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Krieg der Worte

Seit den Sprachreinigern im Dritten Reich war es noch nie so schlimm.

Der Deutsche nimmt schnell übel. Neben Rechthaberei und Blockwart-Mentalität ist das eine weitere unangenehme Eigenschaft von ihm.

Besonders gerne nimmt er den Gebrauch von Wörtern übel. Das zieht sich bis weit in die Geschichte zurück, als Sprachreiniger das gute Deutsch von allen ausländischen Vokabeln befreien wollten. Unsterblich in Erinnerung bleibt der Viertopfknalltreibling für den Vierzylinderexplosionsmotor.

Ein anderes, modernes Reizwort, bei dem jedem gendergetreuen Gutmenschen die Stirnader anschwillt, ist der «Mohrenkopf». Kleiner Irrtum dabei: Es ist absurd, wenn man meint, durch Diskriminierung oder gar Verbot missliebiger Begriffe Rassismus bekämpfen zu können. Ob jemand Neger oder Mitmensch mit afrikanischer Herkunft sagt, ändert keinen Deut daran, ob er ein Rassist ist oder nicht.

Viel härter wird diese Auseinandersetzung natürlich auf dem Gebiet der Politik geführt. Die aktuelle Festnahmen und die Jagd auf weitere Ex-Mitglieder der deutschen Terrorgruppe RAF erinnert daran, dass in den finsteren Zeiten des Deutschen Herbsts inquisitorisch unterschieden wurde zwischen Menschen, die «Baader-Meinhoff-Gruppe» für die RAF sagten und solchen, die vorgeschrieben korrekt «-bande» sagten.

Die Verweigerung der angeblich korrekten Sprachregelung konnte damals ohne weiteres ernste Konsequenzen auf Karriere und Anstellung haben.

Ewig gibt es den Versuch, mit knackigen Kampfbegriffen die politische Debatte zu beherrschen. Dabei spielt der semantische Inhalt keine grosse Rolle, sondern nur das Framing eines Begriffs. Anders wäre das Wort vom «Putinversteher» ja kein Schimpfwort, sondern im Wortsinn durchaus lobend gemeint; da bemüht sich jemand, den russischen Präsidenten zu verstehen. Was ja wohl Voraussetzung dafür ist, seine Taten analysieren zu könne, Prognosen für zukünftiges Tun zu wagen, sinnvolle Gegenstrategien auszuarbeiten.

Aber stattdessen steht «Putinversteher» für jemanden, der die Taten Putins nicht nur versteht, sondern sogar billigt, der sie nicht erklärt, sondern entschuldigt, zumindest rechtfertigt.

Auch in der überwundenen Pandemie war etwas vom Schlimmsten, ein Coronaleugner zu sein. Eigentlich ein absurder Begriff, aber aufgeladen mit allem Schlechten, was man einem Menschen vorwerfen kann. Ein Coronaleugner isst sicherlich auch Mohrenköpfe und ist zudem auch ein Klimaleugner, was ein noch absurderer Kampfbegriff ist.

Immer wieder kommen neue Formulierungen auf die grosse Shitlist derjenigen, die versuchen, den öffentlichen Diskurs zu dominieren und statt mit Argumenten mit Totschlagargumenten operieren.

Neu in diesem Theater ist die «weisse Flagge». Der Papst getraute sich, dieses Wort zu benützen, um den Kriegsparteien im Nahen Osten nahezulegen, statt weiterer kriegerischer Handlungen es mal mit einem Waffenstillstand und einer Verhandlungslösung zu probieren. Da wurde geschäumt, dass er doch wohl nicht Israel empfehlen wolle, die weisse Flagge zu schwenken.

Neuster Zuzügler ist das Wort vom Einfrieren. Erinnern wir daran, was der SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich im deutschen Bundestag genau gesagt hat:

«Ist es nicht an der Zeit, dass wir nicht nur darüber reden, wie man einen Krieg führt, sondern auch darüber nachdenken, wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann

Eine zweifelsfrei bedenkenswerte, sinnvolle Aussage. Erschwerend kommt noch hinzu, dass der SPD-Politiker trotz grossem Gebrüll nicht bereit ist, diese Formulierung zurückzunehmen. Störrisch erklärt er, wie das in der Friedensforschung verwendet wird: «Dort wird das Einfrieren als Begrifflichkeit genutzt, um in einer besonderen Situation zeitlich befristete lokale Waffenruhen und humanitäre Feuerpausen zu ermöglichen, die überführt werden können in eine beständige Abwesenheit militärischer Gewalt.»

Damit macht er aber den typischen Fehler eines Intellektuellen. Das ist viel zu kompliziert für die Aufnahmefähigkeit der breiten Masse. Die hat’s gerne knackig, einfach, übersichtlich und möchte nach einer Sekunde schon wissen, ob man dagegen oder dafür zu sein hat, ob das ein böses oder ein gutes Wort ist. Ob hier ein Putinversteher spricht oder ein tapferer Verteidiger unserer westlichen Werte in der Ukraine.

Solche bösen Menschen, die böse Wörter verwenden, wobei das eine das andere beweist, nannte man früher gerne Wehrkraftzersetzer. Ist leider zu angebräunt. Diversant wäre nicht schlecht; vielleicht sollte man sich auch häufiger an Adolf* Wühler aus dem «Zivilverteidigungsbüchlein» erinnern, ein zu Unrecht vergessenes Meisterwerk der politischen Indoktrinierung.

*Nach Leserhinweis korrigiert.

Kindisch-arrogante Dialogverweigerung

Reden wir mal drüber? Nicht mit der Klimajugend.

Es war schon immer das Privileg von Autokraten und Diktatoren, von vermeintlich unangreifbaren Autoritäten, die Debatte zu verweigern.

Das chinesische Regime will keinen Dialog mit Dissidenten. Der weissrussische Autokrat Lukaschenko will keinen Dialog mit den Demonstranten gegen seine manipulierte Wiederwahl.

Damit soll die andere Seite nicht aufgewertet, nicht anerkannt, ihr Legitimität abgesprochen werden. Denn Regimes und Autokraten haben Angst vor dem freien Wort, vor der Debatte.

Alle Heilslehren, Religionen, hermetisch geschlossene Ideologien haben Angst vor der Debatte. Im Islam ist das bis heute unmöglich; die christliche Kirche musste dazu gezwungen werden, auf Zweifel und Gegenargumente nicht mit der Inquisition zu reagieren.

Nur im offenen Widerstreit der Argumente ist Erkenntnisgewinn möglich

Natürlich ist die Freiheit der Debatte nicht grenzenlos; sie braucht Regeln, die Teilnehmer müssen geschützt sein. Aber es gehört zu den fundamentalen Vorteilen unserer zivilisierten Gesellschaftsform, auf dieser kleinen Insel des offenen Streitens, dass Konsens herrscht: nur im Widerstreit der Meinungen ist Erkenntnisgewinn möglich.

In hermetisch geschlossenen Systemen, in Autokratien, in absolutistischen Regimes wird dekretiert, worüber debattiert werden darf – und worüber nicht. In fundamentalistischen Glaubensgebäuden gilt Zweifel als blasphemisch, der sogar mit dem Tod bestraft werden muss.

Offenes Streiten über alles ist nur in einigen Staaten Europas, in den USA, in wenigen Staaten Asiens, nirgendwo in Afrika oder Lateinamerika möglich. In zu vielen Ländern der Erde riskiert der Vertreter einer unliebsamen Meinung, dass er zensiert, boykottiert, bedrängt wird. Schlimmer noch, dass er bedroht wird, Nachteile in Kauf nehmen muss. Vielleicht sogar sein Leben verliert.

Kleine Inseln der Glückseligen im Meer der Intoleranz

Wir leben hier in der Schweiz auf einer der wenigen Inseln der Glückseligen, wo im Rahmen des Anstands und der Gesetze ein offener Meinungsstreit nicht nur möglich ist, sondern auch eine lange Tradition hat. In jeder Form.

Eine dieser Formen ist das Streitgespräch in der Öffentlichkeit. Auf Podien, in Sälen oder vor Mikrophonen und Kameras. Die einzige Sendung des Schweizer Fernsehens, die eine solche Streitkultur pflegen will, ist die «Arena».

Man kann, was dort stattfindet, als Schaukampf kritisieren, bemängeln, dass es nur rhetorische Spiegelfechterei sei, dass man sich nicht zuhöre, sondern jeder Teilnehmer nur möglichst viel Redezeit für sich erobern will. Auch diese Meinungen kann man frei äussern.

Wir sprechen gerne mit allen, nur mit dem nicht

Nun überrascht das «Kommunikationsteam des #RiseUpForChange» damit, dass es «sehr gerne auch mit Menschen spricht, welche unterschiedliche Ansichten haben». Allerdings bestimmt es selbstherrlich, mit wem es nicht spricht. Denn die Redaktion der «Arena» bestehe doch tatsächlich «auf der Einladung Roger Köppels».

Eine Unverschämtheit für das «Kommunikationsteam», denn «Roger Köppel und seine Zeitung hetzen seit Beginn der Klimastreiks massivst gegen Klimastreikende». Daher habe man «einstimmig beschlossen, die Einladung zur SRF Arena nicht anzunehmen».

Genauer gesagt: Die Teilnahme zurückzuziehen, nachdem man offensichtlich mit dem Erpressungsversuch scheiterte, nur aufzutreten, wenn Köppel nicht dabei ist. Das ist so unverfroren und unerhört, dass man es kurz abschmecken muss.

Wenn die Massstäbe völlig verrutschen

Die gleichen Vertreter einer Bewegung, die die Toleranz der Gesellschaft aufs «massivste» strapazierten, indem sie ein Lager auf dem Bundesplatz vor dem Schweizer Parlament aufschlugen, das trotz klarem Gesetzesverstoss von der Berner Regierung toleriert wurde, wollen die Teilnahme eines missliebigen Kontrahenten in einer Debatte nicht tolerieren.

Dabei haben sie sich offensichtlich verschätzt und überhoben, indem sie meinten, mit ihrer Drohung, der Debatte fernzubleiben, könnten sie Köppel ausladen, obwohl ihnen weder seine Einladung noch seine Ausladung zusteht.

Die Begründung fürs Schmollen ist aberwitzig: Köppel leugne oder relativiere die Existenz des menschengemachten Klimawandels. «Dieser ist wissenschaftlicher Konsens und kann nicht zur Debatte stehen.»

Die Klimajugend will bestimmen, was debattiert werden darf

Das erinnert an die absolute Arroganz der Kirche, die Galileo Galilei mit dem Zeigen der Folterinstrumente klar machte, dass die Erde eine Scheibe sei und unverrückbar im Zentrum des Universums stünde. Das sei wissenschaftlicher Konsens und könne natürlich nicht zur Debatte stehen.

Nun hat Köppel vielleicht nicht das Format eines Galileis. Aber ein paar erregte Jugendliche haben noch viel weniger das Format oder die Autorität, darüber zu entscheiden, was zur Debatte stehen darf und was nicht.

Man könnte nun Milde walten lassen und verständnisvoll darüber hinwegsehen, dass ein paar Idioten in jugendlichem Ungestüm noch keine Ahnung haben, was Meinungsfreiheit und Toleranz bedeuten. Unheimlich wird es aber, wenn ein Krisenkommunikationsberater wie Mark Balsiger Wind in eigener Sache macht, indem er per unverlangter Ferndiagnose schon vor der Debatte weiss, dass Köppels «Teilnahme in der Sendung nichts» bringe.

Ein Krisenkommunikator als Krise in eigener Sache

Wer solchen Unsinn verzapft, ist selber die Krise, die er kommunikativ zu bewältigen verspricht. Es mag durchaus zweifelhaft, gar falsch sein, unsinnig, unwissenschaftlich, hanebüchen, was Roger Köppel oder andere Autoren der «Weltwoche» über Klimaveränderung sagen.

Aber selbst wenn das so ist: Das ist ein laues Lüftchen im Vergleich zu dieser arroganten Borniertheit, in einer Debatte bestimmen zu wollen, wer mit welchen Meinungen daran teilnehmen darf – und wer nicht.

Selbstverständlich findet die «Arena» unter Teilnahme von Roger Köppel statt, und das ist gut so. Die Klimajugend hat sich hingegen als ein dummer Haufen von trotzenden Rotznasen entlarvt. Erstaunlich höchstens, dass diese «Kollektiv» auch für Greenpeace spricht. Dieser Organisation konnte man bislang eine gewisse Vernunft nicht absprechen.

Aber hier ballt sich eine üble Mischung aus geschichtsvergessener Dummheit, Borniertheit und Rechthaberei zusammen. Von Menschen, die vergessen haben – oder nie wussten –, wie kostbar das Gut der freien Debatte ist, und mit wie vielen Opfern es erkämpft werden musste.

Deshalb dürfen nur weit gefasste Gesetze, so wie in der Schweiz, die freie Meinungsäusserung beschneiden. Niemals selbsternannte «Kommunikationsteams» von Kommunikationsverweigerern.