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Unpaid Nonsens in der NZZ

Normalerweise steht über so was wie Ermottis Märchenstunde «paid content».

In der NZZ gibt es viel Licht. Aber auch viel Schatten. Dunkelschwarz ist es, wenn Sergio Ermotti auf einer ganzen Seite schwurbeln darf. Er hat sich nicht mal die Mühe gemacht, dass seine Corporate Communication extra für die alte Tante in die Tasten griff. Sondern die NZZ fasst einfach ein Referat des Bankenlenkers zusammen.

Es ist für alle Kenner der Sachlage fast unerträglich, wie Ermotti die Ereignisse zusammenfasst, die am 19. März kumulierten. Hier fand ein einmaliger Kniefall der Schweizer Regierung vor der UBS statt. Ihr wurde die letzte Konkurrentin Credit Suisse zum Schnäppchenpreis von 3 Milliarden Franken weggegeben. Mit Notrecht wurden mal wieder alle demokratischen Prozesse ausgehebelt.

Für Leichen im Keller der CS wurde eine Staatsgarantie ausgesprochen. Insgesamt gab es Staatsgarantien von 255 Milliarden Franken. Damit sich die UBS noch bequemer ins gemachte Bettchen legen konnte, wurden ausstehende Kredite (AT 1 Bonds) im Nominalwert von 16 Milliarden Franken per amtlichen Federstrich auf null gesetzt. Inzwischen gibt es weltweit Hunderte von Klagen durch geprellte Anleger. Möglicherweise greift hier die Staatshaftung, also wird der Steuerzahler zur Kasse gebeten.

Die zuständige Bundesrätin Keller-Sutter zeigte sich völlig überfordert («this is not a bail-out»). Die schwierigste Aufgabe für den VR-Präsidenten der UBS war, zu all dem ein staatstragendes Gesicht zu machen und nicht laut herauszuprusten vor Lachen.

Durch diesen Notverkauf unter Wert ist eine Monsterbank entstanden, die zudem wettbewerbsrechtlich zu grössten Bedenken Anlass gibt. Aber wenn schon, denn schon. Auch mit Notrecht übersteuerte gerade die Bankenaufsicht FINMA die berechtigten Einwände der Wettbewerbskommission. Ein staatspolitisches Trauerspiel erster Güte, ein Abgrund von staatlicher Verantwortungslosigkeit.

Oder in den Worten von Ermotti: «Am Wochenende des 19. März 2023 zeigte die Schweiz Stärke und Mut. Die Regierung, die Aufsichtsbehörden und die UBS trugen durch ihr entschlossenes Handeln dazu bei, gravierende Folgen für die Finanzwelt und die Wirtschaft zu verhindern und den Ruf der Schweiz zu erhalten.»

Man fragt sich, in welcher Parallelwelt seine Redenschreiber leben. Allerdings haben sie gelegentlich Sternstunden einer diabolischen Umkehrlogik: «Aus dem Untergang der Credit Suisse sollte man nicht ableiten, dass die einzige verbleibende Grossbank den Preis für das Versagen anderer bezahlen und für ihre globale Bedeutung bestraft werden sollte.» Wer will denn die UBS bestrafen, welchen Preis für das Versagen anderer sollte sie bezahlen? Sie hat einen Sondergewinn von 25 Milliarden durch ein staatliches Geschenk gemacht; die Shareholder der CS haben bezahlt und wurden bestraft, der Schweizer Steuerzahler ging ins Risiko.

Und weiter im wilden Geholper: «Allein die UBS, die Credit Suisse und ihre Mitarbeitenden in der Schweiz zahlten in den vergangenen zehn Jahren rund 25 Milliarden Franken an Steuern. Im Jahr 2023 waren es 2,6 Milliarden.» Oder mit anderen Worten: ein Klacks ein einstelliger Prozentanteil an den gesamten Steuereinnahmen. Ausserdem zahlten sie erst wieder Steuern, nachdem sie die Verlustvorträge durch die Finanzkrise eins ausgeschöpft hatten.

Die ewige Leier, jetzt ist alles anders, besser, darf natürlich auch nicht fehlen: «Die UBS hat heute ein viel sichereres Risiko- und Geschäftsprofil als in der Vergangenheit.» In Wirklichkeit hat die UBS – im Vergleich zu ihrer potenziellen Gefahr für die Schweizer Volkswirtschaft und Stabilität – ein viel zu kleines Eigenkapital und wehrt sich mit Händen und Füssen gegen eine Erhöhung. Schlimmer aber: mangelndes Eigenkapital ist nie das Problem einer Bank in ernster Gefahr. Selbst Lehman Brothers hatte ein höheres Eigenkapitalpolster als die UBS vor dem damaligen Zusammenbruch, dem Startschuss zur Fast-Kernschmelze des internationalen Finanzsystems.

Das Problem einer Bank ist die Liquidität bei einem Bank Run, wenn sie kurzfristig langfristig angelegtes Geld anstürmenden Kunden auszahlen sollte. Wäre das bei der UBS der Fall, müsste die SNB als lender of the last ressort Gelder herbeiklicken, dass der Schweizerfranken seinen Ruf als sicherer Hafen auf Jahre verspielt hätte.

Schliesslich betritt Ermotti mit sicherem Schritt eine Wunderwelt wie Alice: «Wir sollten Bankbilanzen auch nicht mit denen von Industrieunternehmen vergleichenDas ist der feuchte Traum jedes Bankenlenkers. Ja nicht die grundsolide Eigenfinanzierung eines Industrieunternehmens, wo reale Werte geschaffen werden, mit dem Gebastel einer Bankbilanz vergleichen, wo alleine für die Definition des Eigenkapitals mehrere Seiten verwendet werden, bei denen nur Träger eines Black Belts in Accounting überhaupt noch durchsteigen. Vom Anteil von Bilanzposten, die mangels Markt gar nicht bewertet, sondern nur mit dem feuchten Finger in der Luft geschätzt werden können, ganz zu schweigen.

Schliesslich noch Schalmeientöne, was denn im natürlich furchtbar unwahrscheinlichen Fall einer Krise geschehen würde: «Am Montag würde die Bank mit einer gesunden Bilanz und ausreichendem Kapital wieder öffnen, Kunden und Gegenparteien wären beruhigt. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass der Steuerzahler einen Franken verlieren würde, ebenso wenig wie Einleger und vorrangige Gläubiger der Bank.»

Falls es jemand immer noch nicht kapiert haben sollte, wird Ermotti am Schluss nochmal ganz deutlich: «Deshalb brauchen wir eine Regulierung mit Mass und ein Bankensystem, dessen Akteure höchste Integrität beweisen und nachhaltig wirtschaften.»

Ds ist die abgesoftete Version seines Vordenkers im VR Marcel Ospel selig, der vor dem Fast-Zusammenbruch der UBS noch getönt hatte: «Unsere Investmentbank soll die Nummer eins werden.» Auch er empfahl der Politik, sie solle sich aus Angelegenheiten raushalten, von denen sie keine Ahnung habe: «Die Wirtschaft muss dem Staat helfen, sich zu benehmen.» Hochmut kam dann vor dem Fall.

Und wie steht es um die «höchste Integrität?» Ist ein Gehalt von sagenhaften 14,4 Millionen Franken für 9 Monate Arbeit Ausdruck vermittelbarer Integrität? Gehört sich das für einen Bankenlenker, der respektiert und anerkannt werden will? Kann Ermotti wirklich jeden Arbeitstag so viel wert sein wie ein Jahres-Medianlohn in der Schweiz, nämlich rund 80’000 Franken?

Man kann diesen Kotau der NZZ vielleicht auch so sehen: Sie dokumentiert, was sich im Hirn eines Dinosauriers abspielt, dessen Fall die ganze Schweiz erbeben lassen würde. Das Denken von Führungspersonal wie Ermotti zerstört keinesfalls die Bedenken, dass das nicht passieren könnte.

Schnarch

ZACKBUM wagte einen Blick in die heutige «SonntagsZeitung».

Stunden später sind wir wieder aufgewacht. Ein doppelter Espresso befähigt uns, über den Inhalt der Schnarchhilfe zu berichten. Mal im Ernst, liebe SoZler:

Holt irgend etwas davon die Oma aus dem Koma, angesichts der Altersstruktur Eurer Leser? Es gibt immer mehr Ausländer an der ETH? Schnarch. Usian (da war doch mal was) Bolt? Gähn. «Prämieninitiative: Reiche Kantone profitieren», wegnick. Dazu noch «Liebe im Alter», «Mount Everest» und gar «Richtig packen»? Echt jetzt?

Ein Leitartikel über die «toxische Männlichkeit des Brian K.»? «Krach» zwischen Keller-Sutter und Ermotti? Weil sie Wattebäusche wirft, die im Parlament noch mit Weichspüler übergossen werden? Come on.

«Es braucht viel mehr grosse Kraftwerke als angenommen», das wusste ausserhalb der Klimakreischen-Fraktion in der SoZ sowieso schon jeder. «Meret Schneider will zurück ins Bundeshaus»; Meret who? Die abgewählte Grüne will in knapp vier Jahren wieder antreten? Erschütternd, Grund für eine Seite und ein Riesenfoto?

Dann Deutscher über Deutschen (SZ-Rossmann über CDU-Merz) oder Deutscher über Chinesen (SZ-Müller über China-Xi). Dann Nebel-Somm über den 1. Mai, der angeblich zu «einem Nazi-Tag verkam». Der gelernte Historiker weiss offenbar nicht einmal, dass Hitler den 1. Mai in Deutschland zum Arbeiterkampf- und Feiertag machte. Und sein Geständnis «Ich bin kein Linker mehr», das mag auch nicht wirklich überraschen.

Daneben steht Gülsha Adilji, und das war dann der Knock-out-Tropfen.

Wirtschaft? «Behindern Eltern die Berufswahl ihrer Kinder?» Die Enthüllung: «Väter und Mütter haben einen starken Einfluss auf den Bildungsweg ihrer Kinder». ZACKBUM dachte bislang, dass es umgekehrt sei. Aber so lernt man täglich dazu.

Und schliesslich, last and least: «Kroatien überholt Nemo – Diese vier Acts könnten uns den Sieg streitig machen». UNS?

Schlimmer als Tamedia (34’000 A im «Magazin», geschrieben von Feigling Gertsch) ist eigentlich nur SRF. Da lässt sich die Musikredaktorin Gini Mühlhaus zu Nemo so zitieren: «Dieser Song sitzt nicht nur, dieser Song klebt.» Ja, ungefähr wie ein Kaugummi an der Fusssohle.

Aber SRF traut sich was, wovor selbst die SoZ zurückschreckt:

Non-binär, für unsere Kleinen erklärt. Das müssen die schliesslich wissen. So blöde Sachen wie Rechtschreibung oder Rechnen ist doch was für Streber und leistungsbereite Blödis.

Allerdings: beim Durchblättern dieser SoZ fragt man sich schon, ob Primarschüler dafür wirklich lesen lernen sollten.

Tief in den Schlaf wiegte uns dann allerdings dieser Artikel:

Weil eine Homestory über eine «Kommunikationsberaterin» auch ausserhalb der SI schnarchlangweilig ist? Das auch, aber:

Die genau gleiche schnarchlangweilige Homestory erschien bereits am 28. April bei Tamedia. Gut, ein Service für die Alzheimerkranken unter den Lesern, das Gedächtnis bei Omas (und Opas) ist allgemein nicht mehr das beste. Aber das Gleiche immer wieder sonntags? Und dafür noch Geld verlangen in der SoZ? Obwohl es eine Woche vorher gratis war? Das ist schon nassforsch. Passt aber prima zu Tamedias Strategie, die Leser zu vergraulen.

 

 

Das unzähmbare Monster UBS

Die Behörden können die Grossbank im Fall einer Krise nicht abwickeln. Das Too-big-to-fail-Regime steht in der Kritik.

Von Urs Schnell*

Die Finanzmarktaufsicht Finma sagte am 19. Dezember, sie glaube eine schwer gefährdete global systemrelevante Bank abwickeln zu können, falls sie schärfere Eingriffsmöglichkeiten bekäme.

Den bisherigen Sanierungs- und Abwicklungsplänen, die das sogenannten Too-big-to-fail-Regelwerk vorsieht, hatte Finanzministerin Karin Keller-Sutter nicht vertraut. Sie setzte am 19. März auf die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS und ermöglichte dank Notrecht die Schaffung der neuen Superbank UBS.

Dieser Entscheid, als beste von mehreren schlechten Varianten dargestellt, war auch darauf zurückzuführen, dass die Securities and Exchange Commission SEC in den USA nicht bereit war, eine zeitgerechte Ausnahmebewilligung für die Umwandlung von Teilen des Pufferkapitalszu geben. Dieses Kapital besteht aus besonderen Anleihen, die die Behörden im Notfall in neues Bank-Eigenkapital wandeln können. Bei der Credit Suisse waren das 16 Milliarden Franken aus sogenannten AT1-Anleihen und 57 Milliarden Franken an Bail-in Bonds. Ein Teil dieser Bail-in Bonds werden von US-Investoren gehalten, sind also dem Zugriff der Finma entzogen, weil dieser Teil der Bail-in Bonds dem US-Recht unterstellt ist.

Die Finma bestätigte am 19. Dezember, dass keine Behörde der Welt eine solche Ausnahmebewilligung zum voraus, also ex ante, machen würde. Es ist deshalb höchst unwahrscheinlich, dass die Finma die Sanierungs- und Abwicklungspläne, die im Gesetz vorgesehen sind, auf die neue UBS wird anwenden können. Das Problem wird auch bei einer Verschärfung weiter bestehen. Anders gesagt, im Fall einer existenzgefährdenden Krise der UBS blieben nur zwei Varianten:

  • Die Varianten einer Verstaatlichung
  • Die Übernahme durch eine ausländische Bank.

Bewegte Vorweihnachtstage

Bankenpolitisch hat sich diese Woche einiges getan. Zuerst die grosse Credit-Suisse-Verteidigungsrede der Finma mit öffentlichen Äusserungen in nie gekannter Härte, dann erstaunliche Aussagen aus der Geschäftsleitung der UBS.

Während die neue Bank auf Imagepolieren macht und sich als beste Bank der Schweiz verkauft («A bank like Switzerland – cautious, conservative, rational»), setzen deren ambitionierte Chefs neue globale Ziele. Angefangen hatte es anfangs Dezember mit Iqbal Khan, dem Chef der UBS-Vermögensverwaltung: «In den nächsten drei Jahren wollen wir in den USA stark investieren und zu den führenden Anbietern aufschliessen.» Jetzt doppelt das risikoreiche Investmentbanking nach. «The world needs a European global champion and we just became the European global champion» sagte der Chef der UBS-Investmentbank, Rob Karofsky, gegenüber dem Wall Street Journal. Man wolle den Anschluss an die Big Five in den USA schaffen.

Zuhause wird CEO Ermotti in der NZZ gefragt, ob die Übernahme der Credit Suisse denn die bessere Lösung als eine Abwicklung gewesen sei: «Was für eine Frage!» meint Ermotti. «Eine Grossbank zu liquidieren, obwohl eine private Lösung zur Verfügung steht, nur um zu beweisen, dass ‹too big to fail› funktioniert. Das wäre doch reiner Masochismus gewesen.»

Dass auch die UBS in eine Schieflage geraten könnte, ist für Ermotti kein Thema. Dafür hat die Schweiz bekanntlich ein Bankengesetz. Und darin festverankert ist das Too-big-to-fail-Regelwerk, welches der Finanzmarktaufsichtsbehörde Finma die Abwicklung einer global systemrelevanten Bank erlaubt – möglichst ohne dass der Staat und die Steuerzahlenden gross Schaden nehmen.

Doch reichen einige Nachbesserungen dieses Regelwerks, um die UBS im Ernstfall abwickeln zu können?

Das TBTF-Regelwerk

Seit Jahren läuft in der Wissenschaft eine äusserst kontroverse Debatte, ob das TBTF-Regime das Systemrisiko einer Bank vermindern könne. Die Diskussion wird sich auch in der Politik intensivieren. Im April 2024 will der Bundesrat seinen grossen komplexen Bericht zu den global systemrelevanten Banken vorlegen.

Der Zielgedanke hinter jeder TBTF-Regulierung ist es, eine strauchelnde Bank möglichst ohne umfassende staatliche Mittel zu stabilisieren, zu sanieren oder – im schlimmsten Fall – abzuwickeln. Der Schaden soll also primär durch Aktionäre und Gläubiger getragen werden und nicht durch die öffentliche Hand. Der Gedanke entspricht der Logik des marktliberalen Wirtschaftssystems. Das TBTF-Regelwerk will Kampfsprüche wie «Die fetten Boni den Bankern, die Verluste dem Staat» hinfällig machen. Wer erinnert sich nicht an die Vehemenz von Bundesrätin Karin Keller-Sutter, als sie an der historischen Medienkonferenz vom 19. März den privatwirtschaftlichen Aspekt der Credit-Suisse-Rettung betonte. Nicht der Staat rette, sondern die UBS übernehme: «This is not a bail-in.»

Im Fall der Credit Suisse kam die im Gesetz vorgesehene Abwicklung nach dem Too-big-to-fail-Regime nicht zur Anwendung. Nur Tage später sagte die Finanzministerin in der NZZ:

«Persönlich bin ich in den letzten Wochen zur Erkenntnis gelangt, dass eine global tätige systemrelevante Bank nicht ohne weiteres gemäss dem ‹Too big to fail›-Plan abgewickelt werden kann. Rechtlich wäre das zwar möglich. In der Praxis wären die volkswirtschaftlichen Schäden aber beträchtlich. Die Schweiz wäre das erste Land gewesen, das eine global systemrelevante Bank abgewickelt hätte. Es war aber klar nicht der Moment für Experimente.»

Internationale Vorgaben

Während Jahren hatten hochrangige Vertreter von Zentralbanken, grossen Aufsichtsbehörden und wichtigen Finanzministerien der G-20 daran gearbeitet, die Staaten aus der Haftung zu nehmen. Das sogenannte Financial Stability Board FSB erarbeitete dafür globale TBTF-Leitlinien. Diese wurden von der Schweiz weitgehend übernommen. Zwischen 2010 und 2014 entstand daraus ein angepasstes neues Bankengesetz.

Das schweizerische TBTF-Regelwerk besteht aus drei Säulen:

  1. Eigenkapitalanforderungen
  2. Liquiditätsanforderungen
  3. Die sogenannte Resolution.

Aufsichtsbehörde ist die weitgehend unabhängige Finma. Sie kann im Notfall verfügen, dass eine Bank abgewickelt wird.

Gestützt auf die dritte Säule, der Resolution, bereitete die Finma in den turbulenten Monaten vor dem Untergang der Credit Suisse einen Sanierungs- und Abwicklungsplan vor. Es war jener Plan, den Frau Keller-Sutter im entscheidenden Moment als zu experimentell betrachtete.

Hans Gersbach – gewichtige Stimme gegen TBTF-Regime

Die Finanzministerin war nicht die einzige, die gegenüber dem TBTF-Regime schwerwiegende Vorbehalte äusserte. Am 27. März sprach Hans Gersbach, Professor für Makroökonomie an der ETH Zürich, Klartext. «Die Notfallpläne der TBTF-Bestimmungen können von der Finma nicht ohne grössere Verwerfungen an den internationalen Finanzmärkten umgesetzt werden.» Gersbach nannte drei Gründe:

«Erstens betreffen sie die Jurisdiktionen verschiedener Länder und das «Single Point of Entry»-Verfahren ist politisch nicht akzeptiert. Zweitens können die Notfallpläne die Ansteckungsdynamik einer in Schieflage geratenen Bank nicht sicher eindämmen. Drittens sind sie praktisch nur schwer umsetzbar

Professor Gersbach ist an der ETH auch Direktor des Center of Economic Research und Ko-Direktor der Konjunkturforschungstelle KOF, dazu Fellow am paneuropäischen Center of Economic Policy Research CEPR in London. Im weitern sitzt er im Wissenschaftlichen Beirat des deutschen Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in Berlin.

Expertengruppe Bankenstabilität: Minimalkonsens

Neben seinen vielen Tätigkeiten war Gersbach auch Mitglied der sogenannten Expertengruppe Bankenstabilität. Das Finanzdepartement hatte in dieser Gruppe am 17. Mai 2023 acht Expertinnen und Experten eingesetzt, um «eine umfassende Evaluierung des Too-big-to-fail-Regimes» vornehmen zu lassen. Das Ziel der Evaluierung: eine «Grundlage» zu erarbeiten für den «Bericht zu den systemrelevanten Banken», den der Bundesrat im April 2024 dem Parlament vorlegen will.

Der Ausgang der kommenden parlamentarischen Debatten wird entscheiden, in welcher Grösse und in welcher Form die UBS in der Schweiz in Zukunft geschäften kann.

Der Bericht der Expertengruppe erschien am 1. September. Sein Fazit: Damit eine mögliche UBS-Krise nicht eskaliere, solle das behördliche Krisenmanagement nachgebessert, die Liquiditätsversorgung ausgebaut und mehr Transparenz über die Qualität der Eigenmittel hergestellt werden. Das TBTF-Regime habe «wichtige Fortschritte» erzielt.

Unverständnis und harsche Kritik

Die vielen Unschärfen und die vagen Empfehlungen im Bericht lösten teils harsche Kritik aus. Am weitesten ging Ökonom Adriel Jost vom Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik IWP in Luzern. «Diesen Expertenbericht hätte auch die Bankiervereinigung schreiben können, das wäre für den Steuerzahler günstiger gekommen.» Jost kritisiert, dass der Expertenbericht weder die Anreize zur Risikonahme auf Staatskosten minimieren wolle noch die extrem hohe Verschuldung der Banken ins Visier nehme: «Man erhöht die Subventionen der Banken und versucht Retuschen im Too-big-to-fail-Regime, obwohl sich gezeigt hat, dass dieses Regime nicht funktioniert.»

Welche Position vertrat Professor Gersbach in der Expertengruppe? Er will sich auf Anfrage nicht äussern. Doch noch zwei Wochen, bevor die Experten ihre Arbeit aufnahmen, hatte er seine Zweifel an den Sanierungs- und Notfallplänen des TBTF-Regimes öffentlich wiederholt («Unmöglichkeit der Umsetzung») und dafür mehr Banken-Eigenkapital gefordert – eine Massnahme, die die Finanzinstitute ablehnen. Sergio Ermotti meinte am Donnerstag in der NZZ: «Es braucht nicht noch mehr teures Eigenkapital. Das zu behaupten ist reiner Populismus. Mehr Kapital käme die ganze Wirtschaft teuer zu stehen.»

Übersetzt heisst das: Lasst die Banken weiterhin mit minimalem Kernkapital und minimalen Kapitalpuffern geschäften. Nur so lassen sich fette Boni erhalten. Gerät eine Bank ins Schwanken, sollen SNB und der Staat genügend Liquidität bereitstellen, so, wie dies das TBTF-Regime vorsieht. Was bei der Credit Suisse noch mit Notrecht umgesetzt wurde, nämlich staatliche Hilfe in Form eines Public Liquidity Backstopp, soll das Parlament bitte im Gesetz nachbessern.

Nach uns die Sintflut

Was geschieht, falls die neue «Monsterbank» UBS doch einmal ins Taumeln gerät? Zum Beispiel in einer Post-Ermotti-Zeit? Sollte man dann verstaatlichen? Vom Tessiner Bankenchef kein Wort dazu. Dafür diese Antwort: «Der Begriff Monsterbank wurde von Journalisten kreiert, die auf viele Klicks aus sind.» Mit dem, was die UBS als Bank sei und für die Schweiz bedeute, so Ermotti, habe das nichts zu tun. «Kennen Sie ‹Iron Giant›, den Film von dem Eisenmann aus dem All? Wenn wir ein fremdartiges Wesen sind, dann sind wir der Iron Giant. Ein Geschöpf, das in dem Film zuerst als Bedrohung empfunden wird, bis man versteht, dass es doch eine positive Kraft ist

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Es folgt ein zweiter Teil:

Die Macht des Auslands – warum Schweizer Notfall- und Sanierungspläne für global systemrelevante Banken scheitern werden. 

*Mit freundlicher Genehmigung des Autors. Der Artikel erschien zuerst auf der Plattform «Infosperber».
Es ist verblüffend, dass der Dokumentarfilmer Schnell zu Einsichten und Schlussfolgerungen kommt, zu denen die gesammelte Schweizer Wirtschaftsjournalisten nicht in der Lage waren.

Wer verwendet als Erster das K-Wort?

Geschnatter aus dem Bundesrat.

Es sind bedrückende Fotos, Videos und Augenzeugenberichte, die uns aus der Ukraine erreichen. Die Indizien verdichten sich, dass die russischen Besatzungstruppen in den von ihnen beherrschten Gebieten ein Terroregime gegen die Bevölkerung errichtet haben.

Das tritt offen zu Tage, wenn sie sich zurückziehen müssen. Es verdichten sich ebenfalls die Hinweise, dass Butscha kein Einzelfall ist. Wenn Verbrechen normale Dimensionen sprengen, sind zwei Wörter schnell zur Hand: Kriegsverbrechen und Völkermord.

Der Schweizer Bundespräsident und Aussenminister Cassis spricht von «krassen Verletzungen» des Völkerrechts und von «mutmasslichen Kriegsverbrechen». Damit hat er völlig recht und bewegt sich auch innerhalb dessen, was von der Schweizer Neutralität übriggeblieben ist. Durch die Übernahme der EU-Sanktionen hat sich die Schweiz bereits für Russland als neutraler Vermittler, der wie üblich seine guten Dienste anbietet, disqualifiziert.

So fanden die ersten bilateralen Kontakte zwischen Russland und der Ukraine nicht, wie zu erwarten gewesen wäre, in Genf, sondern in der Türkei statt. Nun kann man argumentieren, dass es der Schweiz egal sein könnte, wie sie vom Totalversager Putin qualifiziert wird.

Es wäre allerdings doch wünschenswert, wenn der Bundesrat mit einer Zunge spräche. Die im besten Fall dem dafür zuständigen Aussenminister gehören sollte. Nun ist allerdings ein Jekami ausgebrochen.

Bundesrätin Keller-Sutter, eigentlich für die Justiz innerhalb der Schweiz zuständig, spricht bereits von «klaren Hinweisen auf Kriegsverbrechen». Bundesrätin Sommaruga, eigentlich für inländischen Verkehr zuständig, wollte den Bundesrat zu einer Zustimmung bewegen, die Kanada erlaubt hätte, Kriegsmaterial über den Luftraum der Schweiz zu transportieren.

Und schliesslich meldet sich nun auch noch Gesundheitsminister Berset zu Wort. Er leidet offensichtlich unter einem Aufmerksamkeitsdefizit, seitdem Corona nicht mehr die Schlagzeilen beherrscht. Also gewährt er Christian Dorer, dem Oberchefredaktor der «Blick»-Gruppe, ein Interview. Und dort erklärt er nassforsch, dass es sich selbstverständlich um Kriegsverbrechen handle, was sich in der Ukraine abspiele.

Das sind keine Wortspielereien und auch kein Tanz um Nebensächlichkeiten. Auf der obersten Ebene der Politik, vor allem, wenn es ums Ausland geht, ist eine klare Sprache unabdingbar. Es kann eigentlich nicht sein, dass verschiedene Mitglieder der Landesregierung verschiedene Formulierungen verwenden.

Medien, Journalisten, ZACKBUM können von Kriegsverbrechen schreiben, wenn ihnen danach ist. Auf politischer Ebene ist die einzig korrekte Formulierung «mutmassliche Kriegsverbrechen». Aber das Wort Unschuldsvermutung ist dermassen ausser Mode gekommen, dass man in weiten Kreisen kaltlächelnd darauf verzichtet.

Schliesslich geht es um die markige Verurteilung des Kremlherrschers. Der autokratisch in einem Unrechtsstaat herrscht. Dem Rechtsstaatlichkeit abgeht, wo die Justiz parteiisch ist und die Unschuldsvermutung mit Füssen getreten wird. Ups.