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Sendepause

ZACKBUM macht etwas Originelles: ein Ukraine-Sabbatical.

Am 24. Februar jährte sich der Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine. Bei aller Ursachen- und Motivforschung, bei allen gegenseitigen Schuldzuweisungen, bei allen auseinanderklaffenden Meinungen dazu: es war ein eklatanter Bruch der verbindlichen Zusage, gegen die Rückgabe der auf ukrainischem Boden stationierten Atomwaffen der ehemaligen UdSSR die territoriale Integrität des neu unabhängigen Staates zu garantieren.

Gleichzeitig ist es die übliche imperiale Machtpolitik, wie sie auch die USA (und neuerdings auch China) betreiben. Die USA sogar weltweit, von Südostasien bis in ihren sogenannten Hinterhof Lateinamerika.

Das macht natürlich die Invasion keinen Deut verständlicher, aber es relativiert alle Versuche, den Überfall eines korrupten Regimes auf einen korrupten Oligarchenstaat zu rechtfertigen.

ZACKBUM hat mit aller Stimmkraft klargestellt, dass wir persönlich null Bedürfnis haben, in einer geradezu endzeitlichen Auseinandersetzung zwischen dem angeblich Guten gegen das angeblich Böse atomar in Asche verwandelt zu werden.

Wir sind es zunehmend Leid, all diesen Schreibtischtätern auf die Finger klopfen zu müssen, die als Sandkastengeneräle gerne andere in den Tod schicken wollen, leiden lassen möchten, von der Verteidigung der Demokratie und der Freiheit und westlicher Werte ausgerechnet in der Ukraine faseln.

Daher hat die Redaktionsleitung von ZACKBUM beschlossen, in Rücksprache mit dem Verleger, der sich des Einverständnisses des Besitzers versicherte, vorläufig auf weitere Kommentierung zum Thema Ukraine zu verzichten. Die Redaktoren hat wie üblich keiner um ihre Meinung gefragt. Dieses Sabbatical gilt natürlich nicht für Zuarbeiter; so liberal sind alle Entscheidungsgremien bei ZACKBUM.

Das ist aber eine schlechte Nachricht für alle Medienschaffenden in der Schweiz. Sie produzieren ja auch auf anderen Gebieten jede Menge Stuss, der hier weiter aufgespiesst wird.

Ohne uns vergleichen zu wollen, Karl Kraus schrieb einmal: «Ich aber bleibe stumm, und sage nicht, warum.»

«Ich aber bleibe stumm;

und sage nicht, warum.» Ein Zitat des weitgehend vergessenen Karl Kraus.

Das Gedicht verdient es, vollständig zitiert zu werden:

«Man frage nicht, was all die Zeit ich machte.
Ich bleibe stumm;
und sage nicht, warum.
Und Stille gibt es, da die Erde krachte.
Kein Wort, das traf;
man spricht nur aus dem Schlaf.
Und träumt von einer Sonne, welche lachte.
Es geht vorbei;
nachher war’s einerlei.
Das Wort entschlief, als jene Welt erwachte.»

«Die Fackel», Oktober 1933

Es wäre mehr als vermessen, sich mit ihm vergleichen zu wollen. Aber aus Gründen der geistigen Hygiene – und aus vielen anderen Gründen – wird ZACKBUM bis auf Weiteres mit den beiden folgenden Artikel die Berichterstattung über den Ukrainekrieg einstellen.

Es ist zurzeit alles gesagt, alles gefordert, alles verurteilt, alles kritisiert, alles zugesosst, ein weiteres Mal bieten die sogenannten Qualitätsmedien ein jämmerliches Schauspiel. Schreibtäter und Schreikräfte, wildes Gefuchtel, wackelnde Zeigefinger, gerunzelte Stirnen, schweres Tragen an gestohlenem Leid, sinnlose Forderungen, Ratschläge, Verurteilungen.

Da machen wir nicht mehr mit, nicht mal mit der Kritik solchen Verhaltens. Denn wenn man sich selbst abschreiben könnte, weil nichts Neues zu beschreiben ist, sollte man das dem Leser ersparen. Es gibt ja noch genügend andere Themen auf der Welt.

Lachhaft

Absurdem kann man mit Humor begegnen. Oder mit Stärke.

Ist es weltbewegend, ob ein Tennisspieler in Australien Tennis spielen darf? Ist das Anlass für Hunderte, ja Tausende von Artikeln, Berichten?

Ist es lustig, dass Djokovic inzwischen mehr abgelehnte Visa hat als Grand-Slam-Titel? Bringt’s was zu scherzen, dass er, wenn er wie Jesus sei, doch übers Wasser von Australien weglaufen kann? Dass er wie Jesus am Kreuz gescheitert ist, in seinem Fall am falschen Kreuz bei den Visumfragen?

Ist das wichtiger als Corona, Ukraine, als Biden, Putin oder die chinesische Diktatur? Ist das wichtiger als die Uiguren, Kasachstan, Myanmar, Äthiopien, das anhaltende Schlamassel in den arabischen Ländern? War da mal was mit einer Pandemie?

Oder ist es Anlass, sich an ein brutales Zitat von Johann Nepomuk Nestroy zu erinnern? Wenn man sich die japsende, hyperventilierende, jedes Mass verlierende Medienmeute anschaut?

Wer war denn das?

Schliesslich hat Karl Kraus den österreichischen Autor und Stückeschreiber aufs höchste verehrt, dessen bittersüss-böse Weltsicht später nur von Ödön von Horváth übertroffen wurde. Okay, wer war Kraus, wer war Nestroy, wer war Horváth.

Und wer waren denn die?

Aber auch diese Banausen verstehen zumindest das Zitat:

 

 

Es war einmal …

Adventszeit, besinnliche Zeit. Gedenken an früher.

Es ist schon so lange her, dass es fast nicht mehr wahr ist. Als im deutschen Sprachraum Giganten wie Kurt Tucholsky, Joseph Roth, Karl Kraus, Carl von Ossietzky oder Egon Erwin Kisch schrieben.

Von Ossietzky als KZ-Häftling, bevor er zu Tode gequält wurde.

Für Nachgeborene: googeln hilft. Zu diesen Zeiten legten Grössen wie Upton Sinclair oder Lincoln Steffens in den USA neue Massstäbe des literarischen Investigativjournalismus vor.

Sah harmlos aus, war aber brandgefährlich für die Herrschenden: Steffens.

Dem einen oder anderen Redaktor ist vielleicht Truman Capotes «Kaltblütig» bekannt. Weil er’s nicht gelesen hat (oder vielleicht nur die grossartige Verfilmung sah): beeindruckend langweilig geschrieben.

Tom Wolfe war da schon ein anderes Kaliber. «Fegefeuer der Eitelkeiten» oder «Back to Blood» waren herausragende Faction, also eine Mischung aus Fiktion und Fakten.

Alle tot; lebt noch einer? Ja, ein einziger: Gay Talese. Der ist allerdings schon fast 90. Und der Meister der Langzeitreportage. Wobei Langzeit zum Beispiel sechs Jahre bedeuten kann.

Haben alle diese Grössen ein Geheimnis, zumindest etwas Gemeinsames? Aber ja.

Was ist ihr Geheimnis?

Zunächst: sie lebten in Zeiten, in denen Journalismus noch so honoriert wurde, dass man davon leben konnte, sich auch Zeit nehmen. Und hingehen.

Die wichtigste Eigenschaft ist aber: sie haben ihr Thema durchdrungen. Verstanden und verdichtet. Ihre Schriftwerke strahlten immer aus: das ist nur der Kern, drum herum habe ich recherchiert und mich informiert und mich schlau gemacht. Aber das habe ich dann weggeschnitten.

Die zweitwichtigste: sie konnten schreiben. Nicht holpern. Sondern elegant, souverän, stilistisch auf Niveau, mit gelungenen Anspielungen, scharf geschnittenen Metaphern und Beschreibungen, die Atmosphäre, Raum und handelnde Figuren lebendig werden liessen.

Aber heute? In der Schweiz? Wie heisst es so schön: Wenn die Sonne der Kultur tief steht, werfen auch Zwerge lange Schatten.