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Das Schweigen der Medien

Pluralismus, offene Debatten in den Blättern der Duopolkonzerne? Ach was. Berichte über harsche Massnahmen gegen unerwünschte Meinungen? Ach nein.

Die Schweizerische Bundesverfassung handelt das Thema in Art. 16 mit Schweizer Nüchternheit und Präzision ab:

«Die Meinungs- und Informationsfreiheit ist gewährleistet. Jede Person hat das Recht, ihre Meinung frei zu bilden und sie ungehindert zu äussern und zu verbreiten.»

Das ist nicht nur präzise wie ein guter Chronometer formuliert, es ist auch die wohl wichtigste Errungenschaft einer modernen Zivilisation. Neben Rechtsstaatlichkeit als Bollwerk gegen Willkür, Wahnsinn, Faustrecht und Barbarei fördert nichts mehr den Fortschritt als der möglichst freie Austausch von Ansichten, Meinungen, Informationen.

Natürlich gibt es auch dafür Grenzen, aber sehr weitgefasste. Denn auf einigen Inseln der Aufklärung existiert weiterhin der Vorteil, zu immer neuen und besseren Erkenntnissen zu kommen, indem aus dem Kampf der Meinungen und Argumente das bessere, das richtige, das hilfreiche siegreich hervorgeht. Ohne Tabus, ohne religiöse oder andere der Erkenntnis feindlich eingestellte Machtapparate, die mit Repression, Gewalt, Verboten ihren mittelalterlichen Anspruch auf die Verkündung der einzig richtigen und erlaubten Wahrheit aufrecht erhalten wollen.

Ohne freie Debatte ist kein Erkenntnisgewinn möglich

Was passiert, wenn das gelingt, kann man heutzutage in jedem fundamentalistisch oder diktatorisch beherrschten Land der Welt sehen. Rückschritt statt Fortschritt, finsteres Mittelalter statt Neuzeit, Armut, Unterdrückung, Irrationalität und Fanatismus.

Aber doch nicht in der Schweiz, könnte man meinen. Natürlich sind Vergleiche mit Diktaturen oder repressiven Unrechtssystemen unsinnig, übertrieben. Zwar Ausdruck der Meinungsfreiheit, aber kein Ausdruck von Denkfähigkeit.

Schon immer war und ist klar, dass man zwar frei seine Meinung äussern kann, das aber nicht immer folgenlos bleibt. «Moskau einfach» war früher eine beliebte Reaktion, wenn jemand die Überlegenheit des kapitalistischen Systems in Frage zu stellen wagte. Vorsicht war auch gegenüber «Subversiven», «Umstürzlern» oder gar «Revoluzzern» geboten.

Denunzierung, Jobverlust, selbst die NZZ heizte damals der Volksseele ein und keifte gegen den grossen marxistischen Kunsthistoriker Konrad Farner – mit Angabe seiner Adresse, damit man ihm dort auf die Pelle rücken konnte. Auch der Publizist und Dokumentarfilmer Roman Brodmann fiel in Ungnade, als er sich als Unterstützer der Initiative «Schweiz ohne Armee» outete.

Aber solche Kollateralschäden muss man hinnehmen. Auch gegen uns wird gekeift und gestänkert. In erster Linie aus Eifersucht und Neid, weil wir hier bei ZACKBUM ohne Rücksicht und ohne Rücksichtnahme unsere freie Meinung äussern. Macht nichts.

Viele nachplappernde Papageien sind der Tod der Debatte

Eine neue Qualität hat die Gefährdung der freien Meinungsäusserung in der Schweiz dadurch gewonnen, dass ihre Verbreitung zunehmend schwierig wird. Wer sich’s mit CH Media, Tamedia, Ringier und NZZ verscherzt hat, hat zumindest gröbere Probleme, seine Meinung nicht nur zu äussern, sondern auch sie zu distribuieren. Am öffentlichen Diskurs teilzunehmen, wie man neudeutsch sagt. Erschwerend kommt noch hinzu, dass die Pandemie nicht nur dazu missbraucht wird, viele Freiheitsrechte massiv einzuschränken.

Schnabel aufmachen oder lieber nicht?

Es wird auch probiert, mittelalterliche Zustände wiederzubeleben. Indem nicht mit Argumenten über Meinungen debattiert wird, sondern indem missliebige Argumente ignoriert, aber angeblich dahinterstehende Haltungen, Gesinnungen denunziert werden. Also nicht mehr: Was der sagt, ist falsch, weil. Sondern: wer das sagt, zeigt damit eine verächtliche Haltung, eine böse Gesinnung.

Es wird nicht mehr auf Meinungen, sondern auf Menschen gezielt.

Das gilt auch und gerade für Wissenschaftler oder anderweitig qualifizierte Meinungsträger, wenn die es wagen sollten, an angeblich alternativlosen und angeblich einzig richtigen Entscheidungen oder angeblich unwiderlegbar richtigen wissenschaftlichen Behauptungen zu zweifeln. Plötzlich sind das keine anerkannten Fachleute mehr, sondern Aussenseiter, die sich verlaufen, verirrt haben, vielleicht sogar den Verstand verloren.

Drakonische Disziplinarmassnahmen

Solche bösartigen Denunziationen sind das eine. Drakonische Disziplinarmassnahmen das andere. Im Kanton Aargau, der sich noch nie durch grosse Toleranz gegenüber abweichenden Meinungen auszeichnete, wird ein Kantonsschullehrer entlassen, weil er sein Recht wahrnahm, an einer Demonstration teilzunehmen.

Die Aarauer Kantonsschule kenne ich aus eigener Anschauung. Als ich dort einen Schülerrat gründete und mich über unfähige Lehrer lustig machte, bekam ich  das consilium abeundi. Weniger hochgestochen: die Androhung der Wegweisung wegen Aufmüpfigkeit. Ein Rekurs dagegen mit aufschiebender Wirkung und die Matur befreite mich dann von diesem Mief.

Noch schlimmer traf es den Luzerner Arzt Andreas Heisler. Nachdem er sich einige Male kritisch über die offizielle Corona-Bekämpfung geäussert hatte, wurde er zuerst disziplinarisch bestraft, weil er sich weigerte, in seiner Praxis eine Gesichtsmaske zu tragen.

Als der Allgemeinpraktiker letzte Woche aus einem Urlaub zurückkehrte, überreichte ihm die Polizei ein Schreiben des Luzerner Kantonsarztes. Es informierte Heisler über die «Eröffnung eines aufsichtsrechtlichen Verfahrens» und den «Vorsorglichen Entzug der Bewilligung». Auf Deutsch: Berufsverbot.

Der Kantonsarzt vergreift sich an der Meinungsfreiheit

Neben bekannten Vorwürfen kam noch ein dritter dazu: «Schrecken der Bevölkerung». Doch, das gibt es als Straftatbestand; Heisler soll geschreckt haben, weil er sich öffentlich gegen Corona-Impfungen ausgesprochen habe. Beweis: eine Sammlung von Pressemeldungen.

Wie Heisler erfahren musste, berichtet «Die Ostschweiz»,  greift hier eine Verhöhnung eines fundamentalen Prinzips des Rechtsstaats. Das Berufsverbot gilt per sofort, ein Rekurs dagegen hat keine aufschiebende Wirkung. Das bedeutet, dass der Arzt seine Unschuld beweisen muss, wenn er wieder praktizieren will.

Schon das ist bedenklich. Noch bedenklicher ist, dass abgesehen von «Die Ostschweiz» und nau.ch kein Medium es bislang für nötig fand, über diesen gravierenden Vorfall zu berichten. Angeblich soll es ja noch Lokalredaktionen im Hause CH Media geben, zum Beispiel in Luzern. Aber die hat offenbar anderes zu tun – oder traut sich schlichtweg nicht.

Wer einwendet, dass das doch wohl bedauerlich, bedenklich, aber halt doch ein Einzelfall sei, sollte sich an einen guten Satz des Erfinders unserer Gewaltenteilung erinnern:

Das Unrecht, das dem Einzelnen widerfährt, ist eine Bedrohung für alle.