Schlagwortarchiv für: JP Morgan

Der Journalismus lebt an den Rändern

Nach «Infosperber» und «Inside Paradeplatz» ein weiteres Lob.

Der Titel ist vielleicht etwas sperrig: «tippinpoint». Mehr so was für Insider, dabei ist die von Beat Schmid gegründete Finanz-Plattform auch für Laien lesenswert. Nach einer längeren Karriere in den Mainstream-Medien hat sich auch Schmid entschlossen, es mit weniger Sicherheit, dafür mehr Spass und Möglichkeiten zu probieren.

Die Selbstbeschreibung: «Tippinpoint ist ein neues Wirtschaftsmedium für Finance, Sustainability und digitale Transformation. Das Medium analysiert und kommentiert die spannendsten Entwicklungen in der Finanzwelt.»

Dabei legt «tippinpoint» immer wieder den Finger auf Stellen, die andere übersehen oder nicht wahrnehmen wollen. Idealtypisch in jüngster Zeit ist eine Aufstellung über das Einkommen der beiden Credit-Suisse-Chefs. Dabei ergibt sich Erstaunliches:

«Auch ohne Bonus bleiben die Mitglieder CS-Konzernleitung Spitzenverdiener. Ihre Fixgehälter sind deutlich höher als bei grossen Wall-Street-Banken

Was breit vermeldet wurde: wie schon weiland Thomas Gottstein verzichten der CEO Ulrich Körner und der VR-Präsident Axel Lehmann verantwortungsbewusst auf einen Bonus. Obwohl sie unermüdlich bis zu sieben Tage im Einsatz seien, wie Körner an der Medienkonferenz meinte, als er den zweithöchsten Milliardenverlust aller Zeiten bekanntgeben musste.

Das hört sich edel an. Solange man nicht die Basissaläre der Zwei mit denjenigen ihrer Amtkollegen der grossen (und profitablen) US-Bankem vergleicht.

Jamie Dimon von JP Morgan, David Salomon von Goldman Sachs, James Gorman von Morgan Stanley, sie alle verdienen teils deutlich weniger als Körner. Schon Gottstein kassierte rund 3 Millionen fix, das dürfte auch beim aktuellen CEO der Fall sein. Im Vergleich dazu kassieren Dimon oder Gorman ein Grundgehalt von 1,5 Millionen – die Hälfte. Jane Fraser von Citi bescheidet sich sogar mit 1,33 Millionen.

Natürlich kommen da zweistellige Boni obendrauf – aber nur, wenn es der Bank auch gutgeht. So schmilzt die souveräne Geste bei der Krisenbank Credit Suisse bei genauerer Betrachtung wie Eis an der Sonne.

Schnäppchen

Bis gestern konnte man auf diese Yacht bieten. Auktion, schlappe 70 Mio. wert.

Zugegeben, es gibt grösser Yachten. Und neuere. Diese ist 2013 gebaut, hat die üblichen Annehmlichkeiten, kann 177’000 Liter Sprit tanken, auf 17 Knoten (33 km/h) beschleunigen und bei einer sparsamen Geschwindigkeit von 8 Knoten 5000 nautische Meilen (9260 km) zurücklegen, ohne nachzutanken. Eigentlich wäre sie so schlappe 70 Millionen Dollar wert, aber bei einer Auktion weiss man ja nie.

Vor allem, wenn es eine Zwangsauktion ist. Eigentlich gehört die Yacht dem Milliardär Dmitri Pumpyansky. Konnte der etwa die Benzinrechnung nicht bezahlen? Wurde die letzte Kaviar- und Wodkalieferung nicht beglichen? Nein, keines davon. Im Rahmen der Sanktionen wurde die Yacht im Hafen von Gibraltar beschlagnahmt. Denn der Besitzer ist natürlich ein russischer Milliardär.

Nun dürfen aber eigentlich beschlagnahmte Besitztümer nicht einfach verkloppt werden, heisst es doch immer. Auch wenn es ständig Forderungen gibt, auch in der Schweiz, dass man alles bei reichen Oligarchen Beschlagnahmte doch verkaufen sollte – um mit dem Erlös irgendwie die Ukraine zu beschenken. Was eine tolle Idee wäre, weil dort die Gesellschaft mindestens so korrupt ist wie in Russland.

Wieso dann diese Ausnahme? Weil der Milliardär einen Kredit an die US-Bank JP Morgan nicht zurückzahlen kann. Aha, und da hat dann die Bank in Gibraltar vorgesprochen, und die englische Gerichtsbarkeit hat in ihrer unendlichen Weisheit beschlossen: gut, wenn der nicht zahlt, dann wird verwertet. Und da haben wir ja zufällig seine Yacht bei uns im Hafen dümpeln. Die ist beschlagnahmt und stört, also weg damit.

Nun gut, wenn der Milliardär nicht zahlt, dann ist es doch wie bei jedem Schuldner üblich, dass man dann halt verwertet, was rumsteht und nicht lebensnotwendig gebraucht wird. Und selbst ein russischer Oligarch braucht nun keine Yacht zum Überleben. Aber wieso zahlt er denn nicht? Ganz einfach, er könnte schon, aber JP Morgan darf wegen den Sanktionen kein Geld von ihm annehmen.

Das nennt man auf Englisch «Catch 22». Der Doppeltrick. Was, Sie wollen und können Ihren Kredit zurückzahlen? So sorry, aber wir können ihr Geld nicht annehmen, damit ist der Kredit überfällig und wir verwerten.

Dabei gibt es noch ein weiteres Problem. Der Kredit läuft laut «Blick» über rund 20,4 Millionen US-Dollar. Es ist doch anzunehmen, dass bei der Versteigerung einer 70-Millionen-Yacht etwas mehr in die Kasse des Auktionshauses gespült wird. Davon gehen dann 20,4 Mio. an die Bank, das Auktionshaus kassiert auch für seine Bemühungen. Gibraltar wird die Liegegebühren geltend machen. Aber es bleibt wohl noch das eine oder andere Milliönchen übrig. Kriegt das nun der weiterhin rechtmässige Besitzer der Yacht? Aber nein, der ist doch sanktioniert.

Hat das alles etwas mit Rechtsstaat, Eigentumsgarantie, Unschuldsvermutung, kein Eingriff ohne rechtliche Grundlage und ohne die Möglichkeit, sich vor Gericht dagegen zu wehren, zu tun? Die Frage stellen, heisst sie beantworten.

Ausser, man kehrt ins Faustrecht und die Willkür zurück und sagt: reich, Russe, sowieso ein Gangster, der sein Vermögen gestohlen hat. Beweis? Beweis überflüssig. Gerichtsverfahren? Überflüssig. Urteil? Überflüssig.