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Ekel-«Blick» wird inkontinent

Seit Dorer nicht mehr da ist, läuft’s nicht wirklich.

«Urin ist noch immer ein Tabu. Dabei sagt er jede Menge über unsere Gesundheit aus.» Wenn einem Organ gar nichts mehr einfällt, dann macht es sich daran, ein «Tabu» zu knacken. Dazu braucht es ein anmächeliges Foto (allerdings nur für dadurch animierte Fetischisten) und einen «tabulosen» Titel.

Dazu ist der «Blick» inzwischen nicht einmal mehr selbst in der Lage, aber trotz der Feminisierung des Boulevardblatts konnte die Redaktion der Versuchung nicht widerstehen, endlich mal wieder einen Slip zeigen zu dürfen. Als ob Männer nie aufs Klo gingen. Sicherlich wird Ladina Heimgartner, die sich neben dem Wort «Resilienz» nun auch noch dem Begriff «Sexismus» verschrieben hat, harte Konsequenzen fordern und ziehen.

Aber zuvor berichtet der «Blick», also lässt er die «SI Style» «Klartext» reden: «Unser Urin ist nicht immer einfach hellgelb. So, jetzt ist raus, was wir alle längst wussten.» Genau, nur fragt man sich: was soll diese Inkontinenz uns sagen?

Natürlich kommt nun der Fachmann ins Spiel, ein «Präventionsmediziner», der seinen Namen hier sicherlich auch gerne lesen würde. Vielleicht meint die «SI» einen Präventivmediziner, aber wir sind halt alle auch nur medizinische Laien. Auf jeden Fall gibt der Mediziner zunächst einmal Entwarnung: «Dass unser Urin nicht immer ein und dieselbe Farbe hat, ist vollkommen normal

Allerdings gibt es dann auch rote Gefahrensignale, im Fall: «Kann die Randen- oder Brombeeren-Theorie bei rotem Urin ausgeschlossen werden, ist meist Blut verantwortlich.» Schliesslich wollen auch «Präventionsmediziner» von was leben, also warnt er: «Direkt zum Arzt sollte der Weg führen, wenn der Urin trüb erscheint, Flocken enthält oder bereits vor dem ersten Wasserlassen ein gelbliches Sekret aus der Harnröhre austritt.»

ZACKBUM gibt zu: nachdem wir uns erleichtert haben, sind wir erleichtert. Nun werden wir aber ganz sicher nicht dem Leser verraten, von welcher Konsistenz, Farbe und Beschaffenheit unsere flüssige Ausscheidung ist. Geben aber dem Ekel-«Blick» und der GrusligSI gerne einen kostenlosen Tipp. Nachdem diese Form der Ausscheidung abgehandelt ist, muss unbedingt auch noch die andere folgen. Wir hätten auch einen genialischen Titelvorschlag dafür: «Scheiss drauf».

Das gilt übrigens, ein eiskalt servierter Zusatzknaller, für Fotos und Wörter beim «Blick». Denn wie sonst kann man sich das hier erklären:

Offenbar muss bei Fotos gespart werden, und stichel, stichel, Nadelstiche, beim Vokabular wird auch gespart.

Ach, Credit Saudi

«Inside Paradeplatz» spricht Klartext, die anderen eiern.

Am Donnerstag wurde die lang erwartete «neue Strategie» der zweitgrössten Bank der Schweiz verkündet. Nur die «Weltwoche» löste das Problem der Berichterstattung souverän: nach wiederholten Lobhudelei-Interviews mit dem Versagerrat Urs Rohner verfällt sie in tiefes Schweigen.

Aber alle anderen Medien müssen ja wohl oder übel etwas zur üblen Lage sagen. Immerhin 12 Meldungen (inkl. auf Französisch) widmet der «Blick» dem Thema. Sein Wirtschaftsredaktor Christian Kolbe ist nicht amüsiert: «Die Schweiz im Namen schafft international Vertrauen – das darf die Credit Suisse nie vergessen!», kommentiert er. Gleichzeitig wirft er der Bank vor: «Um die tiefe Krise zu überwinden, hätte die Bank jedoch noch radikaler vorgehen müssen.» Was er allerdings mit diesen beiden Ratschlägen sagen will und wie man das anwenden könnte, da schweigt des Sängers Höflichkeit, bzw. endet dann doch das Fachwissen.

9 Meldungen ist das CS-Desaster der NZZ wert. Auch sie bleibt sich treu und kommentiert mit einem veritablen «einerseits – andererseits»: «Der Umbau ist riskant und wird Jahre dauern. Aber die Bank hat den richtigen ersten Schritt getan.» Mit einer solchen Aussage ist man eigentlich nie auf der falschen Seite. Muss die CS demnächst Staatshilfe verlangen, war’s halt zu riskant. Röchelt sie weiter vor sich hin, hat sie immerhin einen richtigen Schritt getan.

Keine sonderliche Bemerkung ist der alten Tante wert, dass mit der Saudi Bank nun ein weiterer übler Investor an Bord kommen wird, womit arabische Fonds dann mal 20 Prozent der CS halten werden. Natürlich stinkt Geld nicht, aber ob es umbedingt ein Investor sein muss, der auch vor der ruchlosen Ermordung von Dissidenten in einer eigenen Botschaft nicht zurückschreckt, in dessen Land trotz gegenteiligen Ankündigungen immer noch in der Geschlechterfrage mittelalterliche Zustände herrschen – und der seit Jahren in einen schmutzigen Krieg im Jemen verwickelt ist, in den er ohne Not hineinstolperte – nun ja.

Immerhin ist der NZZ ein nicht unwichtiges Detail nicht entgangen, im Zusammenhang mit dem Teilverkauf des Verbriefungsgeschäfts «an den Vermögensverwalter Pimco und an die Private-Equity-Firma Apollo Global Management. Die CS-Verwaltungsrätin Blythe Masters wirkt seit 2021 auch bei Apollo als Beraterin. Auch hier gilt: Alle Beteiligten müssen weiterhin Vorkehrungen treffen, dass die Interessen sauber getrennt bleiben».

Wie da allerdings eine saubere Trennung der Interessen funktionieren soll, verrät die NZZ nicht.

Sehr bedeckt hält sich hingegen Niklaus Vontobel von CH Media. Auch ihm ist der Einstieg eines weiteren unappetitlichen arabischen Diktators keine Zeile wert, dafür kommentiert er: «Ob die neue «radikale» Strategie nun unter den gegebenen Umständen das Beste ist für die Credit Suisse oder nicht, das vermögen Ausstehende nicht wirklich zu beurteilen.»

Super, dabei dachte der Leser immer, verstehen, analysieren und einordnen seien drei Dinge, für die er Geld bezahlt. Aber nicht für Sätze, die er selbst gratis auch von sich geben könnte.

Etwas mehr aus dem Fenster lehnt sich Holger Alich für Tamedia: «Der Plan der CS ist zu knapp kalkuliert». Was will er uns damit sagen? «Allein die Umsetzung des geplanten Umbaus der Bank wird für anhaltende Unruhe sorgen. Weitere Sorgen um die Kapitalausstattung kann sich die Bank vor diesem Hintergrund nicht erlauben. Der am Donnerstag vorgestellte Plan droht hier zu kurz zu springen.»

Ein Plan droht, zu kurz zu springen? Tja, wer solche Nonsens-Sätze von sich gibt, springt auch nicht gerade souverän über die Hürde der Verständlichkeit.

Es ist schon verblüffend, dass es immer wieder nur einen gibt, der die Sachlage knackig, richtig und auf den Punkt formuliert. Dabei hat der keine Wirtschaftsredaktion zur Seite und bietet seine Erkenntnisse sogar gratis an. Eigentlich sollten sich die übrigen Wirtschaftsjournis eins schämen, wenn sie einen solchen Titel und Lead bei «Inside Paradeplatz»* lesen:

«CS wird Credit Saudi. Öl-Scheichs übernehmen 10 Prozent der Escher-Bank, null Hemmung vor Brutalo-Herrscher vom Golf. 4 Mrd. Verlust, Kapital kracht, 9’000 Jobs weg.»

Genauso flott geht’s bei Lukas Hässig auch weiter:

«Die Credit Suisse verkauft heute ihre Seele. Nach 4 Milliarden Verlust im dritten Quartal verramscht sie 9,9 Prozent an die Saudi National Bank. Dort herrscht mit Mohammed bin Salman einer der brutalsten Weltleader, der nicht vor Mord an Kritikern zurückschreckt

Bis hin zum bitteren, aber logischen Fazit:

«Der Preis für die Cash-Infusion in extremis ist der Ausverkauf einer einst glorreichen Zürcher Paradeplatz-Bank 166 Jahre nach ihrer Gründung nach Arabien. What a shame.»

Der Schreiber des beliebtesten Kommentars auf IP bringt es nochmal glasklar auf den Punkt: «Bravo Herr Rohner, bravo Thiam, Dougan und all ihr Komplettversager. Millionen kassiert und die Bank zugrunde gerichtet.»

Gegenüber diesem Klartext ist alles Geschwurbel in den Mainstream-Medien wirklich kläglich. Was auch kein Wunder ist. Denn wo regeln wohl die grossen Medienkonzerne ihren Finanzhaushalt? Bei der Alternativen Bank? Beim Sparhafen? Bei der Hypothekarbank Lenzburg? Eben.

*Packungsbeilage: ZACKBUM-Redaktor René Zeyer schreibt gelegentlich für «Inside Paradeplatz».

So will Somm den Nebelspalter umkrempeln

50 Prozent News, 50 Prozent Satire

Über Monate sprach er mit keinem Journalisten über sein Projekt, das damals noch «Säntis» hiess. Seit heute ist die Katze aus dem Sack und Somm redet. Endlich. Die Klarsicht AG, Winterthur, übernimmt den Nebelspalter. Im März soll das Abenteuer starten. Am liebsten im Zürcher Stadtquartier Enge, so Somm gegenüber ZACKBUM.ch. «Das wäre ideal, ich wohne an der Pfnüselküste.»

Sechs bis acht Journalisten will er bis dahin einstellen. Von manchen Journalisten erhielt er eine Zusage, von anderen Absagen. Auf das Trüppchen kommt zumindest viel Arbeit zu. Sie sollen auf der Online-Plattform Nebelspalter.ch «seriöse Recherche, News und Kommentar schreiben.» Und was ist mit Satire? «Das auch.»

Somm wird Chefredaktor von Print und Online. Der bisherige Chefredaktor Marco Ratschiller wird neu Redaktionsleiter der Zeitschrift, dient also unter Markus Somm. Das Magazin soll weiterhin erhalten bleiben. Auf der Redaktion herrscht allerdings Unsicherheit, wie ZACKBUM.ch in Erfahrung bringen konnte. Der Grund ist die Formulierung in der Medienmitteilung von Donnerstagmorgen: «Die Printausgabe erscheint bis auf weiteres unverändert.»

Nebelspalter wird Nachrichtenzeitschrift

Bis auf weiteres? Somm will am «Nebelspalter» jedoch festhalten, sagt er. Langfristig gesehen ist ein Konzeptwechsel denkbar: Die Monatszeitschrift wird hälftig mit News gefüllt werden. Die andere Hälfte könnte weiterhin mit Satire ausgeschmückt werden.

«Was verstehen Sie eigentlich von Satire?«  – «Wenig». Er nehme das sportlich. Als Frischling in der BaZ-Redaktion habe er als Chefredaktor früh kommuniziert, dass er von Sport nichts verstehe. Geklappt hätte es trotzdem. Oder vielleicht gerade darum. «Ich musste nicht plötzlich Fussballberichte schreiben.»

Den bisherigen Abonnenten soll der «Nebi» auch weiterhin zugestellt werden. Online werde ein Abo-Modell eingeführt. Zu den Financiers hält er sich weiterhin bedeckt. Irgendwann könnten deren Namen bekannt gegeben werden, so Somm, sofern alle einverstanden sind. «Wir prüfen das.» Die Ehrenwerten unterstützen Klarsicht mit rund 6 Millionen Franken. Er wolle langsam starten, der Break-even-Point soll in drei bis vier Jahren erreicht werden.

Etwas ist ihm aber doch wichtig: Keine Stiftung wurde angebettelt, vom Bund werden «Klarsicht» und der «Nebelspalter» kein Geld annehmen, «nicht einmal auf Druck». Sieh an, doch noch etwas Satire.