Schlagwortarchiv für: Kantonsrätinnen

Prüfungsfrei Kantonsrätin

Diese sieben Damen wirken bei der Herstellung unsere Gesetze mit. Au weia.

Einen Tagi-Artikel gelesen. Ihn nicht verstanden. Null Informationen eingeholt, wie sinnvoll es ist, Zahlen auf Kantonsebene herunterzubrechen. Bei 81 verurteilten Vergewaltigern – schweizweit. Und zu diesem Unsinn noch 7 dumme Fragen hinzugestellt. Offensichtlich gibt es im Kantonsparlament keine Geschwindigkeitsbeschränkung für rasende Dummheit. Das muss man in voller Länge sehen – und aushalten. Wir haben uns gestattet, im Anschluss die Antworten des Regierungsrats vorwegzunehmen – und erheben kein Copyright darauf.

Zürich, Rüti, Gossau und Winterthur, 19. April 2021

ANFRAGE von Silvia Rigoni (Grüne, Zürich), Judith Anna Stofer (AL, Zürich), Pia Ackermann, (SP, Zürich), Andrea Gisler (GLP, Gossau),

Barbara Günthard Fitze (EVP, Winterthur), Angie Romero (FDP, Zürich) und Yvonne Bürgin (Die Mitte, Rüti)

betreffend Grosser Verbesserungsbedarf für Opfer von Sexualdelikten ________________________________________________________________________

Eine Untersuchung der ZHAW zeigt auf, dass grosse Unterschiede zwischen den Kantonen im Umgang mit mutmasslichen Vergewaltigungen bestehen (Tages-Anzeiger vom 17. April 2021). Während im Kanton Waadt 61 Prozent der mutmasslichen Täter verurteilt wurden, sind es im Kanton Zürich lediglich 7,4 Prozent. Auffällig ist, dass im Kanton Zürich von den angezeigten Vergewaltigungen vergleichsweise sehr wenige zu einer Anklage führten. Rund 80 Prozent der Verfahren werden von der Staatsanwaltschaft mit einer Einstellungsverfü- gung beendet.

Im Kanton Bern können sich Opfer von Sexualdelikten an der Frauenklinik von Spezialistinnen und Spezialisten untersuchen lassen. So können Beweise gesichert werden und es wird eine rechtsmedizinische Dokumentation erstellt. Im Kanton Waadt verfügt das Universitätsspital Lausanne über eine eigene Abteilung für Gewaltmedizin, in fünf weiteren Spitälern im Kanton Waadt können sich Opfer von Sexualdelikten von Spezialistinnen und Spezialisten umfassend rechtsmedizinisch untersuchen lassen. Der Kanton Waadt übernimmt dabei die Kosten. In seiner Antwort auf die Anfrage KR-Nr. 372/2018 berichtet der Zürcher Regierungsrat von verschiedenen Untersuchungsorten und jeweils fallspezifisch hinzugezogenem Personal.

Es scheint, dass es im Kanton Zürich einen grossen Verbesserungsbedarf im Umgang mit Opfern von Sexualdelikten gibt. Es gibt klare Hinweise dafür, dass die Strafverfolgung im Kanton Zürich nicht optimal verläuft. Auf Nachfragen des Tages-Anzeigers konnten weder die Justizdirektion, die Oberstaatsanwaltschaft noch das Obergericht zu den beunruhigenden Ergebnissen Auskunft geben. Offenbar fehlt eine systematische und koordinierte Datenerhebung, welche Erklärungen zu diesen Unterschieden liefern kann.

Wir bitten den Regierungsrat um die Beantwortung folgender Fragen:

  1. Teilt der Regierungsrat die Kritik, dass Vergewaltigungen zu oft straffrei bleiben? Was gedenkt er dagegen zu tun?
  2. Welche Daten stehen im Kanton Zürich zu Vergewaltigung, Schändung und sexueller Nötigung zur Verfügung?
  3. Gibt es Erklärungen, warum rund 80 Prozent der Fälle von der Staatsanwaltschaft eingestellt werden?
  4. Was sind die Gründe dafür, dass die Verurteilungsquote im Kanton Zürich so tief ist?
  5. Was wurde in den letzten Jahren bei der Einvernahme und Untersuchung der Opfer verbessert? Sind weitere Verbesserungen geplant?
  6. Was wurde seitens der Strafverfolgung in den letzten Jahren unternommen, um die Anzeigequote zu erhöhen? Was hat die Staatsanwaltschaft in den letzten Jahren gemacht, um die Zahl der Anklagen vor Gericht in Fällen von Vergewaltigung zu erhöhen? Welche weiteren Massnahmen sind noch geplant, respektive nötig?
  7. Wie stellt sich der Regierungsrat zu der Aussage von Brigit Rösli, Rechtsanwältin in vielen Sexualdelikten, dass im Kanton Waadt die Behörden die Aussagen der Frauen offenbar als glaubhafter einstufen als im Kanton Zürich?

  • Da muss sich der Regierungsrat kurz schütteln, etwas kaltes Wasser ins Gesicht spritzen und zur Antwort schreiten:
  1. Der Regierungsrat hält sich an die Gewaltenteilung, weshalb er diese Frage nicht beantworten kann. Er fragt sich aber, ob die Anfragerinnen das Prinzip der Gewaltenteilung verstanden haben.

  2. Über die genauen Zahlen geben die Jahresberichte der Gerichte Bescheid, die dem Kantonsrat jedes Jahr vorgelegt werden.

  3. Die Staatsanwaltschaften stellen Untersuchungen nach genauer Abklärung dann ein, wenn sich eine Straftat nicht nachweisen lässt.

  4. Die Verurteilungsquote bemisst sich an der Zahl zur Untersuchung gelangenden Fällen und deren Erledigung. Je höher die Anzahl nachgewiesener Fälle, desto höher die Zahl Fälle, die ans Gericht gelangen. Wie die Gerichte urteilen, kann der Regierungsrat nicht beantworten. Er kann sie aufgrund der Gewaltenteilung auch nicht beeinflussen. Er fragt sich aber, ob die Anfragerinnen das Prinzip der Gewaltenteilung verstanden haben.

  5. Die Staatsanwaltschaften bilden sich ständig weiter und verbessern so ihre Arbeit. In zivilisierten Ländern macht man das so.

  6. Der Regierungsrat kann die Anzahl der Anzeigen nicht erhöhen. Ziel der Staatsanwaltschaften ist es nicht, die Gefängnisse zu füllen, sondern mutmassliche Straftaten zu klären und dabei belastendes wie entlastendes Material zu sammeln um daraus schliessen zu können, ob Anklage erhoben werden kann. Die Bestrafung obliegt dem Gericht.

  7. Wer ist Brigit Rösli?

 

Das ist keine Realsatire. Das ist satirische Realität; nur ernstgemeint.

Vergewaltigung der Wirklichkeit

Das Lieblingswort des Politikers: Skandal! Anlass, Begründung, Sinn: völlig egal.

Wir können hier der Verbreitung eines Virus live zuschauen. Während es bei Covid-19 noch nicht ganz entschieden ist, ob er einem Labor entsprang oder durch tierische Übertragung: hier ist die Brutstätte und die Infektionskette völlig klar.

Entstanden ist die Erkrankung im «Tages-Anzeiger». Patientin Nummer 0 ist die redaktionelle Kindersoldatin Lisa Aeschlimann. Sie durfte auf die Seite 1 mit dieser Schlagzeile:

«Vergewaltigung wird in Zürich so selten bestraft wie in keinem anderen Kanton».

Der «Beweis»: «Wer im Kanton einer Vergewaltigung beschuldigt wird, bleibt in 12 von 13 Fällen straffrei.»

Das bedeute, dass jede Menge «mutmassliche Vergewaltiger» unbestraft frei herumliefen. Eine monströse Vergewaltigung des Rechtsstaats und der Wirklichkeit. Der Gipfel ist die Behauptung, dass im Kanton Waadt «61 Prozent der Beschuldigten» verurteilt worden seien, im Kanton Zürich «nur» 7,4 Prozent.

Das folgt dem alten Nonsens-Prozentrechnen. Schlagzeile: «Verdoppelung der Anzahl Vergewaltigungen! Steigerung um 100 Prozent!» Zum Beispiel von eins auf zwei.

Prozentzahlen sind gut, wenn reale Zahlen schlecht sind

Wohlweislich werden von Aeschlimann die realen Zahlen nicht verwendet. Die sehen nämlich so aus: Im vergangenen Jahr wurden 713 Vergewaltigungen angezeigt. Schweizweit. Im Jahr 2010 waren es 543, dann sank die Zahl bis 2015 auf 532, seither nimmt sie zu.

Im Jahr 2019 wurden in der ganzen Schweiz 81 Personen wegen Vergewaltigung verurteilt, davon 72 Erwachsene. Das ergibt eine durchschnittliche Verurteilungsrate von – rund 10 Prozent. Schweizweit.

Zum Vergleich: 2019 wurden insgesamt 31’677 Personen wegen Verstössen gegen das Strafgesetzbuch (StGB) verurteilt. Im Kanton Zürich waren es 12’453 Verurteilungen wegen Vergehen oder Verbrechen; 7060 Urteile ergingen gegen Ausländer, aber das wäre ein anderes Thema.

Bei 81 Verurteilungen in der ganzen Schweiz ist jede statistische Auswertung nach Kantonen schlicht und einfach – Müll. Man könnte genauso gut auch würfeln. Natürlich gibt es eine Dunkelziffer, die deswegen so heisst, weil es keine gesicherten Angaben gibt. Und schliesslich:

«Die meisten Sexualdelikte werden nicht von Unbekannten verübt, sondern von Partnern, Ex-Partnern, Bekannten und Kollegen. Rund 80 Prozent der Frauen, die sich im Jahr 2019 bei der Frauenberatung sexuelle Gewalt gemeldet haben, kannten die Täter schon vor der Tat. Rund 30 Prozent der bekannten Täter waren Ehepartner oder Partner des Opfers», sagt die «Frauenberatung sexuelle Gewalt».

Also ist es auch nicht so, dass sich Frauen als Freiwild für sexuelle Attacken fühlen müssen, wenn sie sich in der Öffentlichkeit bewegen.

Zusammenfassend ist das ein Stück Elendsjournalismus; eine an den Haaren herbeigezogene These, die Recherche besteht aus zustimmenden Zitaten interessierter Kreise, dann noch etwas Hokuspokus mit Prozentzahlen und das Fehlen rechtsstaatlicher Grundlagenkenntnisse: fertig ist der Skandal.

Politikerinnen sehen flugs «Verbesserungsbedarf»

Ist er fertig? Aber nein. Stolz kann Aeschlimann nachlegen: «Nun fordern Politikerinnen vom Regierungsrat Antworten». Denn auch sie haben den Tagi gelesen – und nichts verstanden. Also will «eine breite Allianz von AL- bis FDP-Politikerinnen» mit einer Anfrage im Kantonsrat wissen: «Es scheint, dass es im Kanton Zürich einen grossen Verbesserungsbedarf im Umgang mit Opfern von Sexualdelikten gibt.»

Was wurde unternommen, «um die Zahl der Anklagen zu erhöhen», wollen diese Scharfrichterinnen wissen.

Echt jetzt? Soll die Staatsanwaltschaft, wenn sie nach ihren Ermittlungen zum Schluss kommt, dass das Delikt nicht begangen wurde, lieber Anklage erheben, als dass ein «mutmasslicher Vergewaltiger» frei herumläuft? Muss man sogar Politikerinnen das Einmaleins erklären?

Bloss deshalb, weil eine Frau behauptet, sie sei vergewaltigt worden, liegt noch kein Delikt und kein Beweis dafür vor, sondern ist genauso nach belastenden und entlastenden Elementen zu suchen wie sonst. Nicht jede sexuelle Handlung ist zugleich eine Vergewaltigung, und das Strafrecht schützt auch den mutmasslichen Täter davor, leichtfertig eines Delikts bezichtigt zu werden.

Dummheit ist ansteckend, das war schon vorher bekannt. Aber im Zürcher Kantonsrat?