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Muss das wirklich sein?

Die NZZaS lässt es knallen – als Wiederholungstäter.

Kommt bekannt vor: ein visueller und inhaltlicher Kracher auf der Frontseite, dann auf Seite 2/3 links Sprachnotstand im Editorial, daneben intellektueller und visueller Notstand.

Alleine die Headlines und die Ausstattung der Stücke rufen dem Leser zu: lies mich nicht, sonst wirst du die Verschwendung deiner Lebenszeit bereuen. Chefredaktor Beat Balzli verwirrt mit dem Titel «Heute macht der Säbelzahntiger mal Pause». Daneben walzen Alain Zucker und Peer Teuwsen eine Denkpause auf vielen Zeilen aus: «Die Sippenhaftung ist zurück», behaupten sie. Boykottaufrufe träfen «die Falschen», Israel sei «kein Apartheitstaat». Schludrige Formulierungen zeugen von schludrigem Schreiben:

Auf welchem Niveau wird hier geholzt?

«Als die Bewegung mit Wirtschaftsboykotten nicht weiterkam, hat sie sich zunehmend auf die Kultur kapriziert. Die Szene ist ein wildes Amalgam aus antisemitischen Kapitalismusgegnern, Russlandapologeten, Postkolonialisten und Mitläufern, die in holzschnittartigen Tiktok-Videos politisiert wurden und seither in moralischer Selbstzufriedenheit alles Israelische böse und alles Palästinensische gut finden

Das ist, mit Verlaub, gerüttelter Schwachsinn auf einem Argumentationsniveau, wie es Trump oder Vance auch nicht schlechter hinkriegten. Zudem wünschte man sich, dass die NZZaS mit dem gleichen Furor gegen die Ausformungen des Boykotts von russischen Künstlern vom Leder ziehen würde.

Beim Iwan hingegen darf der kalte Krieger Markus Bernath seine Betriebstemperatur hochschrauben: «Man darf sich nichts vormachen: Europa steht bereits in einem militärischen Konflikt mit Russland.» Man kann sich nichts vormachen: der Mann ist ein Kriegstreiber erster Güte.

Ein trauriges Kapitel ist die Gewichtung in dieser Ausgabe der NZZaS. Eine Seite nostalgische Verklärung von Robert Redford. Seine «Persönlichkeit war einzigartig». Nichts dagegen einzuwenden, er gehört auch zu den Lieblingen von ZACKBUM. Aber dafür ein paar lumpige Zeilen zum Tod von Fredi Heer? Das ist mehr als schäbig.

Dafür als Aufmacher auf der Seite «Nachrufe» die Nacherzählung des Lebens eines Überläufers aus Nordkorea, den nun wirklich niemand kennt. Das ist geradezu unverschämt.

«So sad», würde Trump zu dieser Ausgabe sagen. Dabei hätte er den Schnarch-Aufmacher der «SonntagsZeitung» noch gar nicht gesehen:

Und Zufälle gibt’s; auch auf Seite eins der SoZ:

Aber immerhin, der Tod von Fredi Heer schafft es hier auch auf Seite eins.

Auf Seite zwei lebt der ansonsten zurechnungsfähige und kompetente Arthur Rutishauser in seinem Editorial den Traum «wenn Wünschen helfen würde» aus. Und fantasiert: «Kurzfristige Interessen von Aktionären, die auf die schnelle Rendite aus sind, sollte man ignorieren. Die haben mit dieser Denke schon die CS und die Swissair ruiniert.»

Da aber diese Aktionäre Mehrheitseigner sind, lässt sich das schlecht ignorieren. Und CS oder Swissair wurden in erster Linie durch ein inkompetentes Management ruiniert.

Unwillkürlich an die Werbung «für ä tüüfä gsundä Schlaaf»® erinnert fühlt man sich beim Aufmacher von «Leben & Kultur». Als gälte es, eine Kriegsberichterstattung anzukündigen, hämmert der Lead:

«Philippe Zweifel hat sich für Sie durch Möbelhäuser, Testbetten und Rückenschmerzen gekämpft».

ZACKBUM hofft, dass dadurch kein neuer IV-Fall entstanden ist.

Nix audiatur

Die jüdische Lobby-Postille pfeift auf ihren Namen.

Die von Kastastrophen-Sacha Wigdorovitz gegründete und lange Zeit finanzierte Online-Plattform «Audiatur» hat edles Latein im Namen: «audiatur et altera pars», man höre auch die andere Seite.

Die andere Seite ist hier die israelische Sichtweise der Dinge. Natürlich völlig unkritisch, einseitig und parteiisch. Über die Kriegsverbrechen, die die israelische Armee im Gazastreifen verübt, wird grosszügig hinweggesehen.

Dass sich die Zivilbevölkerung von Gaza City gerade verpissen soll, denn die israelischen Streitkräfte möchten auch diese Stadt dem Erdboden gleichmachen – nun ja, wo gehobelt wird …

Dafür wird bejubelt und kritisiert, was der Meinung der Redaktion nach der israelischen Regierung nützt:

Besonders empfindlich reagiert die Redaktion, wenn es um angeblich «weltweit synchronisierte anti-israelische Beiträge» geht. Es handle sich hier um «eine international orchestrierte Medienkampagne». Der Artikel strotzt nur so von Polemik und unbelegten Behauptungen.

Wer wie Avaaz oder Reporter ohne Grenzen es wagt, die gezielte Liquidierung von Journalisten im Gazastreifen zu kritisieren, wird selbst mit Kritik überzogen.

Da die Plattform angeblich dafür ist, dass auch die andere Seite gehört wird, wollte ihr ZACKBUM gerne Gelegenheit geben, ihre Sicht der Dinge vertieft darzulegen.

Dafür bekam die Redaktion einen umfangreichen Fragenkatalog vorgesetzt:

In dem Artikel «Globale Medienkampagne gegen Israel» behaupten Sie, es gäbe «eine globale Medienkampagne gegen Israel», an der auch Schweizer Medien beteiligt seien.
Als Beleg führen Sie ein «Strategiepaper» von Avaaz an. Dabei unterstellen Sie der anerkannten Organisation, sie verbreite «weltweit synchronisierte anti-israelische Beiträge».
“Das Ziel besteht darin, Israel pauschal zu beschuldigen, es würde Journalisten in Gaza systematisch angreifen und die Pressefreiheit unterdrücken.”
In diesem öffentlich zugänglichen Papier heisst es hingegen:
«For 23 months, the Israeli authorities have refused to grant journalists outside of Gaza independent access to the Palestinian territory – a situation that is without precedent in modern warfare.»
Und weiter: «To date, at least 210 journalists have been killed by the Israeli military. Many more have been injured and face constant threats to their lives for doing their jobs: bearing witness.»
Gegen diese tatsächlich beispiellose Aktion gegen journalistische Berichterstattung setzen Avaaz und Reporter ohne Grenzen einen medialen Aktionstag, an dem gefordert wird, dass Israel die Grenzen zum Gazastreifen für internationale Journalisten öffnet und journalistische Tätigkeiten im Gazastreifen schützt.
Diese Tatsache und diese Zahl werden nicht nur von Avaar oder RSF verbreitet; auch europäische Regierungen kritisieren die israelische Regierung dafür scharf.
Sie schreiben dagegen: 
«In mehreren Fällen handelte es sich um Personen, die zwar als „Journalisten“ geführt wurden, jedoch aktive Mitglieder terroristischer Organisationen waren. So wurde etwa Anas al-Sharif, Reporter bei Al Jazeera, laut Angaben des israelischen Militärs als Hamas-Kämpfer identifiziert. Auch Abdullah Al-Jamal vom Palestine Chronicle entpuppte sich als Hamas-Terrorist, in dessen Haus drei israelische Geiseln festgehalten wurden.»
Dazu habe ich folgende Fragen:
1. Trifft es zu oder nicht, dass Israel internationalen Journalisten den Zugang zum Gazastreifen verweigert?
2. Wieso unterstellen Sie Avaar und RSF, mit ihrer Aktion für freie Berichterstattung aus diesem Kriegsgebiet betrieben diese NGOs eine «globale Medienkampagne gegen Israel»? 
3. Was ist daran «antiisraelisch», wenn Grundrechte der freien Berichterstattung auch aus Kriegsgebieten eingefordert werden?
4. Auch diverse europäische Regierungen und die EU kritisieren dieses Vorgehen Israels scharf. Sind die ebenfalls «antiisraelisch»?
5. Sie behaupten, mehrere der getöteten Journalisten seien «aktive Mitglieder terroristischer Organisationen» gewesen. Sie stützen das auf Angaben des israelischen Militärs. Diese werden von unabhängigen Beobachtern als nicht stichhaltig oder beweiskräftig kritisiert. Wieso unterschlagen Sie diese Einschränkung?
6. Sie publizieren als «Beweis» längst bekannte Fotos des gezielt getöteten Journalisten Anas al-Sharif mit dem Terroristen Yahya Sinwar. Was soll das – ausser einer Kontaktschuld – beweisen?
7. Wie steht es um die zusammen mit al-Sharif getöteten Journalisten und Mitarbeiter? Waren das auch mutmassliche Terroristen? Und wie steht es um die beim terrorristischen Zweitschlag auf ein Spital getöteten Journalisten? Ebenfalls Terrorverdächtige?
8. Aufgrund von einzelnen Aussagen von Avaaz-Mitarbeitern behaupten Sie, die Organisation sei «auf die konsequente Delegitimierung des jüdischen Staates aus». Wollen Sie damit Avaar unterstellen, dass die NGO das Existenzrecht Israels bestreitet?
Diese Fragen wurden der Redaktion am Dienstag letzter Woche gemailt. Als keine Reaktion erfolgte, wurde am Donnerstag nochmal nachgefasst und eine Nachfrist zur Beantwortung gewährt.
Die Redaktion blieb stumm.
Wie soll man die andere Seite hören, wenn sie verkniffen schweigt? Wenn sie gross im Austeilen und Kritisieren ist, aber ganz klein wird, wenn sie sich selbst kritischen Fragen stellen sollte?
Oder könnte es sein, dass die Redaktion von «Audiatur» selbst weiss, dass ihre Behauptungen in diesem Artikel aus der Luft gegriffen sind, damit ein Rohrkrepierer?

Die blinden Massenmedien

Worin unterscheiden sich deutschsprachige Mainstreammedien von Rodong Simun?

Zunächst einmal dadurch, dass die Parteizeitung ihre Auflage geheim hält. Und dass es in Nordkorea schwierig und gefährlich ist, sich anderer Informationsquellen zu bedienen.

Aber es gibt mindestens vier Themenbereiche, bei denen wenn schon nur alternative Nachrichtenquellen helfen, wenn man nicht die einzementierten Narrative und Framings der Mainstreammedien auf Deutsch sich ins Hirn hämmern lassen will.

  1. Ukraine/Russland

    Es ist Konsens: der russische Präsident Putin ist ein autokratisch regierender Verbrecher, höchstwahrscheinlich verrückt, der über ein korruptes Staatswesen regiert, durch Pseudowahlen an die Macht gekommen ist und aus reiner Paranoia die ständige Osterweiterung der NATO als Bedrohung seines Traums empfindet, das sowjetische Imperium wiederherzustellen.
    Dass die Ukraine fast ebenso korrupt ist, Milliarden westlicher Hilfslieferungen versickern oder Anlass zur Bereicherung bieten, dass Präsident Selenskyj, nachdem er von einem Oligarchen finanziert an die Macht kam, längst überfällige Wahlen per Kriegsrecht verhindert, nach Belieben seine Regierung und führende Militärs auswechselt, mit Pressezensur und Ermordung gegen oppositionelle Kräfte vorgeht – und nicht zuletzt mindestens so korrupt ist wie Putin: mag ja sein, aber er ist der Gute. Dass Hundertausende wehrfähiger Ukrainer nach Europa geflüchtet sind, dort von Sozialleistungen profitieren und gerne in ihrem SUV zwecks Ferien in die Ukraine fahren: Berichterstattung über seine Untaten und solche Auswüchse höchstens als Feigenblatt.

  2. Israel/Gazastreifen

    Die Kriegsverbrechen, die Israel im Gazastreifen begeht, die im Zusammenpferchen der überlebenden Palästinenser in Konzentrationslagern (sagt der ehemalige Ministerpräsident Olmert) enden sollen, aus denen es nur einen Ausweg geben darf; Ausreise ins Nirgendwo: verständliche Überreaktion eines ums Existenzrecht kämpfenden Landes. Angeführt von einem Ministerpräsidenten, der sich verzweifelt an sein Amt klammert, weil er sonst wegen Korruption ins Gefängnis wandern würde.
    Der wider jedes Völkerrecht Syrien, den Libanon und den Iran ohne Kriegserklärung bombardiert. Dessen Minister offen dazu aufruft, den syrischen Präsidenten zu ermorden. Wer das kritisiert, ist, inklusive Olmert, Antisemit: Berichterstattung darüber höchstens als Feigenblatt.

  3. USA/Präsident Trump

    Ein einzelner Mann, verurteilter Straftäter, notorischer Lügner, der eine historisch einmalige Selbstbereicherung betreibt, ist daran, mit einer irrwitzigen Zollpolitik (der Zollstick als neuer Big Stick) die Weltwirtschaft und die Ökonomie der USA ins Chaos zu stürzen. Gleichzeitig unternimmt er planvoll alles, die «checks and balances» auzuhebeln. Die Militärführung ist bereits ausgewechselt, die Gerichte werden verleumdet und entmachtet, die unabhängige Notenbank FED soll unter seine Kontrolle kommen, damit die irrwitzige Neuverschuldung durch Niedrigzinsen und eine Entwertung des Dollar abgefedert werden kann. Die Medien werden systematisch eingeschüchtert.
    Dagegen gibt es zwar massive Kritik all derjenigen Journalisten, die sich an Trump ihr Mütchen kühlen wollen. Aber in der deutschsprachigen Presse nur als oberflächliches Gewäffel, als schulmeisterliche Ratschläge und als untauglicher Versuch, ihn «wegschreiben» («Der Spiegel») zu wollen. Wieso fast die Hälfte der Amis ihn zum zweiten Mal gewählt haben: sind halt bescheuert. Mehr Analyse ist da nicht. Berichterstattung über seine Untaten: höchstens als Feigenblatt.

  4. Sudan und andere «Shit Holes»

    Die Massaker im Sudan mit Hunderttausenden von Toten und Millionen von Vertriebenen. Die Verbrechen der saudischen Diktatur (Ermordung eines Oppositionellen in der eigenen Botschaft, schmutziger Krieg gegen den Jemen), die unzähligen Menschenrechtsverletzungen von Regimes, die dem Westen freundlich gesinnt sind: Fussnoten, wenn  überhaupt.
    Eurozentristisch wird übersehen, dass lediglich eine Handvoll Länder die Sanktionen gegen Russland mittragen. Weil der übrigen Welt die Doppelmoral und Heuchelei des westlichen Lagers, der USA, Englands samt dessen ehemalige Kolonien und der EU unerträglich sind. Rund 180 Länder der Welt sind halt nicht auf unserem zivilisatorischen Stand. Blöd nur, dass die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, China und Südafrika, samt Zugängen) vor allem wirtschaftlich (und auch militärisch) aufholen. Berichterstattung darüber: höchstens als Feigenblatt.

Der mündige Staatsbürger in Europa und auch der Schweiz hätte nun die Möglichkeit, sich mit eigener Anstrengung anderweitig zu informieren. Aber wer hat schon die Zeit und die Energie dafür, wer will sich die Mühe machen, wo doch die Dröhnung der Mainstreammedien ihm handliche, einfache Erklärungen für die Weltlage liefert. Dass die Wirklichkeit diesen terribles simplificateurs immer wieder zeigt, dass solche Holzschnitzereien und Schwarzweissmalerien an der Komplexität der Realität zerschellen: je nun, dafür gibt es dann eine neue, holzgeschnitzte Erklärung. Leicht verdaulich und widerspruchsfrei. Obwohl die Welt voller schreiender Widersprüche ist, deren Darstellung eine interessante journalistische Herausforderung wäre.

Aber genauso, wie die lokale Berichterstattung, weil kostenintensiv, von den modernen Elendsmedien zusammengeholzt wird, findet Auslandberichterstattung in Form von Agenturmeldungen oder von vereinzelten Korrespondenten statt, die von einem festen Wohnsitz aus ganz Lateinamerika, ganz Asien, ganz Afrika, den ganzen Osten bestreichen müssen.

Als ob ein Korrespondent in Oslo in der Lage wäre, die Feinheiten spanischer Separationsbewegungen, der italienischen Innenpolitik oder das Handeln des französischen Präsidenten Macron in aller gebotenen Tiefe darzustellen. Von der Schweizer Innenpolitik, alleine schon aus Deutschland beobachtet, ganz zu schweigen.

Lerne, deinen Verstand zu brauchen, hoffte noch Immanuel Kant, der darin den Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit sah. Aufklärung ade. Heute gilt der Satz, der Sokrates zugeschrieben wird: Der grösste Irrtum des Menschen ist seine Meinung.

Das gilt natürlich auch für diese Meinung …

Grenzen

Ist es schlimm, wenn die offene Debatte stirbt?

Israelische Kriegsverbrechen. Heikel, von Antisemitismuskeulen umstellt.

Klimawandel. Heikel, schnell ist man ein Klimaleugner, obwohl das ein selten bescheuerter Ausdruck ist.

Alles, was mit rund 165 verschiedenen Gendern zu tun hat. Schnell ist man ein Sexist und Gegner der Inklusion.

AfD in  Deutschland. Wenn die CDU ihre Programmpunkte übernimmt, ist das gut. Wer das Original dafür lobt, ist ein rechtsradikaler, angebräunter Hetzer.

Und die Grünen. Ist das nicht die opportunistischste, wendehalsigste, für Posten und Machterhalt alle Prinzipien aufgebende Partei, seit dem Zweiten Weltkrieg? Aber immer der moralische Zeigefinger in der Luft.

Asylanten und Immigranten. Wer darauf hinweist, dass sich Europa (und die Schweiz) damit gröbere Probleme geschaffen haben, ist ein Fremdenfeind, ach was, ein Rassist.

Ausufernder Sozialstaat, nicht länger bezahlbare Renten. Sozialdarwinist, hat kein Verständnis für die Armen und Bedürftigen. Wobei doch die Armut, trotz allen Anstrengungen, immer weiter zunimmt, gerade in der reichen Schweiz.

Wer zwischen Trump und Putin nur graduelle Unterschiede sieht, setzt sich gleich zwischen alle Stühle.

Unbezahlbare Schuldentürme der wichtigsten industrialisierten Länder, der geniale Täuschungsbegriff vom Sondervermögen. Schwarzseher, das wird alles durch ein gesteigertes BIP weggeputzt. Oder durch Zölle.

Die Corona-Krise, an der sich dank unfähigen Regierungen Pharmakonzerne und sogar zwei Maskenkids in der Schweiz dumm und krumm verdienten. Allgemeine Aufrüstung, Waffenhersteller auf der ganzen Welt können ihr Glück nicht fassen. Wohl ein Systemkritiker, der so was sagt, hat doch keine Ahnung.

Der Iran wird angeführt von fundamentalistischen Ayatollen; der Bevölkerung kann man nur wünschen, dass die hinweggefegt werden. Saudi-Arabien wird angeführt von einem fundamentalistischen Wahnsinnigen, der auch mal einen Oppositionellen in Einzelteile zerlegen lässt und seit Jahren einen schmutzigen Krieg im Jemen führt.

Moment, Iran ist Bestandteil der Achse des Bösen und der Terrorunterstützer, Saudi-Arabien ist ein Verbündeter des Westens.

Russland ist korrupt und wird autoritär regiert, eine einigermassen freie Presse gibt es nicht. Die Ukraine ist korrupt, wird autoritär regiert und eine einigermassen freie Presse gibt es nicht. Moment, die Russkis sind die Bösen, die Ukrainer die Guten.

Deutschland kennt Informationsfreiheit, aber Sender wie Russia Today oder Sputnik dürfen dort, wie in der ganzen EU, nicht empfangen werden. Will das völlig legale Internetradio Kontrafunk einen Bootsausflug auf dem Bodensee machen, können das linksradikale, gewaltbereite Chaoten verhindern. Keiner protestiert, niemand nimmt Notiz.

Man könnte die Beispiele ad libitum fortsetzen.

Was haben sie alle gemeinsam? Offensichtlich hat das dank Internet unendlich ausufernde Angebot an Informationen nicht dazu geführt, dass die breite Masse, die öffentliche Meinung qualitativ zugelegt hätte. Sich aufgrund leicht und für jeden erhältlicher Fakten, Analysen, Darstellungen eine eigen Meinung bilden möchte.

Im Gegenteil. Es wird immer einfacher, Etiketten anzukleben und durch ständige Wiederholung in die Köpfe zu hämmern. Statt den Kopf dazu zu benützen, wozu er eigentlich da ist, geben sich die meisten damit zufrieden, auf solch einfache und übersichtliche Art die Welt ordnen zu können.

Dass sich immer wieder herausstellt, dass es so einfach eben nicht ist, das vermag keinen Irrgläubigen zu irritieren, der zu wissen meint.

Ist die israelische Armee vielleicht doch nicht ein Hort von guten Friedensbringern? Sind die Werte der USA vielleicht doch nicht segensreich für die ganze Welt? Könnte es wirklich sein, dass die überwältigende Mehrheit aller Staaten die Sanktionen gegen Russland nicht mitträgt? Sind afrikanische Staaten nicht Opfer der Kolonialzeit und postkolonialer Ausbeutung? Sondern werden von ihren eigenen korrupten Diktatorenclans ausgebeutet?

Ging es dem durchschnittlichen Libyer unter Gaddafi, dem durchschnittlichen Iraker unter Hussein, nicht etwa besser als heute, nach der Befreiung von diesen grausamen Diktatoren?

Wer all das liest und ein wenig über diese Fragen nachdenkt, gehört heute bereits zu den happy few, die unter Umständen tatsächlich bereit sind, sich auf die anstrengende Tätigkeit einzulassen, die Welt und die Wirklichkeit verstehen zu wollen.

Bombenstimmung

Kaum ist mal kurz weg, dreht die Journaille wieder im roten Bereich.

War es nun der «wohl erfolgreichste Militärschlag aller Zeiten» (Trump) oder ein Flop. Wurde damit Irans Potenzial, eine Atombombe zu bauen, zerstört?

Oder ist es eine üble Verschwörungstheorie von CNN und der «New York Times», daran herumzumäkeln (auch Trump)? Die beiden Medien stützen sich immerhin auf einen Bericht der US-Geheimdienste, dass die Bombardierung von nuklearen Aufbereitungsanlagen im Iran durch gigantische Sprengkörper, über die nur die USA verfügen, diesen Bau höchstens etwas verzögert hat.

Während 400 kg hochangereichertes Uran längst in Sicherheit gebracht wurden.

Da gilt in den Medien mal wieder: wenn man nichts Genaues weiss, hat man wenigstens eine Meinung. Und hat man nicht mal die, hilft der «Experte».

Richtig scheisse lief es für die Sonntagspresse. Der GAU. Alle Werweissereien, ob die USA nun in den Krieg zwischen Israel und dem Iran eingreifen, scheiterten an der Deadline und dem blöden Zufall, dass nach Redaktionsschluss etwas passierte, was nicht bekannt war.

Selten waren die Sonntagszeitungen diesbezüglich so schnell Altpapier wie letzten Sonntag.

Inzwischen hat die erste Aufregung etwas gelegt, also muss der «Nachzug» ran. «Haben die Mullahs Trump ausgetrickst?», fragt sich bang der «Blick». «Achse Moskau–Teheran: warum die israelisch-amerikanischen Militärschläge Putin in eine heikle Lage bringen», wechselt die NZZ den Blickwinkel.

«Es wäre besser gewesen, das iranische Atomprogramm stärker zu zerstören», schulmeistert  Tamedia in typisch deutscher Manier. Kein Wunder, die Leihmeinung stammt von einschlägig als Fehlprognostiker bekannten Tomas Avenarius von der «Süddeutschen Zeitung».

CH Media hat offensichtlich eine Telefonleitung angezapft: «Ein wutentbrannter Trump massregelt Netanyahu und erreicht vorerst eine Feuerpause». Sagt aber eigentlich nur Trump. Also das mit der Feuerpause.

In solchen Fällen, wenn mangels Kompetenz keiner im deutschen Sprachraum was Genaueres weiss, helfen nur die Fragezeichen-Artikel. War’s das nun mit der iranischen Atombombe? Wollen die Ayatollen tatsächlich verhandeln? Kommt es in Teheran zu einem Regimewechsel, und wenn ja, wer übernimmt die Macht? Gar der Sohn des Schah?

Oder verstärken die Mullahs nun ihre Bemühungen, eine Atombombe zu bauen, weil nur sie einem Schurkenstaat wie Nordkorea die Sicherheit vor einer Invasion verschafft? Hat Israel mit der Drohung, sonst die eigenen Atomwaffen einzusetzen, die USA zum Eingreifen gezwungen? Wird die gegenseitige Beschiessung mit Raketen weitergehen?

Werden Bodentruppen eingesetzt? Wird aus dem Iran ein zweiter Irak? Gab es eine unmittelbar bevorstehende Bedrohung, die nach Völkerrecht einzig einen Präventivschlag legitimiert? Reicht die ewige iranische Drohung, den Staat Israel auslöschen zu wollen, dafür aus?

Stimmt mal wieder der Satz von Bertolt Brecht am Schluss vom «guten Mensch von Sezuan»: «Wir stehen selbst enttäuscht und sehen betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen»?

Erklärt die Schwarzweissmalerei «Netanyahu gut, Ayatoller böse» die Situation? Darf der Überfall Russlands auf die Ukraine mit dem Überfall Israels auf den Iran verglichen werden?

Bei all dem Gehampel kommt der Journaille etwas entgegen, was in solchen Fällen journalistisches Gold wert ist. Ein näherliegendes, eher hässliches Problem. Kosten die zu einem angeblichen Fixpreis gekauften neuen Flieger doch ein paar hundert Millionen mehr? Und wenn ja, wieso ist in unserer Landesregierung kein Sesselfurzer in der Lage, das Kleingedruckte in den Verträgen richtig zu lesen und zu interpretieren – obwohl es genügend Warnungen gab?

Muss nun die sauknapp ausgegangene Volksabstimmung wiederholt werden? Ist es nicht ein neues Trauerspiel, wie die Linken, einerseits durchaus aufrüstungswillig, das lauthals fordern? Während SVP, die Mitte und die FDP herumeiern?

Da wäre der zahlende Konsument durchaus dankbar, wenn er eine geldwerte Leistung für sein Abo kriegen würde. Statt Gedöns und weitgehend faktenfreie Meinung. Denn die hat er schon selber, und erst noch gratis.

Ist Israel alles erlaubt?

Protest bleibt aus, nicht mal die richtige Bezeichnung wird verwendet.

Angesichts des völkerrechtswidrigen Angriffs der israelischen Regierung auf den Iran wurde in der Hauptausgabe der deutschen «Tagesschau» von einer «Eskalation» gesprochen.

Auch die übrigen Massenmedien beschränken sich auf eine bewundernde Darstellung der Präzision des Angriffs, der technologischen und militärischen Überlegenheit Israels.

Die europäischen Regierungen und ihr grosser Bruder in Übersee vermeiden jede Kritik am Vorgehen und drücken höchstens ihre «Besorgnis» über Irans Atomwaffenprogramm aus.

Dabei ist in Erinnerung zu rufen, dass es klar definierte Kriterien für den Begriff Kriegsverbrechen gibt:

  • Tötung, Geiselnahme, Folter und Vergewaltigung von Zivilbevölkerung und Kriegsgefangenen
  • Angriffe auf die Zivilbevölkerung, auf Krankenhäuser, Kirchen, Schulen, Universitäten und Denkmäler
  • Plünderungen und Zerstörung von Eigentum
  • Angriffe auf humanitäre Hilfsmissionen, friedenserhaltende Missionen und auf Missionen des Roten Kreuzes

Alleine die gezielte Tötung von iranischen Professoren und Wissenschaftlern wäre selbst bei vorangehender Kriegserklärung, die Israel unterliess, ein Verbrechen, das geahndet werden müsste.

Dass hochrangige Generäle Opfer wurden, dafür könnte man cum grano salis noch Verständnis aufbringen. Man stelle sich aber das Aufheulen der Massenmedien vor, wenn es irgend einer Terrororganisation oder einem Staat gelungen wäre, die israelische Militärführung zu enthaupten.

Während die Tötung und Geiselnahme von Zivilbevölkerung durch die Hamas zu recht international verurteilt wurde, fällt die Beurteilung gleicher Verbrechen durch die israelische Armee im Gazastreifen deutlich milder aus.

Gleich verhält es sich auch mit den Angriffen auf humanitäre Hilfsmissionen oder beim Bombenterror im Libanon oder Syrien.

Bei Kriegshandlungen geht es immer in erster Linie um militärische Erfolge. Aber in einer modernen Gesellschaft ist die Propagandaschlacht um die Oberhoheit über Begrifflichkeit genauso wichtig. Auch in neutralen Staaten wie der Schweiz verhalten sich die Massenmedien wie weiland im Ersten und Zweiten Weltkrieg die nationale Kampfpresse.

Was die einen tun, ist verständlich, notwendig als Selbstverteidigung, provoziert von den anderen. Dubiose Führer wie Selenskyi oder Netanyahu handeln letztlich aus ehrenwerten Motiven. Ihre Gegner wie Putin oder der Ayatollah in Teheran sind abgrundtief böse und verächtlich.

Wenn jemand Kriegsverbrechen begeht, dann sind es die anderen. Die Eigenen, nun ja, die mögen vielleicht manchmal zu übertriebener Härte neigen, aber im Existenzkampf ist das erlaubt.

Man kann  diese Ansicht durchaus vertreten. Nur begibt man sich damit jeglicher Glaubwürdigkeit, verspielt das Vertrauen der Konsumenten dieser Newsplattformen. Also des Teils, der sich nicht in seiner gleichlautenden, vorgefassten Meinung bestärkt sehen möchte.

Der Teil, der gerne Erkenntnisgewinn, möglichst realitätsnahe Berichterstattung möchte, weder gegenüber der Hamas, dem Iran oder Israel besondere Sympathien hat, verabschiedet sich.

Der Unterschied zu gelenkten Staatsmedien in so vielen Staaten der Welt sollte doch sein, dass die angeblich freie Presse des Westens behauptet, in unerschrockener Unabhängigkeit zu «sagen, was ist», wie das der «Spiegel» bei seinem letzten grossen Relotius-Skandal einfältig kundtat.

Es mag eine intellektuelle Turnübung sein, ein Kriegsverbrechen als bedauerlichen, aber notwendigen Kollateralschaden schönzuschwatzen. Dem Opfer die Schuld zuzuschieben, hätte halt nicht Atomwissenschaftler werden sollen. Übergeordnete Gründe anzuführen, die das angeblich legitimieren. Aber in Wirklichkeit ist das nur Dummschwätzen.

Wer ein Kriegsverbrechen nicht als Kriegsverbrechen bezeichnet, wenn es von einer Macht verübt wird, der man sympathisierend gegenübersteht, verwischt diesen Unterschied zur Unkenntlichkeit. Wer die Ermordung von Wissenschaftlern neutral vermeldet oder gar als gelungenen Präzisionsschlag bejubelt, könnte genauso gut in Nordkorea oder Kuba als Journalist arbeiten. Er hätte keinerlei Adaptionsprobleme.

Ausser vielleicht sprachliche.

Die wahren Antisemiten

Sie heissen David Klein und Konsorten.

Der wegen Verstoss gegen die Antirassismus-Strafnorm einschlägig bekannte David Klein hat mal wieder eine Lanze gebrochen. Auf «Inside Paradeplatz» veröffentlichte er, was sicherlich anderswo abgelehnt wurde: «Wenn Schlagzeilen zu Schüssen werden».

Ein Amok erschoss in Washington zwei Israelis und skandierte danach «Free Palestine». Eine abscheuliche und sinnlose Tat. Aber noch widerwärtiger ist, was Klein daraus schlussfolgert: «Der Verdächtige? Er ist der Mörder.» Damit begibt er sich zunächst ausserhalb jeder Rechtsstaatlichkeit. So offensichtlich auch für den Mob diese Tat und seine Schuld sein mag: unsere letzte Bastion gegen Barbarei und Willkür verlangt, ihn als mutmasslichen Täter zu bezeichnen, der unschuldig ist, bis rechtsgültig seine Schuld erwiesen wurde.

Wer das ignoriert, ist ein Verächter der Rechtsstaats, der sich damit ausserhalb jedes vernünftigen Diskurses begibt. Aber Klein kennt wieder einmal kein Halten: «Die Saat dieses eliminatorischen Judenhasses wurde in den Redaktionsstuben genährt.» Eine Pauschalverurteilung jeder kritischen Berichterstattung über die Kriegsverbrechen, die Israels Armee im Gazastreifen begeht.

Indem die letzten Reste der Infrastruktur zerstört, zivile Opfer billigend in Kauf genommen werden, ist unter dem Deckmantel der Zerstörung der Hamas das erklärte Kriegsziel: die Bewohner des Gazastreifens sollen einfach verschwinden, sofern sie nicht zuvor verreckt sind. Wohin? Zunächst in angebliche Schutzzonen, die dann anschliessend gnadenlos bombardiert werden. Und dann? Irgendwohin, am besten ins Nirgends.

Wer zu kritisieren wagt, dass hier zurecht von einem Genozid gesprochen werden muss, begibt sich für wahre Antisemiten wie Klein in die Todeszone des Vorwurfs: diese Kritik ist antisemitisch. Es braucht nicht viel Dialektik, um umgekehrt zu konstatieren: solche verpeilte Irwische wie Klein befördern Antisemitismus, wie es die schlimmsten Feinde der verbrecherischen israelischen Regierung nicht könnten.

Klein verrichtet ungehemmt deren Geschäft:

«Das aktuellste Beispiel der Verbreitung einer modernen Ritualmordlegende gegen die Juden ist die BBC-Groteske der 14’000 Babys, die „innerhalb von 48 Stunden in Gaza zu sterben drohen“.
Die Berichtigung dieser monumentalen Falschmeldung, welche die Anti-Israel-Sturmtruppen bei SRF dankbar aufgesogen und ungeprüft verbreitet hatten, ist schwerer zu finden, wie die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen.«

Sturmtruppen? Klein adaptiert bewusst den Begriff «Sturmabteilung» (SA) der Nazis und verwendet ihn zur Denunziation der Berichterstattung des Gebührensenders SRF. Dessen Darstellung des Vernichtungskriegs im Gazastreifen mag nicht über jeden Zweifel erhaben sein. Aber eine solche Verleumdung hat sie nicht verdient.

Neben vielen anderen kritischen Stimmen wagt es inzwischen sogar der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz, trotz der lastenden Schuld des Holocaust, klare Worte zu sprechen: «Die Zivilbevölkerung derart in Mitleidenschaft zu nehmen, wie das in den letzten Tagen immer mehr der Fall gewesen ist, lässt sich nicht mehr mit einem Kampf gegen den Terrorismus der Hamas begründen.» Und: «Das, was die israelische Armee jetzt im Gazastreifen macht: Ich verstehe offen gestanden nicht mehr, mit welchem Ziel.»

Er schliesst sich damit der Kritik an, die auch israelische Verbündete wie England, Frankreich oder Italien äussern. Von der UNO («Die gesamte Bevölkerung Gazas ist von einer Hungersnot bedroht. Familien müssen hungern, und ihnen wird das Nötigste vorenthalten – und das alles vor den Augen der Weltöffentlichkeit») ganz zu schweigen. Sicherlich alles Antisemiten.

Dagegen verortet Klein die Vorbereitung des geistigen Nährbodens, der zu den Schüssen in Washington geführt haben soll, eindeutig in den Medien: «Wer Israel – stellvertretend für alle Juden – über Monate und Jahre hinweg mit einseitiger, unverhältnismässiger und faktenwidriger Kritik an den Pranger stellt, muss sich nicht wundern, wenn sich diese hetzerische Praktik irgendwann in Kugeln entlädt.»

Zunächst: Israel steht nicht stellvertretend für alle Juden. Die Kritik richtet sich weder gegen die Juden, noch gegen Israel. Sondern einzig und allein gegen die kriminelle Politik der Regierung, angeführt von einem per internationalem Haftbefehl gesuchten Ministerpräsidenten, der sich an sein Amt klammert, um dem Knast wegen Korruptionsanklagen zu entgehen.

Und keinesfalls ist jede Kritik an «Israel» einseitig, unverhältnismässig oder gar faktenwidrig. Noch viel weniger löste sie das Verbrechen in Washington aus.

Aber auch das ist sicherlich wieder antisemitisch.

Zum Schluss seines eigenen antisemitischen Rundumschlags kennt Klein keine Grenzen mehr:

«Der Mörder von Washington hatte seinen Finger am Abzug – aber das geistige Magazin wurde über Monate und Jahre geladen. Mit Schlagzeilen. Mit Meinungsstücken.
Mit der selbstgerechten Doppelmoral einer Medienmeute, die den Überblick längst verloren hat, aber weiter so tut, als hätte sie den moralischen Kompass gepachtet.
Es ist Zeit, dass sich die Redaktionen auf ihrem Feldzug gegen Juden und Israel fragen: „Was richten wir mit unserer Sprache an?“ Worte töten nicht – aber sie nähren tödliche Gedanken.»

Dabei hat alleine Klein den moralischen Kompass verschluckt. Und bedient sich ungehemmt des Vokabulars der Nazis («Medienmeute»). Hier werden Menschen zur tierischen Meute, zu Jagdhunden degradiert.

In seinem Furor wird es ihm keine Sekunde lang bewusst, dass er mit seinen haltlosen Behauptungen nicht nur bei dafür empfänglichen Lesern Antisemitismus befördert. Was ihn im Zirkelschluss zur Ansicht verleitet: alle, die meine absurden Ausführungen kritisieren, sind Antisemiten.

Was ihn davon enthebt, sich über die Folgen seines verantwortungslosen Geschreibsels im Klaren zu werden. Einer der Unterschiede, der eine vorbehaltlose Kritik an den verbrecherischen Amoks der Hamas erlaubt, ist der, dass das fundamentalistische Wahnsinnige sind, die sich durch ihr Handeln ausserhalb der zivilisierten Gemeinschaft begeben.

Wer aber in einer solchen lebt, missbraucht wie er die Meinungsfreiheit dazu, sich auf ihr Niveau herabzubegeben. Auch für die Hamas gilt keine Unschuldsvermutung, gibt es keinen rechtsstaatlichen Prozess, der erst die Schuld eines bis dahin Unschuldigen beweist. Auch für die Hamas ist keine Kritik an ihren Entscheidungen erlaubt. Bei ihr ist das absurde Argument, dass das Widerworte gegen den Willen Allahs seien. Bei Klein sind das Widerworte, die mit der Antisemitismus-Keule niedergemacht werden müssen, weil nur er im Besitz der einzigen Wahrheit ist.

«Worte töten nicht – aber sie nähren tödliche Gedanken», schliesst er seinen Amoklauf ab. Auch seine Worte töten nicht, aber sie nähren antisemitische Vorurteile mit verantwortungslosen Tiraden.

 

Die Judenfrage

ZACKBUM begibt sich mutig auf dünnes Eis.

Ist Kritik an Israel, einem jüdischen Staat, erlaubt? Oder ist das gleich Kritik an «den Juden» und damit antisemitisch?

«Der jüdische Schriftsteller Thomas Meyer findet die Parteinahme von Nemo «dumm» und erklärt, warum wir Schweizer ein sehr spezifisches Antisemitismus-Problem haben.»

So leitet die «SonntagsZeitung» das Interview mit Meyer ein. Ginge es nach dem Schriftsteller, stünde bereits das Adjektiv «jüdisch» unter strengem Antisemitismusverdacht. Allein darin zeigt sich die Absurdität seiner Position.

Er wertet, urteilt, qualifiziert und denunziert. All das mit der Massgabe: «Ich finde jegliche Parteinahme dumm.» Also sind seine Parteinahmen auch dumm. Oder ist das bereits antisemitisch?

Dabei widerspricht er sich gleich selbst.

Auf die Frage, ob denn in keinem Konflikt eine Parteinahme erlaubt sei, antwortet er: «Natürlich nicht. Beim Ukraine-Krieg oder den Nazigräueln ist der Fall klar. Der Israel-Palästina-Konflikt aber ist so alt und komplex, dass man sich als vernünftiger und intelligenter Mensch keine Parteinahme leisten sollte.»

Ist im Ukrainekrieg der Fall wirklich «klar»? Ist dessen Geschichte nicht auch alt und komplex? Und worin bestünde dann diese «Klarheit»? Urteilen also nur unvernünftige und blöde Menschen über den Palästina-Konflikt? So wie er es weiter unten auch tut.

Man dürfte also weder die Verbrechen der fundamentalistischen Wahnsinnigen von der Hamas, noch die Kriegsverbrechen der israelischen Regierung verurteilen? Es wäre nicht erlaubt, darauf hinzuweisen, dass der Ministerpräsident Netanyahu, der sich an sein Amt klammert, um dem Knast wegen Korruptionsanklagen zu entgehen, auf einer Fahndungsliste steht und eigentlich in jedem Land, das er besucht und das die Hoheit des Internationalen Strafgerichtshof anerkennt, verhaftet werden müsste?

So wie Putin, so wie die führenden Verbrecher der Hamas?

Noch mehr Unausgegorenes: «Parteinahme wertet bloss. Sie sagt: Dieses Leid ist schlimmer als das andere. Das halte ich für zynisch.» Man sollte also angesichts der völligen Zerstörung der Infrastruktur im Gazastreifen, der verbrecherischen Blockade jeglicher Hilfslieferungen an die leidenden Hunderttausenden von unschuldigen Zivilisten nicht parteilich werten dürfen, weil man dann bereits Antisemit sei? Und das Leiden der israelischen Geiseln sowie den terroristischen Angriff der Hamas damit als weniger schlimm taxierte?

Dass Meyer diese naheliegenden Fragen nicht gestellt wurden, zeugt von der Beisshemmung des Interviewers Christian Brüngger. Der ist «ist Redaktor, er kam 2001 zum Tages-Anzeiger. Er schreibt für das Ressort Reportagen & Storytelling. Davor arbeitete er viele Jahre fürs Sport-Team. Er studierte Geschichte und Filmwissenschaften in Zürich.» Also ein rundum qualifizierter, gut vorbereiteter Journalist, der hier seine Schleimspur hinterlässt.

Genauso hanebüchen ist Meyers Unterstellung aller Schweizer unter einen Generalverdacht. Die Schweiz habe seit den Pogromen im 14 Jahrhundert keine «Extreme» erlebt: «Viele Schweizerinnen und Schweizer glauben deshalb, das Land sei frei von diesem Problem. Das verleitet zu sagen: «Ich bin kein Antisemit, weil ich ja Schweizer bin. Und ausserdem ein guter Mensch.» Das führt dazu, dass man sein antisemitisches Gedankengut nicht als solches erkennt.»

Schön, dass Meyer, im Besitz eines geeichten Messgeräts für Antisemitismus, «vielen Schweizern» in die Fresse hauen kann, dass sie eben doch Antisemiten seien, es bloss nicht merkten. Denn auch wenn sie es nicht wissen, er weiss es:

«Alle Menschen, die mir antisemitische Dinge ins Gesicht sagten, waren überzeugt, keine Antisemiten zu sein. Vielmehr war in ihren Augen ich das Problem, weil ich angeblich überall Antisemitismus wittere.»

Wer also Meyer vorwirft, wie so viele andere, die die Antisemitismuskeule missbrauchen, selbst mit dieser Arroganz Antisemitismus zu befördern, ist in seinen Augen ein Antisemit. Dabei ist Kritik an den Untaten der israelischen Regierung keinesfalls per Definition antisemitisch. Sondern nötig und berechtigt. Es steht Meyer nicht an, hier den Schiedsrichter zu spielen, was zu sagen erlaubt ist und was nicht.

Seiner Logik folgend, dürfen nur Juden wie er Israel kritisieren: «Ich selber finde es, gerade als Jude, absolut unerträglich, in was für einen blindwütigen Verbrecherstaat sich Israel verwandelt hat.» Aber würde ZACKBUM als Nichtjude dasselbe sagen, stünde es bereits unter Antisemitismusverdacht, hätte Partei genommen, was Meyer ja eigentlich verurteilt, ausser, er tut es selbst.

Dass er die Parteinahme von Nemo und anderen Kunstschaffenden als «dumm» abqualifiziert, ist sein gutes Recht. Ist es dann auch möglich, seine Absonderungen als «dumm» zu bezeichnen? So als Nichtjude einem Juden gegenüber?

Folgte man seiner Aberwitzlogik, dürfte das allerhöchstens ein Jude tun. Das ist die gleiche woke Verpeiltheit, die fordert, dass nur Schwarze etwas über Angelegenheiten von Schwarzen sagen dürfen. Nur ein schwuler Schauspieler einen Schwulen spielen darf. Nur eine Frau über den Feminismus öffentlich nachdenken darf.

Meyer fordert einen «safe room» für alles, was mit dem Palästinakonflikt zu tun hat. In dem nur Juden Partei ergreifen dürfen, obwohl das eigentlich dumm sei.

Ein freier Diskurs, seit der Aufklärung unser probates Mittel zu Erkenntnisgewinn zu kommen, soll hier wieder in mittelalterliche Kerker der unberührbaren Themen gesperrt werden. Was die katholische Kirche damit angerichtet hat, ist bekannt.

Jeder Versuch einer Wiederholung ist strikt zurückzuweisen. Die Kirche masste sich an, als Verkünder des Wort Gottes über eine unumstössliche und nicht bezweifelbare Wahrheit zu verfügen. Wenn vergleichsweise kleine Lichter wie Meyer das auch für sich beanspruchen, machen sie sich nur lächerlich. Ein solches Urteil als antisemitisch zu denunzieren, was ja Meyers einziges, ärmliches Argument wäre, lässt die Frage aufkommen, ob dumm steigerbar ist.

Vermutlich ja.

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Der Artikel erschien zuerst auf «Inside Paradeplatz». 

Orwell lässt grüssen

Moskau feiert, Kiew feiert. Und Gaza wird zerstört und entvölkert.

Massenmedien, die den Anspruch auf Glaubwürdigkeit erheben wollen, sollten ein Mindestmass an Objektivität bewahren. Die es absolut nicht gibt, aber man könnte ja versuchen, sich ihr anzunähern.

Russland begeht den 80. Jahrestag des Sieges über den Hitler-Faschismus. Kein Land der Welt hat wie die verblichene Sowjetunion einen dermassen hohen Blutzoll (mehr als 27 Millionen Tote) und gigantische Zerstörungen durch den Angriffskrieg des Hitler-Faschismus erlitten. Die Westalliierten haben erst 1944 mit der Landung in der Normandie ernsthaft eingegriffen. Aus Furcht, dass die nach Stalingrad siegreiche Rote Armee ganz Europa, mindestens das ganze Deutsche Reich erobern könnten.

Winston Churchill, nie um ein offenes Wort verlegen, meinte nach dem Sieg: «Vielleicht haben wir das falsche Schwein geschlachtet.» Das war auch die Hoffnung der Soldateska um den Kriegsverbrecher Graf von Stauffenberg, die Hitler vergeblich aus dem Weg räumen wollte, um einen Separatfrieden mit dem Westen auszuhandeln, um dann gemeinsam die UdSSR zu vernichten.

Dass Präsident Putin den Jahrestag dazu missbraucht, den Überfall auf die Ukraine zu rechtfertigen, kann als Propagandagedöns denunziert werden. Es ist genauso dummes Gequatsche wie die Ankündigung Präsident Trumps, den Ukrainekrieg am ersten Tag, allenfalls nach 100 Tagen zu beenden.

Die westlichen Staatschefs glänzten in Moskau durch Abwesenheit, knirschend musste eingestanden werden, dass dennoch viele Führer grosser Staaten in Moskau anwesend waren, in erster Linie Chinas Präsident Xi.

Die Anwesenheit eines Vertreters der EU in Moskau wurde im Rahmen der Meinungsfreiheit und der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten hingegen harsch kritisiert.

Respektvolles Gedenken an die unvorstellbaren Opfer der Sowjetunion ist eine Sache. Das kurz erwähnen, um dann auf Putin einzuprügeln, ist eine andere, unerträgliche.

Der US-Regisseur und Oscar-Preisträger Oliver Stone lässt sich von «Russia Today» zitieren: «Vor Journalisten äusserte er seine Empörung über Geschichtsrevisionismus und russophobe Politik in der Europäischen Union. «Ich finde das echt krass und bin echt schockiert, aber es passiert».» Damit hat er, anwesend in Moskau, den Bereich des Erwähnbaren in den westlichen Mainstreammedien verlassen.

Dafür gaben sich an der Gedenkfeier in Kiew die wichtigsten Vertreter der EU ein Stelldichein. Deutschland, England, Frankreich, auch Polen, waren mit Präsident und Ministerpräsidenten anwesend. Dabei waren grosse Teile der ukrainischen Bevölkerung Helfershelfer des Faschismus, halfen willig dabei, Hunderttausende von Juden zu deportieren oder gleich vor Ort umzubringen.  Der Kriegsverbrecher Stepan Bandera wird bis heute im Westen der Ukraine mit Denkmälern und Heldenverehrung gewürdigt. Die Asow-Brigaden, eine kriminelle ukrainische Soldateska, halten sein Andenken und seine Ideologie weiter hoch.

Die Teilnahme russischer Vertreter an den peinlichen, kleinen Gedenkveranstaltungen in Deutschland (der 8. Mai ist nichtmal ein allgemeiner Feiertag) ist unerwünscht. Als Ausdruck höchster Toleranz werden die Denkmäler zur Erinnerung an den heldenhaften Kampf der UdSSR (noch) nicht geschleift. Kann aber noch kommen.

Die DDR feierte den 8. Mai als Tag der Befreiung, die wiedervereinigte BRD wenn schon als Tag der Niederlage.

Zudem ist die israelische Regierung rund um den zur Fahndung ausgeschriebenen mutmasslichen Kriegsverbrecher Netanyahu finster entschlossen, die letzten Reste der Infrastruktur im Gazastreifen zu zerstören. Seit Längerem werden keine Hilfslieferungen mehr nach Gaza durchgelassen. Die Bevölkerung sollte sich am besten in Luft auflösen – oder einfach  krepieren. Frauen, Kinder, Alte, das ist der israelischen Soldateska so egal wie zuvor der Hamas.

Auch das ist natürlich eine nicht ausgewogene Darstellung dieser Ereignisse. Aber Moskaus Siegesparade als reine «Propagandashow» zu denunzieren, über Kiew hingegen wohlwollend zu berichten, beim Völkermord im Gazastreifen so distanziert wie möglich der Berichterstatterpflicht nachzugehen, das hat nichts mehr mit geldwerten Leistungen zu tun.

Der Konsument würde gerne dafür bezahlen, in einer aus den Fugen geratenen Welt Orientierungshilfe, Einordnung zu bekommen. Für diese Hilfestellung wären viele gerne bereit, Abonnements zu unterhalten, die inzwischen auch nicht mehr ganz billig sind.

Obwohl seit Jahren das Prinzip herrscht: weniger Angebot für höhere Preise.

Stattdessen:

«Protzparade, wie Putin seinen Krieg rechtfertigt, Kriegspropaganda, Moskau schränkt das Internet ein, insgesamt 29 ausländische Staats- und Regierungschefs sollen russischen Staatsmedien zufolge an der Parade teilnehmen».

Oder gleich, auch «Die Zeit» zerstört ihr Renommee: «Die Erinnerung an den Weltkrieg muss eine Mahnung sein, Russland bei seinem Angriff auf die Ukraine zu stoppen.» Oder der «Spiegel»: «Ein Aussteiger berichtet, wie Putin die Geschichte missbraucht».

Dagegen Schalmeien bei der Beschreibung des Propaganda-Events in Kiew.

Schön, gibt es die Papstwahl. Da rücken die Verbrechen der israelischen Regierung im Gazastreifen, die allen Regeln des Völkerrechts widersprechenden Angriffe auf Syrien und den Libanon in den Hintergrund. Man stelle sich vor, Russland würde nicht nur in der Ukraine einen Krieg führen, sondern auch noch willkürlich umliegende Staaten bombardieren und attackieren.

Die Journaille würde sich nicht mehr einkriegen. Aus Furcht, mit der Antisemitismus-Keule erschlagen zu werden, wagt es kaum einer, an Israels völlig illegalen, menschenverachtenden Militäroperationen Kritik zu üben.

Dafür gibt es einen Stellvertreterkrieg um den European Song Contest in Basel. Soll Israel daran teilnehmen? Nemo, der Vorjahressieger, und viele andere Kunstschaffende haben sich dagegen ausgesprochen, die Veranstalter halten unverbrüchlich daran fest. Statt Friede, Freude, Eierkuchen, bereitet sich die Stadt auf Ausschreitungen und üble Zusammenstösse vor.

Natürlich sind alle Solidaritätsadressen an die verbrecherische Hamas verächtlich und zeugen von völliger Verspeiltheit. Aber dass Events, die Multimillionen von Zuschauern haben, ein Geschenk für alle sind, für ihre Anliegen einzutreten, kann wohl nicht überraschen.

Liest man hier Einordnung, Reflexion? «So tobt Basel», schreibt die bz doppeldeutig. Denn es steht ja auch noch die Meisterfeier an. Hier wird mal wieder «unabdingbare Verteidigung des Existenzrechts Israels» und «from the river to the sea» aufeinanderprallen. Natürlich unversöhnlich, und sicherlich auch gewalttätig.

Bemühen sich da die Medien, die Gründe für das Verhalten beider Antagonisten ihren Konsumenten verständlich zu machen? Die Frage stellen, heisst, sie zu beantworten.

 

Deutliche Fallhöhe

Auch der NZZ-Chefredaktor greift zum Griffel. Da wird’s peinlich.

Aber nicht für Eric Gujer. Während sich seine Kollegin Raphaela Birrer quengelig und widersprüchlich in Kleinklein verliert, zeichnet God Almighty der NZZ mal wieder die ganz grossen Bögen.

Schon die Illustration, eine animierte Erdkugel mit Bildstörung, ist nicht schlecht. Denn Gujer versucht mit seinem »anderen Blick», den ganz grossen Überblick im Durcheinandertal zu behalten, wie das Dürrenmatt nannte:

«Die grosse Weltunordnung: Kriege und Chaos sind die neue Normalität. Worauf müssen wir uns noch einstellen?»

Für das Haus der ordnungspolitischen Zwischenrufe ist der Zustand der Welt ein desolater: «Die Welt ist ein Kartenhaus. … Solche Zäsuren sind die Signatur unserer Epoche: der überstürzte Abzug der Amerikaner aus Kabul, der russische Überfall auf die Ukraine, die sadistische Orgie der Hamas. Über Nacht werden neue, meist blutige Fakten geschaffen.»

Da gab es die Nachkriegszeit von 1945 bis 2022. Kalter Krieg, Zusammenbruch des sozialistischen Lagers, Pax Americana. Vorbei: «Wer bereit ist, maximale Gewalt anzuwenden, wer bereit ist, dafür notfalls auch einen hohen Preis zu zahlen, der kann viel Macht an sich reissen.»

Knallhart analysiert Gujer Russlands Stärke, vielmehr Schwäche: «Sie ist gross genug, um ein wehrloses Nachbarland zu überfallen. Aber sie genügt nicht für einen überlegenen Gegner oder einen weiter entfernten Schauplatz. So erscheinen die Warnungen, Putin werde sich nach der Ukraine dem Baltikum zuwenden, als masslos übertrieben.»

Noch ein hübscher Satz: «Putin ist ein Meister darin, grösser zu erscheinen, als er ist.» Das ist ziemlich bösartig, denn bekanntlich ist Putin auch körperlich nicht gerade grossgewachsen.

Aber auch die USA wirkten inzwischen häufig hilflos. Sie konnten Israel nicht im Zaum halten, sie wagen es nicht, massiv gegen die Mullahs in Teheran vorzugehen. Schlussfolgerung: es gebe heute «keine globale Ordnung» mehr: «Alle Machtverhältnisse sind flüchtig; es herrscht Weltunordnung.»

Soweit kann man Gujer kritiklos folgen. Dann aber setzt er zu einem Loblied auf Israel an. Seine Verbündeten hätten unablässig vor einer Eskalation gewarnt, aber: «Hätten sie sich durchgesetzt, hätte Israel keines seiner Kriegsziele erreicht. Ohne Risikobereitschaft werden keine Konflikte gewonnen. Die Warnung vor einer Eskalation indes verkommt zur Ausrede für westliche Untätigkeit.»

Die ununterbrochene Reihe von Kriegsverbrechen, die Israel begeht (wie andere Akteure im Nahen Osten auch), dass der sogenannte Wertewesten sich nur dann als moralisch überlegen aufspielen dürfte, wenn er es auch wäre – das verliert Gujer doch recht massiv aus dem Blick.

Stattdessen setzt er zum Lob des skrupellos Handelnden an: «Damit sich die Lage verbessert, muss man aktiv etwas dafür tun und auch bereit sein, Risiken einzugehen. Wer nur abwartet, gewinnt nichts.
Die USA haben im Nahen Osten zu lange zugeschaut. Das genügt nicht. Die Europäer wiederum vertrauen darauf, dass der grosse amerikanische Bruder mit Moskau eine Lösung für die Ukraine aushandelt. Das genügt erst recht nicht. Eine stabile Ordnung stellt sich nicht von alleine ein

Nun traut sich aber Gujer nicht, konkreter zu werden, was denn aktiv getan werden müsse. Militärisches Eingreifen in den Nachbarländern ohne Kriegserklärung? Bombardieren von ausgewählten Zielen in Grossstädten ohne Rücksicht auf Kollateralschäden? Ist das nicht ganz furchtbar, wenn es Russland in der Ukraine tut? Ist es dann vertretbar, wenn es Israel im Libanon und in Syrien tut?

Oder könnte man sich nicht darauf einigen, dass reine Machtpolitik immer amoralisch ist, schmutzig und skrupellos? So wie sie der Nobelpreisträger und Kriegsverbrecher Henry Kissinger mit offenem Zynismus betrieb. Das wäre dann den «anderen Blick» zu Ende gedacht. Was Dürrenmatt konnte, wovor Gujer zurückschreckt.