«Republik»: Ein Kessel Buntes
Was alles in der Autorenzeile der Plattform für gute Lebensratschläge Platz findet …
Das nenne ich mal eine Bandbreite. In der «Republik» tut sich Daniel Ryser mit Raimond Lüppken zusammen. Um gemeinsam einen offensichtlich psychisch Versehrten, der keine Person des öffentlichen Interesses ist, mit voller Namensnennung in die Pfanne zu hauen. Denn der hat ein paar wirre Schreiben verfasst, in denen er unter anderem die sofortige Verhaftung des Bundesrats fordert.
Aber er ist nicht unbegütert und zudem mit seinen zwei Brüdern Mitbegründer einer erfolgreichen Restaurantkette. In der Abwägung, ob man diesen Menschen nicht vor sich selber schützen muss und der Gier, mal wieder zitiert zu werden, entschied sich die immer klamme Plattform für das Unanständige. Was sie natürlich anderswo lautstark beklagt.
Mit allen Fingern auf andere zeigen
Auch zusammen mit Lüppken, einem «Rechtsextremismusexperten», geht Ryser auf die beiden grossen Buchhandlungen in der Schweiz los. Orell Füssli, Ex Libris. Der Rechercheweg ist klar: der deutsche Grossbuchhändler Hugendubel hält 49 Prozent an Orell Füssli. Und diese Schweinebacken verkaufen doch tatsächlich das wirre Manifest des Massenmörders Anders Breivik, der aus gestört-rassistischen Motiven 77 Menschen ermordete.
Das führte zu einem Boykottaufruf gegen Hugendubel und auch Presseartikeln darüber, das führte die beiden Spürnasen zur Recherche, ob Orell Füssli das Werk in der Schweiz etwa auch verkauft. Und siehe da: Treffer. Verschreckt nimmt OF nach Anfrage der «Republik» das Werk aus dem Sortiment. Mit der laut «Republik» lahmen Entschuldigung, dass man bei 11 Millionen Büchern im Angebot nicht jedes einzelne auf den Prüfstand legen könne.
Treffer, versenkt. Dass OF seinen Sachbuchverlag einstampft, über viele Jahrzehnte die Adresse für Schweizer Themen im Non-Fiction-Bereich, das ist dem Kulturzentrum «Republik» hingegen keine Zeile wert.
Im Recherchierrausch schauen die beiden Investigativjournalisten noch bei Ex Libris rein. Und siehe da: zweiter Treffer. Aber nicht versenkt: Ex Libris zieht ihren Zorn auf sich, weil auch dieser Buchhändler darauf hinweist, dass er nicht jedes einzelne Buch in seinem Millionensortiment bewerten könne.
Ex libris hält sich ans Gesetz, das geht nicht, findet die «Republik»
Deshalb halte man sich ans Gesetz; Bücher, die gerichtlich verboten sind oder auf dem Index der deutschen Prüfstelle stehen, werden nicht verkauft. Alle anderen schon. Das ist natürlich die völlig richtige Haltung. Aber das sehen die Autoren anders; sie plädieren stattdessen für Selbstjustiz und Willkür. Wenn sich schon private Plattformen wie Facebook oder Twitter zum Zensor aufschwingen und missliebige Teilnehmer sperren – was rechtsstaatlich sehr beunruhigend ist –, dann sollten das Buchhändler doch auch tun.
Da gäbe es vielleicht für den «Rechtsextremismusexperten» und den Reporter ein neues Aufgabengebiet: Buchzensor. Kleine Nachhilfe zum Einarbeiten: der «Index librorum prohibitorum». Dieser Index der kirchlichen Inquisition war der letzte Versuch, am Rechtsstaat vorbei Bücher und Autoren aufzulisten, die ein wahrer Christ nicht lesen darf. Leider wurde diese fromme Übung 1965 abgebrochen. Aber ich kann auf Wunsch mit einer der letzten Ausgaben leihweise dienen.
Alleine damit zeigt die «Republik» ein doch sehr fragwürdiges Verhältnis zum Rechtsstaat. Nicht der entscheidet, was erlaubt und was verboten ist, sondern jeder wildgewordene Journalist darf den Daumen senken. Nebenbei warten wir auf die Lancierung einer Initiative, dass der Satz in der Bundesverfassung, «eine Zensur findet nicht statt», gestrichen werden soll.
Denn, horribile dictu, um weiter zu lateinern, selbst «Mein Kampf» ist im Buchhandel erhältlich. Experte und Reporter, übernehmen Sie!
Wo Jutta Ditfurth ist, kann Raimond Lüppken nicht sein
Damit aber sind der Absonderlichkeiten in der «Republik» kein Ende. Denn unter dem geklauten Titel «Eyes wide shut» langweilt die Plattform mit der inzwischen 7. Folge einer Serie über Verschwörungsglauben. Es steht zu befürchten, dass sie nicht kürzer als die unendliche Geschichte über das Haus «Tages-Anzeiger» wird.
Aktuell widmet sich die Allzweckwaffe Daniel Ryser der für die «Republik» durchaus heiklen Frage, wie denn Esoterik und faschistisches Denken, rechter Verschwörungsglauben zusammenhänge. Diesmal allerdings nicht zusammen mit Lüppken, sondern mit einer anderen Fachkraft.
Das ist insofern bemerkenswert, als die Autoren des mit 16’000 Anschlägen eher schlanken Artikels in ihren Recherchen auf Jutta Ditfurth stossen. Für jüngere Leser: die engagierte Sozialwissenschaftlerin gehörte zu den Gründern der «Grünen» in Deutschland und war von 1984 bis 1988 eine der drei Bundesvorsitzenden der Partei. 1990 setzte dann die Degeneration der «Grünen» mit der «realpolitischen Wende» ein, und Ditfurth verliess mit einigen anderen unter Protest die Partei.
Sie ist bis heute munter und radikal unterwegs; so schaffte sie es vor ein paar Jahren, in einer Diskussionsrunde bei «Maischberger» einen CDU-Politiker dazu zu bringen, unter Protest seine Beteiligung abzubrechen. Als Maischberger sie aufforderte, aus Gründen der Ausgewogenheit nun auch zu gehen, blieb Ditfurth einfach sitzen. Also an der linken, feministischen, um nicht zu sagen linksextremen Haltung von Ditfurth kann kein Zweifel bestehen.
Ditfurth kennt sich bei diesem Thema aus
Zudem hat sie sich in mehreren Büchern mit den Verbindungen von Anthroposophen, Esoterikern und Umweltschützern, sowie Grünen, beschäftigt. Daher weiss sie: «Diese Leute, viele von ihnen Impfgegner, stören sich ganz offensichtlich nicht an den Nazis, die da mitlaufen», wie sie der «Republik» sagt.
In diesem Zusammenhang ist das Fehlen von Lüppken hochinteressant. Denn vor etwas mehr als einem Jahr twittere Ditfurth diese Warnung:
Ditfurth und Lüppken haben sich gar nicht lieb.
Das hätte möglicherweise ihre Gesprächsbereitschaft etwas gefährdet, wäre dieser Lüppken als Mitautor hier aufgetaucht. Leider antwortet weder er noch die hochwohllöbliche Chefredaktion der «Republik» auf mehrfache Anfragen. Soweit geht dann die Transparenz des «transparentesten Medienunternehmens» (Selbstlob) auch nicht. Dabei haben wir den Dritten im Bunde, Dario Veréb, noch gar nicht erwähnt. Auch er spannt ab und an mit Lüppken zusammen, um beispielsweise die Leser von «audiatur» mit dem gleichen Thema zu beschallen: «Corona-Proteste: Neuer Anzug für rechte Narrative?»
Leider wollte auch Jutta Ditfurth nicht auf die Frage antworten, was genau sie damals zu dieser Warnung motiviert hat. Aber, ums positiv zu sehen: Ditfurth, Lüppken, noch ein paar andere, wäre das nicht mal eine eigene Recherche in dieser Reihe wert? Oder macht das Organ der moralischen Urteilsfähigkeit davor die Augen weit zu?