mitteilungen, News nicht so viel am Hut hat, weil man eigentlich nur Kunst sammelt,  Aston Martins repariert und Schrauben herstellt, ist das natürlich verständlich. Wäre man ein Medienhaus, sähe es allerdings anders aus.

Analytiker Hossli

USA, das kann er. Meint der Leiter der Journalistenschule.

Mit dieser Position sollte eine gewisse Vorbildfunktion verbunden sein. Nichts gegen Peter Hossli, aber ob er diesem Anspruch wirklich gewachsen ist?

Zunächst meldete der «Blick» noch nachrichtlich:

Das oberste Gericht des Bundesstaats Colorado nahm einen aus dem amerikanischen Bürgerkrieg stammenden Verfassungszusatz zum Anlass, Präsidentschaftskandidat Donald Trump von den Vorwahlen auszuschliessen. Dieser 14. Zusatzartikel bestimmt, dass niemand ein öffentliches Amt ausüben darf, der einen Eid auf die Verfassung ablegte, sich dann aber an einem Aufstand beteiligte. So wie das Trump bei der Stürmung des Capitols getan haben soll.

Da Colorado ein ziemlich sicher demokratisch wählender Bundesstaat ist, würde selbst ein Nichtantreten Trumps keine gröberen Auswirkungen auf die Präsidentschaftswahlen (oder die Vorwahlen innerhalb der republikanischen Partei, wo er haushoch führt) haben.

Aber das Urteil ist ein Triumph für die Trump-Gegner, die mit ähnlichen Klagen bereits in Michigan und Minnesota gescheitert waren.

Nun soll Boulevard etwas kreischiger und ruppiger sein als die gehobene Zeitung. Allerdings soll der «Blick» gar nicht mehr Boulevard sein, dekretierte seine oberste Verantwortliche. Ob Hossli das mitgekriegt hat?

Das nennt man üblen Konjunktiv- oder Vermutungsjournalismus. Das Urteil bedeutet sicher nicht eine Wende bei der US-Wahl, aber es «könnte». Denn ohne dieses Modalverb würde die ganze «Analyse» wie ein Soufflé zusammenfallen. Das ist Journalismus im Stil: Ich könnte im Lotto gewinnen, wenn ich sechs Richtige hätte. Oder: Wenn meine Oma Räder hätte, wäre sie ein Fahrrad.

Aber das ist die Voraussetzung fürs Aufblasen des Soufflés:

«Hat Donald Trump (77) einen Putsch angezettelt? Diese Frage dürften schon bald Amerikas oberste Richterinnen und Richter behandeln. Sagen sie mehrheitlich Ja, kann Trump nie mehr ein öffentliches Amt bekleiden. Sagen sie Nein, hat der ehemalige Präsident gute Chancen, erneut ins Weisse Haus einzuziehen.»

Faktencheck ist dabei Hosslis Sache auch nicht so: «In Michigan ist eine Klage noch hängig.» Nö, ist sie nicht; abgeschmettert.

Peanuts, aber dann pumpt Hossli weiter: «Geht er in Berufung, erhalten die US-Wahlen eine Wende, bevor eine einzige Stimme abgegeben worden ist. Wie im Jahr 2000 hätten neun Richter mehr Macht über das Wohnrecht im Weissen Haus als die rund 170 Millionen amerikanischen Wählerinnen und Wähler. Heisst das Gericht das Urteil von Colorado gut, wäre Trump in allen 50 Bundesstaaten von politischen Ämtern gesperrt

Kühne Interpretation, denn das Oberste Gericht der USA müsste im Fall einer Berufung ja nur entscheiden, ob das Urteil von Colorado Bestand hat oder nicht. Das gälte natürlich nicht automatisch für alle anderen Bundesstaaten.

Auch Hossli selbst ist da nicht ganz verfassungssicher:

«Lehnen die Richter in Washington die Berufung ab, wäre Trump nur in Colorado von den Vorwahlen ausgeschlossen

Also was denn nun? Lehnt das Gericht seine Berufung ab und stützt damit das Urteil von Colorado, wäre er dann nur dort oder überall von den Vorwahlen der Republikaner ausgeschlossen?

Hossli gibt allerdings sowieso Entwarnung: «Auf die dortigen Stimmen wäre er nicht angewiesen, um Kandidat der Republikaner zu werden.»

Wir fassen die Analyse zusammen. Dieses Urteil könnte eine Wende bedeuten. Trump könnte von den Vorwahlen in Colorado ausgesperrt bleiben. Ausser, er geht in Berufung. Dann könnte er in allen Bundesstaaten allenfalls nicht antreten. Oder nur in Colorado nicht. Oder so. Oder anders. Oder who cares.

Dieses Urteil bedeutet wohl keine Wende im US-Vorwahlkampf. Aber es hat immerhin einen wendigen Artikel provoziert. Vielleicht sollte der einfach als Anschauungsmaterial für die Journalistenschüler dienen. Um auch Konjunktiv-Journalismus zu betreiben, nach der Devise: seht Ihr, liebe Eleven, so sollte man das nicht machen. Immer schön die Fakten checken, keinen Vermutungs- oder Konjunktivjournalismus betreiben, sich nicht selbst widersprechen.

Das wäre eine gute Idee, vermutet ZACKBUM. Aber vielleicht sollte man sie nicht publizieren.

Vorsicht ist die Mutter aller Dinge

Ausgerechnet das Krachbum-Blatt «Blick» dribbelt hier.

Natürlich musste auch die Zeitung mit dem Regenrohr im Logo den Tod des Models Tatjana Patitz mit nur 56 Jahren vermelden.

Allerdings will man sich da nicht auf die Äste rauslassen:

Sicher ist für den «Blick» nur, dass das Supermodel gestorben sei. In der Bildlegende heisst es noch vorsichtig «soll an Brustkrebs gestorben sein». Aber im Lead gewinnt der Autor zunehmend an Sicherheit und riskiert sogar ein Ausrufezeichen: «Brustkrebs!»

Für diejenigen, die’s aber immer noch nicht kapiert haben (was tief blicken lässt. für wie schlau der «Blick» seine Leser hält), beginnt der Lauftext mit der Ankündigung: «Supermodel Tatjana Patitz ist tot.» Anschliessend frönt der «Blick» der aus der Mode gekommenen Tugend, Tatsachenbehauptungen nur dann aufzustellen, wenn es zwei unabhängige Quellen dafür gibt:

«Die Deutsche sei am Mittwoch im Alter von 56 Jahren im US-Bundesstaat Kalifornien gestorben, teilte ihre Modelagentur in New York der Deutschen Presse-Agentur mit. Auch ihre deutsche Model-Vertretung in Hamburg bestätigte den Tod von Patitz

Hier herrscht dann wieder überkorrekt der Konjunktiv «sei gestorben», um dann aber doch dem Indikativ Platz zu machen «bestätigte» statt «habe bestätigt».

ZACKBUM ist verwirrt. Ist das nun plötzlich ein Anfall, absolut korrekten Journalismus betreiben zu wollen? Waren zwei Texter am Werk? Oder ist es einfach, das scheint einleuchtend zu sein, aber Genaueres wissen wir nicht, könnte es einfach Schlamperei sein?

Aber solange wir nicht mindestens zwei Quellen haben, die das bestätigen, sagen wir nix. Oder gut, wir machen’s so wie der Tagi, eine anonyme Quelle reicht auch; die kann man sich notfalls auch einfach erfinden. Also haben wir aus normalerweise gut unterrichteten Kreisen erfahren: ist die übliche Schlamperei.

 

Lang lebe der Konjunktiv

Politiker beherrschen ihn ziemlich gut. Denn es gibt das Reale ihres Tuns, wobei alles andere irreal sei. Schlimmer noch: falsch wäre, fatal.

Die gerade abgetretene Angela Merkel hat den Ausdruck zwar nicht erfunden, aber immer wieder und gerne verwendet: alternativlos. In Griechenland Milliarden versenken? Alternativlos. Den Euro retten? Alternativlos. Hü und hott bei der Pandemie? Alternativlos.

So entstand dann auch die AfD, die Alternative für Deutschland. Aber das sind deren Probleme. Sollten sich doch ein Beispiel an der Schweizer Zauberformel nehmen, dann gäbe es kein langes Gezeter, ob Scholz oder Laschet oder keiner oder beide oder was.

Dem Schweizer ist die Schweiz näher, dem Ostschweizer die Ostschweiz. Nur wir Zürcher kümmern uns gerne auch um andere. Solche, die’s nötig haben. So sind wir, so möge man uns.

Der richtige Konjunktiv ist gar nicht so einfach

Das ist auch alternativlos. In Wirklichkeit ist die Verwendung von Konjunktiv eins, zwei – und den Konditionalis nicht vergessen – gar nicht so einfach. Also rein grammatikalisch. Aber auch in der Realität.

Es gibt den noch harmlosen Satz: «Hätte meine Oma Räder, wär’ sie ein Motorrad.» Das ist wohl vom Kinderlied abgeleitet «Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad.» Das ist alles noch Spass und Tollerei.

Weder spassig, noch lustig, aber eher toll (im Sinne von Tollhaus) wird’s, wenn der Politiker mit ernster Miene vors Stimmvolk tritt und spricht: das ist nun alternativlos. Das ist’s schon deswegen, weil alles andere noch viel schlimmer wäre. Konjunktiv zwei, nebenbei.

Das ist ein ganz fataler Satz. Aus zwei Gründen. Er stellt die Entscheidung, die Politik des Regierenden als einzig mögliche, denkbare, richtige, vernünftige dar. Alles andere wäre gaga, Habakuk, Blödsinn, fahrlässig, unverantwortlich, kurzsichtig. Oder einfach: blöd, bescheuert, beknackt.

Wenn’s nicht alternativlos ist, dann ist’s falsch

Zweitens: Natürlich gäbe es Alternativen, aber die wären halt viel schlimmer. Euch gefallen die wirtschaftlichen Folgen der Lockdowns nicht? Schon, aber alles andere … Ihr habt Probleme mit einer Impfpflicht, die gar keine Pflicht ist, aber irgendwie doch? Mag sein, nur wäre alles andere …

Ihr wollt über die Änderungen vom 19. März am sogenannten Covid-19-Gesetz abstimmen? Gut, das dürft ihr, aber wir, der Bundesrat, müssen schon klar machen: «Es gibt keinen Plan B.» Das sagt der Gesundheitsminister mit den schwarzen Augenbrauen und beachtlicher Libido.

Was will er denn damit sagen? Na, Dummerchen, ganz einfach: ein Ja Ende November ist alternativlos. Natürlich könnte man, Konjunktiv, theoretisch auch nein stimmen. Aber das wäre dann ganz dumm, im Fall. Ab März 2022 gäbe es dann (Konditional zwei) keine Zertifikate mehr. Planungssicherheit, Batzeli, Hilfen, Entschädigungen, Unterstützung: alles futsch, bei einem Nein.

Das gilt auch verschärft im Kampf gegen die Massnahmen-Kritiker. Also die Skeptiker, also die Leugner. Die sich radikalisierenden Demonstranten. Die schon mal das Bundeshaus stürmen wollten, wenn man sie liesse. Die immer gewalttätiger werden. Die die ganze Stimmung in der Schweiz vergiften. So geht das alternativlos natürlich nicht.

Zur Komplettausrüstung des modernen Politikers gehört noch ein zweites Besteck: das «ja, aber». Ersatzweise das «natürlich, aber».

Natürlich, sicher, auf jeden Fall. Aber …

Natürlich darf in der Schweiz demonstriert, dürfen Referenden ergriffen werden, dürfen Slogans wie «Eat the Rich», «Klassenkampf» «nieder mit», «alle gemeinsam gegen» skandiert und plakatiert werden. Ja, natürlich. Aber: doch nicht so. Doch nicht von denen. Doch nicht bei diesem Thema.

Natürlich gibt es keinen Impfzwang in der Schweiz. Aber. Natürlich darf man die wissenschaftliche Richtigkeit von Aussagen der Task Force bezweifeln. Aber. Selbstverständlich darf man die Corona-Politik des Bundesrats kritisieren. Aber. Natürlich darf man sich als Frau Gedanken über die Auswirkung der Impfung machen. Aber.

Mit diesen beiden Instrumenten kommt man ziemlich weit. Bis in eine Kantonsregierung, sogar bis in den Bundesrat.  Aber wenn man sie fleissig anwendet, sollte man sich nicht darüber beschweren, dass es in der Gesellschaft weniger konsensual als vorher zugeht. Sich Ränder radikalisieren, viele sich nicht mitgenommen, ernst genommen, vertreten fühlen.

Auch das dürfen sie natürlich. Aber. Sie könnten (Konjunktiv) doch einsehen, dass es zur offiziellen Politik keine Alternative gäbe (Konjunktiv zwei). Gebe (Konjunktiv eins). Gibt. Indikativ, so liebt’s der Politiker in diesem Fall. Aber nur in diesem.