Die verlorene journalistische Ehre der Claudia B.
EXKLUSIV: Ein Einvernahmeprotokoll der Staatsanwaltschaft Schaffhausen belegt, welche Methoden Tagi-Journalistin Blumer anwendet.
«Ich schreibe jetzt, was ich will. Ich habe alle notwendigen Infos von Herrn (Kindsvater)*.
Sie können schauen, wo sie bleiben. Ich habe Pressefreiheit!»**
Was hat die Journalistin Claudia Blumer dermassen zum Ausrasten gebracht? Letztlich einer der vielen Fehler, die sie in ihrer Verleumdungsreportage begangen hat**.
Um den von ihr geschilderten Fall zu verallgemeinern, schrieb sie über die Entstehungsgeschichte des Machwerks unter anderem: «Die zuständige Kinderpsychologin des Kantons wollte zunächst mit dieser Zeitung über den Fall reden, da es sich um ein Paradebeispiel einer forcierten Entfremdung handle. Sie wurde jedoch von ihren Vorgesetzten zum Schweigen verpflichtet.»
Mit dieser Darstellung hat sie einen entscheidenden Fehler begangen, der in jedem anständigen Medienhaus nur eine Konsequenz haben kann.
Es gibt nur eine zuständige Kinderpsychologin des Kantons …
Aufgrund dieser Behauptung wurde gegen die Kinderpsychologin* Anzeige wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses erstattet. Die führte zu einer Einvernahme durch die Staatsanwaltschaft Schaffhausen.
Das Protokoll ruppiger Recherchemethoden im Nahkampf
In dem Einvernahmeprotokoll wird aufgrund der Aussagen der Psychologin der Ablauf so wiedergegeben; wir haben eine geraffte Darstellung des Original-Protokolls erstellt:
- Kinderpsychologin* bekommt Mailanfrage von Blumer: Rufe Sie an morgen, möchte allg. Fachauskunft btr. Elternkonflikt in Scheidungsfällen.
- Blumer und Psychologin telefonieren. P. merkt, B. will Angaben zum konkreten Fall. Sie informiert ihren Chef*. Chef sagt, geht nicht, weil Amtsgeheimnis. Blumer ruft Chef an: Das sollte doch gehen. Chef sagt, auf keinen Fall.
- Dann B. zu P.: «Sie sind doch nicht das Schosshündchen Ihres Chefs. Sie können sich doch als Privatperson zum Fall äussern.»** P. lehnt ab.
- Blumer ruft P. mehrere Male am Wochenende privat an. Freund von P. weist nach dem dritten Anruf B. in die Schranken: Schluss jetzt.
- Blumer ruft CEO* des Spitals an: Möchte ein Interview mit P. CEO sagt, Interview ist kein Problem, bitte wenden Sie sich an Chef von P.
- Blumer ruft erneut Chef an, habe ok von CEO. Chef sagt nein, da Amtsgeheimnis.
- Blumer: «Ich schreibe jetzt, was ich will. Ich habe alle notwendigen Infos von (ihrem Informanten, dem Kindsvater*, R.Z.). Sie können schauen, wo Sie bleiben. Ich habe Pressefreiheit!»
Die Kinderpsychologin wird abschliessend gefragt, warum sie dieses Referat, wenn sie es nicht gesagt habe, nicht dementierte. «Nirgends im Tagi-Artikel stand mein Name. Darum habe ich nicht dementiert.»
Zunächst zum kleineren Vergehen. Diese Methode ist noch abgekochter als die «vertrauenswürdigen Quellen, die anonym bleiben wollen». Blumer erfindet ein Zitat, nachdem sie die Urheberin nicht dazu überreden kann, es als Quote zu bestätigen,referiert sie einfach indirekt und fügt noch hinzu, dass die Psychologin «von ihren Vorgesetzten zum Schweigen verpflichtet» wurde. Eindruck beim Leser: Die Vorgesetzten, möglicherweise in die «Verschwörung» gegen den Kindsvater verwickelt, brachten die Zeugin für Blumers These zum Schweigen.
In Wirklichkeit nahm die Psychologin Rücksprache, als ihr klar wurde, dass es Blumer nicht um allgemeine Auskünfte, sondern um Fragen zu einem konkreten Fall ging. Natürlich wollte und konnte sie sich dazu nicht äussern, Amtsgeheimnis.
Methoden wie auf dem englischen Boulevard
Geradezu abstossend ist, mit welcher Insistenz Blumer an ihr Quote kommen wollte. Im Nahkampf. Druckversuche aller Orten, Appell an den Berufsstolz («seien Sie kein Schosshündchen»), der Versuch, zwei Chefs gegeneinander auszuspielen («der andere hat gesagt, es ist okay»), Anrufe in die Privatsphäre der Psychologin am Wochenende, das sind Methoden wie bei der englischen Boulevardpresse.
Antiquarisch erhältlich …
Das sind Methoden, die mit Qualitätsjournalismus nichts zu tun haben. Das sind Methoden einer Journalistin, die völlig die Orientierung und Distanz verloren hat; eine Story zu einer These, einer vorgefassten Meinung hinbiegen will, bis es kracht und ohne Rücksicht auf Verluste oder Wirklichkeit. Das ist ein Vergehen gegen die meisten presseethischen Gebote, an die sich jeder Journalist von Tamedia halten sollte.
Zu ihrem Pech hat Blumer aber damit die Psychologin in die Bredouille gebracht, und angesichts der Strafe, die auf eine Falschaussage vor der Staatsanwaltschaft steht, beschloss sie, den wahren Ablauf zu Protokoll zu geben.
Claudia Blumer wurde mit dem Inhalt dieses Protokolls konfrontiert. Wie schon zuvor bei einem ausführlichen Fragekatalog benützte sie die Gelegenheit zur Stellungnahme nicht.
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Bislang haben alle Tamedia-Mitarbeiter – bis hinauf zu Arthur Rutishauser und Pietro Supino – verkniffen zu all den peinlichen Tatsachen geschwiegen, die auf ZACKBUM in einer Serie dargestellt wurden.
Hoffentlich kann das die Öffentlichkeit ändern.
- Lesen Sie in der Fortsetzung die vorläufige Bilanz dieses Skandals.
*Namen der Redaktion bekannt.
**Siehe die Punkte 28 bis 30 im Schreiben von Tamedia.
Hier geht’s zu Teil 1, hier zu Teil 2, hier zu Teil 3. hier zu Teil 4. Hier zu 14 Falschaussagen, hier zur Time Line.