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Die letzten Gläubigen

Das WEF ist ein Schatten seiner selbst. Selbst die Demos dagegen …

All das übliche Brimborium fehlt. Wichtige und Mächtige, die in schwarzen, gepanzerten Limousinen durch Davos pflügen. All die Begegnungen «kenne ich den oder muss der mich kennen?». Die Empfänge, Partys, das Come-Together, die prall gefüllten Agenden. Wer hat die beste Suite im ersten Hotel am Platz, wer muss in Zürich übernachten und anreisen?

Wie viele wichtige Präsidenten und Weltenlenker sind anwesend, wo stapeln sich die Privatjets und die ganz grossen Flieger? Alles fehlt, stattdessen haben wir einen Olaf Scholz, eine Christine Lagarde, eine von der Leyen als Ersatzstars. Nicht mal Schnee gibt’s.

Was macht noch Schlagzeilen? Klitschko: «Bleibt die Schweiz passiv, klebt auch Blut an ihren Händen». – «Davos im Metaversum: WEF-Gründer kündigt digitales Grossprojekt an.» – «Die Welt war naiv. Klaus Schwab auch.» – «Oxfarm fordert höhere Steuern für Konzerne und Vermögende

Russland ist ausgeladen, Selenskij hat eine seiner tollen Video-Ansprachen gehalten, bei denen alle ganz betroffen schauen. Und ein ehemaliger Box-Weltmeister bereitet schon das Terrain vor: «Wladimir Klitschko hat die Schweiz zu einem Verbot russischer Staatsmedien aufgefordert. Dort laufe anti-ukrainische Propaganda. «Die Gehirnwäsche findet auch in der Schweiz statt», sagte er in einem Interview mit dem «Blick» am Rande des WEF in Davos.» Gehirnwäsche in der Schweiz? Muss doch was dran sein, dass zu viele Kopftreffer nicht spurlos an Boxern vorbeigehen.

Soweit, so gähn. CNN, die grossen Medien, sie berichten mehr aus Gewohnheit und unter ferner liefen über das WEF. «Blick» ist es aber gelungen, dem «CNN-Starmoderator» Richard Quest in Davos ein Statement zu entlocken. Was erwarte er denn vom diesjährigen WEF? «Nothing

Nicht viel mehr als nichts war auch der erste Versuch eines Protests durch die Jusos: «Nur gerade 60 WEF-Gegner protestieren gegen das Forum. Juso-Präsidentin Ronja Jansen lässt sich von der kleinen Teilnehmerzahl nicht beirren.» (siehe Screenshot vom «Blick» als Artikel-Foto.)

Aber immerhin, in Zürich war wenigstens etwas Action:

Tränengas, Gummischrot, Doppelmoppel-Parole.

Aber die NZZ hält in alter Treue am WEF fest und gönnt dem 84-jährigen Klaus Schwab den grossen Bahnhof, bzw. das grosse Interview. Aber auch ihr fällt es schwer, Fragen zu stellen, die Antworten erhalten, die dem Leser nicht als Ersatz für Schafezählen zum Einschlafen dienen könnten.

Seine Lieblingspose seit gefühlten 100 Jahren.

Auch auf die Gefahr hin, dass der Leser hier wegschnarcht, einige Höhepunkte des Interviews:

  • Die globale Solidarität hätte grösser sein können, das stimmt. Ich glaube, Corona hat uns alle egoistischer gemacht, und die Staaten sind nationalistischer geworden.
  • Ich habe mich angepasst und war online sehr aktiv. 
  • Das Global Village soll zur ersten Metaversum-Anwendung mit einem echten «purpose» werden.
  • Wir erwarten über 50 Regierungs- und Staatschefs und über 200 Kabinettsmitglieder.
  • Als der Krieg ausbrach, erinnerte ich mich an dieses Gespräch. Nun war völlig klar: Der Versuch, Putin zu überzeugen, europäischer zu werden, ist gescheitert. Ich war traurig und entsetzt.
  • Ich glaube, wir erleben tatsächlich gerade Geschichte an einem Wendepunkt.
  • Die Welt wird fragmentierter, wahrscheinlich zerbrechlicher.
  • Ich habe Drohschreiben erhalten, unser Haus wurde fotografiert und das Bild ins Internet gestellt.

Ist noch jemand wach? Dann haben wir noch die endgültige Schlafpille. Denn Schwab wird gefragt, wie es mit den wirtschaftlichen Beziehungen zu China (auch mit der dritten Garnitur am WEF vertreten) stehe: «Das ist die Frage, die dieses fliessende System besonders beschäftigen wird. Wie wird das Verhältnis der neuen westlichen Werteallianz zu China sein? Militärisch, aber auch wirtschaftlich.»

Falls es irgendwelche Antworten auf diese Frage geben sollte, bei denen man nicht sofort wegschnarcht; ZACKBUM wird berichten.

Kleine Umnutzung des früheren Russia House in Davos.

 

 

WEF, waff, wuff

Nach der Lobhudelei nun die Häme. So ungerecht ist die Journaille.

Keiner machte sich am WEF so zum Affen wie der «Blick»-Oberchefredaktor Christian Dorer:

Aber lange Jahre war der Treff der Wichtigen und Mächtigen in Davos nicht nur Bonanza für die lokale Hotellerie. Auch Journalisten ballten sich dort und hetzten sehnsüchtig möglichen Interviewpartnern hinterher.

Die Einladung zu einem Apero riche war dann jeweils der Höhepunkt der Berichterstattung; in Tuchfühlung mit Präsidenten und Weltenlenkern, Bill Gates einmal dabei zuschauen, wie er sich Brotbrösel vom Mund wischt, nicht zu toppen.

Heraus kam ausser Verschwörungstheorien («The Great Reset»), viel Blabla, viel aufgeblasener Wichtigkeit – nichts. Corona machte dann Schluss mit dem fröhlichen Reigen; damit das WEF nicht völlig in Vergessenheit gerät, beschloss der geniale Entertainer Klaus Schwab, den Anlass in den Frühling zu verlegen.

Am Montag geht’s los, und nichts könnte die Unwichtigkeit des Anlasses besser beschreiben als die Tatsache, dass Klaus J. Stöhlker in der «Weltwoche» darüber schreiben darf. Denn das WEF ist nur noch eine Karikatur seiner selbst – genau wie der Autor.

Denn der schreibt über alles mögliche, am liebsten aber doch über sich selbst: «Ich war von Anfang an dabei. Für amerikanische Topmanager, die nicht einmal genau wussten, wo die Schweiz liegt, musste ich Broschüren anfertigen, damit sie sich während ihres Anflugs auf Zürich Kloten und Dübendorf orientieren konnten, wohin sie unterwegs waren. Schweiz und Schweden, Switzerland and Sweden, waren Synonyme, die immer wieder zu Verwechslungen führten.»

Aber es kam noch schlimmer für die Schweiz: «Bald tauchten die ersten sehr reichen Familien aus Asien auf, die vor ihrem Besuch des WEF eine kurze Geschäftsreise durch die Schweiz machten. Manches Souvenir aus Silber oder Gold erinnert mich an Vorträge, die ich vor extrem reichen Kleinfamilien halten musste, um in einer Stunde «Switzerland, this exceptional country» und seine Funktionsweise zu erklären.»

Immerhin, sollte das nicht wie üblich etwas übertrieben sein, haben wir nun eine Erklärung, wieso viele US-Topmanager und reiche Asiaten ein ganz falsches Bild von der Schweiz haben. Berge, Käse und Alpentrottel, die einen merkwürdigen Mix aus Deutsch mit schweizerdeutscher Betonung sprechen, das haben wir nicht verdient.

Denn Stöhlker lässt den Leser auch post festum noch an seinen Erkenntnissen teilhaben, die zwar kreuzfalsch sind, aber mit der Sicherheit eines alternden Grandseigneurs vorgetragen werden: «Es wurde übersehen, dass Wladimir Putin Russland, von Jahr zu Jahr mehr, sanierte. Und Xi Jinping machte aus China eine Erfolgsstory sondergleichen. Aus der ehemaligen Kolonie der Briten wurde die zweitgrösste Wirtschaftsmacht der Welt.»

Dabei übersieht allerdings Welterklärer Stöhlker, dass Putin Russland keineswegs sanierte, sondern vor allem die technologische Rückständigkeit zementierte, mit einer Autokratie alle Reformentwicklungen abwürgte. Und dass China mal Kolonie der Engländer gewesen sein soll, das wüssten die Chinesen ausserhalb von Hongkong aber.

Was weiss Stöhlker noch so? Die Chefin des IWF wolle über Digital- und Kryptowährungen am WEF sprechen: «Was für ein Mist; diese sind soeben zusammengebrochen. Kein vernünftiger Mensch interessiert sich für derlei.» Was für ein Quatsch, natürlich gehört diesen Währungen die Zukunft, nachdem sie ein paar Kinderkrankheiten ausgestanden haben. Sie sind der wohl wirkmächtigste Angriff auf die Herrschaft der staatlichen Notenbanken seit deren Gründung.

Dann driftet der Digital-Native noch in ein Thema ab, von dem er nun wirklich keine Ahnung, aber genau deswegen eine klare Meinung hat: «Das Metaverse hat einen der auffallendsten Showplätze in Davos. Ja, der freie Westen driftet in das Metaverase ab, während Russland, China, Indien und mehr als hundert weitere Staaten, die in Davos nicht mehr vertreten sind, die Zukunft planen.»

Metaverase? Gute Bezeichnung für die Wolke, auf der Stöhlker schwebt und auf das bunte Treiben der Welt hinabblickt. Leider ohne Altersmilde und ziemlich unverständig. Aber wenn man ihn lässt …