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Zum Beispiel Giuseppe Gracia

Leider war die «Weltwoche» nicht liberal genug, um diese Replik zu publizieren.

Wer Israel-Kritiker mundtot machen will, ist ein Gegner der freien Debatte, ein Antidemokrat, ein Hetzer und ein Feind des offenen Diskurses zwecks Erkenntnisgewinn. So wie Giuseppe Gracia. Auch ihm wohnt als ehemaligem Sprecher des Bistums Basel und Chur ein gewisser religiöser Fanatismus inne. Denn wie der Herr, so das Gescherr. Bischof Vitus Huonder, dem er als Mietmaul diente, ist bekanntlich der Auffassung, dass göttliches Recht über weltlichem stehe.

Der Staat Israel wurde heimtückisch überfallen. Von einer radikalislamischen Terrororganisation. Das ist ein Fakt. Und eine verabscheuungswürdige Tat. Wer aber daraus ein ideologisches Süppchen kochen will und jede Kritik an der unrechtmässigen Besatzungs- und Besiedlungspolitik Israels mundtot machen möchte, ist peinlich.

Denn natürlich gibt es eine «völkerrechtswidrige, jüdische Besatzungsmacht»; natürlich ist der Rechtsstaat Israel in Gefahr, natürlich gibt es radikalfundamentalistische jüdische Organisationen. Terrorismus ist häufig eine Frage des Zeitpunkts der Betrachtung. Vor 1948 zum Beispiel gab es diverse jüdische Terrororganisationen im heutigen Israel. So war der spätere Ministerpräsident Menachem Begin vor der Gründung Israels Kommandeur der terroristischen Untergrundorganisation Irgun.

Nun fordert Gracia in geradezu alttestamentarischem Zorn, allerdings nicht so gut formuliert, dass jedermann gefälligst seine Stimme erheben solle und «ein klares Zeichen gegen den zunehmenden Judenhass und Israelhass setzen». Gottgleich überheblich gibt Gracia den Tarif durch, wer seiner Meinung nach ein Antisemit sei.

Diese Anmassung verströmt den üblen Geruch nach Verurteilung durch einen Scharfrichter ohne Prozess. Es ist die immer mehr um sich greifende Masche: wer etwas sagt, sagt nicht etwa etwas Falsches oder Richtiges, Bedenkenswertes oder Dummes. Abweichendes oder Konformes. Nein, wer etwas sagt, das unter das Fallbeil von Gracias absolutistischer Meinung gerät, ist etwas. Er ist nicht Meinungsträger, er macht nicht von seinem Recht auf freie Meinungsäusserung Gebrauch.

Er begeht laut Gracia einen unverzeihlichen Fehler. Denn er ist Antisemit. Nicht etwa Israelkritiker oder Antizionist. Nein, Antisemit. Wer macht sich dessen schuldig? «Wer Israel für Dinge kritisiert, die er bei anderen Staaten akzeptiert, ist ein Antisemit.» Was ist das für eine kranke Logik? Wie soll das gehen? Wer akzeptiert schon bei anderen Staaten eine völkerrechtswidrige, von der UNO verurteilte Besetzung und Besiedelung, kritisiert die aber im Fall Israels? Wer beispielsweise die russische Besetzung der Krim akzeptiert, ist deswegen doch noch lange kein Antisemit.

Die unheilige Trinität Faschist, Rechtspopulist und Antisemit. Wer einen dieser Begriffe als Totschlagargument verwendet, um hinter ihm nicht genehmen Meinungsäusserungen eine geistige Haltung zu denunzieren, der der Kritiker gar nicht anhängt, ist selber kein Antisemit. Aber er schadet der Sache Israels mindestens so schwer wie einer. Er ist selbst eine mehr als fragwürdige Gestalt, die unser bitter erkämpftes Recht auf freie Meinungsäusserung dazu missbraucht, es abschaffen, mindestens nach persönlichem Gusto begrenzen zu wollen. Vielleicht liebäugelt Gracia ja mit der Ermächtigung der Sacra Rota als weltliches Gericht.

Er ist ein radikaler Antidemokrat, dessen manifeste offenbar religiös motivierte Intoleranz und Arroganz (jeder darf seine Meinung haben und äussern, wenn sie ihm passt) ihn aus jedem sinnvollen Diskurs, der dem Erkenntnisgewinn durch möglichst uneingeschränkten Meinungsaustausch verpflichtet ist, ausschliessen müsste.

Toleranz gegen Intolerante darf nicht grenzenlos sein.

Nicht Gracia, nur Recht und Gesetz sowie weit gefasste Vorstellungen von Anstand begrenzen dieses Recht auf freie Meinungsäusserung.

Die Pimmel-Muschi-Zensur

Schreckliches Kirchenregiment. Zensur, Schutz vor Schmutz, Besserung. Schön, dass diese Zeiten vorbei sind.

Das menschliche (und auch tierische) Geschlechtsorgan wollte künstlerisch gewürdigt werden. Aber schnell senkte die Kirche den Mantel der Scham über zu freizügige Darstellungen aus der Antike.

Zeitgenössische Maler hielten sich freiwillig an diese Zensur, selbst wenn das wie bei Cranach dem künstlerischen Anliegen nicht gerade beförderlich war:

Michelangelos Jüngstes Gericht mit weitgehend unbekleideten Figuren schuf sogar das neue Genre des «Hosenmalers»; also von Erfüllungsgehilfen, die fleissig übermalten, was zu offenkundig war (siehe Titelbild).

 

Zweimal die Maja von Goya. War es die Gräfin von Alba?

Die nackte Version, wohl zwischen 1795 bis 1800 entstanden, kostete dem Malergenie Goya den Titel des Hofmalers. Aber immerhin überlebte er, während das Gemälde verschwand und erst 1900 das erste Mal öffentlich ausgestellt wurde.

Neben dem Hosenmaler gab es auch den Feigenblattankleber. Bei allzu vielen Skulpturen aus der Antike waren die Geschlechtsorgane in aller Offenheit Bestandteil des (nackten) menschlichen Körpers. Das musste weg, bzw. bedeckt werden; wie bei der Laocoon-Gruppe:

Solcher Schweinskram hingegen war den Sittenwächtern immer ein Grauen:

Uralte Darstellung des Satyrs; Beardsley, der in seinem kurzen Leben über 1000 Werke schuf, Tomi Ungerer, HR Giger, Schiele. 

Endlich mal ein Vorwand, auf ZACKBUM obszöne Dinge zu zeigen? Natürlich, das auch. Aber in erster Linie: Wenn wir diese Zensur an Kunstwerken auf die Sprache übersetzen, wo sind wir dann? Richtig, im aufgeklärten 21. Jahrhundert. An Zürcher Traditionshäusern, die so Jahrhunderte überlebten und den Zeitgeist darstellen, der bei ihrem Bau herrschte, sollen angeblich rassistische Wörter und Illustrationen weggespitzt werden. Alleine wenn das Wort «Neger» vorkommt, wollen selbsternannte Zensurbehörden eingreifen.

Alles, was in der Schweiz (die bekanntlich niemals Kolonien hatte) nach Sklaverei oder Ausbeutung von Eingeborenen aussieht, soll verschwinden – oder gebrandmarkt werden. Jede Sprachverwendung, die als Männersprache die Unterdrückung der Frau beinhaltet, soll ausgemerzt werden. Nicht die wahren Schweinereien, die jeden Tag auf dieser Welt passieren, sollen bekämpft werden. Viel zu anstrengend. Einfacher, sich ein fremdes Leiden zu leihen, sich darin wie in einem Nessoshemd zu quälen (Nora Zukker, das ist der Sage nach Herakles, aber lassen wir das).

Was für die Kunst gilt, gilt auch für die Sprache

Natürlich galt das auch für Literatur; de Sades Werke, der Index der verbotenen Bücher, bis Mitte letztes Jahrhundert nachgeführt. Und natürlich der Sprachreinigungswahn der deutschen Nazis, das Ausmerzen alles Nicht-Arischen, Dichter unbekannt, Dichter verbrannt. Immer, wenn man meint, solchen finsteren Zeiten entronnen zu sein, brechen die nächsten über einen herein.

Wer Neger sagt, ist Rassist. Wer Schwarzer sagt, ist rein und gut. Der Genderwahn hat Ausmasse erreicht, die dem hysterischen Glaubensmob des Mittelalters nur darin nachstehen, dass seine Vertreter zu ihrem heimlichen Bedauern nicht mit Feuer und Schwert, mit Streckbank und flüssigem Blei gegen Böse und Schlechte vorgehen können.

Es geht vorbei, sicher. Aber jedesmal muss ein solcher Anschlag aufs freie Denken, auf die unzensierte Debatte, immer geführt unter dem Deckmäntelchen der guten und reinen Absichten, niedergekämpft werden. Deshalb werden wir hier eine neue wöchentliche Kolumne einführen. Der Titel wird sein:

«Sprachverbrecher der Woche».

Es werden natürlich Namen genannt. Denn wir hier pflegen das offene Wort, den Schlagabtausch ohne Harnisch und mit offenem Visier.

Schweiz, Sklaverei, Kirche

In den Medien wird die Rolle eines der wichtigsten Beteiligten in der Schweiz und anderswo unterschlagen.

Haben Sie’s gewusst? Walenstadt und Bellinzona waren zwei Umschlagplätze für Sklavenhandel. Leider erinnert (noch) kein Denkmal an diese Schande. Gut, das war im 9. und 10. Jahrhundert, aber verjährt ist es deswegen noch lange nicht.

Die Liste der Schweizer, die in irgendeiner Form in Sklavenhandel, in Sklaverei verwickelt waren, wird von der Stiftung cooperaxion geführt. Leider zwang Geldmangel unlängst dazu, dass langjährige Mitarbeiter entlassen werden mussten. Den Stiftungsrat präsidiert übrigens der Kommunikationsfachmann Johannes Rechsteiner.

Wer unter K sucht, wird nicht fündig

Der betreut auch die Kommunikationsstelle der katholischen Kirche Bern. Ganze 262 Einträge verzeichnet die Datenbank der Stiftung. Vom «1. Bataillon der 3. Helvetischen Halbbrigade», das auf Befehl Napoleons 1803 einen Sklavenaufstand auf Hispaniola (dem späteren Haiti und Santo Domingo) bekämpfen sollte. Das überlebten allerdings nur 11 der 635 ausgesandten Schweizer. Bis hin zu «Zürich (Stadt)», deren Untaten schon in einem Bericht zuhanden des «Präsidialdepartements der Stadt Zürich» festgehalten wurden. Im Jahre 2007.

Wer allerdings unter K sucht, sucht die wohl bedeutendste und wichtigste Kraft hinter Sklaverei und Sklavenhandel vergeblich: die Kirche. Das ist ungefähr so absurd, wie wenn man die moderne Schweiz ohne den Sonderbundkrieg historisch herleiten würde.

Am Rande wird gelegentlich die Basler Mission erwähnt, wobei immer fleissig betont wird, dass das «Basler Mutterhaus» gegen Sklaverei gewesen sei, sie aber bedauerlicherweise doch in Afrika in Sklavenhaltung verwickelt war.

Sklaverei wird schon in der Bibel gerechtfertigt

Wer aber auch in der aufbrandenden Aufarbeitung der Verwicklung der Schweiz in Sklaverei und Sklavenhaltung nach der Rolle der Kirche sucht, sucht weitgehend vergeblich. Dabei begleitet Sklaverei, ihre Rechtfertigung, die Kirche seit der Bibel.

Wie heisst es schon im Alten Testament:

«Die Sklaven und Sklavinnen, die euch gehören sollen, kauft von den Völkern, die rings um euch wohnen; von ihnen könnt ihr Sklaven und Sklavinnen erwerben.»

Wer meint, im geoffenbarten Wort von Jesus komme das nicht vor, täuscht sich ebenfalls:

«Ihr Sklaven, gehorcht den irdischen Herren mit Furcht und Zittern und mit aufrichtigem Herzen, als wäre es Christus.»

Sklaverei mit päpstlichem Segen

Lassen wir die Kreuzzüge beiseite und konzentrieren uns auf die Sklaverei und den Sklavenhandel nach der Entdeckung der Neuen Welt. Papst Nikolaus V. und dann nochmal Rodrigo Borgia 1493 gaben den päpstlichen Segen, alle Einwohner von Kolonien zu Sklaven zu machen. Dieser Borgia war zudem für sein zügelloses Sexualleben bekannt, seine Orgien waren legendär. Auch sein Nepotismus, so machte er einen seiner zahlreichen Söhne zum Kardinal.

Paul III., ebenfalls mehrfacher Vater, der sogar für seine Enkel kirchliche Pfründe besorgte, verbot dann – wohl unter dem Eindruck der Reformation – immerhin 1537 die Versklavung der indianischen Urbevölkerung in Amerika. Allerdings war die schon durch das Wüten der Konquistadoren dezimiert oder bereits ausgerottet. Und gegen Sklavenhandel aus Afrika wendete er sich ausdrücklich nicht.

Die Kriminalgeschichte des Christentums

Wer die üble und verbrecherische Rolle der Kirche bei der Ausrottung der Ureinwohner in Amerika und den Sklavenhandel genauer nachschlagen will, dem sei das monumentale Werk von Karlheinz Deschner empfohlen. In seinem Lebenswerk, der zehnbändigen «Kriminalgeschichte des Christentums», zeigt Deschner akkurat diese dunkle Seite des Christentums seit seinen Anfängen bis heute auf.

Seine Faktendarstellung ist übrigens weitgehend unbestritten. Einzig der Dominikanermönch Bartolomé de Las Casas begehrte gegen die unvorstellbaren Grausamkeiten der Eroberer auf, abgesegnet von sie begleitenden Kirchenmännern. Ihm verdanken wir den heute noch erschütternden «Bericht über die Verwüstung der westindischen Länder». Als Augenzeuge hatte er das miterlebt, als er im Gefolge von Kolumbus nach Mittelamerika kam, das damals noch als östlicher Teil Indiens galt.

Natürlich durfte dieser Bericht in Spanien nicht veröffentlicht werden; er erschien erst 1822 auf Spanisch – in Paris. De Las Casas war eine tragische Figur; denn in seinem Kampf für das Überleben der Ureinwohner Amerikas befürwortete er den Import von afrikanischen Sklaven. Ein schreiender Widerspruch zwischen guten Absichten und bösen Folgen.

Wer nach der Rolle der Schweizer Kirchen im Zeitalter der Sklaverei sucht, wird nicht fündig

Wer nach Werken sucht, die die Rolle der Schweizer Kirchen und Missionen bei der Sklavenhaltung, dem Sklavenhandel, dem Absegnen solcher Tätigkeiten als gottgefällig sucht, wird nicht fündig. Auch im «Historischen Lexikon der Schweiz» ist die Beteiligung von Kirchen nur eine Randnotiz, wobei eilfertig ergänzt wird, dass sich Teile der Kirche schon früh gegen Sklaverei ausgesprochen hätten.

Da die in der ersten Etappe der Kolonisation und der Eroberung der Neuen Welt dominierenden Königshäuser von Spanien und Portugal tiefreligiös waren, sahen sie sich natürlich von der zustimmenden Haltung der katholischen Kirche bestätigt, dass es sich bei den Ureinwohnern in Amerika nicht um menschliche Wesen handle, auch wenn sie eine verblüffende Ähnlichkeit aufwiesen.

Kirchenmänner sorgten für geistlichen Beistand beim Gemetzel in der Neuen Welt

Seit den ersten Entdeckungsreisen nahmen Kirchenmänner an den Eroberungs- und Vernichtungsfeldzügen teil und sorgten für geistlichen und moralischen Rückhalt und Beistand, wenn die Konquistadoren ihre gottgefälligen Blutbäder anrichteten. Nur gelegentlich sahen es die Priester als ihre Aufgabe, eine allenfalls unsterbliche Seele durch Bekehrung zu retten.

Am liebsten aber kurz vor der Hinrichtung dieses Menschen, damit ihm anschliessend wenigstens der Zugang zum Himmelreich möglich war. Und selbstverständlich hielten Kirchenmänner, auch de Las Casas, auf ihnen übereigneten Ländereien Sklaven.

Von ihm sind die letzten Worte des kubanischen Indianerführers Hatuey überliefert, bevor er auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde, nachdem Kubas Ureinwohner fast vollständig ausgerottet worden waren. Er erkundigte sich beim Priester, der noch im letzten Moment seine Seele retten wollte, ob er dann in den Himmel komme. Als der Priester das bejahte, fragte Hatuey, ob er dort auch auf Christen treffen werde. Als ihm auch das bestätigt wurde, sagte Hatuey, dass er in diesem Fall liebend gerne in die Hölle fahren würde, das sei immer noch besser, als mit solch grausamen Menschen das ewige Leben zu teilen.

Die Kirche war damals der einzige moralische Kompass

All das soll selbstverständlich allfällige Beteiligungen von weltlichen Schweizern an Sklaverei und Sklavenhandel nicht relativieren oder entschuldigen. Man muss aber, vor allem, wenn man diese Handlungen aus heutiger Sicht völlig ahistorisch auch moralisch und ethisch verurteilt, dabei bedenken, dass vor der Aufklärung die Kirche der einzige moralische Kompass war, die mit Autorität unterscheiden durfte, was gut und richtig, was böse und falsch ist.

Wie soll nun ein Mensch im 15. oder 17. Jahrhundert Sklaverei, Sklavenhandel als etwas moralisch Verwerfliches empfunden haben, durch seine Beteiligung daran ein besonders verachtenswertes, unethisches Verhalten an den Tag gelegt haben, wenn er sich durch die damalig höchste Instanz in Fragen der richtigen, gottgefälligen Lebensführung bestätigt und legitimiert sah?

Im bedenklichen, oberflächlichen Gejapse, zu dem mediale Berichterstattung über kompliziertere Themen verkommen ist, fallen solche Widersprüchlichkeiten niemandem mehr auf. Das ist bedauerlich, ärmlich und elend.