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Wir brauchen echten Journalismus

Ein Drecksstück reiner Demagogie im Tagi.

«Wir brauchen eine echte Friedens­bewegung – und keine Ego-Show von Frau Schwarzer». So titelt Tamedia über einem Stück von Meredith Haaf. Das ist eine Leihmeinung von der «Süddeutschen Zeitung», denn der grosse Konzern des Coninx-Clans ist schon lange nicht mehr in der Lage, eigene Meinungen zu haben.

Haaf ist bei der SZ «Stellvertretende Leiterin im Ressort Meinung» und kümmert sich vor allem um «politische Fragen, die das Zusammenleben der Menschen, die Gerechtigkeit der Verhältnisse und das Selbstverständnis unserer Gesellschaft betreffen».

Das äussert sich dann so: In der Gesellschaft sei «Einsatz für den Frieden nachvollziehbar». Immerhin, aber:

«In Deutschland aber geht derzeit eine unkonzentrierte Ego-Show als anschlussfähige Friedensbewegung durch, wie am Samstag am Brandenburger Tor zu besichtigen war. Wie ärgerlich, wie schade.»

Dann holzt Haaf weiter: «Ähnlich wie die organisierten, besonders rabiaten Corona-Massnahmen-Gegner zeigen auch die auf Zuspruch stossenden Friedensinitiativen – die ja zum Teil von denselben Personen ausgehen – eine gewisse intellektuelle Trägheit

Dann wünscht sich Haaf scheinheilig einen «wertschätzenden, offenen Austausch darüber, was Friedenspolitik kann und soll». Um intellektuell sehr träge weiterzuholzen: «der Autor Sascha Lobo hat eigens für Schwarzer und Co. den Ausdruck «Lumpenpazifismus» erfunden; «Friedensschwurbler» ist noch so ein Ausdruck».

Wenn für Haaf Wagenknecht, Schwarzer, Habermas, fast 700’000 Unterzeichner eines Manifests, darunter grosse Teile der deutschen Intelligenzia, alle auf dem Holzweg sind, was wäre dann richtig? Es brauche einen Pazifismus, der «mehr kann als stereotyp «Frieden» zu fordern», was «eine von sich selbst beseelten Selbstberuhigungsclique» angeblich tue. Denn wahrhafter Pazifismus «reicht nicht dem Aggressor die Hand, sondern denen, die ihm widerstehen».

Jeder darf meinen, auch Haaf. Jeder darf rumeiern, auch Haaf. Jeder darf sich selbst widersprechen, wertschätzenden Austausch fordern – und dann abschätzig niedermachen. Aber vielleicht könnte Haaf, statt dafür den Begriff Pazifismus zu vergewaltigen, sich an seine Definition erinnern. Denn bei George Orwell mag das mit dem Kriegsministerium, das Friedensministerium heisst, als literarische Metapher für Demagogie noch angehen. Aber in der realen Welt bedeutet Pazifismus «eine weltanschauliche Strömung, die jeglichen Krieg als Mittel der Auseinandersetzung ablehnt und den Verzicht auf Rüstung und militärische Ausbildung fordert».

Vielleicht sollten sich das starke Meinungsträger mit schwachen Kenntnissen hinter die Ohren schreiben. Das Stück ist natürlich zuerst in der SZ erschienen. Dort wurde es so eingeschenkt:

Tamedia hat keine eigene Meinung, aber dafür schenkt er den gleichen Text mit einem abgeänderten Titel ein: «Analyse zur Friedensdemo in Berlin: Wir brauchen eine echte Friedens­bewegung – und keine EgoShow von Frau Schwarzer». Dazu stellte er ein Foto von Alice Schwarzer (oben über dem Titel), das an bösartiger Demagogie nicht zu überbieten ist. Ein echtes Drecksstück von Journalismus.

«Paradigmen-Tsunami»

Was ist schlimmer als Dummschwätzen? Klugscheissen.

«Doch was geschieht, wenn die strikte Zwei­geschlechtlichkeit auf dem Müllhaufen der Geschichte landet, wenn die Zerstörung der Umwelt nicht mehr geleugnet werden kann oder nationale Grenzen an Bedeutung verlieren? Was sollen wir mit einer Psychoanalyse anfangen, die theoretisch noch immer auf der Zwei­geschlechtlichkeit beruht? Wohin mit dem Pazifismus und dem Anti­militarismus angesichts der Katastrophe in der Ukraine? Wie soll eine soziale Markt­wirtschaft ohne die Umwelt zerstörendes Wachstum funktionieren

Die «Republik» versteht sich bekanntlich als das Blatt der tiefen Denke, wo in jeder Beziehung die ganz dicken Bretter gebohrt werden. Meistens ohne viel Zuschauer wie bei der unendlichen Google-Serie. Aber das hat noch nie einen «Republik»-Schreiber davon abgehalten, wenig für viel Geld zu tun.

Daniel Strassberg ist Psychoanalytiker und hat noch ein Philosophiestudium drangehängt. Das qualifiziert ihn dazu, sich über «Nietzsche und Superman. Rousseau und die SVP» zu verbreitern. Diesmal denkt er darüber nach, dass wir uns angeblich in einem «Paradigmen-Tsunami» befänden.

Hier missversteht er nicht nur Thomas S. Kuhn, sondern auch noch gleich Michel Foucault, über den er seine Liz-Arbeit geschrieben hat: «In den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts stellten Kuhn und Michel Foucault beinahe gleichzeitig fest, dass Theorien und Begriffe nur in einem entsprechenden konzeptuellen Rahmen Sinn ergeben – oder um in unserem Bild zu bleiben: Sätze sind nur vor dem richtigen Hinter­grund sinnvoll.»

Also eigentlich hatte sich Kuhn in seinem bahnbrechenden Werk «Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen» mit dem Phänomen beschäftigt, dass es immer ein Weilchen dauert, bis neue Erkenntnisse zum Allgemeingut werden. Selbst nachdem man durchschaut hatte, dass Sauerstoff für Feuer zuständig ist, geisterte die Phlogiston-Theorie lange Zeit weiter herum. Oder die Farbenlehre Goethes, der sich allen Erkenntnissen von Newton verweigerte. Das waren bahnbrechende Gedanken, die nun nicht direkt etwas mit Paradigmenwechseln zu tun haben, wie sie Strassberg versteht. Foucaults Diskursanalyse, die Strassberg hier aus Gründen des Reputationsmanagements (ich kenne dann gleich zwei grosse Denker, gell) dazuquetscht, hat mit Kuhns Paradigmenwechseln nicht wirklich zu tun.

Sobald Strassberg aber das Klimpern mit Namen und Fremdwörtern verlässt, wird’s eher banal: «Natürlich verlängern die Panzer den Krieg. Doch Wagenknecht blendet aus, dass ohne sie die Ukraine längst von der russischen Armee überrollt worden wäre …»

Peinlich wird’s dann, wenn sich Strassberg von banalen Beispielen wieder in die lichten Höhen der Theorie aufschwingen will: «Vieles, woran wir glaubten, gilt nicht mehr, und doch sind wir, von einigen Ausnahmen abgesehen, noch weit davon entfernt, neue Begrifflichkeiten, neue Theorien und neue Glaubens­sätze entwickeln zu können

Blöd nur, dass sich eigentlich in den letzten Jahrzehnten seit Kuhn und Foucault die Erkenntnis- und Diskurstheorie fröhlich weiterentwickelt hat und es keinerlei Anlass gibt, neue Begrifflichkeiten zu entwickeln. Besonders peinlich ist, dass einer der wichtigsten Theoretiker auf diesem Gebiet auch zu diesen verpeilten Pazifisten gehört, die eine Verhandlungslösung und nicht noch mehr Panzer fordern.

Aber vielleicht hat Strassberg das Werk von Jürgen Habermas nicht mehr zur Kenntnis genommen und ist bei Kuhn und Foucault stehengeblieben. Wohl deshalb haut er auch Habermas diesen hier rein: «Aber das Fest­halten an alten pazifistischen Überzeugungen, nur um sich treu zu bleiben, ist kein Argument, das ist höchstens bier­selige Nostalgie.»

Noch schlimmer: «Tatsächlich bilden alte, ausgediente Paradigmen den Kern der meisten alternativ-esoterischen Theorien.» Wir fassen zusammen: Leute wie Wagenknecht, wohl auch Schwarzer, dazu die fast 700’000 Unterzeichner des Manifests, darunter viele bedeutende Intellektuelle, aber auch Habermas hängen inzwischen bierselig alternativ-esoterischen Theorien an.

Wer für so einen ernüchternden Stuss freiwillig bezahlt, sollte sich mindestens psychologisch beraten lassen …

 

Irrlichternde Journis

Der SoBli durchstösst die letzten Schranken nach unten.

Wenn Gieri Cavelty das Wort zum Sonntag ergreift, muss Vernunft und Rationalität in Deckung gehen: «Mit seiner Weigerung, die Neutralitätspolitik neu auszurichten, hat der Bundesrat nicht einfach nur seinen Aussenminister desavouiert, sondern auch einen historischen Fehler begangen.»

Denn da umweht ihn der Mantel der Geschichte, Cavelty muss seine Landesregierung streng tadeln. Auf seinen Spuren wandelt auch sein Stellvertreter Reza Rafi. Unter dem Titel «Irrlichternde Ikonen» muss er mal kurz dem Philosophen Jürgen Habermas die Knöpfe reintun: «Deutsche Geistesgrössen wie Jürgen Habermas spielen mit teilweise bedenklichen Aussagen die Friedensengel – und damit Putin in die Hände.»

Das ist nun einfach strohdumm von Rafi, aber was er dann unter sich lässt, ist an Geschmacklosigkeit nicht mehr zu unterbieten: «Via «Süddeutsche Zeitung» griff der Intellektuelle, der wegen seiner Hasenscharte unverständlich nuschelt und vielleicht gerade deshalb sein Leben der Kommunikationsforschung gewidmet hat …»

Kennt dieses Drecksblatt wirklich keinen Anstand mehr? Dem 93-jährigen Philosophen ernsthaft seine Hasenscharte vorwerfen; ob Rafi noch so viel Ehre im Leib hat, sich für diese grobe Geschmacklosigkeit in aller Form zu entschuldigen?

Aber er macht sich nicht nur über körperliche Gebrechen lustig, er zweifelt auch am Geisteszustand des Geistesriesen: «So halluziniert Habermas vom «bellizistischen Tenor einer geballten veröffentlichten Meinung», der es entgegenzutreten gelte.» Halluziniert? Dabei meint Habermas doch genau solche Kläffer wie Rafi.

Rafi halluziniert nicht, er verliert seinerseits in seiner Masslosigkeit jeglichen Kontakt zu Mass und Mitte: «Dass sich Habermas zu dieser Art des «Victim Blaming» hinreissen lässt, ist auch deshalb tragisch, weil er als Absender ein ungleich grösseres Schwergewicht ist als Talkshow-Figuren wie die «Emma»-Gründerin Schwarzer, die Linke-Politikerin Wagenknecht oder der Vulgärphilosoph Precht («Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?»)

Schwarzer eine «Talkshow-Figur», Precht ein «Vulgärphilosoph»? Dann hält Rafi in seinem Lauf weder Ochs noch Esel auf: «Dass sich auch die begnadete Schriftstellerin Juli Zeh (48, «Über Menschen») in die Reihe der unheimlichen Friedensengel gesellt, überrascht indes mehr als das Engagement der Linke-Ikone Gregor Gysi (75). Während beim Ostdeutschen mit seiner DDR-Vergangenheit wohl eine alte Moskau-Orientierung hervortritt …»

Beim «Ostdeutschen» trete eine «Moskau-Orientierung» hervor? Wehe, wer nicht mit Rafi einer Meinung ist. Da nützt einem weder der Titel «begnadete Schriftstellerin» noch «lebendes Denkmal» über Habermas etwas. Da wird verbellt, gebelfert und Unappetitliches abgesondert.

Es ist wirklich unfassbar, was inzwischen im Hause Ringier veröffentlicht werden darf, ohne dass eine ordnende Hand eingreift. Wo bleiben hier Frank A. Meyer, Marc Walder oder Michael Ringier? Wollen die wirklich zusehen, wie ihr Organ mit solchen Sätzen besudelt wird: 

«Das Lebenswerk von Habermas ist zu gross, um zerstört zu werden. Aber ein Taubenschiss auf dem Denkmal bleibt.»

Das Lebenswerk von Rafi ist zu klein, als dass ein solcher dampfender Haufen Sprachdurchfall noch etwas daran verkleinern könnte. Aber ein übler Geruch bleibt.

PS: In der Online-Version hatte jemand einen Anfall von Anstand und löschte die «Hasenscharte» aus dem Gebellter von Rafi …

 

Kleinintellektueller am Werk

Stephan Israel vergreift sich an Grösserem.

Wenn ein Sesselfurzer aus dem Hause Tamedia sich mit den grossen Dingen beschäftigt, so Liga Krieg und Frieden, dann kann nur Kleingehacktes herauskommen.

Einer der letzten überlebenden Korrespondenten des einstmals dem Journalismus verpflichteten Konzerns hebt an: «Wer ist schon gegen Frieden, wer hätte nicht lieber Verhandlungen als noch mehr Krieg

Genau, selbst die grössten Kriegsgurgeln behaupten, mit ihrer Kriegsrhetorik wollten sie nichts anderes als ein bisschen Frieden. Aber natürlich kommt es darauf an, ob man den gestrengen Israel-Test besteht, also richtig für den Frieden ist.

Da fällt schon mal der «deutsche Grossintellektuelle Jürgen Habermas» durch. Er ist allerdings in guter, schlechter Gesellschaft: «Die Alt-Feministin Alice Schwarzer und die Linkenpolitikerin Sahra Wagenknecht sammeln innert kurzer Zeit eine halbe Million Unterschriften unter ihr «Manifest für den Frieden»

Grossintellektueller, Alt-Feministin, Linkenpolitikerin. Ist dann Bärfuss ein Kleinintellektueller für Israel, Schutzbach eine Jung-Feministin und Silberschmidt ein Rechtenpolitiker?

Wie auch immer, was bewirken denn diese Friedenstauben? «Im Kreml kann sich der mutmassliche Kriegsverbrecherpräsident freuen.» Immerhin quetscht Israel, wohl aus Furcht vor dem langen Arm des FSB, noch ein «mutmasslich» vor den Kriegsverbrecher. Das sind allerdings auch so Lichtgestalten wie Barak Obama (Friedensnobelpreis mit «Kill List») oder Henry Kissinger (Friedensnobelpreisträger mit blutigen Händen).

Was bewirken denn diese Diversanten, wie Israel sie nennen würde, wenn er dieses Wort kennte? «Die Kakofonie in den Talkshows und Feuilletons lenkt davon ab, dass die russischen Streitkräfte gerade eine massive neue Grossoffensive vorbereiten.»

Man stelle sich nur vor, da zupfen Putin-Erfreuer die Friedensschalmei, während der Iwan eine Offensive plant. Statt wie Israel mutig in den Schützengraben zu springen und «Helm auf!» zu rufen. Stattdessen ist er aber leicht verwirrt: «Was die Intellektuellen und Nationalpazifisten genau verhandeln wollen, bleibt ohnehin nebulös.»

Nationalpazifisten? Das ist wenigsten originell, hört sich auch zum Verwechseln ähnlich wie Nationalsozialisten an. Allerdings könnte dem im Nebel stehenden Schwätzer ein Blick ins Manifest für den Frieden helfen. Dort herrscht kein Nebel. Hier wird der höchste Militär der USA zitiert, dass in der Ukraine eine militärische Pattsituation existiere, die nur durch Verhandlungen gelöst werden könne. Dem hätte der Sandkastengeneral Israel wegen Defätismus längst die Schulterklappen abgerissen.

Dann wird überhaupt nicht nebulös geendet:

«Wir fordern den Bundeskanzler auf, die Eskalation der Waffenlieferungen zu stoppen. Jetzt! Er sollte sich auf deutscher wie europäischer Ebene an die Spitze einer starken Allianz für einen Waffenstillstand und für Friedensverhandlungen setzen. Jetzt! Denn jeder verlorene Tag kostet bis zu 1.000 weitere Menschenleben – und bringt uns einem 3. Weltkrieg näher.»

Aber so weit hat Israel wohl nicht gelesen, weil er schon rot sah. Der «Grossintellektuelle» kriegt dann im Vorbeilaufen auch noch sein Fett ab: «Jürgen Habermas setzt auf einen für beide Seiten «gesichtswahrenden Kompromiss»».  Was für ein Dummkopf, nicht nur Israel weiss doch, dass bei einem Kompromiss immer eine Seite das Gesicht verlieren muss, logo.

Israel ist dafür aber Meister der Geschichtsklitterung, wenn er schreibt, «im Donbass hätte man zudem beobachten können, was ein Frieden für die Bevölkerung unter russischer Besatzung bedeutet, nämlich Deportation, Folter und Vergewaltigungen». Was dort die russischsprachige Bevölkerung zuvor von ukrainischer Seite erleiden musste, Schwamm drüber.

Aber im wilden Geturne und Gekurve mit partieller Wahrnehmung historischer Ereignisse trägt es Israel dann völlig aus der Bahn: «Die Sowjetunion wird da schnell mal mit Russland gleichgesetzt. Dabei geht vergessen, dass unter den Sowjetrepubliken die Ukraine Schauplatz der schlimmsten Kriegsverbrechen von Wehrmacht und Waffen-SS war.»

Dabei geht Israel vergessen, dass im Westen der Ukraine heute noch der Nazi-Kollaborateur und Kriegsverbrecher Bandera mit Denkmälern gefeiert wird, denn wie kaum woanders haben Teile der Bevölkerung die Nazis bei ihren Kriegsverbrechen so sehr unterstützt wie in der Ukraine. Die dann von der Roten Armee in verlustreichen Kämpfen von den Faschisten befreit werden musste, was vielen Ukrainern heute noch unangenehm ist.

Nach diesem wilden Ritt durch Kannitverstan lobhudelt Israel sich selbst: «Es gäbe also für Intellektuelle auch gute Gründe, entschlossen an der Seite der Ukraine zu stehen und zögerliche Regierungen an ihre Beistandspflicht zu erinnern.» Das kann man im Rahmen der Meinungsfreiheit durchaus sagen. Denn man soll niemandem im Weg stehen, wenn er sich öffentlich zum Deppen machen will.

Israel tut das zum Schluss mit Anlauf und Energie: «Wie würden wir heute rückblickend einen Appell renommierter und bekannter Persönlichkeiten im Sommer 1940 an den britischen Premier Winston Churchill bewerten, doch bitte in Verhandlungen mit Adolf Hitler einzutreten

Am 3. September 1939 hatten Frankreich und England dem deutschen Nazi-Reich den Krieg erklärt. Nach dem Überfall Hitler-Deutschlands auf Polen. Weder zu diesem Zeitpunkt noch danach wären «Persönlichkeiten» auf die Idee gekommen, Churchill um Verhandlungen mit Hitler zu bitten. Welch absurder Vergleich.

Welch hilfreicher Vergleich. Denn er zeigt überdeutlich den Niveau-Unterschied zwischen einem Habermas, einer Schwarzer, einer Wagenknecht und der halben Million Unterzeichner des Manifests – und Israel.

Wie schreibt er so schön vor diesem Bauchklatscher am Schluss: «Etwas Polemik sei deshalb hier auch erlaubt.» Ganz richtig: was für ein arroganter, ungebildeter, historisch unbewanderter Kriegskläffer, der gerne zusieht, wie noch Hunderttausende von Ukrainern sterben werden. Wenn es nach ihm ginge. Glücklicherweise tut es das aber nicht.

Die überwältigende Mehrzahl hat nicht deswegen Recht, weil es so viele sind. Aber vielleicht könnte Israel etwas zu denken geben, dass die «Nationalpazifisten» etwas mehr Zuspruch erhalten als ein «Gegenmanifest», das bei krümeligen 100+ Unterschriften steht:

Der Deutsche ist unbelehrbar

Über 100’000 Unterzeichner hat ein offener Brief gefunden. Und ein paar Kritiker.

Deutsche Intellektuelle fordern vom Bundeskanzler Olaf Scholz, dass er seine bedächtige Politik beibehält und alles tut, um einen Dritten Weltkrieg zu vermeiden. Dazu gehört auch, an die Ukraine keine schweren Waffen zu liefern und Präsident Putin keinen Vorwand zu liefern, Deutschland oder die NATO als direkt involvierten Kriegsgegner anzuschauen.

Man kann über diese Position, die immerhin unter anderen von Alice Schwarzer, Alexander Kluge und diversen weiteren Schwergewichten des deutschen Geistes unterstützt wird, geteilter Meinung sein. Oder ihr zustimmen wie der ZACKBUM-Autor René Zeyer.

Was beelendet, ist das Niveau der Kritik daran. Der «Satiriker» Jan Böhmermann wurde schon mit einem Schmähgedicht über den türkischen Autokraten Erdogan verhaltensauffällig. In seine Reaktion auf den offenen Brief erreicht er einen neuen Tiefpunkt:

Man kann ihn beruhigen: das ist nur der Fall, wenn er selbst von einer Rakete getroffen würde.

Dass der ukrainische Botschafter in Deutschland tobt, ist zwar verständlich, aber alles andere als diplomatisch:

«Keiner mit Verstand soll Ihre schäbige Emma kaufen.» Damit zeigt Melnyk, was er von westlicher Meinungsfreiheit hält. Nichts. Er möchte gerne ukrainische Zustände in Deutschland, aber das wird nicht passieren. Herrschten gegenüber der Ukraine normale Zustände, würde der Botschafter zumindest einbestellt und mit einer scharfen Protestnote bedacht.

Auch der Grünen-Politiker Peter Heilrath hat einen Vergleich auf Lager, der an Geschmacklosigkeit nicht zu überbieten ist:

Natürlich liegt in Deutschland die Faschismus-Keule immer gut in der Hand, aber dafür hätte der Autor dieses Tweets selbst eins über die Rübe verdient, für diese unanständige Schamlosigkeit.

Die früher pazifistische Partei «Die Grünen», die sich für die Abschaffung der NATO einsetzte, hat sich, opportunistisch wie immer, in eine Partei von Kriegsgurgeln verwandelt, die gar nicht schnell genug schweres militärisches Gerät in die Ukraine schaffen können. Haltung, das ist denen völlig unbekannt.

Andere keifen «Wahnsinn», «Sofa-Pazifismus» und gebärden sich überhaupt so, als gälte es, mal wieder für Kaiser, Führer und Vaterland in den Krieg zu ziehen. Aber bitte nicht persönlich, so weit geht das Engagement dann doch nicht.

Auch der wohl bedeutendste lebende Philosoph deutscher Sprache artikuliert mahnende Worte: Ihn irritiere  «die Selbstgewissheit, mit der in Deutschland die moralisch entrüsteten Ankläger gegen eine reflektiert und zurückhaltend verfahrende Bundesregierung auftreten».

Altersmilde versetzt Jürgen Habermas all diesen Kriegstrommlern einen sanften Hieb auf die Nase: «Wie tief muss der Boden der kulturellen Selbstverständlichkeiten, auf dem unsere Kinder und Enkel heute leben, umgepflügt worden sein, wenn sogar die konservative Presse nach den Staatsanwälten eines Internationalen Strafgerichtshofes ruft, der weder von Russland und China noch von den USA anerkannt wird.»

Zu Waffenlieferanten gewendete Pazifisten, sorglose Maulhelden, verantwortungslose Kriegstreiber, Denunzianten von jeder besonnenen Wortmeldung: welche Kleingeistigkeit zeigt sich hier. Letztlich auch wieder der gleiche Hass auf diese «Intellektuellen», der in Deutschland immer gerne geschürt wird, wenn man des Volkes Stimme ungestört beherrschen und manipulieren will.

Es ist allerdings richtig: von Böhmermann abwärts und aufwärts kann keiner der Kritiker an diesem offenen Brief behaupten, jemals zu recht als Intellektueller oder als analytischer Denker bezeichnet worden zu sein.

Dumm, dumpf, bösartig und unverantwortlich. Das ist alles bedauerlich, aber erlaubt. Auch noch stolz darauf sein und es öffentlich kund tun: das ist ein starkes Stück.

 

 

Reise in die Verlorengegangenheit

Aus der Reihe nachdenklicher Sonntag: Es gab mal eine Debattenkultur.

Selten ist eine Auseinandersetzung um eine Abstimmungsfrage dermassen gehässig,  nicht kooperativ und geradezu verbiestert geführt worden wie bei dem Referendum gegen das verschärfte Covid-Gesetz.

Die inhaltliche Argumentation ist vorbei; niemand wird heute noch von seiner Meinung, ob ja oder nein, abweichen. Daher ist es höchste Zeit, sich Sorgen um unsere Debattenkultur zu machen.

Von Platon bis heute zerbrechen sich Philosophen den Kopf darüber, welche Erkenntnismöglichkeiten wir haben. Vom Höhlengleichnis bis zu Systemtheorien gibt es unzählige Versuche, unser Verhältnis zur uns umgebenden Realität zu verstehen. Ist das alles nur in unserem Kopf? Gibt es eine Wirklichkeit, die unabhängig vom Betrachter existiert? Wichtiger noch: wie verhalten sich zwei erkennende Subjekte zueinander?

Am allerwichtigsten: mit welchen Methoden können wir Fortschritt befördern, was dient einem besseren Verständnis, damit einem adäquateren Verhalten, damit einem zunehmenden Wohlergehen für möglichst viele?

Diskursfähigkeit ist das Zauberwort

Nein, alle letzten Fragen der Menschheit werden hier nicht beantwortet. Daran zu scheitern, überlassen wir glaubensstärkeren Mitmenschen. Das stimmt nicht; wir warnen ausdrücklich vor überzeugten Besitzern von Wahrheiten. Nichts gegen klare Ansichten. Ermangeln deren Besitzer aber der wichtigsten Eigenschaft eines Menschen, geht’s direkt in die Hölle des Fanatismus, der Umerziehung, des Zwangs zum Besseren, der Vernichtung des Falschen, Bösen, Schlechten.

Auf schmalen Pfaden zur Erleuchtung durch Erkenntnis.

Die wichtigste Eigenschaft ist Diskursfähigkeit. In den Salons des 17. Jahrhunderts entstand das, was wir heute Aufklärung nennen, das goldene Zeitalter des Ausgangs aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit.

Mit welcher Methode wurde damals eigentlich die Erkenntnis befördert? Ganz einfach, mit der Methode des respektvollen Disputs. Alles ist dabei erlaubt. Falsches, Schockierendes, den Sitten und Normen nicht Entsprechendes. Die Ansichten eines de Sade genauso wie die Überlegungen eines Montesquieu oder Rousseau. Eines Marat, Robespierre, Danton, de la Mettrie oder eines Guillotin. Vorausgesetzt, man hielt sich an selbstverständliche Regeln von Anstand und Höflichkeit.

Dazu gehörten auch nur wenige Dinge.

Man lässt sich gegenseitig ausreden. Man zeigt zunächst, dass man die Argumentation des anderen verstanden hat, bevor man allenfalls zu einer Erwiderung und Kritik ansetzt.

Kommunikatives Handeln statt strategisches

Einen modernen Meilenstein in dieser Debatte setzte die «Theorie des kommunikativen Handelns» von Jürgen Habermas. Ein zweibändiger Wälzer, in der üblichen, nicht gerade leichtverständlichen Sprache eines Philosophen und Soziologen abgefasst.

Dabei ist seine Grunderkenntnis so einfach wie überzeugend. Gesellschaftlicher Fortschritt ist garantiert, wenn ein herrschaftsfreier Diskurs möglich ist. Der kann dann stattfinden, wenn ein paar wenige Bedingungen erfüllt sind:

  • Die Kommunikationspartner sind gleichberechtigt
  • Sie haben die gleichen Möglichkeiten sich zu äussern
  • Die Kommunikation ist symmetrisch
  • Die Entscheidungsfindung erfolgt durch den «Zwang des besseren Argumentes»

So wird der Pfad der Erkenntnis zur Strasse.

Man sieht sofort: das ist die Beschreibung eines Idealzustands, der natürlich in der gesellschaftlichen Wirklichkeit nicht existiert. Statt sich aber in komplexen Debatten über die Hindernisse, die Machtverhältnisse, die Rolle der Massenmedien, die Herrschaftsstrukturen oder gar in Genderwahnsinn zu verlaufen, kann man diesen Idealzustand einfach als Massstab verwenden.

Herrschaftsfreier Diskurs als Messfühler

Als Messfühler, wie fortschrittsfähig eine Gesellschaft ist. Wobei Fortschritt ganz allgemein als zunehmendes Wohlergehen möglichst vieler Teilhaber der Gesellschaft definiert sei.

Die Schweiz gehört zu den wenigen Ländern auf der Welt, wo Diskurse relativ frei stattfinden können.

Auch hier ist die Meinungsfreiheit weder grenzenlos, noch kostenlos. Aber eigentlich wären die Voraussetzungen für Diskurse zwecks Erkenntnisgewinn vorhanden.

Die jeweils in einem wahren Crescendo endenden Debatten über die richtigen Methoden zur Bekämpfung der Pandemie belegen aber leider, dass die Entfaltung der Diskursfähigkeit einer Gesellschaft nicht unumkehrbar ist.

Damit ist nicht das Vorhandensein von Polemik, Vereinfachung, Propaganda oder gar Demagogie gemeint. Zur Durchsetzung der als richtig angesehenen Meinung ist einiges erlaubt. Schon in den ersten Debattierklubs in Griechenland oder im französischen Parlament nach der Revolution fanden wahre Redeschlachten statt, wo nicht immer und unbedingt der Zwang des besseren Arguments den Sieg davontrug.

Aber dort ging es auch nur um die Entscheidungsfindung unter ausgewählten Privilegierten. In einer direkten Demokratie wie die der Schweiz geht es um die Meinungsbildung der Staats- und Stimmbürger.

Was ist verlorengegangen in der Debattenkultur der Schweiz?

Dabei ist zu konstatieren, dass das sogar bei hochemotionalen Themen wie der Initiative für die Abschaffung der Schweizer Armee entschieden besser gelang als bei der aktuellen Debatte über das verschärfte Corona-Gesetz. Die Abstimmung fand am 26. November 1989 statt, vor fast genau 32 Jahren. Also eine gesellschaftliche Generation zurück.

Wenn das schöne Bild von Friedrich Schiller stimmen würde, stünde ja die nächste Generation immer auf den Schultern der vorangehenden, sich erhebend zu mehr Aufklärung, Fortschritt, Erkenntnis.

Das ist hier offensichtlich nicht der Fall. Zur Beschreibung ist ein ganzer Begriffszoo entwickelt worden. Gesinnungsblase, Filterblase, Fake News, alternative Wahrheiten, Verschwörungstheoretiker, Hetzer, Rechtspopulisten. Das Vokabular für die andere Seite des politischen Spektrums existiert schon länger. Linke Spinner, revolutionäre Umstürzler, Systemveränderer, Enteigner, Befürworter der Abschaffung des Privateigentums.

Einzig weggefallen ist seit 1989 alles, was man vielleicht mit «Moskau einfach» fassen kann. Also die Schablone, dass jeder Kritiker an bestehenden Verhältnissen ein mehr oder minder verkappter Anhänger des sozialistischen Lagers sei.

Wie ist aber zu erklären, dass wohl Konsens herrschen muss, dass die Debattenkultur, die Diskursfähigkeit ganz allgemein sehr massiv nachgelassen hat? Abstimmungsdebatten waren noch nie ein Streichelzoo. Aber es ist unbestreitbar, dass das Bedürfnis nach Erkenntnisgewinn durch Diskurs zu Spurenelementen geschrumpft ist. Die Akzeptanz, dass einer eine andere – dadurch natürlich falsche Meinung  – als man selbst haben darf, beherrscht nicht mehr die Debatte.

So wird’s wieder grau und trist und schmal.

Der Zwang des besseren Arguments, also die Verwendung von Zweckrationalität, Logik, Analyse, qualifizierter Durchdringung eines Themas, das alles hat an Bedeutung verloren. Schlafschafe gegen Schwurbler, an solchen polemische Zuspitzungen ist nichts auszusetzen. Wenn sie unterfüttert würden mit Argumentationsketten, an denen man sich intellektuell abarbeiten könnte. Im Streben danach, dass man schlauer und einsichtiger werden will.

Angstvoller Rückfall in ängstliche Zeiten

Es handelt sich um einen Einbruch tiefer Irrationalität in Diskurse, die deswegen kaum mehr geführt werden können. Irrationalität entsteht durch Emotionalität, in erster Linie durch Angst.

Offensichtlich hat diese anhaltende Pandemie, die genauso vorübergehen wird wie alle vorher, unsere moderne Gesellschaft auf dem falschen Fuss erwischt. Obwohl wir Ursachen und Möglichkeiten zur Bekämpfung unvergleichlich viel besser kennen, verhalten sich grosse Teile der Gesellschaft wie im finsteren Mittelalter mit seinen Seuchenzügen.

Es wird nach Schuld und Sühne gesucht, nach Schuldigen und Sündern.

Der Andersdenkende ist nicht länger Bereicherung, sondern Bedrohung. Er muss nicht mehr überzeugt, sondern überwunden werden.

Seine Meinung ist nicht nur falsch, sondern gefährlich. Es ist zudem nicht einfach eine Meinung, sondern eine Haltung, eine Gesinnung.

Während man falsche Meinungen vielleicht noch argumentativ überwinden kann, müssen falsche Haltungen und Gesinnungen bekämpft, ausgemerzt werden. Sie stören nicht nur, sie sind eine tödliche Bedrohung. Deshalb ist jedes Gegenmittel erlaubt. Im Ernstfall die physische Vernichtung des Meinungsträgers.

Der Fortschritt ist leider nicht unumkehrbar.

Jean Gabin in «La bête humaine» nach Zola.

Ein Rückfall in Barbarei ist jederzeit möglich. Der Firnis des respektvollen Diskurses als einzig anerkannte Methode zur Entscheidungsfindung ist sehr, sehr dünn. Er ist abgekratzt. Darunter zum Vorschein kommt das lauernde, irrationale Tier im Menschen. Das nur gebändigt, nicht ausgelöscht wurde.

Habermas im SoBli

Manchmal fehlen auch ZACKBUM die Worte.

Man muss es sehen, um es zu glauben:

Kennt Corine Mauch Habermas?

Reza Rafi, der Mann fürs Grobe beim SoBli, zitiert wirklich einen Buchtitel von Jürgen Habermas?

Darf man demnächst eine Einführungskurs in den herrschaftsfreien Diskurs und eine Zusammenfassung der beiden Bände der «Theorie des kommunikativen Handelns» des deutschen Soziologen und Philosophen erleben?

Man wäre einen Moment lang versucht, dem SoBli und Rafi eine vorher ungeahnte intellektuelle Fallhöhe zuzugestehen.

Aber der SoBli will seine Leser nicht unangenehm überraschen, daher begibt sich Rafi wieder auf seine gewohnte Flughöhe: «Jakob Tanner, Historiker und Ex-Mitglied der Bergier-Kommission, betont, dass zwingend auch die Geschichte der Provenienzforschung untersucht werden müsse. «Viele der impressionistischen Gemälde, die in der Bührle-Sammlung hängen, hatten jüdische Vorbesitzer. Das wurde bisher viel zu wenig beachtet.»»

Echt jetzt? Nichts wurde bisher mehr beachtet, untersucht und für unbedenklich befunden. Daher ist jeder Journalist, der Tanner einen solche Unfug unwidersprochen sagen lässt, jenseits von Faktizität und Geltung.