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Frömmelnde «Weltwoche»

Kreuzzug im Geiste von anno dazumal.

Die christlichen Kreuzzüge waren eines der vielen Verbrechen, die die christliche Kirche verübte. Kreuz- und Raubritter wateten im Blut, um Jerusalem zu «befreien». «Deus lo vult», Gott will es. Damit rechtfertigte die Kirche dieses Morden und Metzeln und Brandschatzen und Rauben zwischen 1095 und dem 13. Jahrhundert.

Nun soll es aber angeblich einen «Kreuzzug gegen die Kirche» geben. Statt Gotteshäuser stehen nur noch rauchende Ruinen, Priester werden abgeschlachtet, fromme Gläubige massakriert. Oder wie Roger Köppel fromm barmt: «Niemand stellt sich vor die katholische Kirche. Niemand verteidigt die älteste und erfolgreichste Organisation der Welt. Wehrlos taumelt sie in den Seilen.»

Himmels willen, und Gott hilf. Zumindest Köppel eilt der taumelnden Kirche zur Seite. Gut so. Allerdings ist es durchaus eine erfolgreiche Organisation. Es ist die erfolgreiche und älteste Verbrecherorganisation der Welt.

Vielleicht sollte sich Köppel eine Buchempfehlung seines eigenen Blatts zu Herzen nehmen: «Deschner ist der wohl kompromissloseste Autor und Denker im deutschsprachigen Raum.»  Gemeint ist damit Karlheinz Deschner, der wohl bedeutendste Kirchenkritiker des 20. Jahrhunderts. 1986 legte er den ersten Band seiner «Kriminalgeschichte des Christentums» vor. 2013 beendete er die Reihe aus gesundheitlichen Gründen mit dem 10. Band.

Niemals wurde das Walten und Wüten der Verkünder von Gottes Wort fundierter, kritischer und vor allem so unwiderlegbar seziert. Nur schon die völkermörderische Eroberung Lateinamerikas, von der Kirche gefeiert. Der 30-jährige Krieg. Die Hexenverfolgungen, die ungeheuerlichen Perversionen im Vatikan, der obszöne Reichtum der Kirche. Immer fanden sich Pfaffen, die Kanonen den Segen spendeten, das Mordhandwerk als gottgefällig weihten. Ihr – glücklicherweise vergeblicher – Versuch, Aufklärung, Naturwissenschaften, Fortschritt, Moderne unter dem Leichentuch einer Erzählungssammlung aus längst vergangenen Jahrhunderten zu begraben. Ihre Bigotterie, ihre mörderische Inquisition, ihre Heuchelei, ihre liebedienerische Unterstützung aller Mächtigen, wenn sie nur die Kirche walten liessen. All das macht – nicht nur, aber in erster Linie – die christliche Kirche aus.

All das blendet Köppel aus, wenn er zum «Widerstand der Christen gegen die neuen säkularen Heilslehren» aufruft. Und die Kirche als Lordsiegelbewahrer frommer Tugenden sieht: «Der konservative Katholizismus steht, unter anderem, für Familie, für Tradition, für Freiheit vom Staat, für die klare Unterscheidung zwischen Mann und Frau.»

Der konservative Katholizismus steht in Wirklichkeit für alles Muffige, Miefige, Überkommene, Menschen- und Frauenfeindliche in der Gesellschaft. Seine Freiheit vom Staat äussert sich darin, dass er vom Staat die Kirchensteuer eintreiben lässt. Dann schäumt Köppel, wir kritisierten das schon, zur Apotheose auf: «Die Schauprozesse gegen die Katholiken und ihre Kirche erinnern an den Tugendterror der Französischen Revolution. Wie ihre Vorfahren an der Guillotine verfolgen die «Woke»-Jakobiner rabiat das Ideal einer absoluten Gleichheit: gleiche Meinungen, gleiche Gesinnungen, gleiche Lebensstile, gleiche Vermögen, gleiche Werte und Gesetze auf der ganzen Welt.»

Kreuzzüge, Schauprozesse, Tugendterror, Guillotine, Robespierre, der Mann kennt kein Halten, und keiner kann ihn halten, wenn er ins Abseits galoppiert.

Wenn Kreuzritter Köppel wie Don Quijote losreitet, braucht er seinen Sancho Pansa. Der versucht aber nicht, ihn vor wildem Wahnsinn abzuhalten, sondern doppelt nach.

«Der Kirchen-Skandal ist ein Uni-Skandal», die Titelgeschichte von Christoph Mörgeli.

Man muss ihm lassen: mit gewichtigen Argumenten zerpflückt Mörgeli den «Pilotbericht» eines Forschungsteams der Uni Zürich. Der entspricht tatsächlich kaum ernsthaften wissenschaftlichen Kriterien, behauptet unbelegt, verwendet völlig unscharfe und nicht definierte Begriffe wie «problematische Grenzüberschreitungen» oder gar «verbal übergriffiges Verhalten». Dazu beträgt der so untersuchte Zeitraum mehr als 70 Jahre und beginnt 1950.

Mörgeli kommt dann zum polemischen Fazit: «Zweifellos ist die Gefahr, die von Familienvätern und Onkeln bezüglich sexuellen Missbrauchs ausgeht, entschieden grösser als jene von Priestern.»

Bis hierher kann man seiner Autopsie eines offensichtlich allen wissenschaftlichen Ansprüchen Hohn sprechenden Machwerks noch folgen. Aber dann muss auch er noch einen drauflegen: «So ungefähr haben sich dereinst Kreuzzüge, die Inquisition und Hexenprozesse abgespielt.»

Nein, lieber Historiker Christoph, so haben die sich nicht abgespielt. Da wurde gehauen und gestochen, geschlachtet und gequält, massakriert, aufgeknüpft und erschlagen, gefoltert mit allen Methoden, die sich kranke menschliche Hirne ersinnen konnten. Da wurde glühendes Blei in Münder gegossen, Menschen an auf den Rücken gefesselten Armen hochgezogen, bis die Gelenke krachten, da wurde aufs Rad geknüpft, Augen ausgestochen, Zungen herausgerissen, gevierteilt. Da wurden Menschen in blutige Krüppel verwandelt, die mit gebrochenen Gliedmassen vor Schmerzen zuerst schreiend, dann wimmernd darauf warteten, dass der Scharfrichter ihrem Elend endlich ein Ende machte. Da wurden ganze Urbevölkerungen abgeschlachtet im Namen des Herrn. Deus vult.

Und einem Deschner wäre es wie einem Giordano Bruno (und so vielen, allzu vielen anderen) ergangen, wenn diese Kirche heute noch die Macht hätte, die sie einmal missbrauchen konnte: auf den Scheiterhaufen mit dem Ketzer, Sünder, Zweifler, Denker.

Eine solche Verbrecherorganisation, die nur davon abliess, weil sie Gott sei Dank von der Aufklärung endlich in die Schranken gewiesen wurde, einen solch heuchlerischen Haufen als Bollwerk vermeintlicher Tugenden und guter Sitten missverstehen: das ist nun wirklich jenseits von Gut und Böse.

Das ist nicht mal wider den Stachel gelöckt. Wider den angeblichen Zeitgeist gestänkert. Das ist viel schlimmer. Es ist einfach falsch und dumm.

Wenn Skandale leise Servus sagen …

Läderach? Ach was. Katholische Kirche? Gähn.

Ausser, dass Trump mal wieder verurteilt wurde und die Krankenkassenprämien exorbitant steigen, was ist die Gewichtung der Qualitätsmedien?

Der KK-Schock sitzt bei den meisten Schweizern tief. Bis zu zehn Prozent mehr, bei sowieso schon exorbitant hohen Prämien. Das ist das Aufreger-Thema Nummer eins. Nur: ist ein wenig kompliziert. Nur: der Gesundheitsminister ist halt ein Sozi und kein SVPler. Nur: so viele Fachleute, so viele Meinungen.

Also tun die Medien das, was sie am liebsten machen. Sie wollen unbedingt zwei deutlich absaufende Skandale über Wasser halten, die schon komatösen Leichen wieder wachküssen. Denn beides ist unter dem Stichwort «Skandal» gespeichert. Da gibt es dann kein Halten mehr.

Aber verflixt, dass katholische Priester vor allem Kinder missbrauchen und dass Läderach Senior einen religiösen Sparren hat und an einer Schule beteiligt ist, in der es vor vielen Jahren recht rustikal zuging: das ist beides eigentlich weitgehend auserzählt. Opfer melden sich, gibt es noch weitere solche Schulen, was sagt der Experte dazu, was bewirkt das bei den Kindern?

Das sind bereits die vorletzten Zuckungen eines Skandals. Noch weiter ist man beim Abnudeln des Priester-Skandals:

So sieht es zuoberst auf der Homepage des «Tages-Anzeiger» aus. Von Tamedia, vom «Tages-Anzeiger», ach verflixt, what ever.

Nun werden sogar noch Kirchenhistoriker befragt. Die freuen sich über diesen unerwarteten medialen Sonnenschein, wo sie sonst doch eher unauffällig forschen. Dann gibt’s scheint’s noch eine Herbstsession vor den Wahlen, natürlich tickt der «Ukraine-Ticker», eine «Analyse von Abstimmungen» ist auch immer gut. Fehlt noch was? Natürlich, ein Frauenthema. Voilà: «Frauen bei Krebsvorsorge und Behandlung benachteiligt».

Oh, und das in der reichen  Schweiz? Ach was, natürlich weltweit. Aber jetzt gebe es eine «neue Kommission» dagegen. Ach, in der reichen Schweiz? Ach was, in den auch nicht armen USA. Die kommt zu erschütternden Erkenntnissen wie: «Frauen seien auch nicht genügend über die Krebs-Risikofaktoren Tabak, Alkohol, Adipositas (Fettleibigkeit) und Infektionen aufgeklärt.»

Vielleicht in finsteren Gegenden der USA oder Afrikas – aber in der reichen Schweiz? Erschwerend kommt noch hinzu, dass es sich um eine SDA-Tickermeldung handelt. Wäre nicht «Frau» im Titel gestanden, sie hätte es nicht mal auf die Homepage geschafft.

Aber mal im ernst, lieber Tagianer: Krankenkassen? Inflation? Lebensmittelpreise? Mieten? Heizkosten? Asylanten? Altersvorsorge? Sieben Themen, die die Schweizer umtreiben. Kein einziges ist hier vertreten. Aber immerhin: es gibt auch keinen Artikel über korrektes Gendern oder die Verwendung des Sternchens zur Verhunzung der Sprache.

Auch der «Blick» hat im Moment so ziemlich alles aus diesen beiden Skandalen rausgemolken – Eimer leer. Also ein neues Schwein durchs Dorf treiben:

Die 57-jährige Marie Theres Relin hat ein Buch geschrieben. Eigentlich wollte die Schauspielerin hier über ihre gescheiterte Ehe mit Franz Xaver Kroetz schreiben. Das interessierte aber offensichtlich nicht wirklich.

Also packt sie nach 43 Jahren ein «dunkles Familiengeheimnis» aus. Sie sei von ihrem Onkel «sexuell missbraucht, verführt, entjungfert – ohne Gewalt, aber gegen meinen Willen» worden. Praktisch dabei: Maximilian Schell ist 2014 gestorben, ihre Mutter Maria Schell schon 2005. Auch über die zieht Relin her: «Meine Mutter in ihrer dämlichen Männerverehrung hatte die pädophilen Neigungen sozusagen gefördert.»

Relin hatte ein paar frühe Rollen, dann machte sie Pause, um bei hochwertigen Filmen wie «Rosamunde Pilcher – Das Geheimnis der Blumeninsel» aufzutreten. Sie hatte es schon 2011 mit «Meine Schells: Eine Familie gesucht und mich gefunden» probiert. Wurde nicht gerade zum Bestseller.

Nun also diese Nummer. Die klare Nummer eins beim «Blick».

Gottesdienst, nicht stören

Gluck, gluck, gluck. Mal wieder Untergang bei der WeWo.

Nehmen wir an, das Interview zwischen Tucker Carlson und Urs Gehriger habe stattgefunden. Leichte Zweifel sind bekanntlich erlaubt.

Wie auch immer, hier gibt es 22’000 Anschläge zum Thema Journalist interviewt Journalist. Das ist zunächst einmal Ausdruck davon, dass sich Journalisten unnatürlich wichtig nehmen. Nicht die Botschaft, der Bote ist die Message. Das ist zwar Unsinn, wird aber gerne wiederholt.

Zunächst einmal singt Carlson das Loblied auf den Diktator der VAE: «Die interessanteste und weiseste Führungspersönlichkeit, mit der ich je gesprochen habe, ist der Herrscher von Abu Dhabi, MBZ. Ich habe noch nie eine bescheidenere Führungskraft getroffen [als Scheich Muhammad bin Zayid, d. Red.].»

Blutiger Krieg im Jemen, enge Verbindungen mit dem brutalen Herrscher Saudi-Arabiens, der auch mal einen Oppositionellen in seiner Botschaft ermorden und zerstückeln lässt: sicher ein weiser Mann. Vor allem ein sehr, sehr reicher Mann.

Carlson ist überhaupt für saftige Storys gut: «Das [Joe Bidens Duschen mit der Tochter, d. Red.] ist ein Sexualverbrechen. Ich habe drei Töchter, ich kann Ihnen versichern, dass es nicht normal ist, dass ein Vater mit seinen Töchtern duscht. In ihrem Tagebuch schrieb Ashley: «Ich glaube, ich bin sexsüchtig, weil mein Vater mit mir geduscht hat.»»

Das ist nun ziemlich unappetitlich, aber Carlson kann noch einen drauflegen: «Larry Sinclair hat meiner Meinung nach auf sehr glaubwürdige Weise gesagt, dass er Sex mit Barack Obama hatte.» Sinclair ist ein verurteilter Hochstapler.

Seinen ersten grossen Coup nach seinem Rausschmiss bei Fox News landete Carlson mit einem Interview mit dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump. Er (und die «Weltwoche») sieht das sicher anders, aber dieses Interview zeigt jedem, der es schafft, es durchzustehen, dass Trump ein seniler alter Mann ist, der ständig den Faden verliert, wenn man ihn einfach quatschen lässt.

Zwei Höhepunkte aus diesem Interview:

«Und der Grund dafür ist, dass ich glaube, dass sie mich mögen, und ich weiss, dass sie meine Politik lieben. Ich hoffe, sie mögen mich auch. Wissen Sie, viele Leute sagen, sie mögen mich nicht, aber sie mögen meine Politik, ich glaube, sie mögen mich. Aber ich habe noch nie so eine Stimmung erlebt wie jetzt. Und der Grund dafür ist, dass der korrupte Joe Biden so schlecht ist.

Nun, er (Präsident Biden, Red.) kann nicht durch den Sand laufen. Weisst du, Sand ist nicht so einfach zu durchlaufen. Aber wo geht man denn hin, wenn man nicht durch den Sand laufen kann?»

Eine tolle Ausgangslage in den USA. Ein seniler Präsident und ein nicht minder seniler wahrscheinlicher Herausforderer. Und ein Interviewer, der schlimmer als Larry King seine Gäste einfach alles sagen lässt. Dass er damit Millionen von Zuschauern erreicht, sei ihm gegönnt. Aber das als Qualitätsmerkmal hochzuschreiben und Tucker zum «erfolgreichsten Journalisten der Welt» zu ernennen, das ist – nun, auch etwas senil.

Gibt es noch etwas, wo die WeWo zwanghaft gegen den Strom schwimmen muss? Richtig geraten: «Verteidigung der katholischen Kirche», so hebt Roger Köppel fromm in seinem Editorial an: «Niemand stellt sich vor die katholische Kirche. Niemand verteidigt die älteste und erfolgreichste Organisation der Welt. Wehrlos taumelt sie in den Seilen

Wir bekreuzigen uns bestürzt. Köppel versucht’s mit etwas Dialektik: «Die Absicht, Missbräuche zu rechtfertigen, habe ich nicht. Im Gegenteil. Ich verurteile sie. Aber ich beobachte einen Missbrauch des Missbrauchs

Aber wieso verteidigt der selbst ernannte Calvinist Köppel denn die katholische Kirche, die älteste Verbrecherorganisation der Welt? Kennt er Karlheinz Deschners zehnbändige «Kriminalgeschichte des Christentums» nicht? Mag sein, aber schnell kommt Köppel zum Punkt: «Ziel der Angriffe ist die Schwächung der Kirche als Bollwerk gegen den Zeitgeist. Der konservative Katholizismus steht, unter anderem, für Familie, für Tradition, für Freiheit vom Staat, für die klare Unterscheidung zwischen Mann und Frau. Den ersatzreligiösen Klimakult machen viele Katholiken nicht mit

Familie? Abtreibungsverbot, Wiederverheiratungsverbot, Mittelalter? Freiheit vom Staat? Von dem die Kirche in der Schweiz gerne die Kirchensteuer eintreiben lässt? Was für ein Bullshit. Aber wenn Köppel mal in Fahrt ist, hält ihn in seinem Lauf weder Ochs noch Esel auf: «Die Schauprozesse gegen die Katholiken und ihre Kirche erinnern an den Tugendterror der Französischen Revolution.» Gleich stalinistische Schauprozesse mit der Terreur des entfesselten Bürgertums vermischen? Wo finden denn diese Schauprozesse statt, wo arbeiten die Erschiessungskommandos, wo stehen die Guillotinen? Was für ein Bullshit.

Und wo Köppel wie Don Quijote gegen imaginäre Drachen reitet und dabei viel Wind macht, braucht er auch einen willigen Adlatus, sozusagen seinen Sancho Pansa. Den gibt Giuseppe Gracia. Der hyperaktive Kommunikationsberater stösst ins gleiche Horn. Natürlich sei jeder Fall in der katholischen Kirche einer zu viel. «Aber die entrüstete Berichterstattung zur aktuellen Missbrauchsstudie ist heuchlerisch

Weil: «Die säkulare, moralisch entgrenzte Gesellschaft von heute bringt jeden Tag so viele Opfer sexueller Gewalt hervor wie keine religiöse Gruppe in Jahrzehnten.» Moralische entgrenzte Gesellschaft, sozusagen die moderne Fassung von Sodom und Gomorra, Sittenverluderung, furchtbar. Keine Zucht mehr, keine Ordnung. Perversion und Promiskuität. Pfui.

Denn es ist doch schrecklich: «Jeder weiss, dass allein Hollywood jährlich Tausende Opfer produziert und in fast allen westlichen Metropolen täglich mehrere tausend Frauen und Kinder missbraucht werden

Auch in Bern, Zürich, Basel und St. Gallen? Wahnsinn.

Weiss das jeder? Nun, zumindest einer. Nun noch ein Sprutz Dialektik: «Wenn nun die Medien für ihre Stimmungsmache gegen die Kirche den Hauptort sexueller Gewalt ausblenden, dann schützen sie indirekt die Mehrheit der Täter, deren Verbrechen und deren Opfer nicht öffentlich aufgeklärt werden.»

Stimmungsmache, Schutz der Mehrheit der Täter? Was für ein Bullshit. Aber auch Gracia kann sich noch steigern: «Dass der Zölibat zu Missbräuchen in der Kirche führe, ist falsch.» Das habe ein Professor an der Charité mit einer Studie nachgewiesen. Ach, die widernatürliche Unterdrückung sexueller Bedürfnisse hat keine ungesunden Auswirkungen? Unglaublich, was in der WeWo für ein Stuss erzählt werden darf.

Aber auch Gracia geht’s natürlich um das Grundsätzliche: «Der Missbrauch des Missbrauchs ist Teil des gegenwärtigen Kulturkampfs. Im Zeitalter von Konsumismus und Totalverwertung muss alles verfügbar gemacht werden. Auch der Katholizismus soll durchlässig werden für die Wünsche einer Erlebnis- und Optimierungsgesellschaft, die als obersten Massstab nur noch sich selber akzeptiert. Eine Kirche, die es wagt, Unverhandelbares und Unverfügbares zu verkünden – etwa die Unauflöslichkeit der Ehe, die Priesterweihe mit Zölibat nur für Männer oder überhaupt den Anspruch der Zehn Gebote –, so eine Kirche gehört abgeschafft. Finden ihre Gegner.»

Wer hat den Missbrauch des Missbrauchs wem abgeschrieben? Der Hirte Köppel dem Schaf Gracia oder umgekehrt? Aber Gracia ist doch eher resigniert: «Gegen die machtvollen Dynamiken dieser Gesellschaft können die Hirten der Kirche wenig ausrichten.» Oh Herr, gibt es denn keine Hoffnung hienieden? Doch: «Die Liebe ist stärker als der Tod und als alle Mächte des Bösen

Wunderbar, da braucht es in dieser Ausgabe den wiedergeborener Katholiken Matthias Matussek gar nicht, der sogar aus dem finster-fanatischen Gottesmann Ratzinger eine Lichtgestalt erdichtet.

Aber so wollen wir hier auch eingedenken, milde werden und sowohl Köppel wie Gracia einen Bruderkuss auf die Wange hauchen. Denn auch sie sind doch nur Sünder vor dem Herrn, wie wir alle.

 

 

Böse Priester

Die Medien haben ein neues Steckenpferd.

Schwein muss man haben. Der Fall Rammstein röchelt höchstens noch vor sich hin. Schlimmer noch: weil der falsch Beschuldigte Geld, gute Anwälte und eine hübsche Portion verständliche Rachsucht hat, hagelt es da noch Klagen und Urteile. Blöd gelaufen, Schwamm drüber.

Aber, Gott sei Dank, die katholische Kirche. Nein, ihre Priester. Ihre Gottesmänner. Die haben seit rund 1000 Jahren ein blödes Problem. Der Zölibat. Die widernatürliche Enthaltsamkeit.

Viele Gottesmänner schaffen es irgendwie, den Versuchungen des Fleisches zu widerstehen. Wir wollen nicht wissen, wie genau. Einige lösen das Problem mit der Haushälterin oder einer anderen erwachsenen Person. Aber es gibt auch Pfaffen, denen es Messdiener oder ihnen in ihrer Funktion als Katechet anvertraute Minderjährige angetan haben.

Da brauchte es nur eine neue Studie über dieses Problem, und schon haben die Medien ein Thema, das sie nun zu Tode reiten (Pardon) können. Wie viel Fälle gab es, wie leiden die Opfer, was sagt der Fachmann, die Fachfrau, der oppositionelle Geistliche, wie reagiert die offizielle Kirche? Verstockt, unfähig, beratungsresistent wie immer.

Die katholische Kirche denkt halt nicht zu Unrecht: wer wie wir rund 2000 Jahre durchgehalten hat, und dabei viel Schlimmes erlebte, der lässt sich doch von so einem neuerlichen Missbrauchsskandal nicht aus der Ruhe bringen.

Aber so nicht mit Arthur Rutishauser von der «SonntagsZeitung». Der will als Finanzspezialist die Kirche dort packen, wo es ihr wirklich weh tut. Natürlich beim Geld. Fordert er deshalb die Katholiken auf, scharenweise die Kirche zu verlassen? Nein, er macht es teuflisch perfid. er fordert:

«Die Kirchensteuer gehört auf ein Sperrkonto.»

Aber damit nicht genug: «Wie kann es sein, dass eine religiöse Institution sich auf ein eigenes Recht berufen kann, zudem noch eines, das aus dem finsteren Mittelalter stammt?» Stattdessen sollten die Missbrauchsfälle durch die Staatsanwaltschaft, am besten die Bundesstaatsanwaltschaft, untersucht werden.

Dazu passt dann natürlich die Meldung «Papst-Vertreter verweigert Zusammenarbeit», konkret: sie hält die Archive sauber geschlossen. Rutishauser kann froh sein, dass zumindest in Mitteleuropa keine mittelalterlichen Zustände mehr herrschen. Denn damals hätte man ihm nicht nur die Instrumente gezeigt …

Auch auf einem anderen Gebiet kann die SoZ Neues vermelden. Unter dem launigen Titel «Der Solarexpress wird zum Bummler», kommentiert die Zeitung, dass bekanntlich der Heimatkanton von Peter Bodenmann, der mit der Solaroffensive in den Alpen die Lösung aller Energieprobleme gefunden haben wollte, dass eben dieses Wallis gerade die Notbremse beim schnellen Ausbau alpiner Solarkraftwerke gezogen hat.

Dann wird allerdings nur berichtet, wie Befürworter der alternativen Energien jetzt herumeiern. Was nicht gesagt wird, denn da würden wohl grosse Teile der linksgrünen Tagi-Belegschaft aufjaulen: die einzige sinnvolle Lösung der absehbaren Energieprobleme besteht im Bau eines neuen AKW. Besser von zwei. Der, angesichts der sich hier abzeichnenden Widerstände, jetzt angegangen werden müsste. Wird er aber nicht. Und die Solar- und Windenergieträume sind schon jetzt zerplatzt. Was tun?

Es darf gelacht werden: «Solarpflicht für grosse Parkplätze». Das sei – ohne Scherz – nun ein «wichtiges Signal». Nein, das bedenkliche Signal ist, dass es nur solche Traumtänzereien gegenüber einem ernsthaften Problem gibt: der Winterstromlücke in der Schweiz.

Aber eine gute Nachricht, wenn auch in Form eines Fragezeichens am Schluss: «Geht Fridays for Future die Puste aus?» Statt 100’000 Personen schweizweit nur 7000, das nennt man schrumpfen. Links überholt von den Klimaklebern, rechts von fast allen Parteien im Wahlmodus: sieht nach no future aus.

Dann kommen wir zur Abteilung Heuchelei einer Weltmacht. Bekanntlich müssen Unrechtsstaaten wie Russland, aber auch der Iran, mit harten Sanktionen bestraft werden. Bekanntlich wird der Schweiz ständig vorgeworfen, sie gehe dabei viel zu schlapp vor.

Und nun das: die Schweizer Nationalbank soll eine Schlüsselrolle dabei spielen, eingefrorene iranische Milliarden über Umwege zurück in die Verfügungsgewalt des Irans zu transferieren. Unglaublich, das muss nun aber mit US-Sanktionen gegen die Schweiz geahndet werden.

Öhm. Das geschieht nicht nur im Wissen, sondern im Auftrag der USA. Damit erkauft sich der finstere Gegner des Mullah-Regimes in Teheran die Freilassung von ganzen 5 Geiseln. Das ist für die Betroffenen natürlich wunderbar. Ansonsten aber eine Desaster.

Dann folgt aber eine wirklich gute Nachricht. Der Antidemokrat («Gegner zur Impfung zwingen») Denis von Burg, seines Zeichens «Politikchef», verlässt die «SonntagsZeitung». Mit einem Abschiedsartikel. Wunderbar, einmal überblättert, und das war’s dann endlich.

Anschliessend vergreift sich Rico Bandle für ein Mal in der Wortwahl: über Roman Signer «machen sich im Netz alle lustig». Wirklich alle? Nicht ganz, ein paar. Ein paar Zehntausend, was im Netz ja nix ist. also ist «alle» ungefähr so fehl am Platz, wie wenn geschrieben würde, dass alle die SoZ ihr Geld wert fänden.

Weiter hinten gibt dann Markus Somm eine seiner Fehlprognosen ab. «Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Schweizer Grüner nach Gösgen pilgert.» Will sagen: niemals würden Schweizer Grüne AKWs befürworten. Allerdings müssten sie dafür nur dem Beispiel der deutschen Grünen folgen, die konsequent und opportunistisch alles über Bord geworden haben, womit diese Partei mal gegründet wurde. Der Obergrüne Joschka Fischer befürwortete Kriege. Friedensbewegung ade. Umweltschutz, na ja, wenn’s nicht wehtut und keinen Grünen trifft. Kein politischer Opportunismus, niemals unter keinen Umständen wird es eine Zusammenarbeit mit der CDU geben. Ausser, man sitzt fröhlich in der gleichen Landesregierung. Und natürlich kommen auch Reiche in den Himmel.

Auf Seite 33 widmet sich dann Arthur Rutishauser einem Thema, das vielleicht nicht so alt ist wie Missbrauchsvorwürfe in der katholischen Kirche. Aber er behauptet: «Neue Klage in den USA gegen die Schweiz kann Steuerzahler Milliarden kosten». Brandneue News. Oder auch nicht, seit die «Financial Times» am 20. März zuerst darauf hinwies, dass der eklatante Rechtsbruch, mit dem 16 Milliarden Schuldpapiere der CS auf null abgeschrieben wurden, für den Schweizer Steuerzahler ziemlich teuer werden könne.

Neuer ist der nächste Rutishauser (der Mann ist in einer Woche fleissiger als das ganze «Team Kultur» von Tamedia in einem Jahr): «100 Millionen Sonderbonus für die obersten UBS-Manager». So viel zum Thema, dass der Kauf der CS ein riskantes Geschäft gewesen sei, das man nur aus staatsbürgerlicher Verpflichtung eingegangen sei. Colm Kelleher müsste endlich mit dem Buster-Keaton-Sonderpreis ausgezeichnet werden. Seither hat niemand mehr ein so unbewegtes Gesicht gemacht, während er eigentlich losprusten und sich vor Lachen auf dem Boden wälzen müsste.

Wenn wir das TV-Programm als unbestreitbares Highlight aussen vor lassen, war’s das dann für Fr. 6.40. ZACKBUM würde sagen: die Hälfte gut investiert, die Hälfte rausgeschmissen.

 

Du kannst nicht …

«Blick» und Bibel: teuflische Mischung.

Das Blatt der Frömmigkeit und stillen Andacht hatte mal eine Idee. Das ist löblich. Einer der vielen Häuptlinge des Blatts mit Regenrohr im Logo kriegt sich vor Stolz darüber gar nicht ein:

«Der höchste Massstab des Christentums sind die zehn Gebote. Der Rest war Handwerk, geleitet vom einfachen, einprägsamen Sprachduktus der Bibel. So kam es, dass die zehn Gebote heute an den Kiosken präsenter sind als in manchen Kirchen.»

So salbadert Andreas Dietrich auf «persönlich.com». Und so sieht das Wunderwerk aus:

Nun ist das mit den 10 Geboten natürlich auch so eine Sache. Es gibt zum Beispiel verschiedene Versionen. Vom lutherischen kleinen Katechismus über den Katechismus der katholischen Kirche und der evangelischen. Die unterscheiden sich nicht grundlegend, aber doch in mehr als Nuancen.

Offenbar hat sich der «Blick» weitgehend an die katholischer Version gehalten, mit Ausflügen ins Lutherische. Aber gut, das ist ja okay, damit jedes Gebot auf einer Zeile Platz hat, denn es gibt ja auch weltliche Zwänge.

Nun ist es aber eher blöd, dass in den zehn Geboten keine Rede von sexuellem Missbrauch an Kindern ist. Also kann in diesem Sinn die Kirche schlecht «ihre eigenen Gebote verhöhnen». Das ist zwar eine starke Ansage, sie liegt aber höchstens im Streubereich der Wahrheit.

Das ändert natürlich nichts an diesem Skandal, der allerdings in Fortsetzungen die Geschichte der katholischen Kirchen seit Jahrzehnten begleitet.

Die Wurzel des Übels liegt bekanntlich in dem Zölibat, also der sexuellen Enthaltsamkeit und Ehelosigkeit von Gottesmännern. Auch das ist eine komplizierte Geschichte; einige Jahrhunderte lang durften Priester zum Beispiel nach der Weihe nicht mehr heiraten, vorher war aber okay. Oder es war die Wiederverheiratung untersagt.

Erst so um 1135 wurde dann dekretiert, dass Priester ehelos zu leben hätten. Das hatte den grossen Vorteil, dass Erbschaften an die Kirche als Geschenke für Gott angepriesen werden konnten, da ja Priester selbst nichts an Nachkommen vererben könnten.

In der Bibel gibt es dieses Gebot nicht, es wird aus der unklaren Formulierung «um des Himmelreichs willen» oder aus dem unverheirateten Leben von Christus abgeleitet. Wobei die Rolle von Maria Magdalena in seinem Leben eher unklar bleibt.

Dazu gibt es unzählige auslegungsfähige Bibelstellen im Neuen Testament. Also auch eine komplizierte Kiste.

Wie steht es nun aber mit sexuellen Beziehungen zu Minderjährigen? Da gibt es immerhin eine klare Aussage von Jesus: «Wer aber einen dieser Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, dass ein Mühlstein um seinen Hals gehängt und er ersäuft würde im Meer, wo es am tiefsten ist.» (Matthäus 18,6).

Feinsinnige Kirchenmänner könnten nun natürlich einwenden, dass sich das nur auf getaufte Christenkinder beziehe. Ausserdem musste natürlich noch ausgelegt werden, was alles unter «zum Bösen verführt» zu verstehen ist, ausser der Abfall vom Glauben.

Also ist alles mal wieder ein wenig komplexer, als es der plötzlich fromme «Blick» darstellen kann. Der ja überhaupt ganz handzahm geworden ist:

Screenshot «Blick».

Ist es unchristlich, darauf hinzuweisen, dass wohl auch so mancher Gottesmann mit irdischem Vergnügen jeweils auf die Seite drei wartete? Wo er jahrelang so belohnt wurde:

Womit ZACKBUM natürlich keinerlei religiösen Gefühle verletzen möchte … Wie schrieb «Blick» zur Abschaffung launig: «Früher war ein BLICK ohne Seite-3-Girl undenkbar. Die Zeiten haben sich geändert: Heute sollen andere Themen die Leser scharfmachen.» Das, muss man leider sagen, gelingt eher schlaff …

Lausiger Tagi

In der Schule hätte das ein «flüchtig!» abgesetzt. Aber im Qualitätsjournalismus …

Es gibt eine neue Welle im Schweizer Medienzirkus. Also neu ist sie nicht, aber neu gewellt: Missbrauchsvorwürfe in der katholischen Kirche. Lange Zeit war Ruhe, jetzt ist mal wieder Rudelbildung im Journalismus.

Da will natürlich auch der «Tages-Anzeiger» nicht abseits stehen und schraubt schnell einige Stücke zusammen. Das sieht dann mal so aus:

KKK? Ku-Klux-Klan? Keine katholische Kirche? Aber immerhin, der Name der Autorin scheint richtig geschrieben zu sein, ist doch was im Qualitätsjournalismus.

Illustriert ist der Qualitätsartikel mit aktuellen Fotos:

Am 11. Juli 2019 aufgenommen, wozu sich die Mühe einer neuen Fotografie machen, wenn man doch über ein Archiv verfügt …

Es ist ja nicht zu viel verlangt, dass der Tagi-Leser auch die zweite Landessprache beherrscht:

Soleure, le 1 avril 2021, ohne Scherz wurde damals der Évêque de Bâle vom «Le Matin Dimanche» abgelichtet, auch aus dem Archiv gezaubert, wieso auch die Bildlegende auf Deutsch übersetzen …

Auch beim nächsten Würdenträger hat sich die Bildredaktion nicht überanstrengt:

Hier wurde der Churer Bischof Vitus Huonder auf dem «Weg zur Chrisammesse» abgelichtet, haargenau am 18. April 2019. Aber immerhin ist diese Ölmesse auf Deutsch abgehandelt …

Aber hier wird’s wieder etwas anspruchsvoller:

Flüssig französisch Parlierende können der Bildlegende entnehmen, dass es sich hier um den eveque de Lausanne handelt, abgelichtet am Mittwoch, 15. Juli 2020, in Fribourg. Wieso es allerdings nicht korrekt «Évêque» heisst, bleibt ein süsses Geheimnis des Tagi …

Nun greifen wir aber ganz, ganz weit in die Geschichte zurück und gehen zum Jahr des Herrn 2006, wo es immerhin schon die Farbfotografie gab:

Die beiden frommen Kirchenmänner wurden am 17. September 2006 in der Kathedrale St. Gallen geknipst. Eine wunderbare historische Reminiszenz …

Wir gehen näher an die Gegenwart, zum 24. Februar 2020. Allerdings ist hier bei der Bildlegende ein kleines Malheur passiert:

Schon blöd, wenn sich Anführungs- und Schlusszeichen halt in ein à und ein Ò verwandeln, und keiner merkt’s …

Aber immerhin, beim Schlussbild ist alles gut:

Wenn der Tagi auf eine Datumsangabe verzichtet, könnte das Foto sogar aktuell sein.

Verfasst ist der Zusammenschrieb übrigens von der «Co-Leiterin des Recherchedesks», Meisterin der «investigativen Recherche». Die besteht hier darin, dass sie einen Forschungsbericht der Uni Zürich gelesen und ausgeweidet hat, zudem offensichtlich fleissige Leserin des SoBli ist. Und natürlich des Archivs des Tagi, wozu ist man investigativ und weiss zu recherchieren.

Der Text ist – immerhin – fehlerfreier und aktueller als die begleitenden Fotos, auch wenn er mit einem dreifachen Krachlaut im Lead beginnt. Zudem ist er nicht hinter der Bezahlschranke verborgen. Aber ob so etwas den Leser animiert, auch noch Geld auszugeben?

Bei einer Schularbeit hätte das früher ein «flüchtig!» mit entsprechenden Notenabzug abgesetzt. In den heutigen Zeiten der Inklusion und der Sensibilität wäre sicherlich das Bemühen gelobt worden. Aber im Journalismus gibt es dafür ein härteres Wort: Leserverarschung.

Immer wieder geht die Sonne auf

Das tröstet nach einer Lektüre des SoBli.

Nachdem Christian Dorer  definitiv nicht mehr an seine angestammte Stelle zurückkehrt, schauen wir mal, was der Mikrophonständer Reza Rafi so alles mit dem «SonntagsBlick» anstellt.

Das hier:

Was trägt er selbst zu diesem Desaster bei? Ein «Editorial», in dem er die Vertretung eines Geber-Kantons im Bundesrat fordert. Also Jositsch oder ein Basler, eine Baslerin. Ist originell, ist speziell, wird bei den Wahlen keine Rolle spielen. Aber, «Editorial»: check.

«Missbrauchsskandal erschüttert Kirche». Dem SoBli, ist – von wem wohl – ein Schreiben von Nicolas Betticher zugespielt worden, in dem der katholischen Seelsorgern vorwirft, an Missbrauchsfällen beteiligt gewesen zu sein oder sie vertuscht zu haben. Eine Story etwa so originell wie der Bericht, dass es schon wieder ziemlich heiss war. Betticher wettert schon lange in Interviews und wo auch immer gegen die Vertuschungen in der katholischen Kirche. Hier sagt er fromm: «Ich nehme zur Kenntnis, dass meine Anzeige an die Medien gelangt ist.» Humor hat der Mann. Aber, «Aufreger»: check.

«Tierschutz-Präsidentin bezog fürstliche Spesen». Oh, noch ein zweiter Aufreger? Nun,dagegen sprechen zwei Dinge. «... verstiess mutmasslich gegen …» Immer, wenn in einem journalistischen Text dieses Wort auftaucht, oder «Recherchen zeigen», oder wenn der oder die Kritisierte via ihren PR-Fuzzi im Artikel selbst kräftig Contra geben dürfen, ist Misstrauen angebracht. Wenn zudem der Autor Fabian Eberhard heisst, muss es sich zu höchstem Misstrauen steigern. Denn der findet nicht mal die Büros eines Internet-Radios in einem überschaubar grossen Bürohaus.

Dann geht nochmal der Mikrophonständer ans Werk: ««Blochers Ziehsohn» wird Vater». Oh, ein Politstück über den SVP-Politiker Thomas Aeschi? Aber nein, der wird «Anfang nächsten Jahres Vater», konnte der SoBli «in Erfahrung bringen». Knallhart damit konfrontiert, knickte Aeschi ein: ««Ja, es stimmt», bestätigte er auf Anfrage». Herz-Schmerz-Story: check.

«Weil alles teurer wird, rutschen immer mehr Menschen in die Armut». Hier wird mit Gummibegriffen wie «armutsbetroffen», «Working Poor» oder gar «armutsgefährdet» gearbeitet. Da erzählt Lisa Aeschlimann die traurige Geschichte von Amelia Ventura, alleinerziehende Mutter zweier Kinder, eines davon leidet unter Zerebralparese, ein Gehirnschaden. So tragisch das Schicksal auch sicher ist: das kann ja wohl kein repräsentatives Beispiel für die These des Artikels sein. Sozialporno: check.

Dann war «Blick»-Redaktorin Sara Belgeri dabei, wie sich zwei Klimakleber in der Wohnung des Mexikoreisenden Max Voegtli auf eine Aktion im KKL vorbereiten. Sie wollen sich absurderweise ans Dirigentenpodest kleben, während einer Aufführung von Bruckners 4. Symphonie im KKL Luzern. Was daran klimaschädlich sein soll, erklärt Balgeri allerdings nicht. Gaga-Reportage: check.

Wir kommen zur Seite des Hausgespensts, dessen Namen wir hier nicht mehr nennen wollen. Dafür aber den Schluss seiner Kolumne: «Unpolitik ist Unfreiheit». Hä? «Freisinn ist Politik – oder er ist nicht!» Hä? «Freiheit ist Politik – oder sie ist nicht.» Hä? Hä-Geschwurbel: check.

Lässt sich das noch steigern? Sicher, durch eine Kolumne von Aline Trede, Grünen-Nationalrätin: «Ich werde mich weiterhin dafür einsetzen, dass sich die Situation für werktätige Eltern verbessert.» Immerhin befleissigt sie sich hier einer gepflegteren Sprache als sonst … «Stoppt dieses Scheissbuch», das ist ihr Umgangston auf X.  Politiker-Gelaber: check.

Dann darf Raiffeisen-Porsche, Pardon, Raiffeisen-Boss Heinz Huber etwas für seine zwei Millionen Gehalt tun, und im Interview wegschwaflen, dass die exorbitanten Gewinne der Genossenschaftsbank auf Kosten der Kunden gar nicht so exorbitant seien und auch überhaupt nicht auf Kosten der Kunden gingen. Das Einzige, was bei diesem Gefälligkeits-Interview auffällt: Reza Rafi war nicht dabei. Kritisiertem Boss eine Plattform zur Verteidigung bieten: check.

Dafür verlangt der SoBli stolze Fr. 5.20. Absurder Preis: check.