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Zufälle gibt’s

Wir wollen nichts unterstellen, aber …

Es war Sonntag. Es war der Sonntag vor dem 1. August. Hartes Pflaster für Sonntagszeitungen. Mehr als ein Ausblick auf den Nationalfeiertag liegt nicht drin, die allgemeine Nachrichtenlage ist eher flau. Die Magazine machen Sommerpause, der Kaufpreis bleibt natürlich gleich. Denn wir sind hier nicht in der Marktwirtschaft, sondern in den Medien.

Apropos Marktwirtschaft, da gibt es ja noch die Credit Suisse. Die machte gerade mal wieder Schlagzeilen. Milliardenverlust. Aktienkurs nicht nur im Keller, sondern der Börsenwert beträgt ein knappes Drittel des Buchwerts. Rückstellungen für Rechtshändel, auf den Bahamas musste die Bank gerade mal wieder über 600 Millionen abladen. Ach ja, und auf der Kommandobrücke wurde mal wieder eine Grinsbacke durch die nächste ausgewechselt. Corporate Communication holte wieder die Textbausteine aus dem Archiv, staubte kurz ab und bastelte eine Medienmitteilung, die mit der Realität ungefähr so viel zu tun hatte wie Triumphgeheul von Kim dem Dickeren.

Man fragt sich allenthalben, ob die Bank ohne Steuerzahlerhilfe überleben wird. Ob sie aufgekauft oder zerschlagen wird. Ob sie zur unglaublich schrumpfenden Bank mit Massenentlassungen wird. Ob zweitklassigen Managern mit erstklassigen Honoraren ein Befreiungsschlag gelingt. Weder der VR-Präsident, noch der neue CEO sind jemals in ihrer Karriere durch eine originelle Idee aufgefallen.

Die Lage ist also ernst.

Aber nicht hoffnungslos. Das vermelden in seltener brüderlicher Übereinstimmung die «SonntagsZeitung» und die NZZaS.

Zuerst das Blatt von der Werdstrasse:

Hier arbeitet sich der aus der Chefredaktion entfernte Armin Müller mit seltenem Optimismus an der CS ab. Dem Artikel ist eine gewisse Dialektik nicht abzusprechen. Denn Müller stapelt alle Missetaten der CS aufeinander, ergänzt sie noch mit weiteren saftigen Beispielen aus aller Welt – und kommt dennoch zum Schluss, dass die CS eben nicht untergehen könne, in letzter Instanz gebe es ja noch den Steuerzahler und das Stichwort «too big to fail».

Ins gleiche Horn stösst das Blatt von der Falkenstrasse:

Hier stapelt der vom «Blick» eingewechselte Guido Schätti als frischgebackener Wirtschaft-Chef Gründe aufeinander, warum die CS nicht untergehen könne. Pardon, der Titel ist ja schon weg, warum sie überlebe. Während Müller zunächst alle Pleiten, Pech und Pannen der CS aufzählt, um dann doch zum überraschenden Ergebnis zu kommen, fasst sich Schätti hier kurz. Knappe Erwähnung der desaströsen News, dann kommt ein Lobgesang in fünf Strophen, eingeleitet mit einer Jubelarie auf die «Technokraten» Lehmann und Körner. Als ob der VRP einer schlingernden Bank, die neue Ziele, eine neue Strategie, einen Befreiuungschlag bräuchte, technokratisch «weiter so, nur besser» sagen sollte. Als ob der CEO einer schlingernden Bank, der offenbar null Charisma und null Motivationsfähigkeit hat, technokratisch Erbsen von links nach rechts und umgekehrt schieben sollte.

Aber das war nur die Einleitung, nun überbietet sich Schätti mit einer Lachnummer nach der anderen. Stärke im Heimatmarkt, angebliches Ende des Kasino-Banking, ein intaktes Kapitalpolster, eben «Technokraten an der Macht» und als stärkste Lachsalve: die CS sei «Inbegriff von Swissness». Ausser, dass sie Suisse im Namen führt, ist eigentlich nichts Wichtiges mehr schweizerisch an dieser Bank. Genau das ist ja eines ihrer Probleme.

Beim SoBli hingegen merkt man schon, dass Schätti nicht mehr da ist, dort wird eine ganz steile These aufgestellt:

Vorsichtshalber in Anführungszeichen gesetzt, was den Titel aber nicht weniger schwachsinnig macht. Aber gutes Personal zu finden, das ist halt nicht einfach heutzutage.

Putzig ist, dass die beiden seriöseren Sonntagsblätter gleichzeitig auf die gleiche Idee kommen. Gibt es eine unsichtbare Gedankenübertragung von der einen Redaktion zur anderen? Haben Müller und Schätti zusammen ein Bier getrunken, sich ausgetauscht, und dann dachte jeder: bevor’s der andere bringt, mach ich’s?

Oder aber, das ist natürlich ein ganz böser und sicherlich völlig falscher Gedanke, bei der CS ist man doch cleverer, als ihre Geschäftsergebnisse ausweisen. Und man lud mal zu «Hintergrundgesprächen», mit oder ohne Wein, Weib und Gesang. Dabei erklärte man zwei staunenden Redaktoren, dass die CS völlig zu Unrecht von der «Financial Times» und anderen ernst zu nehmenden Wirtschaftsblättern geprügelt werde. Die Lachnummer in der Selbstdarstellung der Medienmitteilung sei in Wirklichkeit eine realistische Beschreibung des Zustands der Bank. Und der sei eben super. Im Prinzip.

Das Zentralorgan der kompetenten Wirtschaftsberichterstattung machte sich darüber schon gebührend lustig. Hätten Müller und Schätti vielleicht lesen sollen. Dann wären sie nicht rein zufällig auf die gleiche, schlechte Idee gekommen. Kleiner Tipp: gleich zwei neue Kommunikationsmitarbeiter kann sich die CS gar nicht leisten

Werbung. Gratis. In der NZZaS

Über Seite 21 müsste stehen: «Branded Content». Ist’s nämlich.

Anwälte, dem Gesetz sei’s geklagt, dürfen keine Werbung für sich machen. Das ist blöd, weil man schliesslich klappern muss, um an neue Mandanten zu kommen. Besonders, wenn bestehende zwar nette Abflüsse aus dem Portemonnaie zu verzeichnen haben, aber nicht unbedingt grosse juristische Triumphzüge miterleben dürfen.

Da kommt es sehr gelegen, wenn unter dem Mogeltitel «Hintergrund Justiz» ein jeder Kritik abholder Schmeichelartikel über «eine der geschicktesten Medienanwältinnen des Landes» erscheint. Unter dem etwas mysteriösen Titel: «Mehr als Recht». Ob damit gemeint ist, dass eine Anwältin ein lukratives Geschäftsmodell entwickelt hat?

Alles, was recht ist: bezahlte Werbung könnte es nicht besser.

Riesenporträt im modischen Oberteil mit hingefönter Wallefrisur. Aber damit bewegen wir uns sicherlich schon an der Grenze zu Sexismus, Reduktion einer Frau auf das Äussere. Also zum Inhalt.

Duftmarken ungehemmter Lobhudelei

Der Artikel selbst versprüht allerdings den schalen Charme eines Duftbäumchens, beziehungsweise geradezu teenagerartige Schwärmerei der Autorin. Eine Geruchsprobe:

«Als Medienrechtsanwältin Rena Zulauf diese Woche in jenem des Kantonsgerichts Zug steht, wirkt es, als hätte jemand auf das Raumspray getippt und einen Duft versprüht, «Frühlingsfrische» könnte er heissen: der entschlossene Schritt, die perfekten Locken, ein Flair von «Boston Legal», der amerikanischen Anwaltsserie.»

Distanzloses verbales Einschnaufen durch Rafaela Roth, Schülerzeitungsniveau in der NZZaS, peinlich. «Boston Legal» war eine 2008 beendete, eher durchgeknallte Anwaltsserie mit dem «Star Treck»-Helden William Shatner in der Hauptrolle, der überzeugt war, vom Rinderwahnsinn infiziert zu sein. Am Schluss der Serie geht die Kanzlei übrigens pleite …

Ähnlich geht’s auch bei Roth weiter: «Beim Besuch in ihrer Kanzlei lässt Rena ­Zulauf erst einmal Licht ins Sitzungszimmer, reisst die Fenster auf, verschiebt Zimmerpflanzen. Sie hat diese seltene Eigenschaft, Räume sehr stark auszufüllen.»

Die Dame muss eine unglaubliche Wirkung versprühen: «Hier kommen Leute hin, die sich medial ungerecht behandelt fühlen, Unternehmer, Journalistinnen, Banker, Verwaltungsrätinnen, Politiker. … Gestandene CEO brechen in Zulaufs Büros in Tränen aus, keine zwei Blöcke vom Medienhaus Ringier entfernt, von jenem der NZZ-Gruppe auch.» Ob das dann geschieht, wenn sie die Honorarrechnung betrachten?

Wir hingegen wischen uns die Lachtränen aus den Augen, sind als Fremdschämer von so viel Lobhudelei gerührt und geschüttelt, wenden uns mal dem Leistungsausweis und öffentlichen Auftritten von Zulauf zu.

Der Leistungsausweis ist weniger raumfüllend …

Zunächst einmal hat sie keine Berührungsängste. Sie ist sich nicht zu schade, an der Seite von Hansi Voigt in Sachen Jolanda Spiess-Hegglin zu kämpfen. Wie schrieb René Hildbrand über einen peinlichen Doppelauftritt der beiden im «Medienclub» des Schweizer Farbfernsehens: «Voigt sass direkt neben Zulauf und nickte deren Aussagen ab, als wäre er der Assistent der Anwältin.»

Die fiel durch genauso bissige wie inhaltsleere Einwürfe auf. Aber es war geschickte Eigen-PR, wann darf schon mal ein Anwalt anstelle seines Mandaten Gratis-Werbung für sich selbst am TV machen. Was Zulauf dabei verwedeln will: im Dienste von JSH hat sie bittere Niederlagen eingefahren. Nachdem der «Blick» wegen Persönlichkeitsverletzung verurteilt wurde, zog sie das Urteil ans Zuger Obergericht weiter.

Statt zu triumphieren, verlor sie auf ganzer Linie. Alle ihre Anträge wurden abgeklatscht. Ringier hingegen scheiterte lediglich mit seinem Versuch, die Persönlichkeitsverletzung wegzukriegen.

Aber frei von juristischen Kenntnissen trällerte ein Jubelchor um den Vorsänger Pascal Hollenstein von CH Media, dass hier ein grandioser Sieg eingefahren worden sei.

Auch im Fall des bigotten CVP-Politikers Christophe Darbellay, der christlich-katholische Werte in der Ehe hochhielt, sich aber einen Seitensprung mit Folgen leistete, sagte sie zu diesem befremdlich-skandalösen Verhalten, es gebe «kein öffentliches Interesse an Moralisierung eines Seitensprungs einer exponierten Person».

Damit zeigte Zulauf bedenkliche Unkenntnis der Grundlagen des Medienrechts, was ihren Fanclub aber nicht weiter stört. Mit dem missbrauchten Begriff des Persönlichkeitsschutzes versucht sie, Heuchelei, selbst an die Öffentlichkeit gebrachtes Fehlverhalten zuzudecken.

Ein Porträt sollte vielleicht Gegenstimmen enthalten

Auch Patrizia Laeri hat sich der Unterstützung von Zulauf versichert. Das brachte ihr bereits zwei Klatschen vor zwei verschiedenen Gerichten ein. Der Versuch, mittels superprovisorischer Verfügung einen Laeri-kritischen Beitrag auf «Inside Paradeplatz» zu löschen, scheiterte zweimal. Indem gleichzeitig ein Bezirks- und ein Handelsgericht angerufen wurde, verdoppelte sich zwar die Honorarnote der Anwältin. Da man aber nicht vor zwei Gerichten das Gleiche einklagen kann, schuf sie hier ohne Not einen Konflikt, weswegen sich das Gericht vorsichtig mal für «nicht offenkundig unzuständig» erklärte.

Nun sollte ein Porträt auf NZZaS-Niveau vielleicht auch Gegenschnitte, kritische Stimmen, Hinweise auf nicht Raumduft versprühende Eigenschaften der Porträtierten enthalten. Einen inzwischen pensionierten Tamedia-Anwalt zu zitieren, der neben leiser Kritik versöhnlich anmerkt, dass man sich – schlägt sich, verträgt sich – «später wieder zum Mittagessen traf» und man durchaus «mit ihr verhandeln» könne, das ist ja keine kritische Stimme, sondern ein winziges Feigenblatt auf einer Lobhudelei.

«Flair von Boston Legal»?

Erwähnungen weniger strahlender Seiten der Anwältin haben in einem Abknutsch-Artikel keinen Platz. Sonst könnte der sich am Schluss nicht in geradezu lyrische Höhen erheben: «Zulauf selber sieht sich als Verteidigerin der Qualitätsmedien. Wie sie sorge sie für Meinungsbildung innerhalb des Rechtsstaats. Nur ist ihre Waffe das Gesetz, der Minimalkonsens über gut und schlecht – immer gewürzt mit der richtigen Geschichte. Das ist das Material, aus dem Rena Zulauf Prozesse macht.»

Das ist das Material, aus dem journalistische Schmiere gemacht ist.